Skeletons von Siberianchan ================================================================================ Prolog: Vorbemerkung der Übersetzung ------------------------------------ Lieber Leser - oder wohl eher: Liebe Leserin, man kennt mich eventuell bereits als Fanfictionautorin, wenn nicht - nun ja, lässt sich nicht ändern. Oder doch. Ich schreibe dieses Vorwort in der Hoffnung, dass es Missverständnissen vorbeugt. Lasst mich euch bitte klarmachen. Dies Ist Eine Übersetzung. "Skeletons" stammt nicht von mir; ich bin vor gut einem Jahr im Netz drüber gestolpert, hab es in einem Rutsch gelesen - und tja... Ich neige dazu, mich sehr schnell und sehr heftig zu verlieben, wenn es um gute Texte geht. Diese Fanfiction stammt von der amerikanischen Autorin Maiden of the moon, vor euch liegt eine von ihr autorisierte Übersetzung, die ich mir vorgenommen habe. Wer Kontakt mit ihr aufnehmen will findet sie hier: fanfiction.net: http://www.fanfiction.net/u/374373/Maiden_of_the_Moon Lifejournal: http://moon-maiden36.livejournal.com/ deviantart: http://maiden-of-the-moon.deviantart.com/ Ich hab den vagen Verdacht, dass sie sich über Feedback von euch freuen wird; entsprechend steht euch die Comment-Ecke frei, jedes Review wird selbstverständlich weitergeleitet. Ich hab ihre kompletten Kapitel übersetzt, mitsamt ihrer Vorbemerkungen und Schlusskommentare - meine Anmerkungen sind als solche zu erkennen und ich übernehme nur für diese die Haftung. ;) Eine Warnung zum Schluss: Diese FF beinhaltet slash. Und Elricest. Und Teenage-Dramen. Und bigotte Väter. Und freche kleine Schwestern, deren Hobby es ist, sich in das Liebesleben ihrer Brüder einzumischen(und dafür zu sorgen, dass diese ein gemeinsames Liebesleben haben). Wer mit einem dieser Themen nicht klarkommt - vor allem nicht mit den ersten beiden - dem sei geraten, doch lieber was anderes zu lesen. Und nun, da alles gesagt wurde, was gesagt werden musste - viel Spaß bei "Skeletons" Eure Sibi (PS: Liebe Operators - aus nachvollziehbaren Gründen betrachte ich dieses Vorwort als notwendig, um Verwirrungen vorzubeugen, bitte, lasst es stehen.) Kapitel 1: Letter one --------------------- Disclaimer: Ha ha. Author’s Note: Diese hier wurde durch die SÜSSESTE FMA-OVA inspiriert, die ich je gesehen habe. Ja, die ist sogar noch niedlicher als die mit den Chibis, wenn einer von euch weiß, worüber ich rede. Ich hab keine Ahnung, wo meine Freundin Su-chan die gefunden hat, außer, dass es auf youtube war, aber jetzt ist es nicht mehr da… na gut, ich will ja nicht spoilern, aber es geht vor allem um Edward Elrics hundertsten Geburtstag im Jahre 2005. Nun ja, ich für meinen Teil glaube ja nicht, dass Ed hundert werden würde. Sorry. Ich will ja nicht unken, aber wenn wir bedenken, was er alles durchstehen hat müssen – Tordurchschreitung (HÄUFIG), ein- bis zweimal sterben, die Automail, die ganzen Kämpfe und schon die ZEIT in der er gelebt hat, lässt ihn mich auf fünfzig schätzen. Maximal. Trotzdem… Der Film war so verdammt süß, ich musste das schreiben. Also viel Spaß! XD Warnungen: Elricest, Spoiler, für die, die die Birthday-OVA nicht gesehen haben(allerdings keine Spoiler für die Serie). Oh und ich hab ein paar „eigene Charaktere“ hier drin, alle auf Basis von Eds Enkeln in der OVA(dreimal dürft ihr raten, wem die ähnlich sehen – aber die ersten zwei zählen nicht) XXX X X X Ich erinnere mich nur schwach an meinen Namensgeber. Er starb, als ich sieben war. Und wenn man so jung ist, woran soll man sich da erinnern? Großvater war nur noch ein weiterer Verwandter. Von seinem freimütigen Wesen und seinem freundlichen Lächeln einmal abgesehen war er wirklich ziemlich ruhig… besonders als es auf das Ende zuging. Und er wurde immer so schnell müde; spielen konnte er mit meinem Bruder, meiner Schwester und mir vielleicht eine halbe Stunde, dann brauchte er eine Pause. Heute find ich es Wahnsinn, dass er so fit war, wie er nun einmal war: 100 Jahre und er konnte immer noch fluchen wie ein alter Matrose. Aber mit fünf willst man eigentlich nur durch die Gegend toben und das mit jemanden, der genauso quirlig ist wie man selbst. Meine deutlichsten Erinnerungen an ihn sind seine Gutenacht-Geschichten – er hat gern von einer Welt erzählt, die er sich ausgedacht hatte, er hat sie Amestris genannt. Alexander, Rosalie und ich liebten diese Geschichten, auch wenn sie ihn anscheinend immer traurig stimmten und er beim Erzählen sehr oft in die Ferne geschaut hat. Wir haben viele Sommertage draußen verbracht, taten so, als würden wir Gullydeckel transmutieren. Schon die bloße Vorstellung von Alchemie brachte uns zum Lachen und Großvater – inzwischen müde geworden – lachte mit uns. Sonst habe ich ihn nur so glücklich gesehen, wenn er sein Fotoalbum angeschaut hat. Er mochte Bilder. Einmal hat er mir erzählt, sie würden ihm helfen, sich zu erinnern, wer er war. Ich hab nur gegrinst, sechsjähriges Balg, das ich war. … er hat mir viele solcher Sachen erzählt, eigentlich ganz simple Aussagen, die aber viel mehr waren, als man auf den ersten Blick dachte. Ich glaube, Alex und Rosalie waren deswegen neidisch; die beiden haben Großvater geliebt und er wirkte immer irgendwie deprimiert, wenn er sie angeschaut hat. Einmal, da war sie vier, fing Rosalie an, zu weinen, weil sie dachte, Großvater hätte sie nicht lieb. Großvater war richtig erschrocken und er nahm sofort alle beide, Rosie und Alex, beiseite, um ihnen ein paar Fotos zu zeigen. Ich hab keine Ahnung, was er ihnen gezeigt hat; aber Rosalie wurde wieder fröhlich. Ich hab weiter ferngesehen, sie ignoriert, Balg, das ich war. Oder immer noch bin, das hängt vom Standpunkt des Einzelnen ab. Mom sagt, dass ich nicht nur Großvaters Aussehen geerbt habe, sondern auch seine ganze Art. Vielleicht ist das ja der Grund, dass er weniger Probleme damit hatte, mich zu bestrafen – und sobald niemand hinsah, allen Ärger mit einem Winken abzutun. … Das ist die letzte Erinnerung, die ich an ihn habe: wie er mir zuwinkt. Als Rosalie, Alex und ich an seinem hundertsten Geburtstag gingen, als er zu seinem Tee und seinen Fotos zurückkehrte. Ich hab gestrahlt, zurückgewunken und ihm gesagt, ich würde ihn später sehen. Seitdem sind zehn Jahre vergangen. X X X XXX Skeletons – Jeder hat seine Leichen im Keller XXX Es war ein friedlicher Nachmittag in ihrem Bezirk – genau die Art, die er besonders schätzte. Die Vögel sangen; die Blumen blühten; Alchemy, seines kleines, graues Kätzchen lag auf seinem Schoß, schnurrte zufrieden… und die ganze Welt war im Großen und Ganzen in Ordnung. Alexander Elric genoss genau dieses Gefühl in genau diesem Moment, während er zum leuchtend blauen Himmel hoch lächelnd ein Glas Eistee schlürfte. Ah, die kleinen Freuden des Alltags… Schritte informierten ihn über die Anwesenheit einer anderen Person. Der Junge erstarrte kurz, als er hochschielte- „Hey, Al!“, rief eine fröhliche Stimme in genau diesem Moment; eine Stimme so süß und dunkel wie Honig. Diese Stimme hätte er überall und jederzeit wieder erkannt; sie gehörte zu seinem älteren Bruder. „Ed!“ Alex grinste und stellte sein Glas neben sich auf den Servierwagen, als sein älterer Bruder erschien – die Verkörperung unverschämt guten Aussehens in seinem weiten, orangenen Muskelshirt und den engen Jeans – und sein typisches, schiefes Lächeln zeigte. „Was machst du denn, ich dachte, du sollst Mom helfen, die Kisten und den ganzen Kram aufzuräumen.“ Als er daran erinnert wurde, wand sich Edward leicht; richtete sich dann wieder mit einem lässigen Achselzucken auf(als könnte er damit sein Zusammenzucken überspielen). „Ja, weißt du“, setzte der Blonde selbstzufrieden an, als er sich neben Alexander niederließ, „Ich bin fertig und jetzt-!“ “EDWARD SIMON ELRIC, KOMM SOFORT ZURÜCK!”, hallte mit einem Mal der Schrei einer Frau – ihrer Mutter – von der Garage hinüber, so laut und gellend, dass sogar Alchemy alarmiert aufsprang und zur Tür flüchtete. „…“ Alex seufzte und blickte wehmütig auf seinen jetzt verschütteten Tee. Er brauchte einen neuen… Und eine saubere Hose. “Was machst du jetzt, Brüderchen?“ Edward – der trotz seiner jetzt etwas gekrümmten Haltung seinen Bruder deutlich überragte(und das, obwohl Alex nur ein Jahr jünger war) – zuckte wie unter einem Schlag zusammen. „Was ich mache?“, wiederholte er mit einem eindeutig beleidigten Unterton. „Warum gibst du immer mir die Schuld?!“ „Weil der Schuldige sonst Mom wäre?“, gab der andere trocken zurück(dabei fummelte er ärgerlich an seinen Hosen, wo der Zucker eben zu trocknen begann). „Da fällt mir nur eins ein: Args.“ Edward war überhaupt nicht begeistert von dieser Abfuhr. „Willst du es denn nicht auch mal von meiner Seite betrachten, Al...?“, wimmerte er, die goldenen Augen vor Schmerz weit auf gerissen. Er senkte den Kopf; sein heller, flachsfarbener Pferdeschwanz glänzte in der Frühsommersonne. Alex fiel mit einem Schlag auf, wie die langen, seidigen Strähnen in Edwards bloßen, schweißüberzogenen Nacken klebten, als er noch ein paar Zentimeter näher kam. Er roch nach frischgemähten Gras und einem würzigen, namenlosen Rasierwasser... Und zu seinem eigenen Entsetzen wurde Alex rot und wandte sich schnell um. „Nein!“, sagte er schnell und wohl auch ein wenig ärgerlicher, als es notwendig war. Er schon die Schuld auf seine nasse Hose. Verdammt. Das klingt dermaßen falsch-! „Komm schon, Edward, Mom ruft dich – und du bringst dich nur in noch mehr Schwierigkeiten, wenn du sie ignorierst.“ „Oh...!“ Ed blies die Wangen auf(dies tat er ziemlich laut) und spielte die beleidigte Drama Queen, die er ja auch war. “Schön!”, knurrte er awütend. “Aber erwarte nicht, dass ich das nächste mal für dich einspringe, wenn du... du...” Einen Moment lang grübelte er; ein breites, arrogantes Grinsen breitete sich langsam auf seinen entnervend sanften Zügen aus. Und als Ed sich – des besseren Effekts wegen – ein wenig weiter vorbeugte, ertappte Alex sich selbst, wie er in böser Vorahnung schluckte. “Das nächste Mal Zitronen aus dem Netz runerlädst.” „-!“ Das Gesicht des Brünetten explodierte in Magentarot; nervös spielte er mit seinen locker herunterfallenden Strähnen. Seine silbrig-nussbraunen Augen verhakten sich mit denen des Anderen, angefüllt von irritiertem Schreck. „Woher wusstest d- ich meine-!“ 'Oh Scheiße.' Das war verdächtig. Seufzend ließ der jüngere Teenager den Kopf hängen. Und wie auf Kommando grinste Edward siegesgewiss. Er kam bei Alexander immer durch, wenn er nur hartnäckig genug war. Oder mit genug schmutzigen Tricks spielte. Wie auch immer. „... Gut. Ich geh Mom helfen.“ „Danke!“, jubelte Ed, sprang auf die Füße und umarmte den Anderen schnell. Alex's ohnehin schon rosane Wangen feuerten, sein Körper versteifte sich in der flüchtigen Umarmung. „Ich schulde dir was, Bruderherz!“ Und mit einem Winken und einem Zwinkern war er innerhalb von einer Sekunde verschwunden. Da begriff Alex, dass sein Bruder es schon wieder getan hatte. „... Verdammt.“ Alex stöhnte, während er seine Füße Richtung Garage schleifte, verärgert darüber, dass er soeben reingelegt worden war. X Edward und Alexander Elric waren vieles füreinander – Brüder, Zimmergenossen(im Haus gab es nur drei Schlafzimmer und sowohl Rosalie als auch ihre Eltern brauchten alle ihren eigenen Raum) relativ gute Schüler... sie waren auch extrem stur, scharfzüngig und auch nicht gerade dafür bekannt, allzu fair zu kämpfen. Besonders nicht, wenn sie miteinander kämpften. Aber vor allem anderen fühlten sie sich zutiefst verpflichtet, das Gesetz des Gleichwertigen Austausches zu beachten – so, wie ihr Vater es ihnen beigebracht hatte. Als Alex also später am Abend Ed von der oberen Liege des Doppelstockbetts herunter kickte(und das im wahrsten Sinne des Wortes), damit er ihm half, die Kartons zu sortieren, die er aus der Garage zu räumen verdammt gewesen war, hatte der ältere Junge keine Wahl, als sich seinem Schicksal zu ergeben. „Verdammt, Al!“, heulte der Blonde, als er halbnackt und im Schneidersitz auf dem Boden neben das unteren Bett hockte und sich grummelnd durch einen kleinen Schuhkarton wühlte. „Nach der ganzen Arbeit, die ich hatte, um mich vor diesem Job zu drücken, hast du mich direkt wieder dafür herangezogen?“ „Falsch“, witzelte Alexander munter, während er den Deckel einer Kühlbox abnahm. “Ich hab dich für einen anderen Job herangezogen. Mom wollte, dass du ihr beim Sortieren von den Kartons hilfst. Jetzt will sie, dass ich besagte Kartons durchgehe – und du wirst mir dabei helfen.“ Edward seufzte, und mit einer hochgezogenen Augenbraue zog er einen auffälligen Ohrring aus einem Meer Küchenpapier; schnell legte er ihn beiseite. „Und was soll das ganze?“ „Frühjahrsputz?“, antwortete Alex trocken und gedämpft durch Karton, als er in eine große Box tauchte(Beim Klang seiner Stimme sah Al's Bruder amüsiert von seiner Arbeit auf und beobachtete den Hintern seines Bruders, wie er hin und her schwenkte, als er sich immer weiter in die Untiefen vorgrub). „Ich weiß nicht. Ich glaub, sie hat mal einen Garagenverkauf erwähnt oder so was...“ Ed schnaubte. „Nicht das Aufräumen“, korrigierte er schnell und dabei klang er aufgebracht. „DAS.“ Er schwenkte einen weiteren Gegenstand – ein furchtbar schmutziges, türkises Strumpfband – in Als grobe Richtung; er schien hin- und hergerissen zwischen Gelächter und Ärger. Alex setzte sich weit genug auf, um den gezeigten Gegenstand zu erkennen und wurde knallrot, ehe er sich wieder wegdrehte. „Das alles! Dieser Müll! Was soll das? Warum haben wir das?“ „Das gehört nicht wirklich uns“, brummte der Brünette und er klang immer noch sauer. (Ed, der entschieden hatte, dass er sich lieber mit dem Strumpfband amüsierte, benutzte es als Schleuder und schlug Alex ins Gesicht. Alex verzog das Gesicht und warf zur Antwort einen staubigen Globus auf seinen Bruder.) “Ich glaub, es gehörte Großvater.” Ed runzelte die Stirn. „Wirklich?