Das große Leuchten von felitastic (Ein Wintermärchen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war einmal ein kleines Irrlichtmädchen namens Rechtslang. Für alle, die noch nie ein Irrlicht gesehen haben, hier eine Erklärung aus dem "Buch der Dinge, die man nicht gesehen haben will": Irrlichter sind kleine Geschöpfe, kaum größer als eine Kinderhand, die so hell leuchten, dass niemand weiß, wie genau sie eigentlich aussehen oder ob sie nicht aus purem Licht bestehen. Rechtslang war ein vorbildliches Irrlicht, hatte nichts als Unsinn im Kopf und konnte sogar in drei verschiedenen Farben leuchten. Ihren Namen verdankte sie der Tatsache, dass sie immer dieselbe Antwort gab, wenn man nach dem Weg fragte. Rechtslang war mächtig stolz auf ihren Ruf, denn sie hatte nicht nur die Grundausbildung im Schabernack aller Art meisterhaft bestanden, sondern auch ihren Mentor hereingelegt und nebenbei einen Zusatzkurs in Große Tölpel mit Wortspielen verwirren abgeschlossen. Ja, sie hatte viel erreicht in der kurzen Zeit, die sie bereits auf Erden weilte. Am dritten Tag ihres achten Monats erwachte Rechtslang nicht wie gewöhnlich vom fröhlichen Gekeife ihrer Nachbarn oder einem Eimer Wasser, den ein Freund lachend über ihr ausgoss. Sie erwachte einfach so, ganz von selbst. Es war ganz still um sie herum. Gab es etwa ein Treffen und die anderen hatten ihr nichts gesagt, um sie zu veräppeln? Rechtslang war ein recht beliebtes Irrlicht unter ihren Altersgenossen, was zwangsläufig dazu führte, dass sie mehr Streiche abbekam als irgendjemand sonst. Das Irrlicht kicherte und sprang auf. Die konnten was erleben! Sie würde sich für jeden einzelnen einen unglaublich frechen Schabernack ausdenken, den sie so bald nicht vergaßen! Fröhlich hüpfte sie zur Tür, öffnete diese und blieb erstaunt stehen. Die Landschaft hatte sich seltsam verändert. Wo gestern noch rotes und gelbes Laub den Boden bedeckt hatte, lag jetzt eine weiße Schicht. Auch auf den Bäumen und Sträuchern lag dieses Zeug, und was noch viel unglaublicher war, es fiel vom Himmel! Sternenförmige, weiße Kristalle aus dem weißesten Material, das Rechtslang je gesehen hatte, segelten anmutig vom Himmel herab. Rechtslang streckte und reckte sich, aber sie konnte beim besten Willen nicht erkennen, wer für diese Tat verantwortlich sein mochte. Kein Irrlicht kannte Schnee, und so kam sie zu dem Schluss, dass es sich um einen Streich der Sonne handeln musste, die auch in unregelmäßigen Abständen Wasser herunterschüttete. Und kühl war es! Rechtslang fröstelte und holte sich rasch die weiche Decke von ihrem Bett, um sie sich wie einen Umhang über die Schultern zu werfen. Nachdem Rechtslang das weiße Zeug lange genug bewundert und sogar angefasst hatte - es war gräßlich kalt und verwandelte sich rasch in ein paar Tropfen Wasser - beschloss sie, die anderen zu suchen. Immer noch war niemand weit und breit zu sehen oder zu hören. Sie flatterte zwischen den Bäumen durch und bewunderte das Glitzern und Funkeln. Allerdings wurde ihr das Weiße bald lästig, denn es schmolz ständig auf ihrem Kopf und Gesicht, und so beeilte sie sich, den Ratsbaum zu erreichen. Der Ratsbaum war eine breite Eiche, deren Krone bis in die Wolken zu reichen schien. In seinem Inneren befand sich ein großer Hohlraum, der mit Sitzgelegenheiten und Tischen ausgestattet war. Dort trafen sich die Irrlichter, wann immer es einen Anlass dazu gab. Rechtslang konnte schon den Eingang erkennen, als eine Windböe über ihr durchs Geäst sauste. Ehe sie begriff, wie ihr geschah, landete ein großer Schwall des Weißen auf ihr und riss sie zu