“, murmelte er ein wenig neugierig, während er den Globus zwischen seinen Fingern drehte. „Welchem?“ „Dem toten – Großvater Elric.“ „Oh.“ Der Ältere gähnte gemächlich; die goldenen Augen halb geschlossen in müdem Interesse. „Würe erklären, warum es so viel ist. Aber warum haben wir es überhaupt noch. Warum hat Mom es nicht einfach weggeschmissen, als er den Löffel abgegeben hat?“ „Ed!“, rief Alexander aus, angewidert vom lockeren Tonfall seines Bruders. Er setzte sich wieder auf und klopfte den Staub von seinem T-shirt und seinen Hosen, während er ihn düster ansah. „Zeig wenigsten ein bisschen Takt, ja? Natürlich würde Mom nicht einfach alles wegwerfen – ich bin mir sicher, dass Dad sein Zeug durchsehen wollte. Großvater Elric war immerhin sein Vater.“ „Nun, er hat sich sicher Zeit dafür genommen – wenn er es überhaupt gemacht hat“, gähnte Edward. „Und sollte das der Fall sein, warum wurden WIR dafür rangezogen?“ „Keine Ahnung“, brummte Al, immer noch sauer. Er ging wieder dazu über, den Inhalt der Kühlbox untersuchen, wobei vergilbtes Zeitungspapier um ihn herum zerfiel wie Konfetti. „Vielleicht hat Mom mir die Box aus Versehen gegeben order vielleicht will die das Zeug da drin verkaufen oder vielleicht hat Dad es nie geschafft, da- da...“ Er stockte plötzlich, seine Stimme zitterte ein Mal, dann erstarb sie. Stille. Edward, der immer noch mit dem alten, braunen Globus spielte, schaute auf, irritiert durch die plötzliche Ruhe. „Al?“, versuchte er es und setzt sich auf. Warum war er so blass? „Alex?“ Auf den Knien lehnte der Teenager sich vor und stieß seinen kleinen Bruder in die Seite. „He, Alexander. Was ist los?“ Ein Schlucken; das Geräusch hallte seltsam wider in dem kleinen, orange-braun gestrichenen Schlafzimmer. Dann, während er seinen Bruder mit den merkwürdigsten Blicken bedachte, zog Alex etwas aus der Box, das wie ein verblasster Papierfetzen aussah. “Da...”, würgte er mit einer deutlichen Panik in der Stimme. “Da- das sind wir.” X So war es. Besser gesagt, das war, wie es schien. „W... was zur Hölle...?“ Edward starrte und nahm dann das Foto mit langen, zitternden Fingern auf. Das dünne Papier zitterte in seinen Händen; verblasste Farben schimmerten schwach im späten Sonnenlicht, das sich durch das Fenster ergoss. „Das können nicht wir sein – dieses Foto muss mehr als neunzig Jahre alt sein!“ Die Schätzung war gut. Den verblassten Sepiatönen nach zu urteilen, dem Graustich, die Kleidung, die die abgebildeten Jungen trugen und die aussahen wie aus dem frühen zwanzigten Jahrhundert... das Bild war eindeutig antik. Und das machte die lächelnden Gesichter, die zu ihnen hinauf schauten, nur noch unheimlicher. Alex, immer noch verständlicherweise überrascht, ließ das Kartondurchsehen sein und setzte sich neben seinen Bruder. „D... denkst du...“, flüsterte er, berührte eine Ecke des kleinen Fotos. Es hatte ungefähr die Größe einer Baseballkarte. „Denkst du, das könnte Großvater sein?“ Die Frage hing einen zögerlichen Moment lang in der Luft. Alexander fuhr schnell fort. „Ich meine, das ist eine Kiste mit seinem Zeug, nicht wahr? Und er hat Bilder geliebt. Und Mom sagt immer, dass du aussiehst wie er...“ Edward antwortete einen Moment lang nicht, er war vollkommen von dem Bild gefangen. Es war wie verhext, merkwürdig... zögernd strich er mit dem Finger über das Gesicht seines Doppelgängers, wie im Versuch, an das breite Grinsen anzurühren. Der junge Mann auf dem Bild strahlte weiterhin; das Kinn hochgereckt sah er fröhlich zu dem größeren Jungen auf, dessen Hand auf seiner Schulter lag. „Ich schätze, das macht Sinn“, gab er schließlich in einem Räuspern zu. Er legte das Foto beiseite, als hätte er sich daran verbrannt und drehte sich weg, spielte mit den langen Strähnen seines zusammengebundenes Haares. „Aber wenn das stimmt, wer ist das da bei ihm?“ Er zeigte vage auf den zweiten Mann, der auf erschreckende Art aussah, wie Alex. Der angesprochene Brünette konnte nur mit den Achseln zu zucken, um nicht seinen Doppelgänger anschauen zu müssen. Sein Lächeln war so strahlend, so hübsch; es tat weh, es anzusehen. Wem galt es? Woher kannten diese beiden Männer sich? „Denkst du, in der Box ist noch mehr?“, fragte Alex leise, drehte das Bild um, drückte die Gesichter in den Teppich. Es war zu viel... „Etwas über...“ Edward schnaubte und stand flink auf. „Wen juckt's?“, brummte er, wohl ein bisschen lauter, als unbedingt notwendig. „Es ist egal. Grovater kannte also jemanden, der dir ein bisschen ähnlich sah. So oder so hat es keinen Einfluss auf uns.“ Er machte eine Pause, wirkte ein wenig unsicher, was er noch sagen oder tun sollte, ehe er sich endlich entschied, zur Tür zu staksen. „Ich hab Hunger“, verkündete er dann. „Haben wir noch kalte Pizza?“ „Seh ich aus wie der Kühlschrank?“, brummte Alexander verärgert und winkte in Richtung seines Bruders ab. Er befasste sich jetzt mit dem verstreuten Packpapier, knüllte die Blätter zu einem einzigen, großen Ball zusammen. „Geh und schau selber nach.“ „Werd ich auch.“ Und das tat er. Und ließ Alex allein. „...“ Die Stille tat weh. Seufzend fuhr der Jüngere damit fort, das Schlafzimmer aufzuräumen und warf dabei in seiner Suche nach mehr Müll einige einzelne Socken in eine Ecke. Die ganze Zeit über lag das Foto neben seinem unteren Bett, es war nicht fähig, vergessen zu werden und ignoriert werden wollte es auch nicht. So abgelenkt er auch war, Alexander konnte nicht verhindern, dass seine Augen zu der hellen Rückseite des Fotos wanderten, dass sein Geist auf Wanderschaft ging, als er versuchte, die versteckte Botschaft zu entschlüsseln. Es war, als wollten die beiden jungen Männer ihm etwas sagen... etwas Wichtiges. Wer war er? Der Junge, der aussah, wie er? Der Junge, der ihren Großvater mit solcher Selbstverständlichkeit berührte und mit einer solchen Hingabe? Der Junge, den Großvater mit so viel Zuneigung und Sorge ansah? Wer? Noch bevor er wusste, was er tat, fühlte Alex, wie seine Füße ihn wieder zur Kühlbox trugen. Seine Arme schossen wie aus eigenem Willen vor und waren bald bis zu den Schultern in alten Zeitungen vergraben: grabend, suchend, nach etwas tastend, das er gerade nicht sehen konnte. Er fand es; die rechte Hand klammerte sich um etwas Hartes und Dickes. Kalt. Rau. Er zog es ohne zweiten Gedanken hinaus. „Ein Buch?“ Alexander blinzelte baff, während er auf den Hintern fiel und die Beine überschlug, auf dem Schoß seinen Fund. Es war ein Buch – ganz offensichtlich der Form und Größe nach zu schließen; schokoladenbraunes Leder umschloss einen Stapel gilbenden Pergaments – aber nicht die Art, die er bei seinem Großvater gesehen hatte. Edward senior war für seinen wissenschaftlichen Geschmack bekannt gewesen; er war nie jemand gewesen, der mit einem modernen Roman herumlungerte. Oder überhaupt etwas anderem, das auch nur einen Hauch von Fiktion oder Einbildung enthalten hatte. Das machte es so merkwürdig, dass dieses Buch sich in seinem Besitz befunden hatte; ein Buch, das – von ein paar komplizierten lateinischen Worten auf dem Deckel abgesehen – voller Selbstbewusstsein eine Art Haken zeigte und ein reich verziertes, drachenartiges Zeichen. Al konnte es kaum glauben, es war ihm unmöglich, seine Augenbrauen von seinem Pony fern zu halten, alser über das schwere Buch strich. „Ist das...“, murmelte er zu sich selbst, unfähig, seine Überraschung aus der Stimme herauszuhalten. „Ist das ein Tagebuch...?“ So sah es ganz sicher aus – jedenfalls mehr als nach einem Buch über Chemie. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden... Mit einem tiefen Atemzug brach Alex das Siegel; ließ die Seiten mit einer wahren Explosion von Staub aufblättern. X November 1921 Lieber Al, Als erstes lass mich sagen, dass ich selbst nicht glaube, dass ich das hier tue. Und ich weiß, wärst du hier, würdest du mich anschauen, als hätte ich den Verstand verloren. Aber gibt mir die Chance, mich zu verteidigen – das war nicht meine Idee. Es war Heidrichs. Er war's, der vorgeschlagen hat, dass ich Tagebuch schreiben soll(seine Worte, nicht meine), um – ich zitiere - „deine Gedanken über diese neue Welt aufzuzeichnen, dann kannst deinem Bruder alles erzählen, wenn du ihn findest.“ Meine Antwort war irgendwas Unflätiges, ich geb's ha zu, aber es war wohl ungefähr: „Ich schreibe keine Tagebücher.“ Und er hat daraufhin seine Aufforderung untermauert hatten, indem er das Wort „Tagebuch“ in „Beobachtungsprotokoll“ geändert hat. Ich hab ihm gesagt, er soll abhauen. Naja, anscheinend hat er trotzdem gewonnen, denn – hier bin ich und ich schreibe. Auch, wenn das kein Tagebuch ist – genauswenig wie ein Protokoll. Denn auch wenn es das ist, was er vorgeschlagen hat, es ist nicht das, was er gedacht hat. Oder was ich gedacht habe. Ich glaube, er hat's einfach nur satt, mich dumpf herumhocken und grübeln zu sehen. Und ich glaube, ich kann ihm das nicht einmal vorwerfen. Seit meinem unfeierlichen Erscheinen in dieser bescheuerten Welt sind zwei Monate vergangen und seitdem ist alles nur noch schlimmer geworden. Ich habe Arbeit, ich habe einen Mitbewohner, aber ich hab keinen Lebenswillen. (An dieser Stelle würdest du mich melodramatisch nennen, nicht war, Al?) Ich vermiss dich, kleiner Bruder. Ich kann nicht aufhören, an unser Zuhause zu denken, an unsere Freunde, an die Alchemie. Ich kann nicht aufhören, mir Sorgen um dich zu machen. Bist du in Ordnung? Funktioniert dein neuer Körper so, wie er soll? Ist der Plan vom Oberst aufgegangen? Ich muss es wissen – aber es gibt keinen Weg, es herauszufinden. Heidrich ist mir eine große Hilfe. Er hört mir zu und nennt mich nicht durchgedreht. Er bringt mich zurück, wenn ich in der Bar mal wieder zu viel getrunken habe. (Das passiert zu oft, ich weiß.) Und er war es, der mir dieses Tagebuch gegeben hat. Er macht sich Sorgen um mich und das, wo ich so eine Last bin. Und ich hab keine Ahnung, wie ich ihm seine Freundlichkeit je vergelten soll. Ich weiß, der Gleichwertige Austausch wird mich wieder einholen und in den Arsch beißen. Die einzige Frage ist wann. Aber jetzt kann ich nichts tun, als hier herum zu sitzen. Um diese Jahreszeit ist es kalt in München(da bin ich gerade, in einem Land, das „Deutschland“ genannt wird), deshalb sind alle Fenster geschlossen und verriegelt. Wir haben keine Feuerstelle oder genug Kerzen, also ist es dunkel – und kalt. Heidrich ist neben mir, er macht das Abendessen und ich schreibe am Küchentisch. Er hat versucht, heimlich über meine Schulter hinweg zu lesen, als ich angefangen habe zu schreiben(er möchte mehr über dich wissen, Al, aber ich erzähle nichts), deshalb schreibe ich das alles auf Englisch. Er kann Englisch nicht lesen und er mag es auch nicht. Er sagt, es ist ihm zu kompliziert. Aber ich mag diese Sprache; sie ist nah mit der verwandt, die wir zu Hause sprechen. Deutsch ist für mich schwieriger. Aber ich gewöhne mich daran. Ich hoffe, dir geht es gut, Al. Ich vermisse dich – ich vermiss dich wie wahnsinnig. Aber ich muss zugeben, mir geht es ein bisschen besser, nachdem ich das geschrieben habe. Vielleicht hatte Heidrich ja recht. Ich werde später wieder schreiben. Ed. X Alexander starrte auf die saubere, kursive Schrift, ohne zu blinzeln, träge fragte er sich, ob sein Herz wohl je wieder anfangen würde, zu schlagen. Als er das erste Mal 'Lieber Al' gelesen hatte, hatte es sich einen Moment lang angefühlt, als wäre dieser Brief dazu bestimmt gewesen, die Zeit zu überbrücken; seinen Weg zu ihm zu finden. Aber nein... Großvater hatte einen kleinen Bruder? Und was hatte es mit diesen anderen Welten auf sich? Ein neuer Körper? Ein Oberst? Alchemie? Das klang schon beinahe wie Großvaters Gutenachtgeschichten... Die ja wohl kaum wahr sein konnten, natürlich nicht. ... oder? „Hey, Al-“ (Alex machte beinahe einen Satz über eine Meile, er presste die Hand aufs Herz, als sein älterer Bruder seine plötzliche Anwesenheit kundtat) „Ich hab uns Piz-“ Der Blonde verstummte beim Anblick des runden Gesichtes seines Bruders. Während er verwirrt den Kopf hin und her bewegte, stellte der ältere Junge die Teller auf einem sehr unordentlichen Nachttisch ab und ließ sich neben den anderen auf den Boden fallen. „Was ist lo- he, wo hast du denn has gefunden?“ Er zeigte auf das Buch, seine Stimme verlangte unmissverständlich nach Antwort; seine goldenen Augen waren aufgerissen und blickten unschuldig-verwirrt drein. „In der Kühlbox?“ „Ein altes Brieftagebuch“, antwortete Alexander vorsichtig und legte das Buch auf den Boden zwischen sie – auf das Foto. „Briefe, die Großvater an seinen kleinen Bruder geschrieben hat.“ Edward schien überrascht. „Kleiner Bruder?“, wiederholte er baff. „Ich wusste nicht, dass Großvater einen Bruder hatte.“ „Nun ja...“ Alex räusperte sich leise und fuhr mit dem Zeigefinger ein unbestimmtes Muster auf dem Knie nach. „Vielleicht hatte er auch keinen.“ „Hä?“ Eine Pause, ein verzogenes Gesicht. „Was meinst du damit?“ Al zuckte die Achseln, er blickte merkwürdig ängstlich. „Im ersten Brief redet er die ganze Zeit über solche Sachen wie andere Welten und Alchemie... wie die Gutenachtgeschichten, die er uns immer erzählt hat. Vielleicht war er ja... also... du weißt schon...“ „Verrückt?“, vollendete Ed trocken. Sein Bruder nickte und fühlte sich ganz offensichtlich ziemlich durch den Wind – und ein wenig schuldig. „Hm. Kann sein, denk ich. Aber...“ Der Blonde stockte einen Moment, sah aus dem Fenster. Die Dämmerung war gekommen und gegangen; nun schien hell der Mond. „Aber hat Großvater dir nicht früher von seinem Bruder erzählt? Und dir Bilder gezeigt?“ „... was?!“ Edward winkte die Überraschung des Jüngeren ab. „Naja, denk mal an das eine Mal, als du... ich weiß nicht, fünf warst? Er hat dir und Rosie ein paar Bilder gezeigt, als wir ihn besucht haben. Ich hab sie nich geseh'n, aber ich erinnere mich, dass du ganz schön gefesselt davon warst. Waren sie von diesem Jungen?“ Er wedelte mit einem Finger in Richtung des Fotos, das unter dem Tagebuch lag. „Vielleicht ist ja er Geoßvaters Bruder. Das würde jedenfalls erklären, warum er sie euch gezeigt hat – du und Rosalie, ihr habt geweint, dass er euch nicht lieben würde, weil er immer so traurig geschaut hat, wenn er euch sah. Er muss die Ähnlichkeit zwischen euch gesehen haben. Vielleicht hast du ihn ja an seinen Bruder erinnert. „...“ Alexander schwieg verblüfft – starrte einfach seinen Bruder an. Edward, der mit einem plötzlichen Aufwallen von Verlegenheit feststellte, dass er soeben seinen Großvater verteidigt hatte(und so ganz nebenbei etwas erklärt, das die meisten Leute als sicheren Beweis für Wahnsinn betrachten würden) nahm einen hellen Magentaton an. „Nur eine Idee“, blubberte er, während er mit dem Teppich spielte. Al hustete. „Ähm... ja, also ich kann nicht wirklich... das ist... jetzt komm schon, ich war vier! Ich kann mich nicht daran erinnern!“ Seine Stirn runzelte sich gedankenvoll; er rieb die Faust daran und er sah zwiegespalten aus. „Aber ich glaube... aber eigentlich ist es egal...“ „Warum machst du deswegen überhaupt so einen Aufstand?“, fragte Edward gelassen, im Versuch, etwas von seinem 'männlichen Stolz' zu retten. „Es sind nur ein altes Foto und ein noch älteres Tagebuch. Warum schmeißen wir das nicht weg?“ Das provozierte jedoch eine sehr deutliche Antwort. „Nein“, erwiderte Alex ohne auch nur einen Moment zu zögern. „Nein, ich will es lesen.“ Ed – der trotz allem nicht wirklich überrascht war(sein Bruder war eine Art Historien-Fanatiker) – hob eine Augenbraue. „Warum?“ Es war eine simple Frage, mehr als simpel. Aber dennoch antwortete Alex eine ganze Weile... stattdessen starrte er auf die kurvig-kursive Schrift auf der Seite vor seiner Nase. „Ich will nur...“ Auf der Unterlippe kauend schickte Alexander seinem Bruder einen verzweifelten Blick. „Ich hab nur das Gefühl da ist etwas, das wir über ihn wissen sollten. Als wäre da eine allerletzte Gutenachtgeschichte, die er uns nie erzählt hat, obwohl er es wollte. „... hast du etwa schon wieder Zahnpasta verschluckt?“ „Ed!“ „Hey!“, rief Edward aus, hob verteidigend die Hände und lächelte leicht, duckte sich hinter dem Kissen. „Ich mach nur Witze! Mach was du willst; mich geht’s nichts an. Und außerdem, wenn Großvater wirklich irre war, gibt das vielleicht ne gute Idee für nen Roman oder so was.“ Typisch Ed. Nie ernst. Jedoch, als Alex die Seite umblätterte, um den nächsten Eintrag zu lesen, rührte sein Bruder sich nicht von der Stelle. Stattdessen hing er an seiner Schulter – ganz offensichtlich wollte auch er weiter lesen. Unglücklicherweise schien es, als würde dieser Eintrag ein bisschen mehr Arbeit erfordern, um ihn zu lesen: das Pergament war überflutet mit Tintenflecken und verschmiert mit irgendeiner Flüssigkeit. Selbst die Schrift an sich war merkwürdig missglückt, lief ineinander, als wäre da eine Art unsichtbarer Verkehrsunfall auf dem Papier passiert... X Dezember 1921 Al – ich halt das nicht aus. Ich kannnichichkannnichichkannnichich willdich sehen, jetztund ich will nich warten. Wobist du? Wo kannst du nur sein? Wartestduimmer noch hinterdemtor auf mich? Ich will jetztbeidir sein. Ich will dichjetzt seh'n. Ichwill dichjetzt. Ich vermissdich, Brüderchen. Ichvermissdeine Wärmeunddein Lächenundalles an dir.Ich will dichbei mirwill dichberühren-“ X Alexander schlug das Buch mit einem lauten SCHNAPP zu. Seine Augen waren weit aufgerissen; die Wangen kirschrot. Edward wiederum schien merkwürdig angetan. „Ich... ähm... ich glaub, er war betrunken“, fiepte Alex in schlichtem Schrecken. „Betrunken?”, wiederholte Ed lachend; sein Lächeln verzog sich in ein amüsiertes Grinsen. „Al – ich glaub, er war schwul.” XXX Oh, wie recht du doch hast, Edward Jr. XD Naja, egal. Hoffentlich werd ich das hier bald updaten – immerhin habe ich hübsche(und nicht ganz so hübsche) Pläne für beide Ausgaben der Elric-Brüder. ;) Ich hoffe, es hat euch gefallen! PS: Ich war mir nicht sicher, in welchem Jahr Edward auf unserer Seite des Tores aufgetaucht ist; aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es in den frühen 1920igern war... und dann hat er drei Jahre ohne Al verbracht? Richtig? Glaube ich...? Hilfe...? (stellt euch hier einen Schweißtropfen vor) Kommentar der Übersetzung: Ja, das war Kapitel eins. Lasst bitte ein Review da, Maiden und ich freuen uns beide sicher. :) Kapitel 2: Letter two --------------------- Disclaimer: Finger weg von Drogen. Die lassen euch nur seltsame Sachen denken. Wie zum Beispiel, das euch Dinge gehören, auf die das nicht zutrifft. (Drogen sind widerlich; Ich hasse sie und die Leute, die sich dafür entscheiden, sie sich in den Kopf zu schmeißen) Authors Note: Okay. Ich hatte in meinen Reviews eine Menge fragen über das letzte Kapitel, die dringend beantwortet gehören. Also, legen wir los! XD Bitte denkt daran, dass ich, da ich jetzt diese Fragen beantworte, eure Reviews todsicher ignorieren werde, wenn ihr in Zukunft irgendetwas gleichartiges fragt. Also geht sicher, dass ihr vorher die FAQs gelesen habt, wenn ihr irgendwas wissen wollt. FRAGE EINS: „Wie alt sind Edward und Alex(jetzt)?“ ANTWORT: Ich weiß, ich hab das nicht direkt gesagt, aber ihr Alter wurde in Kapitel eins erwähnt. Unser Ed ist vor zehn Jahren gestorben, als Ed Jr. Sieben Jahre alt war. Das macht ihn jetzt siebzehn. Alexander ist ein Jahr jünger, also sechzehn. (Schaut unten nach, was weitere Infos zu Ed und Alex betrifft.) FRAGE ZWEI: „Hä?! Aber wenn Al dort auf dem Foto ist, warum schreibt Ed ihm dann Briefe, als wäre er weg...? War er nicht am Ende des Movies mit Ed zusammen?“ ANTWORT: Die Einträge beginnen, bevor Al in unserer Welt auftaucht. Ich schätze, Ed und Al haben drei Jahre getrennt verbracht; seit Eds Auftauchen sind erst zwei Monate vergangen bis zum ersten Eintrag. :) FRAGE DREI: „Wusstest du, dass die Daten falsch sind? Es war 1921/1917/19 etc.“ ANTWORT: ... ähm... (hust) So oder so, ich hab mal nachgerechnet. Wenn Ed 2005 100 Jahre alt war, ist er 1905 geboren worden**. Das bedeutet, wenn er zu Beginn des Movies 18 war, beginnt der 1923. Also, ja, ich lag falsch. Er war ja am Ende der Serie... 16? (ja, sie sind um die drei Jahre getrennt) Also sollte dieses Tagebuch 1921 beginnen. Also ihr, die ihr auf 1921 bestanden habt – ihr habt gewonnen! *** Ich werd das in diesem Kapitel ändern und ich werd das in Kapitel eins ausbessern, wenn ich kann. :) FRAGE VIER: „Warum hast du Heidrichs Namen Hendrich geschrieben?“ ANTWORT: Weil ich nen Fehler gemacht hab...? Ähä... Tschuldigung. (kommt sich blöd vor) FRAGE FÜNF: (Gut, das war nicht wirklich eine Frage – aber das kam VERDAMMT oft und es hat mich WIRKLICH genervt) „Al ist nicht Alexander; er ist Alphonse.“ ANTWORT: ... wie bitte? Habt ihr euch das Kapitel vor dem Review schreiben überhaupt DURCHGELESEN? Ich will ja nicht unhöflich sein, tut mir Leid, aber das war meine erste Reaktion. Vielleicht waren einige von euch auch nur einfach durcheinander. Also gut. Edward Elric senior – der Fullmetal Alchemist – hat einen kleinen Bruder namens Alphonse; ja. Er nennt ihn Al; ja. DIESER Al ist der, an den Ed schreibt. Klar soweit? Klar soweit. Edward Elric junior – der Siebzehnjährige aus unserer Welt – hat einen kleinen Bruder namens ALEXANDER. NICHT ALPHONSE. Warum dachtet ihr, sein Name sei ebenfalls Alphonse? Weil Ed jr. ihn Al nennt? Wollt ihr den Grund dafür wissen?EDWARD ELRIC JUNIOR IST FAUL. Jepp. Alexander Alex zu nennen, ist ihm zu viel Arbeit. Also hat er es zu Al verkürzt. („Alex“ - „ex“ = „Al“). Das war so was, was ich entschieden habe, als ich ihre Charaktere entworfen habe. Da sich einige von euch genau darüber Gedanken gemacht haben, sind hier ein paar Steckbriefe von unseren neuen Charakteren: Edward Simon Elric Spitzname: Ed (und Alex nennt ihn manchmal „Brüderchen“) Alter: Siebzehn Erscheinungsbild: Groß(sein Opa wäre so neidisch); goldene Augen; langes, blondes Haar, das er als Pferdeschwanz trägt(manchmal auch offen) Lieblingsfarbe: Blau Lieblingsessen: Pizza mit Sauerrahm(das schmeckt!) Lieblingsbuch: Howl’s Moving Castle (Diane Wayne Jones) Sexuelle Orientierung: So schwul wies nur geht. XD (jetzt erzählt mir nicht, ihr habt das nicht kommen sehen) Tick: Ed erträgt den Geruch von French Toast nicht. Weitere Informationen: Ein mittelmäßiger, bis guter Schüler ohne wirkliche Interessen außer Kunst; Edward liebt Schauspielerei, Malerei und er singt gern (wenn niemand zuhört) unter der Dusche. Er mag auch Sport, wie Basketball und Fußball – allerdings mehr aus Spaß an der Freude(vor allem wenn er gegen Al spielt; es ist eigentlich nur eine weitere Entschuldigung um wieder mit ihm zu raufen.) Als älterer Bruder hat er einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt und war viel zu lange Zeit dafür bekannt, dass er Kerle zusammenschlägt, die seiner Schwester(oder seinem Bruder (hustet)) hinterher starren(sehr zu Rosalies Schrecken, wie man sich denken kann). Er hält allerdings nicht allzu viel von seinem Alten Herren – der ist irgendwie homophob(keine Ahnung, wie das passiert ist). Im großen und Ganzen ist Ed ein sehr umgänglicher, heiterer Mensch, der faule Nachmittage und Mittagsschläfchen sehr zu schätzen weiß. Alexander James Elric Spitzname: Alex (und Ed nennt ihn Al.) Alter: Sechzehn Erscheinungsbild: Durchschnittlich groß, silbrig-braune Augen, lange, bronzefarbene Haare, die er im Pferdeschwanz trägt.Lieblingsfarbe: Grün Lieblingsessen: Ramen mit Rind Lieblingsbuch: The DaVinci Code (Dan Brown) Sexuelle Orientierung: Er watet zwischen den Ufern des Flusses hin und her. *** Tick: Al schläft mit einem Plüschkänguru namens Bunny(bekommen und getauft, als er vier war) Weitere Informationen: Alexander ist intelligent. In den meisten seiner Fächer schrammt er immer sehr knapp an einem „sehr gut“ vorbei, was ganz einfach an seinem Hass auf die Schule liegt. (er findet sie stinklangweilig). Seine Interessen sind vor allem Geschichte, Mathe und Chemie, aber er ist sich noch nicht sicher, was er später beruflich machen will. Eine Weile hat er mit dem Gedanken gespielt, Tierarzt zu werden(er liebt Katzen) aber er meint auch, dass es nett wäre, Lehrer zu sein. (Er könnte ein bisschen frischen Wind reinbringen) In seiner Freizeit liest Alex am liebsten und spielt mit seiner Katze Alchemy. Außerdem hat er Spaß an Lufthockey und anderen körperlich nicht allzu anstrengenden Sportarten, weil er da seinen älteren Bruder schlagen kann. (Er ist auch ein sehr guter Pokerspieler) Als die vernünftigeren Kinder der Familie haben er und Rosalie die gemeinsame Lebensaufgabe, ihren unvernünftigen ältesten Bruder von Ärger fernzuhalten – davon abgesehen jedoch reden sie nicht allzu viel. Aber wenn sie ihn braucht, ist er für sie da. Alexander ist auch das Elric-Kind, das sich am erwachsensten verhält, wenn Mom oder Dad also irgendetwas erledigt haben wollen(auch, wenn sie die Verantwortung dafür Edward übertragen), weiß der Perfektionist Alex, dass es an ihm ist, dafür zu sorgen, dass es ordentlich erledigt wird. Rosalie Catharine Elric Spitzname: Rosie(oder Miststück/Freak, wenn Ed einmal zu Scherzen aufgelegt ist) Alter: Vierzehn Erscheinungsbild: Durchschnittliche Größe; blassblaue Augen, langes, hellblondes Haar, das sie im Pferdeschwanz, Zöpfen oder im Mozartzopf trägt Lieblingsfarbe(n): Lavendellila und grau Lieblingsessen: Gummywürmer Lieblingsbuch: Die Mediator-Reihe(Meg Cabot) Sexuelle Orientierung: Bi Tick: Rosie findet Brillen unwiderstehlich sexy Weitere Informationen: Rosalie Elric, die zarte Blume des Elric-Haushaltes, ist laut, freigeistig(was sie anderen gern und deutlich mitteilt) und herrisch. Ihre Zensuren hängen irgendwo zwischen denen ihrer Brüder und dank einem ungewöhnlich aktiven Sozalleben ist sie eigentlich fast nie da. Wenn sie allerdings mal ein wenig Ruhe hat, liebt sie es, Zeitschriften zu lesen, Make-Up auszuprobieren, Animes zu schauen und Computer aus Versatzstücken zusammenzubauen. Sie ist ein wahrer Technik-Geek – und sehr stolz auf ihr Talent, sich in wirklich jedes System einhacken zu können. Außerdem ist sie Präsidentin des Manga-/Anime-Clubs an ihrer Junior High School und ein fieberhafter Shonen-Ai-Fan. Auf der Tanzmatte macht sie jeden platt. Was ihre Beziehung zu ihren Brüdern betrifft – sie liebt sie, aber sie hasst es wie die Pest, dass die Beiden sie wie ein Kind behandeln. Entsprechend sucht sie immer wieder neue Wege, sie auszunutzen, so wie es jede gute Schwester tun sollte. ;) Whew! Okay, ich denke, das wars. XD Also dann, schlussendlich, wer ist bereit für ein neues Kapitel? ;) (Auch wenn diese A/N schon fast wie ein eigenes Kapitel für sich war...) XXX X X Gelegentlich werde ich gefragt, wann ich es wusste. Wann ich es zum ersten Mal realisiert habe, dass ich „anders“ bin. Normalerweise werde ich das von Mädchen gefragt. Normalerweise weinenden Mädchen. Normalerweise zum unpassensten Zeitpunkt – wie zum Beispiel im übervölkerten Korridor zwischen zwei Unterrichtsstunden, gerade kurz bevor die Warnglocke läutet. Und lasst mich euch eins sagen, es kotzt mich an, es immer wieder zu versuchen und (so behutsam es eben geht) einer weinenden Klassenkameradin zu erklären, über das Schreien, Rufen, gegenseitige Beschimpfen und dem ganz normalen Wahnsinn hinweg. Aber sie bestehen darauf, dass sie es wissen wollen. Jetzt. Damit sie etwas haben, worüber sie mit ihren Freundinnen tratschen können, schätze ich. Oder um sicher zu gehen, dass ich sie nicht abserviere, weil ich ein totaler Arsch bin. Also, im Zentrum des