Boden. Zu ihrem Glück fing das gleiche weiße Zeug sie sanft auf. Fluchend schüttelte Rechtslang das Zeug von sich herunter, doch es war bereits geschmolzen und hatte sie komplett durchnässt. Und dann passierte etwas, das Rechtslang noch nie passiert war: Ihr Leuchten verlosch. Sie konnte fühlen, wie es aufhörte, so wie ein Mensch fühlt, wenn sein Mund austrocknet. Entsetzt starrte sie auf ihre kleinen Hände, die sich jetzt blass und ungewohnt dunkel präsentierten. Der Schein ihrer Selbst, der eben noch die Dämmerung aufgehellt und die weißen Flocken in freundliche Farben gehüllt hatte, war fort, zurück blieb nur das Weiß, welches ihr nun trist und leer vorkam. Rechtslang konnte nicht verstehen, wie das passiert war, denn selbstverständlich war sie schon öfters nass geworden. Sie schüttelte sich erneut und bemühte sich mit all ihrer Kraft zu leuchten, doch nichts geschah. Ihr war so entsetzlich kalt wie nie zuvor, denn das Wasser in ihrer Kleidung schien die Kälte anzuziehen wie ein ahnungsloser Reisender Irrlichter. Vor allem in ihren kleinen Füßen tobte ein stechender Schmerz und sie flatterte hastig, um sich in die Luft zu erheben. Das heißt, sie wollte flattern, doch in diesem Moment ging ihr auf, dass sie keine Flügel mehr hatte. Die Flügel von Irrlichtern bestehen nämlich aus dem Leuchten, das sie erzeugen, und nur ihr Leuchten gibt ihnen die Leichtigkeit, zu fliegen. So langsam bekam Rechtslang es mit der Angst zu tun. Das war nicht mehr witzig, das war kein Scherz. Hier war niemand, der über sie lachte und obwohl sie der Eiche so nahe war, hörte sie nichts außer dem leisen Heulen des Windes. In ihrem Magen schien sich ein Klumpen des Weißen angesammelt zu haben, hart und kalt drückte er gegen ihre Rippen. Die Kehle schnürte sich ihr zu, die Sicht verschwamm. Aber erst, als ein leiser Schluchzer über ihre Lippen drang, wurde ihr klar, dass es Angst sein musste, die sie fühlte. Trotzig schüttelte Rechtslang ihre Furcht ab. Sie würde sich doch nicht von so einem komischen Weiß besiegen lassen, wo sie doch schon Menschen, Trolle und andere Monster in die Irre geführt hatte! Da ihr das Fliegen weiterhin verwehrt blieb, stapfte das kleine Irrlicht los, kämpfte sich durch den Schnee. Immer wieder sackte sie tief ein, immer wieder raffte sie sich auf und ging mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie den Ratsbaum erreichte. Stumm blickte sie auf und sah sich mit dem nächsten Problem konfrontiert: Der Eingang befand sich mehrere Armlängen über ihr. "Hallo?", rief Rechtslang unsicher. Ihre Stimme hallte leise durch den Wald und die Verzweiflung darin gefiel ihr nicht. Niemand antwortete, nur eine Eule schuhute weit entfernt. Entschlossen griff Rechtslang nach einer Kerbe in der Rinde und zog sich daran hoch. Hier eine Lücke für ihren schmalen Fuß, da ein Knubbel zum Festhalten, dort eine Ausbuchtung, um die sie ihre tauben Zehen krallen konnte. Sie ächzte und keuchte, ihr Atem entwich in weißen Wölkchen, aber sie gab nicht auf. Zitternd erreichte sie den Sims und zog sich hoch. Eine Weile lag sie einfach nur dort, wartete darauf, dass ihr Atem und Herzschlag sich beruhigten und der Schmerz nachließ. Ihre Finger brannten von der rauen Rinde und wie ihre immer noch sehr gefühllosen Füße aussahen, wollte sie gar nicht wissen. Schließlich setzte sie sich auf und riskierte einen Blick in den Ratsbaum. Er war leer bis auf die Tische und Stühle, die allerdings in heilloser Unordnung herumlagen. Einige schienen sogar zerbrochen und Rechtslang fragte sich, ob hier eine Feier stattgefunden hatte. Vorsichtig erkundete sie den