ganzen Schreiens, Rufens, gegenseitigen Beschimpfens und des ganz normalen Wahnsinns bin ich gezwungen(und das in schönster Regelmäßigkeit), meine Seele bar zu legen und (zum millionsten Mal) aus diesem metaphorischen Schrank zu springen. Ich hasse es. Und herrje – man könnte meinen, die ganze Schule wüsste es inzwischen. (Ganz ehrlich, ich bekomme so langsam das Gefühl, dass sie einfach gern hören, wie ich es sage.) Ja, Welt. Ich bin schwul. Und ich weiß es schon seit Jahren. Es war nicht so schlimm, als ich klein war; als alle Jungen Mädchen gehasst haben. Man konnte seine Ablehnung irgendwelcher Berührungen einfach als Angst vor Läusen tarnen. Aber selbst, als ich dann älter wurde und all die anderen Jungs anfingen über das „Fahrgestell von der und der“ zu flüstern, hatte ich kein körperliches Interesse am anderen Geschlecht. Sicher, es gibt ein paar ziemlich hübsche Mädels – und ein paar wirklich tolle, die ich als wirklich tolle Freunde betrachte – aber wenn es zu Lust und Liebe kommt? Nö. Sorry, Liebes, aber ich hab kein Interesse. Und ich war mir über diesen Fakt immer angenehm im Klaren. Angenehm im Klaren und ich schäme mich nicht, kann ich stolz von mir sagen. Ich hatte auch nie Angst, meine sexuelle Vorliebe anderen zu teilen – jeder weiß doch, dass die Homophobiker eigentlich die schwulsten von allen sind. So oder so, ich denke, die Leute haben mich zu Anfang immer irgendwie aufgezogen, doch dann entdeckten sie, dass auch die Faust von einem Schwulen in deinem Gesicht scheiße weh tut. Also hielten sie den Rand. Und seitdem hatte ich nie irgendwelche Probleme, Freunde zu finden oder zu behalten. Tatsächlich gibt es da nur ein einziges Problem(von all den weinenden Mädchen in lauten Korridoren mal abgesehen) mit dieser ganzen Situation. Mein Schwulsein meine ich. Ein schlaksiges, kastanienbraunes, witziges, wunderbares, seltsames, wunderhübsches Problem. Alexander Elric. Mein kleiner Bruder. X X X XXX Skeletons XXX Alex sah aus, als hätte man ihn eben geschlagen. Oder auch, als wäre er eben beinahe von einem Zug überrollt worden – seine Hände zitterten, sein Gesicht war bleich, sein Mund stand in einem perfekten, kleinen o offen. Edward wiederum, wie eine zufriedene Katze neben ihm lungernd, kicherte immer noch, das Kinn leicht auf die Handfläche gestützt. „Also das ist mal interessant“, schnurrte Ed in die Stille hinein, die ockerfarbenen Augen blitzten in kühlem Vergnügen. „Ich frag mich, ob er je was von seinem Liebsten...?“„Bruder!“, bellte Alexander, der eben mit einem leisen, würgenden Geräusch wieder zum Leben erwachte, die Wangen flammten. „Das ist absolut unangebracht! Außerdem ist es unmöglich, dass Großvater hätte schwul sein können!“ Der Ältere hob lässig eine Augenbraue und drehte eine lose Strähne seines Haares um einen langen Finger. Her schien hin- und hergerissen zwischen Neugierde und Langeweile. „Oh? Warum nicht?“ „Weil die Leute damals nicht schwul waren“, brummte Alex und rollte sich fest zusammen, starrte auf das geschlossene Tagebuch herunter. Beinahe schien es, als würde er schmollen... Edward lachte einfach nur wieder. „Sei nicht dumm“, tadelte er sanft, ohne, dass seine Stimme irgendwelchen Biss enthielt. Tatsächlich grinste er immer noch – als wäre diese Situation ein einziger, großer Scherz. „Es gab schon immer Homosexuelle, seit Anbeginn der Zeit. Und das war nie etwas Schlechtes; nicht bis zur Moderne jedenfalls. Schau dir nur mal die Römer an... ich hab gehört, sie haben es gefördert.“ Eds Lächeln weitete sich, ohne dass der starre, großäugige Blick seines Bruders ihn beunruhigt hätte. „Männer kämpfen in der Schlacht entschlossener wenn sie neben ihrem Liebhaber stehen“, erklärte er ruhig. „Die Generäle spielten diesen Umstand gern aus.“ „... oh.“ Die rosa angehauchten Wangen des Brünetten verdunkelten sich deutlich, er wandte den Blick ab. „Nun... so sehr das stimmen mag... er... er kann es einfach nicht gewesen sein!“, erklärte Al erneut, dieses Mal noch vehementer. „Ich meine, komm schon. Dieser Brief – der, bei dem er betrunken ist-“ „-aber wenigstens aus dem Schrank rausgekrochen-“ „- darin redet er über seinen kleinen Bruder!“, beendete Alex, indem er Edwards scherzhaften Einwurf ignorierte. Er blickte immer noch störrisch-verschreckt drein, während er das Buch anstupste, als wäre es ein großer, rechteckiger Button. „Sein Bruder!“ Wieder – sehr zu Alexanders Schrecken – zuckte sein Bruder lediglich mit den Achseln. Oder versuchte es zumindest, doch es war eine recht schwierige Bewegung, wenn man auf einer Seite auflehnte. „Und?“, formulierte der Blonde um ein Gähnen herum. „Da gibt’s einen Namen für. Es nennt sich Inzest.“ „Ich bin nicht dumm, ich kenn den Begriff!“ „Nun, wenn es einen Begriff dafür gibt, heißt es, dass man noch nie davon gehört hat. In unserer Zeit ist es vielleicht seltsam... aber viele alte Kulturen haben Inzest als Lebensform betrachtet. Die ägyptischen Prinzen und Prinzessinnen zum Beispiel konnten nur einander heiraten, weil Gottheiten sich nur mit anderen Gottheiten fortpflanzen durften. Ed rollte sich ein wenig, so dass er nun auf dem Rücken lag und nicht auf der Seite. ... es war als diskutierten sie das Wetter. Alex sah seinen Bruder immer noch an, als hätte er seinen Verstand verloren. Aber... Das ist ein Argument. „Ja, vielleicht“, stimmte Al mürrisch und nicht ohne einen sehr deutlichen Unterton von Wut zu, „aber heutzutage ist es illegal – und das aus gutem Grund. Noch nie von den genetischen Problemen gehört, die es hervorruft? Wollen wir die Gesellschaft von deformierten Babys überschwemmt sehen?“ Edward schaufte, seine Augenbrauen zuckten verärgert. „Al, BITTE!“, grollte er und zog sich in einen Schneidersitz hoch. „Weder unterstütze ich das, NOCH mach ich da mit. Ich sag nur, wie es ist. Und überhaupt ist es ja nicht so, als könntest du ändern, was Großvater empfunden hat. Aber mal ernsthaft, Alex? Deine Antwort entbehrt jeden Feingefühls. Nicht jeder läuft durch die Gegend und hegt dabei das Verlangen mit seinem Bruder und/oder Schwester rumzumachen. Also mach dir mal keine Sorgen, der dämliche Genpol dieser Welt ist gerettet.“Alexander wurde rot, er fühlte sich ein wenig betäubt; wich dem kalten Blick seines Bruders um. Was ist auf einmal SEIN Problem? Warum regte er sich so sehr darüber auf? Doch ehe er fragen konnte, stand Edward auf – und stakste steif zur Tür, nahm sich nur einen Moment lang Zeit, um einen letzten, vernichtenden Blick über die Schulter zu werfen. „Und Al? Ich glaube nicht, dass zwei Kerle sich darüber Sorgen machen müssten, dass sie missgebildete Babys bekommen könnten.“ Und dann war er weg. Wahrscheinlich, um auf sein Atelier im Keller loszugehen, wie er es immer tat, wenn er wütend war. Auch, wenn es Alex ein Rätsel war, was ihn dieses Mal gebissen hatte. Es war ja nicht so, dass sie sich nicht jeden Tag stritten. Vielleicht war ich einfach zu stur, überlegte Alexander, immer noch zur Kugel zusammen gerollt. Er schubste das Tagebuch noch einmal herum, nur so, aus Spaß an der Freude. Ich meine, wahrscheinlich war ich irgendwie engstirnig... und er hat ja Recht: Ist ja nicht so, als könne ich irgendwas an Großvater Elrics Gefühlen ändern, so oder so. Vielleicht sollte ich mich entschuldigen. Aber im Endeffekt entschied er sich dagegen. Für den Moment jedenfalls. Sein Kopf war zu angefüllt von anderen Gedanken – wie Großvater und das Tagebuch und Eds Worte. Er schafft es sogar, Inzest in Ordnung klingen zu lassen. Und nein, sein Herz hatte eben nicht gerast. Und natürlich – diese ganze Diskussion konnte sich als totale Zeitverschwendung herausstellen. Was, wenn Großvater Elric wirklich betrunken gewesen war – und zwar nur betrunken? Vielleicht war ihm nicht einmal klar gewesen, was er da geschrieben hatte...Vielleicht suchte Alex nur nach Ausreden, um weiterlesen zu können? Das, bei aller Liebe, war wohl der Fall. Doch es hielt ihn nicht davon ab, das ledergebundene Buch aufzufingern, darauf vorbereitet(vielleicht sogar vorfreudig), weiterzulesen. X Mai, 1921 Lieber Al, Mein Kopf tut weh. Heidrich sagt, ich verdiene es und dass, wenn ich nicht aufhöre, so rücksichtslos zu sein, die Univerität meine Projekte nicht mehr unterstützen wird. Was wohl stimmt. So oder so, ich hab mir nicht die Mühe gemacht, mir eine sarkastische Antwort auszudenken und ihm an den Kopf zu werfen – das ist dem Fakt geschuldet, dass es mir noch mehr wehtut, wenn ich versuche, zu denken. Aber Schreiben ist nicht so schlimm, also bin ich hier und – schreibe. Ich weiß, ich weiß. Ich kann dich in meinem Kopf hören, Al – Heidrich hat Recht, du solltest nicht trinken. Stimmt ja, das sollte ich nicht. Und vielleicht will ich es auch nicht wirklich. Vielleicht mach ich das als irgendeine kranke Form von Rebellion. Aber andererseits bist du nicht hier um mich daran zu hindern, also was macht es, wenn es so ist? Oder vielleicht bin ich immer noch betrunken. ... ich hoffe, wir finden einander bald. Heidrich hat mir gesagt, dass er über einen Weg nachgedacht hat. Es hat mit dem zu tun, was er forscht – Raketen. Er denkt, dass – vielleicht – unsere Welt gleich hinter dem Himmel liegt. Mit einer Rakete, wäre ich vielleicht in der Lage, es dorthin zu schaffen. Dann könnte ich dich wieder sehen. Als er das gesagt hat, hab ich ziemlich viel verschiedenes Zeug auf einmal gefühlt. Zum Großteil glücklich... aber auch neugierig. Und dann habe ich gehört, wie ich die Frage gestellt habe, die ich so lange für mich behalten habe: „Warum tust du das? Warum hilfst du mir?“ Denn, Al, du kannst sicher verstehen, warum ich bei ihm bleibe – er erinnert mich an dich. Dein Lächeln, dein Geruch, dein freundliches Wesen. Nicht mehr, als eine Imitation(wenn auch eine eigenständige Person), aber es ist genug, um mich bei Verstand zu halten. Warum hält er mich aus? Er hat gegrinst, als ich das gefragt habe, als hätte er das erwartet und stellte seinen Kaffee und seine Zeitung auf die Art und Weise ab, wie nur er es tut – die Zeitung zu einem ordentlichen Quadrat gefaltet, damit sie als Untersetzer dient. Dann, mit sehr ruhiger Stimme, hat er mich nahezu umgebracht vor Schock: „Weil du mich an jemanden erinnerst, den ich einmal geliebt habe.“ Ich hab die Informationen aus ihm heraus gepresst. Ich hatte Magenschmerzen. Sein Name war Edward Cullison. Er lebte in einer Stadt namens London, zusammen mit seinem Vater, Hohenheim. Er und Heidrich waren seit ihrer Kindheit Freunde gewesen; haben zusammen gespielt, als Hohenheim nach Deutschland reiste, um ein paar Geschäfte mit anderen Politikern abzuwickeln. Aber Heidrich hatte schon seit fast einem Jahr nichts mehr von ihm gehört... und dann hatte er erfahren, dass Cullison während eines Luftangriffs gestorben war. Ich hätte ihm sagen müssen, dass es meine Schuld war. Dass, wäre ich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Cullisons Körper gewesen, er vielleicht immer noch am Leben wäre. Aber die Worte sind mir in der Kehle stecken geblieben – alles, was ich habe sagen können, war, dass es mir Leid tut. Er hat nur gelächelt; ich glaub er wusste es. Dass ich Schuld bin, meine ich. Aber trotzdem hat er nur gelächelt. Vielleicht erinnere ich ihn ja an Cullison, so wie er mich an dich erinnert, Al. Aber ist das jetzt gut oder schlecht? Im Endeffekt lebt man nur so lange, wie man den Träumen der Vergangenheit nachjagt... Ich frage mich, wird mein Leben enden, bevor ich meine erwischt habe? ... Ich muss kotzen. -Ed X Der Keller gehörte Edward. Das war natürlich keine festgeschriebene Regel. Der Keller hatte allen dreien Elric-Kindern gehört: hatte als unvollendetes Spielzimmer gedient, als sie klein gewesen waren. Doch als Edward älter wurde, seine Projekte größer und sein Chaos chaotischer, hatten Alex und Rosie den restlichen freien Raum ihrem engagierten Bruder zum neunten Geburtstag als Geschenk überreicht. Und er hatte es angenommen. Seit jenem schicksalhaften Tag hatte sich nicht viel geändert. Die holzgetäfelten Wände hatten ihren fröhlichen wallnussbraunen Ton behalten – mit schiefergrauem Beton als Fußboden. Es war sowohl von den Eltern, als auch den Immobilienmaklern mit dem Wort „Unfertig“ etikettiert worden, außerdem auf eine Art kalt(temperaturtechnisch gesehen); mit einem kleinen Fenster zum Hinterhof hinaus, das als Feuernotausgang diente, sollte es einmal ganz schlimm kommen. Doch das Decór war ganz ohne Frage das Ergebnis von Eds ungezählten künstlerischen Versuchen. Fünf Staffeleien, eine zerbrochene Töpferscheibe und zahllose windschiefe Buchregale verstellten den Raum – Tische, übersät von halbfertigen Leinwänden, zerrissenen Seiten aus Skizzenbüchern, Kohle, Kreide, Pinsel in jeder Farbe, Ölpastell-Kreiden, Acrylfarben, Holzschnipseln, kleinen Gliederpuppen, Speckstein, Paletten, angemischte und getrocknete Farben, schmutzige Tassen, Pinsel in zwanzig verschiedenen Größen, Tuschen, Lacke, Scheren, Pflastern und Messern. Farbkleckse verkrusteten ganze Bereiche auf dem Boden und den Wänden, Tonflecken waren dauerhaft in das Fachwerk eingebrannt. All das leuchtete fröhlich im warmen, hellen Licht von drei gelben Zugleinenlampen. Der Keller war Edwards Zuhause im Zuhause. Er liebte es dort; seine eigene, kleine Welt aus Farbe und Strukturen. Es war immer ruhig hier... das half ihm beim Denken. Er dachte viel nach dort unten. „Ed...?“ „!“ Der ältere Junge machte vor Überraschung einen kleinen Satz und drehte sich mit einem Flattern seines verklecksten Labormantels um(welcher ihm als bequeme und kunterbunte Schürze diente) „Nun, wenn das nicht die kleine Rosie ist“, brachte er dann heraus und lächelte freundlich, als er ein Handtuch hervorzog, mit dem er seinen dünnen Pinsel auswischte. Das blasse Tuch war bald von einem dunklen Jadegrün verschmiert. „Und ungewöhnlich hübsch, möchte ich hinzufügen.