Raum und ließ sich schließlich in einem Sessel nieder. Es war nicht gerade warm hier drin, also benutzte sie einen kaputten Stuhl, um ein Feuer im Ofen in der Mitte des Raumes zu machen. Bald schon wurde es wärmer, Rechtslangs Kleidung trocknete und ihr kalter Körper erwachte wieder zum Leben. Ihre Füße schmerzten höllisch, sogar noch schlimmer als ihre Hände, doch das war ihr egal, denn in dem Moment, wo die Kälte schwand, kehrte ihr Leuchten zurück. Ihre Freunde schwand jedoch rasch, denn sie hatte immer noch keine Spur von den anderen Irrlichtern gefunden. Konnte es sein, dass sie einfach gegangen waren? Das wäre wirklich nicht mehr lustig. Missmutig lief Rechtslang im Raum auf und ab. Draußen war es schon dunkel, die Sterne funkelten so hell wie nie am Firmament, doch das Irrlichtmädchen hatte kein Auge dafür. Sie war gerade bei ihrer zweiunddreißigsten Runde, als sie rote Farbe auf dem Boden entdeckte. Die Spritzer führten vom Eingang in die Mitte des Raumes, dann zu einer Wand. Rechtslang wusste genau, was das zu bedeuten hatte: Ganzbestimmt war hier gewesen. Ganzbestimmt war selbstverständlich auch ein Irrlicht und er war in ihrer Klasse gewesen. Er hatte es nie geschafft, in einer anderen Farbe als grün zu leuchten, allerdings bekam er Bestnoten für seine Streiche, die er stets mit einem farbigen Bildchen kennzeichnete. Überhaupt hinterließ er derlei Spuren wann immer er eine Minute Zeit hatte. Als Rechtslang das Ende der Farbspur erreicht hatte, fand sie wie erwartet ein solches Bild. Daneben stand: "Hüte dich vor den weißen Sternen." Rechtslang hatte den gesamten Ratsbaum auf den Kopf gestellt - ein zweites Mal - aber keinen weiteren Hinweis finden können. Seufzend ließ sie sich neben Ganzbestimmts Zeichnung eines kristallenen Sternes nieder. "Toller Hinweis", murmelte sie missmutig. "Ein bisschen spät vielleicht." "Schuhu, du solltest das Feuer lieber ausmachen, hu", erklang es vom Eingang her. Rechtslang zuckte herum und erblickte Tschuschon. Die Nachteule gehörte zu den wenigen Waldtieren, die so nahe an der Irrlichtkolonie wohnte, was unter anderem an ihrer schier endlosen Gutmütigkeit lag. "Es lockt die Schneemonster an, schuh." Ihr Kopf ruckte noch nervöser als sonst hin und her, während sie versuchte, gleichzeitig zu Rechtslang und hinter sich zu spähen. "Was sind Schneemonster?", fragte Rechtslang verwirrt. Die Eule blinzelte. "Alle Tiere, schuh, reden von ihnen. Sie kamen im Morgengrauen und huhu-haben die anderen Irrlichter mitgenommen." "Mitgenommen? Wohin mitgenommen?", rief Rechtslang aufgeregt. "Mach erst das Feuer aus, schuhu.", bat Tschuschon und trat unruhig von einem auf den anderen Fuß. "Dann bringe ich dich hin." Die Schneefeste ragte hoch in den dunkelblauen Nachthimmel hinauf. Sie bestand komplett aus Schnee, der, wie Tschuschon erklärt hatte, nichts anderes als sehr sehr kaltes Wasser war. Ihre Außenmauern sahen allerdings viel stabiler aus als das pulverige Zeug auf dem Boden, sie glänzten glatt und kalt im Mondlicht. Das Irrlicht spähte vorsichtig an Tschuschons Kopf vorbei. Sie hatte ihr Leuchten auf ein Minimum gedrosselt und duckte sich in das Gefieder der Eule, trotzdem kam sie sich viel zu auffällig vor. "Das ist ihre Festuhung.", sagte Tschuschon leise. "Sie ist hübsch", musste Rechtslang zugeben. "Wie kommen wir da rein?" "Wir?", wiederholte die Eule. "Ich bin doch nicht lebensmude, schuhu!" In diesem Augenblick regte sich etwas bei der Schneefestung und die beiden verstummten. Eine Öffnung entstand in der Außenmauer und zwei Gestalten traten heraus. Hinter ihnen schloss sich der Ausgang wieder nahtlos. Die beiden Schneemonster waren ebenso hoch wie breit und als sie näher kamen, erkannte das Irrlicht, dass sie nicht liefen, sondern rollten. Sie besaßen keine Gliedmaßen, weder Arme noch Beine, und auch ein Kopf war nicht erkennbar. Dafür waren ihre Körper bedeckt mit feinen, kristallenen Mustern. Auch ihre Körper waren nicht so rund, wie Rechtslang erst gedacht hatte, sondern mit ganz vielen kleinen Zacken versehen. Dann fiel es dem Irrlicht wie Schuppen von den Augen. "Weiße Sterne!", platzte sie heraus, denn die Bedeutung von Ganzbestimmts Nachricht war ihr gerade klar geworden. "Sssschuh", machte die Eule, doch es war zu spät. Die beiden Schneemonster hatten inne gehalten und wechselten nun ihre Richtung. Zielstrebig rollten sie auf den Baum, in dem Tschuschon und Rechtslang sich versteckten, zu. Das Irrlicht traf eine Entscheidung. Sie flog aus ihrem Versteck und auf die weißen Sterne zu. "Schuhu!", machte Tschuschon, der vor lauter Entsetzen die Worte fehlten. "Ich will mit eurem Anführer reden!", sagte Rechtslang und schwirrte um die Schneemonster, die jetzt angehalten hatten. "Ich möchte über die Freilassung meiner Kameraden verhandeln!" Die Sterne rührten sich nicht und das Irrlicht begann seine Idee bereits zu bereuen, da erklang eine tonlose Stimme vom rechten Stern: "Folgen." Damit begannen die beiden wieder auf die Festung zuzurollen und Rechtslang folgte. Zurück blieb eine verzweifelte Eule. Aus der Nähe betrachtet war die Schneefestung noch imposanter als aus der Ferne. Wo man hinschaute, war sie von filigranen Mustern bedeckt, die gleichzeitig völlig wirr und doch absolut ineinander passend schienen. Sie glitzerten und funkelten silbrig, dass einem die Augen schmerzten. Als die Schneemonster vor der Wand anhielten, öffnete sich ein bogenförmiger Durchgang wie ein großes Maul. Dahinter war es dunkel. Nervös folgte Rechtslang den beiden ins Innere. Die Wand war steinhart und so eisig, dass ihr die Finger schmerzten, als sie sie nur kurz berührte. Umso erstaunlicher fand sie, dass es zwar kühl, aber nicht unerträglich kalt im Inneren der Feste war. Der Eingang schloss sich hinter ihr, und ohne ihr Licht wäre es stockfinster gewesen. Konnte es sein, dass die Schneemonster Angst vor Feuer hatten? Schließlich sah sie Licht am Ende des Ganges. Er öffnete sich in eine große Halle, die von schwachem, gelblichen Lichtschein erhellt wurde. Als Rechtslang sich nach der Quelle umschaute, erschrak sie zutiefst. Kleine Käfige, offenbar ebenfalls aus Schnee, hingen an den Wänden. Und darin saßen Irrlichter, traurig und still, wie kein Irrlicht sein sollte. Rechtslang winkte ihnen zu, doch die Gefangenen schienen sie gar nicht wahrzunehmen und starrten weiter stumpf die Wände oder den Boden ihrer Käfige an. Die Schneemonster hielten an und rollten zur Seite, womit sie den Blick auf einen kleinen Thron freigaben. Darauf saß ein äußerst sonderbarer Vogel. Er hatte sehr glattes Gefieder, das vom Scheitel den Rücken herunter schwarz, aber vorne auf Brust und Bauch weiß war. Seine Füße waren riesig im Vergleich zum restlichen Körper und platt wie die von Enten. "Ich bin Mors, Herrscher über Schnee und Eis.", sprach er wichtig und reckte den Schnabel in die Luft. "Wer bist du und was ist dein Begehr?" "Ich bin Rechtslang.", sagte Rechtslang und vergaß vor lauter Neugier ihr Anliegen. "Und warum bist du der Herrscher über Eier? Bist du eine Mama?" Der Vogel klackte empört mit dem Schnabel und schüttelte den Kopf. "Eis, du dummes Ding, nicht Eier! Und selbstverständlich bin ich keine Mama, ich bin schließlich ein