“ Das jüngste Elric-Kind grinste von ihrem Sitzplatz auf den Kellerstufen her zu ihm hinüber, die perfekt nachgezogenen Augen verengten sich vor Freude über das Lob. „Ich gehe aus“, verkündete sie fröhlich, während sie ihre hohen, weißen Socken gerade strich, wobei sie ihre frisch schwarz lackierten Fingernägel vorzeigte. „Ein Date.“ Edward hob eine Augenbraue und rutschte von seiner Staffelei weg. Seinen aktuellen Pinsel beiseite legend, betrieb er einen unheimlichen Aufwand, einen neuen aus der Schachtel zu suchen, die auf dem Tisch stand. „Oh? Mit wem?“, fragte er gleichmütig, als würde es ihn nicht wirklich interessieren. Doch das sorgte nur dafür, dass Rosalies Lächeln sich zu einem hinterlistigen Grinsen weitete. „Amy“, sang sie und warf ihre langen, seidigen Haare über die Schulter. An diesem Abend trug sie sie in einem hohen Pferdeschwanz, zusammengebunden von einem lavendelfarbenen Satinband. „Du kennst sie. Der Bücherwurm mit den welligen, braunen Haaren? Überniedlich? Ihre älteren Schwestern gehen mit dir zur Schule.“ „Ja, ich kenne sie.“ Edward lächelte leicht, als er einen dickeren Pinsel aussuchte und sich auf einen Klappstuhl fläzte, wobei er direkt zu seiner kleinen Schwester sah. „Und ich freu mich für dich... auch, wenn ich so langsam glaube, dass Mom und Dad eine herbe Enttäuschung erleben werden, was die Enkelkinder betrifft.“ Rosalie lachte und wedelte mit einer schwer beringten Hand. „Keine Sorge, ich hab den Männern nicht abgeschworen oder so“, versicherte sie, in den himmelblauen Augen funkelten Schalk und gute Laune. „Tatsächlich wird Todd mit uns zusammen sein.“ Der ältere Junge verzog sofort finster das Gesicht. „Todd...? So wie Todd Multare? Dieser angeberische... Schürzenjäger? NEIN. Ich mag ihn nicht – und er ist VIEL zu alt für dich.“ „Er ist 18!“ „Und du nicht“, stellte Ed klar. Seine Augen hatten sich merklich verhärtet; er stach mit der Pinselspitze in die Luft. „Verdammt, ich auch nicht. Und ich kann ihn nicht leiden.“ „Dann ist es ja gut, dass nicht du mit ihm ausgehst“, entgegnete Rosalie gelassen und stemmte sich auf die Füße. Während sie geistesabwesend den Staub von ihrem Jeansrock wischte, glitt sie vorwärts – in Richtung der unfertigen Malerei, die Edward auf der Staffelei gelassen hatte. „Wo wir ohnehin gerade von deinem Liebesleben sprechen...“ Sie verstummte und lehnte ich vor, dabei schielte sie ein wenig.(Von seinem Stuhl aus neben ihr fing Ed einen Hauch von ihrem Wicken-Parfüm auf.) „Oh, wow. Neue Flamme?“, fragte das Mädchen unschuldig, wirbelte herum und deutete mit dem Daumen zum Bild hin. Es war noch weit vom Status „beendet“ entfernt: lediglich ein paar helle Linien, nachgezogen mit dünnen Reflexen in abgedunkeltem Smaragdgrün, lebhaftem Türkis und einer Mischung aus Apricót und Vanillegelb. Doch Rosalie hatte schon genug Bilder von ihrem Bruder gesehen, um zu wissen, dass dies der Beginn eines wirklich wichtigen Porträts war... zumindest war es wichtig für Ed. Er benutzte Acryl nur für die wichtigen Bilder. „Ich denke...“, antwortete Edward – wenn auch ein wenig zögernd – und lehnte das Kinn auf die Lehne seines Stuhls; die dichten, schwarzen Wimpern senkten sich und verdeckten seine glühenden bernsteinfarbenen Augen teilweise. „...das kann man so sagen.“ „Bisher ist es gut.“ Er kicherte ein wenig nervös. „Wie kannst du das sagen? Es ist doch kaum was da!“ „Kann sein“, meinte Rosie strahlend, während sie die Finger hinter dem Rücken verschränkte, „aber ich kann sagen, dass es gut ist. Und ich bin mir sicher, Alex wird es auch mögen, wenn du es erst fertig hast.“ Sie schwieg einen Moment, beobachtete die Reaktion ihres Bruders. Er sagte nichts, doch sie war sich sicher zu sehen, wie sich sein Rücken ein wenig versteifte. Da war alles, was sie wissen musste. „Übrigens – hast du ihm je diese anderen Skizzen gezeigt, die du gemacht hast? Von ihm, meine ich. Wie er schläft oder im Garten liest? Weil, Ed, die waren wirklich schön.“ Das Gesicht des Blonden war langsam in den Tiefen seiner gekreuzten Arme verschwunden; seine Ohrspitzen flammten in einem scheußlichen Scharlachton auf. Rosalie lächelte. „... in diesem Fall solltest du das wirklich tun.“ „Nein, sollte ich nicht.“ Seine Stimme war gedämpft, aber klar. „Doch, du solltest“, wiederholte sie streng und verzog das Gesicht. „Also wirklich, Ed. Bist du ein Mann oder nicht?“ „So sexistisch?“ „Ich darf das“, schnaufte Rosie aufgeregt, „ich bin ein Mädchen.“ Dann, mit einem Kichern, das zeigen sollte, dass sie nur Saß machte, glitt sie hinüber, um die Stirn ihres düster gelaunten Bruders zu küssen. „Wo ich das jetzt gesagt ist, muss ich wirklich los. Amys Eltern sind ziemlich streng was den Zapfenstreich betrifft und wenn ich noch vor Neun an ihre Wäsche will, hätte ich schon vor fünf Minuten gehen sollen.“ Edward hob seinen Kopf ein paar Zentimeter und bedachte seine Schwester mit einem trockenen Blick. „Zu viel Informationen, Miststück. Viel zu viel Information...“ Doch er fuhr ihr durch die Haare und winkte ihr zum Abschied hinterher, als sie die Treppe hoch raste. „Ach ja – UND RED NICHT MIT TODD!“ Doch ihre einzige Antwort bestand daraus, dass sie die Haustür zuknallte. X Juni, 1921 Lieber Al, Die Tage sind lang hier – alle zusammen geknotet, um ein niemals endendes Gebilde zu formen. Licht schwindet zur Dunkelheit, Dunkelheit verschmilzt mit Dunkelheit... die Zeit geht weiter. Aber ich hab das Gefühl, als bliebe ich zurück. Mich interessiert diese Welt nicht; mich interessieren nicht ihre Erfindungen; mich interessieren nicht ihre Menschen. Ich will nur nach Hause. Ich will dieses ganze Nichts hinter mir lassen. Heidrich und ich reden nicht viel über etwas anderes, als Wissenschaft. Ich weiß, er will mich wegen dir fragen, aber er tut es nicht. Ich weiß nicht, warum – vielleicht aus Taktgefühl? Oder er denkt vielleicht, ich würde nicht antworten. Was stimmt, ich würde es nicht. Nur, ich... Ich will nicht, dass er denkt, ich benutze ihn, selbst wenn ich das wahrscheinlich tue. Seine Freundlichkeit, sein Mitgefühl – ich verdiene das nicht. Aber dennoch nehme ich es an. Ich bin larmselig, Al. Ich war bereit, für dich zu sterben, aber ich bin nicht stark genug, ohne dich zu leben. Ich hoffe, dir geht es gut. -Ed X Die Sommerluft in der Nacht war auf dem Land immer süßer, von Frühlingskämme und Flieder geschwängert, wie sie war. Die großen, sich golden bewegenden Gräser, die in kurzer Entfernung wuchsen, raschelten; die Bäume, die sich bis ins Unendliche erstreckten, schienen wie weit entfernte Berge von dort, wo ihr Haus stan, auf den Hügeln. Dunkle Wolken rollten friedlich über den Himmel, wie die Wellen eines Ozeans, als die schwachen Sterne immer klarer wurden. Alex beobachtete all dies still, das Tagebuch in seinem Schoß. Es war ein angenehmes Gewicht, erfreulich schwer gegen seine Beine. Er befingerte es schweigend, schloss seine Augen und wiegte sich langsam auf der Schaukelbank auf der Veranda vor und zurück. So wie der Keller Edward gehörte, gehörte die Veranda Alexander; es war sein Ort um nachzudenken, um zu grübeln, um seine Gefühle zu sortieren. Er fand auch, dass sie der schönste Ort der Welt war. „Die Frage bleibt, was nun? Wie weiter, was was soll’n wir tun?“, summte er leise; die Worte eines alten Schlafliedes. Seine Stimme hallte leicht über der Landschaft wieder, gleichzeitig mit dem Quietschen seines Schaukelns. „Vergessen wir, bleiben wir stehn? Oder solln wir vorwärts gehen...“**** Die Worte seiner Mutter; aber worauf bezogen sie sich? Er hatte das Lied nie verstanden... aber es hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn, selbst jetzt, nach all diesen Worten. Doch gelegentlich, wenn er besonders aufgewühlt war, fragte er sich, was es bedeutete. Beinhaltete es eine geheime Geschichte, so wie Großvaters Tagebuch? Und wo er gerade bei Großvaters Tagebuch war... „~Manche Entscheidungen erleben wir nicht ein Mal, sondern tausende Male erneut – wenn wir uns für den Rest unseres Lebens an sie erinnern.~“ „?“ Alex setzte sich auf, nicht erschrocken, doch immerhin milde überrascht, Edward in der Tür zu sehen, wie er lässig gegen den Rahmen lehnte; ihn mit seinem entspannten, goldenen Blick beobachtete. Die Schiebetür quietschte, als er hindurchschritt, in die Nacht hinein. „Wovon redest du?“ Edward zuckte die Ascheln und setzte sich auf die kalten Verandastufen. Seine langen, schlanken Beine ausstreckend drehte er den Kopf zum weißen, abnehmenden Mond hin. „Ist ein Zitat von Richard Bard. Hat Großvater mir mal gesagt.“ Er sah seinen kleinen Bruder über die Schulter an, wobei er eine Augenbraue hochzig. „Ich denke mal, dir sagt das mehr als mir, wenn ich bedenke, dass du derjenige bist, der sich durch seine abgründig dunkle Vergangenheit wühlst.“Alexander wurde ein wenig rot, wie er es in letzter Zeit immer zu tun schien. „Ich würd sie nicht abgründig dunkel nennen“, murmelte er und stützte sich ein wenig im Rücken ab; seine Finger umfassten den Buchrücken ein wenig fester. „Bis her ist es nur irgendwie... traurig.“ Ed grinste. „Was denn, kein prähistorischer Porno mehr?“ „Bruder...“ „Ich mach nur Witze.“ Er gluckste kurz, amüsiert von Als Gesichtsausdruck, doch er beruhigte sich schnell wieder und als er weiter sprach, tat er dies in einem sehr nüchternen Ton. „Aber mal im Ernst. Was meinst du? Warum ist es traurig?“ „...“ Alex seufzte leicht, blickte über die Baumspitzen hinweg. „Naja, er... scheint momentan sehr einsam. Redet immer davon, dass nichts wichtig ist, wenn sein Bruder nicht bei ihm ist. Wüsst ich nicht, dass er 100 geworden ist, hätte ich jetzt Angst, dass er Selbstmord begeht.“ Ed bedachte dies, die Stirn gedankenvoll gerunzelt. „Nun... er kann nicht lange so traurig bleiben, denke ich. Ich meine, wir haben dieses Bild von ihnen beiden zusammen, nicht wahr? In nächster Zeit wird dieser Al für ihren Kodak-Moment auftauchen müssen.“ Darüber hatte Alexander noch nicht nachgedacht. Edward grinste über Als großäugiges Gesicht. „Ich bin mir sicher, es wird gut für die beiden“, versicherte er, als er sich mit einem Rascheln seiner Socken auf die Füße hob. „Also hör auf, bei deiner Leserei so herumzutrödeln – ich will, dass du zu den saftigen Details kommt und die mir Stück für Stück weiter gibst.“ „Bruder!“Die Tür schlug mit einem Knall zu; Ed rannte lachend davon. X Juli, 1921 Lieber Al, Die Tage und Nächte werden wärmer. Sie erinnern mich an die Sommer damals, zu Hause, nur, dass sie weniger grün sind. Hier in der Stadt gibt es nicht allzu viel Natur – eigentlich ist es ziemlich deprimierend. Aber manchmal, wenn die Arbeit ruhig geht, fahren Heidrich und ich durch die Landschaft. Ich mag diese Tage; er hört dann im Rücksitz zu, wie ich Geschichten über unsere Abenteuer erzähle und bewundert die Landschaft. Danach haben wir ein Picknick. An Tagen wie diesen ist es schwer, sich diese Welt als den kaputten Ort vortzustellen, der sie doch ist, wie ich weiß. Aber es ist gut, einige glückliche Erinnerungen zu haben. Die Arbeit wird schwerer und schwerer, während die Tage länger werden. Wir scheinen nie genug Zeit zu haben, um die Dinge erledigt zu bekommen; dann wird uns gesagt, wir müssen mehr arbeiten. Unsere Blaupausen für eine experimentelle Miniaturausgabe der Rakete werden langsam fertig, doch Heidrich sagt, wir werden noch ein oder zwei weitere Monate brauchen, ehe wir auch nur ein Miniaturmodell konstruieren könnten. Ich würde lieber wieder nach dem Stein der Weisen suchen, als herumzusitzen und diese sinnlose Warterei durchzuhalten. Wie auch immer, in meiner Freizeit – an Tagen, die nicht zum Fahren taugen – habe ich die Gelegenheit, die Stadt zu erkundet. Es gibt da einen Polizisten, der nahe des Hofbräuhauses stationiert ist; er könnte Hughes Doppelgänger sein. Und die Frau, die im Laden an der Ecke arbeitet, ist identisch mit Gracia. Wegen dieser Geschichten hab ich es mir schwer gemacht, zu entscheiden, ob ich sie mag oder nicht. Es wäre so leicht, eine Geschichte herausrutschen zu lassen, würde ich mit ihnen reden... ganz automatisch anzunehmen, dass sie die gleiche Person sind, egal auf welcher Seite des Tors. Aber das wäre dumm von mir. Und immer noch ist da ein Teil von mir, der sich wünscht, noch mehr vertraute Gesichter zu sehen - Mustang, Hawkeye, Armstrong, Rose, Winry… verdammt, sogar Scar. Sie zu sehen; selbst wenn ich weinen und lachen und schreien und IRGENDWAS machen will(ich bin mir aber nicht sicher, was), alles auf einmal; sie vermitteln mir dennoch so ein merkwürdiges Gefühl von Frieden. ~Ich bin nicht verrückt. Ich hab das alles nicht geträumt.