Mann und der zukünftige Herrscher der Welt." "Oh.", machte Rechtslang verwirrt. "Und was ist Eis?" Mors starrte ungläubig. "Alles um dich herum besteht aus Eis!" "Oh!", machte Rechtslang erneut und blickte sich um. Dabei fiel ihr wieder ein, warum sie hier war. Sie deutete auf die Käfige. "Warum hast du meine Freunde eingesperrt?" "Irgendwie muss ich ja Licht hier hineinbekommen.", antwortete Mors selbstverständlich. "Wie wäre es mit Fenstern?", schlug Rechtslang vor. "Damit jeder Eroberer hier einfach reinmarschieren kann? Von wegen!" "Ein Kamin?" "Dann schmilzt mir ja alles weg!" Das Irrlichtmädchen schwieg. Dann grinste sie. "Ich könnte dir und deinen Sternen zeigen wie man leuchtet." Der Vogel beugte sich interessiert vor. Misstrauisch kniff er seine schwarzen Äuglein zusammen. "Ja?" "Natürlich. Jedes neue Irrlicht bekommt seine Leuchtkraft in einer Zeremonie übertragen, wenn es alt genug ist.", log Rechtslang lässig. "Allerdings bräuchte ich dafür die Hilfe der anderen, denn die Zeremonie braucht viel Kraft." Mors lachte spöttisch. "Darauf fall ich nicht rein. Ich lasse euch frei und ihr flattert frech davon." Das Irrlicht zuckte mit den Achseln. "Du kannst uns in einem geschlossenen Eisraum einsperren. Wir brauchen nur eine Stunde, um uns vorzubereiten." Der Vogel zögerte. Rechtslang konnte genau sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Sie kicherte innerlich und wechselte die Farbe ihres Leuchtens von Gold zu leuchtendem Hellblau und dann zu bösartigem Rot. Mors starrte. "Du kannst die Farbe wechseln?" "Sicher. Jeder kann das mit ein bisschen Übung.", antwortete sie unbekümmerte und wechselte die Farbe in rascher Folge, dass sie zu verschwimmen schienen. Der Vogel nickte und die Sterne rückten näher an Rechtslang heran. "Gut. Ich gebe euch eine Stunde. Wenn ihr mir danach das Leuchten beibringt, seid ihr alle frei." Leise tuschelnd versammelten sich die Irrlichter um Rechtslang. "Das ist gefährlich.", widersprach eines der älteren Irrlichter. "Spießer", sagte ein anderes. "Spaßbremse", sagte ein ganz junges. "Eine andere Möglichkeit haben wir nicht, außer ihr wollt auf ewig Laternen für den Kerl spielen.", verkündete Rechtslang. Sofort hatte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit der Irrlichter. "Wir haben nur eine Stunde, also konzentriert euch. Wir können das schaffen!" Einige Irrlichter, besonders die jüngeren unter ihnen, murrten und jammerten, doch einige strenge Klapse der Ältesten brachten sie rasch zum Schweigen. Und so geschah Etwas, das geradezu einzigartig war und in die Geschichte der Irrlichter einging als 'Das Große Leuchten': Dutzende von Irrlichtern befanden sich an einem Ort und konzentrierten sich alle auf ein und dieselbe Sache. Es begann ganz langsam. Die Irrlichter saßen eng beieinander, Schulter an Schulter, und hielten sich an den Händen. Ihr Leuchten wurde stärker, immer heller und gleißender, bis es sich zu einem einzigen Licht vereinigte. Leise, unbemerkt von den Insassen, begann Wasser von der Decke des Raumes zu tröpfeln. Dicke Tropfen rannen an den Wänden herunter, Wasserdampf stieg auf. Als Mors nach Ablauf der Stunde einen Eingang öffnete, prallte er erschrocken zurück. "Was tut ihr hier? Was fällt euch ein?", schrie er. "Ergreift sie, los!" Das Leuchten der Irrlichterversammlung nahm mit einem Schlag an Intensität zu. Eine einzelne Flamme mag zu schwach sein, doch die konzentrierte Kraft von hunderten kleiner Kerzen reicht vollkommen aus, um eine riesige Eisfeste zu schmelzen. Man muss sie nur richtig bündeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)