~ Heidrich glaubt mir. Ich muss nur weiter mir selbst glauben. Ich weiß, du bist da draußen, Al. Und ich werde dich bald finden. -Ed. XXX Yeah! Das ist das Ende von Kapitel zwei. VIELEN DANK an alle, die es gelesen haben – ich bin baff, wie viele Leute sich schon in diese FF verliebt haben! XD Ihr rockt! (umarm) (PS. ZOMG. Ich hab keine Ahnung, wie das passiert ist, aber es ist passiert – ich hab eine FAN SITE. (Ich kanns nicht glauben!) Ernsthaft! KuroiKeiko von der Elricest livejournal community hat sie für mich gemacht! (rotwerd) Die ist so toll – ein Archiv für einen Teil meiner Elricest-Sachen, Fanart, Texte und Musik. Und es wird bald noch mehr kommen! Also, wenn sich irgendwer als mein... uhm, ja, Fan betrachtet (wird noch röter) schaut mal vorbei...?http://driftingdreams.net/showcase/jennifer/random/moon_maiden/ XD) Anmerkungen der Übersetzung: * Im Original stehen in Eds ersten beiden Tagebucheinträgen May 1923 als Zeitangabe. Das wurde bereits von mir korrigiert. ** Nach amestristischen Kalender im Jahr 1900 oder so – der Kalender von Amestris weist eine Differenz von fünf oder sechs Jahren zu unserem gregorianischen auf. *** Das ist ein Wortwitz im Englischen: The river in Egypt – Denial. Sprecht das mal korrekt aus... ja. Und was heißt Denial? Genau. Verleugnen, ignorieren... aber man kann wirklich sagen, Alex watet noch immer im Fluss, ohne an irgendeinem Ufer anzukommen – oder sich zu entscheiden, weiter in der Mitte des Flusses zu schwimmen. *** Die korrekten Zeilen lauten: „So what should we do; how to act? Forget everything; bring in back? One never should try to rebirth… what was taken away by the Earth…“ - ich habe hier meine eigene Transkribierung von „Bratya“ für die Übersetzung verwendet. Uff. Das hat jetzt wirklich ein bisschen sehr lang gedauert, tut mir Leid – aber ich hatte andere Sachen zu tun, Romane zu schreiben, eigene FF-Ideen zu entwickeln... *hust* Aber es hat Spaß gemacht. Rosie ist zum ersten Mal aufgetaucht... und ganz ehrlich, das Mädel ROCKT. Ich oute mich hiermit als Rosalie-Fan. ^^ Kapitel 3: Letter three ----------------------- Disclaimer: Edward, Alexander, Rosalie und all ihre kleinen Freunde gehören irgendwie mir... aber damit ist auch schon Schluss. Authors Note: Okay! Hier sind wir bei Kapitel drei. XD Und für alle, die nur das hier lesen – ihr habt ein BONUS SMUT Kapitel verpasst. Ja, das ist richtig: Ein irgendwie sinnloser, mit NC-17-Etikett versehener Vierer zwischen Ed, Edward, Al und Alex vor dem Tor(via Traum). Wenn ihr es in die Hände bekommen wollt, findet euch in der Elricest livejournal community ein(mit google sehr leicht zu finden) und scrollt dort ein bisschen runter. Es befindet sich unter der Abteilung „Letzte Einträge“ und es wurde von mir geschrieben: moonmaiden36. X3 Wenn ihr es nicht lesen wollt, ist das natürlich auch in Ordnung. Es wird im nächsten Kapitel nur VAGE erwähnt. Ihr habt nichts verpasst. Ich versprechs(außer dem SMUT, versteht sich). Und wo wir grad dabei sind, viel Spaß mit Kapitel drei. XXX X XXX Ich weiß wirklich nicht, wann es passiert ist. Dass ich mich in Alex verliebt hab, meine ich. Es ist ja nicht gerade was, was oft passiert, auch nicht wenn man schwul ist. Zumindest nehm ich das an – ich hab die Bücherei nach Büchern und Filmen durchsucht, die sich um das Thema Homosexuelle-die-ihre-kleinen-Brüder-besinnungslos-ficken-wollen drehen; nichts kam bei raus. Und wir alle wissen doch, dass Schriftsteller und Drehbuchautoren es lieben, den schmutzigsten Kram zu schreiben, den sie sich ausdenken können. Entweder ist das viel zu schmutzig, selbst für die, oder sie denken einfach nicht darüber nach. Also hab ich wirklich nicht viele Fälle, die ich mit meinem vergleichen kann. Ich wünschte, ich könnte sagen, es war Liebe auf den ersten Blick – denn jeder weiß, dass so was nie gut geht und ich könnt es mir weg erklären. (Im Ernst. Guckt euch mal Cinderella ein paar Monate nach dem Ende an und ich versprech euch, die Dinge wären nicht ganz so rosig, wie todsicher gedacht hat, dass sie es wären). Aber nein, tatsächlich hab ich Alexander jahrelang gehasst. Wir sind uns im Alter zu nah; es ist schwer, jemandem dem großen Bruder vorzuspielen, der so viel schlauer ist als du. Wirklich – man könnte meinen, ich hätt einen Vorteil, weil ich größer bin und stärker, aber wenn dein Gegner Grips hat; nicht zu vergessen, dass er als das kränkliche kleine Scheißerchen, das er nun mal war, Mom und Dad auf seiner Seite hatte... Nun, sagen wir einfach, dass Alex in den frühen Jahren einen Großteil unserer Kämpfe gewonnen hatte. Ich musste nur eine Faust heben, schon hustete er um Hilfe und ich war in der Auszeit. Gott, ich hätt ihn umbringen können. Und ich kann mich ganz deutlich erinnern, dass ich mir von den Kerzen auf meinem fünften Geburtstagskuchen gewünscht hat, dass Alex die Windpocken bekommt, damit ich Rache habe für all den Spaß, den er hatte, als er beobachtet hat, wie ich mich damit rumgequält hab. Aber natürlich war er zufällig einer dieser glücklichen Bastarde, die die nie durchmachen mussten. War klar, was? Obwohl er um einiges häufiger ne Grippe durchmachen musste, als ich... Äquivalenter Austausch, denk ich mal. Als Al sechs war, hingen wir uns eigentlich immer an der Kehle. Würgen, Raufen, Beißen, Schubsen, Treten... oh, doch, wir sind auch manchmal miteinander klar gekommen – wenn wir Opa besucht haben, wenn Mom und Dad im Raum waren, wenn Rosalie weinte oder wenn wir beide lange aufbleiben wollten. Aber zeig uns einen Keks? Schon waren wir auf dem Boden, bereit, uns umzubringen, nur um ihn zu haben. ... vielleicht hat es ja da angefangen. Meine kleine „Schwäche“ für Alex, das ist es. Während des ganzen Kämpfens. Denn nach einer Weile fing er schlussendlich doch an, zurückzuschlagen. Tatsache ist, als er so vier war, hörte er endgültig auf, nach Mom und Dad zu schreien – er war bereit: Füße im sicheren Stand, die Fäuste oben. Und Gott, er ist so hübsch, wenn er wütend ist; das Gesicht rot, Lippen geschürzt, die silbrigen Augen glitzern wie Quecksilber. Er kann mir den Atem verschlagen. Und das übrigens auch wörtlich – er hat nen ziemlichen Schlag drauf. Und ich liebe es, mit ihm zu trainieren. Ich hab sogar festgestellt, dass ich immer mehr Respekt für ihn übrig hatte... dass er wirklich was einstecken konnte, aber er würde nie aufhören, es zu versuchen. Dass er nicht aufgab. Im Endeffekt, so denke ich, ist er zum gleichen Schluss gekommen, wie ich. Er fing an, mir mehr zuzuhören. Gehorchte ab und an, wenn ich ihn freundlich gebeten habe, etwas zu tun. Und ich stellte fest, dass sein Lächeln sogar noch schöner war, als sein verzogenes Gesicht. Natürlich, jetzt kann ich ein Jahr damit verbringen, Dinge aufzuzählen, die ich an ihm liebe – sein Lachen, wie er rot wird, seine Intelligenz, seine Ehrlichkeit... wie er aussieht, wenn er schläft... all diese bescheuerten Sachen, über die sie in Filmen reden. Aber anders als in Filmen... Nun, er ist mein Bruder. Und wenn Schriftsteller und Drehbuchautoren nicht über schwulen Inzest reden wollen, warum sollte er? X X X XXX Skeletons XXX Fudo High war nicht die schlechteste Schule der Welt – da war Alexander sich sicher. Die Lehrer waren einigermaßen nett, die umgebenden Freiflächen waren hübsch und grün. Sie bekamen nicht übermäßig viele Hausaufgaben und es gab für jeden ein breites Angebot an außerschulischen Aktivitäten. Himmel, nicht einmal ihre Uniformen waren so schlimm: Faltenröcke für Mädchen, Bügelfaltenhosen für Jungen mit weißen Hemden und dazu passenden Krawatten mit Bügelfalte. Rosalie sah in ihrer Uniform aus wie eine Göttin; Edward wie ein Supermodel... für sich fand Alex, dass er selbst aussah wie ein Volltrottel, aber das war ohnehin egal. Von den drei Elric-Kindern war er am wenigsten beliebt. Man konnte nicht sagen, dass er gehasst wurde, nicht im geringsten; er hatte Dutzende von Freunden. Aber er war nicht im Ansatz so beliebt wie Rosie – die das nahezu komplette Erstsemester unter ihrem Kommando hatte – und Ed, der, obwohl er seine sexuellen Vorlieben mehr oder weniger über die schulische Lautsprecheranlage herausschrie, auch weiterhin von der kompletten weiblichen Schülerbelegschaft belagert wurde(zusätzlich dazu auch von einem guten Teil der männlichen Belegschaft). Dennoch, Alexander hasste diesen Ort. Und nicht nur, wie er immer seinen Eltern erzählte, weil er langweilig war – was nicht einmal gelogen war, er fühlte absolut gar keine geistige Stimulation oder irgendetwas in der Art in diesem Höllenloch- sondern, weil er es nicht ertrug, mit den Bewunderern seines Bruders umgehen zu müssen. Oder, scheiße, auch mit seinem Bruder im Allgemeinen.Oh, es war natürlich nicht ganz allein Edwards Schuld. Er war einfach von Natur aus charmant, es gab an der ganzen Schule keinen anderen Jungen, der an sein Aussehen heranreichte(außer vielleicht Todd Multare, doch jeder wusste, dass Lisa Nightingale ihre scharfen Bernsteinaugen immer auf ihm ruhen hatte und infolgedessen ließ man ihn in Ruhe – aus Angst vor Lisas berüchtigtem Zorn) und er hatte die enervierende Angewohnheit, zu jedem freundlich zu sein, ob nun Spinner oder Sternchen. Entsprechend kannte ihn jeder, liebte ihn jeder, wollte ihm jeder(so schien es jedenfalls) an die Wäsche. Und das war zum Kotzen. So fand es jedenfalls Alex. Immerhin war er es, an den sich alle Fragen richteten. Welche Lieblingsfarbe hat er? Blau[./i] Wo hängt er normalerweise so rum? Im Keller. Hat er am Samstag schon was vor? Keine Ahnung. Wird er im nächsten Stück mitspielen? Wahrscheinlich. Würd er mit mir ausgehen, wenn er hetero wäre? Woher zur Hölle soll ich das wissen? Und so ging es. Tag um Tag, bis Alexander es nicht mehr aushielt; bis er jedes jammernde Mädchen ins Gesicht schlagen wollte. Dementsprechend verbrachte er sehr viel Zeit allein, im Versuch, sein Temperament im Zaum zu halten – und so verspeiste er sein Mittagessen allein auf einer kleinen, Gras bewachsenen Hügelkuppe ein, nahe dem Baseballfeld. Seiner Meinung nach halfen sie ihm, bei Verstand zu bleiben, diese Momente allein: seine Mitschüler beim Spielen beobachten, während er sein Mittagessen verspeiste oder ein Buch las. Immer das gleiche... Tag für Tag. Ich hasse diese Schule, grübelte er düster, während er sehr geräuschvoll einen Apfel kaute. Seine Augen verengten sich leicht, als er einen kurz gewachsenen, sommersprossigen Jungen namens Gary dabei beobachtete, wie er einem Frisbee hinterherjagte. (Auch wenn er nicht wirklich auf Gary sauer war, eher auf seine kleine Schwester Anna, die das aktuellste Opfer von Edwards unwiderstehlichem Charme geworden war. Und nun litt sie unter dem unsterblichen Verlangen, „ihn mit einem Löffel auf zu essen“) Verdammt, Brüderchen, manchmal denk ich echt, du machst das nur, um mich zu ärgern. Alexander unterdrückte eben ein Gähnen, als sein Magen einen unangenehmen Salto schlug, und mit einer Grimasse schob er sein halb aufgegessenes Obst zurück in den Papierbeutel. Dann ließ er sich ergeben nach hinten ins Gras fallen. „...“ Heute war der Himmel schön; ein helles Cerulean, abgesetzt mit wirbelnden Wolkenbergen. Ed war wohl irgendwo und zeichnete, wie er es an einem schönen Tag immer während der Mittagspause tat... und der Studierzeit... und jedem anderen Unterricht, vor dem er sich drücken konnte. Al versuchte, nicht darüber nach zu denken. Im Moment war sein Bruder definitiv zu oft Gast in seinem Kopf; und er hatte kein Recht, wegen Sachen auf ihn wütend zu sein, für die er nichts konnte. Was war er überhaupt, eifersüchtig? Nicht auf die Aufmerksamkeit – er hatte nie zu denen gehört, die sich wünschten, begehrt oder umkämpft zu sein. Und es war ja nicht so, als hätte er irgendein Recht, seinen älteren Bruder ganz für sich behalten zu willen. Davon ganz abgesehen, dass es nicht gerecht war, war es auch nicht wirklich... nun, normal. Alex verzog das Gesicht, drückte die Augen gegen die helle Sonne. Irgendwie tat sein Kopf weh... Ich bin NICHT in Edward verschossen, sagte der Junge sich selbst, doch der Sinn hinter diesen Worten war schon lang abgestorben, ersetzt durch Erschöpfung. So müde... Das ist nur Großvaters bescheuertes Tagebuch, das spielt mir irgendeinen Streich. Wo er gerade dabei war... Er setzte sich wieder auf, sein Pferdeschwanz raschelte bei der Bewegung im Gras, er langte nach seiner schwarzen Schultasche. Wo hab ich es-? Ah. Da war es, in die vordere Tasche gestopft – unschuldig scheinend und auf eine gewisse Art und Weise wertvoll in dem warmen Frühherbstlicht. Alexander zog das Buch mit einem zögerlichen Blick hin und her heraus und erlaubte ihm, offen in seinen Schoß zu fallen, blätterte auf die Seite, wo er zuletzt aufgehört hatte. X Oktober 1921 Lieber Al, Es tut mir Leid. Ich weiß, es ist Monate her, dass ich das letzte Mal geschrieben habe. Aber ehrlich, es gab absolut nichts zu erzählen. Ich verbringe meine ganze Zeit damit, nach dir zu suchen – in den Straßen, im Himmel, in meinen Träumen. Ich schweife ab, Alphonse; ich weiß, ich muss weiter nach vorn gehen, ich weiß, ich muss – aber es ist so schwer, morgens aufzuwachen. Lieber bliebe ich im Bett liegen, bis ich sterbe. Oder bis zum Tod erfrieren. Der Herbst hier ist brutal. Heidrich hat sein Bestes versucht, mich bei Verstand zu halten. Er hat es wirklich. Er treibt mich aus dem Bett, zwingt das Essen meinen Hals hinunter und er tritt mich den ganzen Weg die Straße runter zur Arbeit. Es muss ihn viel kosten, mit mir zu händeln. Tatsächlich glaube ich, dass der ganze Stress, den ich ihm mache, ihn jetzt einholt; er scheint mir eine Erkältung auszubrüten. Auf jeden Fall hustet er verdammt viel. Ich werde ihm eine Suppe machen, wenn er nach Hause kommt. Ich hoffe, ich brenn nicht die Küche nieder. Oh, da ist er schon. Ich werde bald wieder schreiben, Al. Ich versprech es. -Ed X Ich frage mich, über wie viele Jahre diese Einträge gehen...?, überlegte Alex vage, das Kinn gemächlich auf der Hand gestützt. Er schniefte, schnüffelte, dann schüttelte er den Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen. Sein Magen krümmte sich erneut merkwürdig. Erst dachte ich, sie gehen vielleicht über ein Jahr, aber Großvater hat ja nicht so viel geschrieben. Vielleicht ein Mal im Monat – wenn überhaupt. Auch wenn ich nicht glaube, dass er so viel zu sagen hatte, außer dass er Al vermisst. Der Brünette verzog leicht das Gesicht, kaute auf seiner Unterlippe. Ich frag mich, was ich in einen Brief schreiben würde, wenn Edward und ich je getrennt würden...? Er konnte sich nicht viel denken. Er wäre zu sehr damit beschäftigt, seinen Bruder wieder zu finden; nicht herumzusitzen und sich über ihr Schicksal zu beklagen. Und Alex konnte nur annehmen, dass sein Großvater genauso fühlte. Zum Großteil. Außer, dass ihr Großvater sich definitiv darin verbuddelte, seinen jüngeren Bruder zu vermissen. Vielleicht war er ja wirklich in diesen – wie war sein Name? Alphonse? - verliebt? Alexander errötete, als der Gedanke seinen Geist passierte und schüttelte seinen Kopf. „Kann er nicht gewesen sein“, murmelte er dumpf; seine Stimme war merkwürdig heiser, selbst in seinen eigenen Ohren. Er hustete. Was war heute überhaupt mit ihm los? „Ich meine, er hat ja eindeutig jemanden geheiratet... nicht wahr?“ ... nicht wahr? Auch wenn Alex sich – um seines Lebens willen – nicht erinnern konnte jemals jemanden auf Seiten der Familie seines Vaters Großmutter genannt zu haben. Langsam(und in einem Zustand leichter Verwirrung) blinzelnd ob dieser plötzlich klar gewordenen Tatsache, setzte sich der Junge auf. Hatten sie ÜBERHAUPT je eine Großmutter auf der Seite ihres Vater gehabt? Er hatte nie darüber nachgedacht. Sie waren damit aufgewachsen, Großmama Waltz von der Seite ihrer Mutter zu kennen; er hatte nie daran gedacht, dass sie eine andere brauchten(oder gar hatten). Der Brünette war eben dabei, sich zur Suche nach seinem älteren Bruder zu erheben, um seine Meinung zu diesem Thema in Erfahrung zu bringen, als er aus dem Nirgendwo eine vertraute Stimme hörte, wie sie etwas summte, was ein Phil-Collins-Song zu sein schien. Es schien so, weil es einer war. Und es gab nur einen männlichen Teenager, der(ohne massive Mengen an Schnaps intus) ein Lied aus „Tarzan“ in aller Öffentlichkeit singen würde. “Why can’t they understand the way we feel? They just don’t trust what they can’t explain. I know we’re different but, deep inside us, we’re not that different at all.” Ed. Alex brachte sich auf die Knie, kniff die Augen gegen die Sonne zusammen, wandte sich nach rechts- Und dort, auf dem Hügel neben ihm, war Edward. Seine Krawatte war gelockert, die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes geöffnet und sein Skizzenbuch lehnte offen gegen seine Knie, er war in einem Winkel verdreht, der vermuten ließ, dass er Alexander beobachtet hatte; eine Überlegung, die sich als wahr erwies, als er seinen glimmend-gelbbraunen Blick von seinen Zeichnungen hob. Sie hatten Schlieren auf seinem Gesicht hinterlassen. Alex fühlte einen Hitzeanfall in sein Gesicht aufsteigen, trotz seiner inneren Anstrengungen, ihn aufzuhalten. Ed wiederum grinste breit, als er winkte. „Hey, Al!“, rief er unschuldig, wie umrahmt von Sonnenschein und Seifenblasen. „Ich bin schon fast fertig, willst du sehen?“ „Uhm...“ Alexander zögerte, immer noch irgendwie überrascht(und ein wenig verärgert darüber, dass er so unachtsam erwischt worden war. Was machte Edward eigentlich hier?), ehe er sich achselzuckend auf die Füße brachte.(Er ignorierte die Art und Weise, auf die sich die Welt so merkwürdig drehte, als er dies tat.) „Ich... ich denk schon.“ Was der Grund war, dass er sich nur wenige Minuten später lässig gegen Edward Rücken gelehnt wiederfand, die Arme locker um seinen Nacken gelegt, das Kinn auf seiner Schulter; er beobachtete seinen Bruder, wie die letzten paar Graphitlinien an Ort und Stelle brachte. Al nahm schweigend von seiner Technik Notiz, die Wimpern träge gesenkt in der Hitze der Mittagssonne. Trotz seines fortwährenden, vehementen Darauf-Bestehens, dass er seinen Bruder NICHT auf „diese Art“ liebte, konnte Alex nicht leugnen, dass er es mochte, ihm nahe zu sein, wenn sich die Gelegenheit bot. Er war so schön warm... und fest. Alswürde er immer da sein, nach würzigem Rasierwasser riechend und schwach nach Zigarettenrauch. „Bruder...?“, nuschelte er undeutlich, mehr und mehr fühlte er sich auf eine Art und Weise müde, die ihn schon nervte. Ich frag mich, warum? Wahrscheinlich von all diesen öden Unterrichtsstunden... oder von der Sonne... oder den vielen Stunden letzte Nacht, die er damit verbracht hatte, Großvaters Tagebuch zu lesen.„Ja, Al?“, fragte Ed leise, wobei er sich mehr darauf konzentrierte, die letzten Details seiner Skizze zu vollenden. Als er sprach, vibrierte seine Stimme in Alexanders Brust; in ihrem Volumen und den Sprachhöhen sehr tief gestaltet... Alex beobachtete still sein konzentriertes Gesicht, bewunderte, wie die Sonne darauf schimmerte – wie sein Bruder auf seiner Zungenspitze knabberte, während er arbeitete. Er verfärbte sich wieder, doch es war unauffällig, als er sein Gesicht verbarg. „Hatten wir eine Großmutter Elric?“ „...“ Edward schwieg für einen Moment, milde überrascht bedachte er seinen jüngeren Bruder mit einem irritiertem Blick, ehe er mit seiner Arbeit fortfuhr. „... ich schätze, einmal hatten wir die“, antwortete er ohne irgendein Zeichen, dass ihn der Gedanke irgendwie weitere interessierte. „Dad muss mit Großvater blutsverwandt gewesen sein – sie sehen sich zu ähnlich, als dass er adoptiert wäre oder so was. Ich denk mal, sie ist gestorben, bevor wir geboren wurden.“ Alexander schmollte ein wenig, starrte geradeaus über das Basketballfeld. „.. aber ich dachte, du hättest gesagt, dass Großvater seinen Bruder geliebt hätte. Du schienst dir da sehr sicher.“ Ed versteifte sich leicht, schaute ein wenig verblüfft. Und auch ziemlich verlegen. „Nun, ich... kann er ja immer noch. Vielleicht hat er ja nur der Fassade wegen geheiratet. Aber mal ehrlich, Al, warum fragst du mich das?“ „Warum singst du You'll be in my heart während der Mittagspause?“, konterte Alex, obwohl dies nicht das geringste mit irgendetwas zu tun hatte. Aber in seinem Kopf ergab diese Übertragung durchaus Sinn. Er schniefte noch ein wenig mehr. Warum fühlte er sich nur so komisch? „Weil mir danach war“, erklärte Edward schlicht, wobei er von einem Ohr zum anderen grinste. Und damit hob er seinen Block ein Stück höher, als wäre er ein Blumenbouquet zu einem Date. „Gefällt es dir?“, fragte er vergnügt, wobei er Als Reaktion beobachtete. „...“ Dösig streckte Alex sich und grabschte eine Ecke des Papiers mit einer Hand, die sich mit einem Mal viel zu schwer anfühlte. Dann sah er es sich an. Er sah es sich wirklich an. „Wow...“, murmelte er, seine silbrigen Augen leuchteten ein wenig auf, als er sich selbst wieder erkannte. „Das ist wirklich gut, Brüderchen...“ Das war es wirklich. Weich und skizzenhaft, wie um einen einzelnen Moment noch rechtzeitig einzufangen, so war die Zeichnung von Alexander, der seine Nase im Tagebuch vergraben hatte – die Haare flatterten im Wind, während das lange Gras um ihn herum raschelte. Es war schon beinahe, als bewegte es sich wirklich... „Auch, wenn ich nicht weiß, warum du mich gezeichnet hast... statt die anderen hier. Die geben viel interessantere Modelle ab.“ Edward quittierte diesen vage genuschelten Kommentar mit einer gerunzelten Augenbraue. „Das ist Ansichtssache“, flötete er dann leichthin – obwohl seine Wangen ein wenig rosaner schienen, als normalerweise. „Ich persönlich halte dich für ein unbeschreiblich interessantes Modell. Du bist die ganze Zeit so... expressiv! Du siehst nie genau gleich aus. Das ist total faszi- Al?“ Edward richtete sich abrupt auf, seine Augen weiteten sich, als sie sich auf das unerwartet schweißnasse Gesicht seines Bruders richteten. „Al?“, wiederholte er noch eindringlicher, als der Jüngere seinen Kopf müde immer weiter sinken ließ. „Al, du bist so blass- bist du in Ordnung?“ „Mmmm... fühl mich nicht... wirklich gut“, brummte Alex leise, während er langsam nach hinten sank... „rry...“ „Alex-? ALEXANDER!“ X November, 1921 Lieber Al, in letzter Zeit bin ich viel gereist. Zum Großteil Nachforschungen für Heidrich, aber auch für mich. Möglichkeiten, das Tor ohne Alchemie zu öffnen. Es ist irgendwie wie die Wie die Suche nach dem Stein der Weisen, weil jeder sagt, es sei unmöglich. Das Tor zu durchschreiten, meine ich. Zum Großteil, weil die meisten von ihnen noch nie von Alchemie gehört haben, noch weniger vom Tor. Ich weiß nicht, wie ich das ausblenden soll. Aber ich weiß, dass ich nicht einfach aufgeben kann. Ich bin sicher, wo auch immer du bist genauso auf der Suche. Nicht wahr? Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren. Noch nicht. -Ed X „Verdammt, Al! Du hast mir solche Angst eingejagt!“ Alex sandte einen schuldbewussten Blick zur Wand, versuchte, die wütenden Augen seines Bruders zu vermeiden. „Tut mir Leid...“, murmelte er zum gefühlten hundertsten Male. Auch, wenn es wohl eher das tausendste Mal war. „Ich will... ich wollte dir keine Sorgen machen...“ Edward, der es irgendwie fertigbrachte, sogar dann noch verdammt heiß auszusehen, wenn er in Jogginghosen und einem alten T-shirt herumlief, blickte eisig zu seinem Bruder hinab, während er einen kühlen Waschlappen in eine Schüssel auf Alex Nachttisch auswrang. Dann, mit einem leisen Seufzen, legte er den Stoff sachte auf der feuchten Stirn des Brünetten ab, setzte sich vorsichtig auf den Bettrand. „... Ich weiß, du hast das nicht absichtlich gemacht“, brummte der ältere Junge schließlich, wobei er mit einer losen Strähne von Als Haaren spielte. „Aber verdammt, Al; du bist wie tot umgefallen! Warum bist du zur Schule gegangen, wenn es dir so scheiße ging?“ „Hab ich nicht-! Nich heute Morgen jedenfalls“, beharrte Alexander mit einem leichten Schnüffeln. Er zog seine Decken fester um sich herum und versuchte, dieses ekelhafte Gefühl zu ignorieren, das jeder Kranke kannte: dieses Gefühl, das einen irgendwo zwischen Frieren und Schwitzen hängen lässt. „Ich war nur... direkt vor der Mittagspause... und auf einmal...“ „...“ Edward antwortete für einen Moment nicht, zu sehr war er damit beschäftigt, eine bronzene Locke immer und immer wieder um seinen Finger zu wickeln. Dann grinste er. „Nun... immerhin war das keine Reaktion auf meine Kunst. Ich meine, was ich sagen wollte – das wäre die übelste Kritik, die ich je bekommen hätte, wenn es das wäre.“ Sollte das... etwa witzig sein...? „Warum sollte deine Kunst mich krank machen?“, keuchte Alex zögerlich, nicht ganz sicher, ob er den Witz so ganz mitschnitt. Oder er stand ganz generell auf dem Schlauch; was an Edward lag, der in einer Minute noch wie ein Mörder drauf war und in der nächsten alles fröhlich beiseite lachte. „Ich hab es dir doch schon vorher gesagt, es ist wirklich gut...“ Der Blonde lächelte merkwürdig traurig. „Aber du schienst das Motiv nicht allzu sehr zu mögen.“ Er hielt inne, kicherte ein wenig über Alexanders verwirrtes Gesicht. „... mache ich dich auch krank, Al?“, fragte er dann schwach, unfähig, seine Stimme ohne Zittern zu halten. Und Alex war überrascht, zu sehen, wie sich im Auge seines Bruders eine einzelne, kristallklare Träne ansammelte. Er schluckte. „... warum?“ Edward blinzelte ausdruckslos zu ihm hinunter und versuchte schnell, sein Gesicht wieder sauber zu rubbeln. Doch Alex hatte es gesehen. „Warum würdest du mich krank machen, Brüderchen?“ ... der Blonde gab keine Antwort. Stattdessen fuhr er sachte durch Alexanders Haare, die Lippen zu einem lieben Lächeln nach oben gehoben. „Kümmer dich nicht darum“, forderte er sanft. „Schlaf ein wenig. Der Arzt sagt, das hier begründet sich zum Teil auch in Erschöpfung und Stress. Keine Ahnung, was du in letzter Zeit so dringend gemacht hast, aber du brauchst dringend eine Pause davon.“ „Ah...!“ Alex hustete leicht enttäuscht, als Ed Anstalten machte, zu gehen. Was sollte das denn-? „Warte, Bruder-!“ Edward hielt inne, sah über die Schulter zu Al. Alexander zeigte einfach nur von sich weg, während er langsam nacheinander drei unterschiedliche Grüntöne annahm. „Kannst du mir den Eimer reichen? Ich glaub ich k-!“ Also reichte Edward ihm den Eimer. Gerade noch rechtzeitig. X Dezember, 1921 Lieber Al, hier gibt es einen Feiertag, von dem ich noch nie zuvor gehört habe. Sie nennen es Weihnachten. Heidrich feiert es und er zeigt mir, wie. Da steckt allerdings eine Menge Religion dahinter – weiß nicht, ob ich das so mag. Da wurde wohl am 25. Dezember ein Kind namens Jesus von einer Jungfrau geboren(obwohl das absolut unmöglich ist) und wuchs zum Messias heran oder so was. Also feiern die Christen in aller Welt(Christen, abgeleitet von seinem Namen Jesus Christus, denk ich mal) den Tag seiner Geburt, indem sie einen Baum umbringen und ihn mit Lichtern dekorieren und sich gegenseitig Geschenke geben und Unmengen komischer Lieder singen. Es ist komisch. Aber weißt du, was das Komischste an der ganzen Sache ist, Al? Ich glaub, es gefällt mir sogar. Ich war auch überrascht. Aber es ist... es ist schwer, es nicht zu mögen, bei all dieser Wärme, die die Stadt umgibt – eine Wärme, die nicht einmal von der beißenden Kälte ausgemerzt werden kann. Beinahe die ganze Zeit schneit es und ist dunkel, aber alles scheint heller. Die Leute sind freundlicher zu Fremden, die Tannen, die sie fällen, schimmern so schön durch die Nacht, die Lieder sind irgendwie nostalgisch... und jeder lächelt. Als wäre diese Welt wirklich ein schöner Ort. Ich hab Heidrich ein Weihnachtsgeschenk gemacht. Aus ein paar Metallresten, die Hohenheim aufgehoben hat, um meine Ersatzarme und -beine zu machen. Es ist eine kleine Rakete. Oder soll es wenigstens sein; irgendwie ist das schwer zu sagen, weil die Flügel irgendwie schief und verbogen sind. Aber ich glaube, es sieht genug danach aus. Ich hoffe, es gefällt ihm. Ich frage mich, was dir gefallen würde, Al? Ich werde etwas Besonderes für dich besorgen, glaube ich und es aufheben. Dann geb ich es dir, wenn wir uns wiedersehen. Oder vielleicht lass ich dich bis zum nächsten Weihnachten warten. Ich glaube, du wirst diesen Feiertag mögen, sobald du die Gelegenheit bekommst, ihn mitzumachen; vielleicht sogar noch mehr, als ich ihn mag. Ich kann mir denken, du würdest all die merkwürdigen Lieder und das Essen lieben... du würdest die Lichter am Baum bewundern. Und du würdest das Wohlwollen in dich aufsaugen, das die Leute sich gegenseitig auf der Straße zeigen. Wirklich, ich glaube, du wurdest für Weihnachten geschaffen. Und ich freue mich schon darauf, in Zukunft hunderte von Weihnachten mit dir zu teilen, also warte auf mich, okay? -Ed X Es war keine ungewöhnliche Szene – trotz ihres Status als jüngstes Kind und Daddys kleines Mädchen war Rosalie Elric bei weitem die Person, die mit dem offensten Geist und dem offensten Mundwerk in derFamilie ausgestattet war. Sehr zum Ärger ihres Vaters, wenn es zu gewissen Themen kam... Edward, mitten in einer schnellen Bleistiftskizze und im Lehnsessel und Alex, der in eine Decke gewickelt auf der Couch in der Ecke hockte, beobachteten milde amüsiert, wie der Abspann von Numb3rs von einem heftigen Streit unterbrochen wurde. Mal wieder. Oder besser gesagt, wie gehabt. „Rosie“, grollte ihr Vater hinter seiner Zeitung hervor – sein kurzer, goldener Bart bebte - „Ich weiß nicht, wie ich dir das noch begreiflich machen soll. Es gibt einen GRUND, warum die Leute des Öfteren Vorurteile gegen Schwule und solche haben. Nämlich, weil es FALSCH ist.“ „Wie kannst du das sagen!“, schnarrte Rosalie, während sie mit den Augen regelrecht Dolche abschoss. „Wie? Wenn du ganz genau weißt, dass es um das Glück anderer Leute geht?“ „Es tut mir Leid, Rosie, aber es ist einfach nur widerwärtig“, spuckte Mr. Elric aus und raschelte mit der Zeitung, im Versuch, den Zorn in seiner Stimme zu übertünchen. Edward fur stumm mit dem Radiergummi über sein Papier. „Es ist unnatürlich.“ „Sagt wer? DU? Was macht es so unnatürlich? Ne Menge Tiere sind schwul – du siehst es doch in den Zoos. Scheiße, du siehst es in den Hinterhöfen! Du hattest doch Hunde, oder?“, schnaufte sie, und überkreuzte Arme und Beine. Ihre Mutter, die eben mit einem Korb voller Wäsche ins Wohnzimmer getreten war, warf einen Blick auf diese Pose und ging dann sofort rückwärts wieder heraus. „Rosie, das ist eine Lüge; wie wären wir dann in der Lage uns fortzupfl-“, begann ihr Vater zu seufzen- „NICHT JEDER IST VERDAMMT NOCH MAL SCHWUL, DAD. Und warum zur Hölle sollte es dich interessieren, was andere Leute machen? Fühlst du dich mit deiner eigenen Sexualität nicht wohl? Sie gehen nicht auf dich los. Sie sagen dir nicht, dass DU schwul sein sollst. Und es ist ja nicht so, dass sie es sich AUSGESUCHT haben, schwul zu sein! Wer würde das denn, bei all der Scheiße, durch die Leute wie du sie durchjagen?“„...“ Ed rollte sich ein wenig fester um sein Skizzenbuch zusammen, die Stirn wie in Konzentration gerunzelt. Alexander wagte keinen Blick auf ihn. „Achte auf deine Sprache, junge Dame“, schnappte Mr. Elric, wobei er seine Zeitung in ein ordentliches Quadrat faltete. Dann, mit einem tiefen Atemzug, nahm er seine Brille ab, um sie zu putzen. Oder wenigstens seine Hände zu beschäftigen. „Und es tut mir Leid. Es ist einfach unnatürlich. Wenn Gott-“ „Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass Männer miteinander rummachen, hätte er ihnen keine erogenen Zonen in den Arsch gesetzt!“, konterte Rosie ohne auch nur einen Moment zu zögern. Ihr Vater wurde feuerrot. Verdammt, genauso Ed und Alex. „Rosalie Catharine-!“, plapperte der Mann, während seine Wangen von sehr aggressiven Flecken übersät wurden. „Wann hat dieser Wahnsinn nur ein Ende!“ „An dem Tag, an dem du endlich einsiehst, dass nicht jeder die Welt so sieht wie du“, grollte sie, die runden Augen verengten sich vor Abscheu. Ihr Vater schnaubte und setzte sich bedacht die Brille wieder auf die Nase. „Das kommt von dem Mädchen, das der Meinung ist, Charlie und Don sollten was miteinander anfangen“, stieß er hervor und wedelte vage Richtung Mattscheibe. Rosie hob eine fragende Augenbraue. „Ja und?“ „JA UND?“, würgte Mr. Elric. „Ja und sie sind Brüder! Das ist – das ist, als ob Edward und Alexander was miteinander anfingen! Würde dich das nicht erschrecken?“ Rosalie sagte nichts. Doch ihr hinterhältiges Lächeln sprach Bände. Und für die Brüder war es das Stichwort, schleunigst zu verschwinden. „Ich glaube, ich geh ins Bett“, keuchte Alex hastig, sein Kopf war ein bisschen leichter, als er eigentlich sollte. Es war seiner Gesundheit wirklich nicht zuträglich, hier unten zu sein, inmitten all dieser rasenden Ideen und Streitereien... er war verwirrter denn je. Und all diese Aufregung neigte dazu, ihm das das Gefühl zu geben, er müsse gleich kotzen. Ja, was er jetzt wirklich brauchte, war ein bisschen Zeit allein. Doch das schien schwierig zu werden: Edward war gleichzeitig mit ihm aufgestanden, das Skizzenbuch unter den Arm geklemmt und er mied beharrlich den starren Blick seines Vaters. Nicht, dass Alex ihm übel nehmen konnte, dass er sich so schnell wie nur irgend möglich verkrümeln wollte. Jeder, der irgendwie bei Verstand war, hätte das gewollt. (Außer Rosie. Aber die war auch schon wahnsinnig zur Welt gekommen, das wusste jeder.) Trotzdem, mit Edward zusammen zu sein, während er dermaßen benebelt war, war das Letzte, was Alexander gebrauchen konnte. „Ich helf dir“, murmelte Ed unhörbar, griff sachte nach Als Arm und führte ihn Richtung Flur. Alex schluckte, war kurz davor, die Hilfe abzulehnen – doch am Ende entschied er sich, die anzunehmen. Protest wäre zu viel Arbeit gewesen... und wenn Edward eine Ausrede brauchte, um da raus zu kommen, Alexander war mehr als glücklich, um als solche herzuhalten. Der Korridor war kalt und dunkel verglichen mit dem Wohnzimmer; ihm mangelte es an den hellen Lichtern, der warmen Einrichtung, den ausgetretenen Teppichen. Doch im Kontrast dazu war es hier wunderbar ruhig auf seine schattige Art und Weise und das war alles, was sie jetzt wollten – wobei sie vergeblich versuchten, die fortgesetzten Schreigeräusche auszublenden. Ihre Schritte hallten auf dem hölzernen Fußboden wider. Alex versuchte, sich ein Lächeln abzuringen. „Rosie ist eindeutig... ähm... sehr direkt, wenn es um ihre Meinung geht.“(die meisten Leute würden das wohl als die Untertreibung des Jahres bezeichnen.) Edward gab keine Antwort. Er schaffte nicht einmal ein Lächeln. Sein Gesicht war steinhart. „Denkst du, sie trichtert ihm jemals ein bisschen Vernunft ein?“, versuchte Alexander es erneut schwach; es machte ihn wahnsinnig, wie kraftlos und brüchig seine Stimme klang. Ich hasse Kranksein. Doch falls Edward die Frage hörte, ignorierte er sie. Stattdessen fragte er – in einer Stimme, so steif wie sein Gesicht - „Hältst du mich für einen Feigling?“ ... das war unerwartet. „Hä?“ „Hältst du mich für einen Feigling?“, wiederholte Edward, während er die Schlafzimmertür öffnete und Alex hineinhalf. Mondlicht floss in hellen Schattierungen von Saphir und Indigo durch das Fenster. Die Strahlen erhellten die Wände, ergossen sich über ihre persönlichen Schätze, erleuchtete ihre Gesichter als ob immer noch die Sonne schien. „Weil ich Dad nicht sage, dass ich schwul bin.“ Alexander fühlte, wie sich sein Mund nach oben zu einem dünnen, schiefen Grinsen verzog. „Nein, Ich halte dich für nicht suizidgefährdet.“ Ed schnaufte und half Alex, sich auf seinem Bett niederzulassen. Doch statt sich hinzulegen beobachtete der Jüngere seinen Bruder, wie er die Tür schloss, den Deckenventilator einschaltete und das Fenster öffnete – ehe er sich umdrehte und sich heftig durch seine Sockenschublade wühlte. Das Gesicht des Brünetten verfinsterte sich, während er die kleine Vorstellung beobachtete; es war ein vertrautes Bild. „Du hast mir erzählt, du hättest aufgehört“, meinte er angespannt, als Edward eine Zigarette aus einer einsamen, verkrümpelten Schachtel zog und sie mit einem losen Streichholz anzündete. Ed zuckte die Achseln, endlich beruhigt, als er sich auf dem Fenstersims niederließ, die Arme um seine Knie gelegt. „Hab ich“, verkündete er dann mit einem Blick zu Al vom Fenster aus. Seine Augen waren so voller Leben, glühend wie Kohlen; warum sonst sollte Alex Gesicht sich anfühlen, als stünde es in Flammen? (Das muss das Fieber sein... Um dem entgegenzuwirken, schob er zwei Tabletten Nyquil ein.) „Die sind nur für stressige Momente.“„Und was ist heute so stressig?“, fragte Al hustend und wickelte sich schützend in seine Steppdecke. Der kühle Wind, der durch das Fenster kam, verursachte ihm Kopfschmerzen... er hatte keine Ahnung, wie Edward das aushielt, mit nichts am Leib als einer offenen Jeans. „Nun, ich-“ Doch dann erstarrte er, setzte sich schnell auf- und fluchte, als er Alexanders Zittern bemerkte. „Oh, cheiße-! Tut mir so Leid, Al! Ich hab nicht nachgedacht...!“ Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, stampfte er die Zigarette auf dem Rücken eines Schulbuches aus, warf sie heraus und schloss wieder das Fenster. Der Ventilator war nur eine Sekunde später ausgeschaltet und dann war da Ed – wie er vor seinem bebendem jüngeren Bruder kniete. „Das tut mir so Leid“, wiederholte er, wobei er wirklich danach klang. „Ich hab echt nicht nachgedacht... dir ist nicht zu kalt, oder?“ Alex schüttelte den Kopf, doch sein Körper wollte nicht aufhören, zu zittern. Edwards Augen hellten sich in Sorge auf. Eine vorsichtige Hand hob sich, um die langen, das Gesicht sachte umrahmenden Strähnen fort zu streichen. 'Mein Gesicht ist doch sicher viel wärmer, als es sollte...', dachte Alex benebelt, verlegen. Die Hand seines Bruder fühlte sich viel zu kühl an gegen seine erhitzte Haut... wie Eis. 'Besser, er fasst mich nicht an, ich könnte ihn nicht verbrennen...' Der unlogische Gedanke machte in seinem wirren Geist durchaus Sinn; er hob eine Hand um die des anderen weg zu schieben – doch es endete damit, dass er sie stattdessen fest hielt; zog sie hinunter, um die Finger mit seinen eigenen zu verschränken. „!“ Ed versteifte sich vor Schreck, als Alex plötzlich nach vorn sank, sein Kopf sank gegen die Schulter seines Bruders. „Al...?“ „Du, Bruderherz“, brummelte Alex, er klang unglücklich und merkwürdig, sogar in seinen eigenen Ohren. Und sein Mund war wie mit Watte ausgestopft... „Wenn Großvater schwul war, warum ist sein Kind so homophob drauf...?“ Edward schluckte schwer, er versuchte, nicht daran zu denken, wie sich der warme Körper gegen seinen eigenen drückte. „Weiß ich nicht“, flüsterte er dann, gab ein schwaches Zusammenzucken von sich, als sich Alexanders Finger um seine eigenen festigten. „Aber dich muss das doch nicht kümmern, oder?“, fuhr er gleichmäßig fort, strich einige Strähnen aus Als schweißnassem Nacken. „Ich meine, du bist hete.“ „Mmmm... weißnich“, blubberte Alexander in einem großen Gähnen. Seine freie Hand klammerte sich um die losen Haarsträhnen seines Bruders. „Vielleicht bin ich auch schwul... manchmal glaub ich, dass ich es bin...“ Er schloss die Augen, grinste ein wenig, wie betrunken. „He, Bruderherz... dein Herz geht echt ziemlich schnell...“ „Wirklich?“, krähte Ed im Versuch, ruhig zu klingen – doch wirklich, er war im Moment einfach nur mehr als dankbar, dass Alex nur seine obere Körperhälfte betatschte. 'Er steht unter Medikamenten, Edward. Mach bloß keine Dummheiten-!' „Ja...“, murmelte Alex mit einem leichten Seufzen. „Aber... meines auch...“ Und damit schlief er dann auch ein. X Dezember, 1921 Lieber Al, Heute ist Sylvester – es sind ziemlich viele Feiertage im Dezemer. Es gibt aber keine Geschenke oder tote Bäume oder irgendwelche Lieder. Heidrich sagt, Sylvester ist eher ein privater Feiertag; um darauf zu blicken, was einem im letzten Jahr passiert ist und um zu entscheiden, was man in Zukunft will. Ich hab ihm gesagt, dass das Letzte, was ich bräuchte, wäre, noch mehr auf meine Vergangenheit zu blicken. Er hat nur gelacht und gemeint, dass, wenndas der Fall wäre, ich mich auf den Zukunfts-Aspekt an diesem Tag konzentrieren sollte. Ich meinte, dass ich damit auch schon täglich besessen bin; das konnte er nicht leugnen. Aber trotzdem meinte er ich solle es wenigstens mit diesem Feiertag versuchen und ausprobieren, ob ich am Ende nicht doch Gefallen dran fände. Also bin ich hier und versuch. ...Zum Großteil versuche ich eigentlich, NICHT über das letzte Jahr nachzudenken. Denn wirklich, wie könnt ich je wirklich begreifen, was passiert ist? Die erste Hälfte des Jahres war ich mit dir zusammen – dann wurdest du mir weggenommen und ich wurde durch das Tor gestoßen. Diesen Preis war ich(und bin es immer noch) bereit zu zahlen, um dich am Leben zu wissen, aber... Und dann war da die zweite Jahreshälfte: in der ich versucht habe, mich in eine Welt einzufügen, in die ich ganz eindeutig nicht hinein gehöre, mit Leuten, die ich nicht kenne, die nie von meinem Zuhause oder meinem Job gehört haben. Eine Welt ohne dich. Und das bringt mich zu meinem überhaupt nicht vorhersehbaren Vorsatz: Dich wieder zu bekommen. (Wetten, das hast du nicht kommen sehnen, Al? Ha ha.) ... Heidrich sagt auch, dieser Tag ist dazu da, den Menschen zu sagen, wie man fühlt. Dafür gibt es noch andere, ähnliche Feiertage, doch im Sinne der „Verbindung von Vergangenheit und Zukunft“, wie er es so hübsch ausdrückt, glaub ich, dass ich mich auch genauso gut an diese Tradition halten kann. Ich liebe dich, Al. Und ich habe vor, dir das auf Millionen von Arten zu sagen, wenn ich dich erst wieder finde. Ich denke, das könnte man als meinen zweiten Vorsatz betrachten. Dir ein frohes neues Jahr, Alphonse. -Ed XXX Ihr hasst mich jetzt sicher alle, nicht wahr? Tut mir Leid... aber kommt schon, ihr wollt doch nicht mit ansehen, wie Edward sich über seinen betäubten kleinen Bruder hermacht? ... okay, gut, was ist, wenn ich nicht mit ansehen will, wie Edward sich über seinen betäubten kleinen Bruder hermacht? (Oh, und ja, Nyquil hat wirklich solche Nebenwirkungen... oder zumindest bei mir. o.O) So oder so, ich hoffe, es hat euch gefallen! Ich versuch so bald wie möglich wieder upzudaten. X3 (PS. Einige von haben nach meiner Fansite gefragt – der Link, den ich am Ende hat nicht funktioniert? Wenn das stimmt, versucht es bitte mit dem Link, den ich in meiner Bio gepostet habe, okay? Danke, dass es euch so interessiert! XD (umärmel)) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)