Herren der Winde von june-flower ================================================================================ Kapitel 6: Beginn des Endes --------------------------- „Was gibt es, Calcit?“ Zerstreut schaute Pyroxen auf von dem, was immer er gerade las. Seit nunmehr anderthalb Monaten bestanden die Herren der Winde, vor zwei Wochen hatte das geheime Treffen mit der Ra-Cria auf dem Turm des Palastes stattgefunden. Seitdem hatte die Prinzessin den Rebellen über Kameen und andere Boten interessante Informationen zugespielt, woher auch immer sie stammen mochten. Kameen war sich zumindest sicher, dass er gar nicht wissen wollte, wie sie an ihre Infos kam... Aber im Schloss musste es eine Menge alter Schleichwege geben. Pyroxen lockerte seine vom Sitzen verkrampften Schultern. Er versuchte schon seit Ewigkeiten, einen Plan zu entwerfen, wie man die Obersten Vier auf seine Seite ziehen konnte. Sie mussten doch eine Schwachstelle haben... Die Obersten Vier waren die Säulen der Herrschaft des Rah-Ten. Sie wählten seinen Nachfolger und hatten rein theoretisch auch die Befugnis, einen alten Kaiser abzusetzen... Aber das war der theoretische Teil. Praktisch stand fest, dass selbst die Obersten Vier Familien, die den jetzigen Rah-Ten ins Amt gerufen hatten, auch nicht mehr wussten, wie ihnen geschah. Dieser Mann war unberechenbar und gefährlich, und er hatte die Armee der Wächter hinter sich. Aus irgendeinem Grund standen diese loyal zum Rah-Ten, und gegen diese geballte Übermacht konnten selbst die Obersten Vier nichts ausrichten. „Also?“ Wartend sah Pyroxen den Mann vor sich an. Calcit wippte ungemütlich von einem Fuß auf den anderen. „Nun... Ich habe einen Freund, er... Er war ein Wächter, aber seine Familie ist vom Rah-Ten gefangengenommen, gefoltert und getötet worden, und er...“ „Er möchte uns helfen?“ Das Gesicht des Rebellen leuchtete auf, als er merkte, dass sein Gegenüber verstand. „Vertraust du ihm, Calcit?“ „Absolut.“ „Ist er hier?“ Pyroxen warf einen Blick auf den belebten Marktplatz, in dessen Mitte er saß. „Ja, er wartet dort hinten.“ „Dann hol ihn bitte her.“ Während Calcit den Mann ansprach und ihn in seine Richtung führte, musterte Pyroxen ihn genau. Ohne Einleitung oder Begrüßung sprach er ihn an: „Du warst also ein Wächter?“ Der nickte, und sein Gesicht verschloss sich. Es war ein Allerweltsgesicht mit keinen auffälligen Merkmalen und keinen markanten Auffälligkeiten. „Ich verstehe“, sagte Pyroxen, der zwar nichts verstand, aber der Unwillen, über das Geschehene zu sprechen, war deutlich in der Miene des fremden Mannes zu lesen. „Wir freuen uns, dass du dich entschlossen hast, zu uns zu kommen. Du bist herzlich willkommen. Wende dich, wenn du Fragen hast, einfach an uns, ja?“ Für einen Moment war Pyroxen sich sicher, ein spöttisches Grinsen im Gesicht des Anderen gesehen zu haben, aber wenn es da gewesen sein sollte, es verschwand sofort wieder. „Danke.“ Die Stimme war unpassend, samtweich und geschmeidig. Verwundert starrte der Braunhaarige dem Ex-Wächter hinterher, als der den Platz verliess – ein merkwürdiger Mann! Als auch Calcit gehen wollte, hielt er ihn mit einem Wink auf und rief ihn zu sich. „Calcit?“ „Ja?“ „Das nächste Mal, wenn du einen potentiellen Rekruten hast, bringst du uns zu ihm und nicht ihn zu uns, verstanden? Wir sollten uns zuerst ein Bild von ihnen machen. Wer weiß, für wen sie arbeiten.“ „Oh.“ Mit der Möglichkeit, dass der Rah-Ten Spione in ihre Gruppe einschleusen konnte, hatte Calcit anscheinend noch gar nicht gerechnet. „Alles klar. Entschuldige, Pyroxen.“ Der Mann zog seine Stupsnase kraus und bedeutete dem Anderen zu gehen. Er würde sich später noch einmal mit diesem Mann befassen – vielleicht erfuhr er dann wichtige Dinge über die Wächter des Kaisers. Aber zunächst schob er diese Gedanken in den Hintergrund – die anderen Drei warteten schon auf ihn. Er konnte nicht wissen, dass er damit einen Fehler beging, der sie alle den Kopf kosten konnte. *** „Das kann nicht Ewig so weitergehen“, sagte Kameen und sprach damit aus, was alle Anwesenden dachten. Die Halle, in der sie saßen, war groß und dunkel, und staubiges Licht fiel durch die zerbrochenen Fenster hinein. Möbel und Dekorationen hatte diese alte Villa sicherlich seit Jahrzehnten nicht gesehen... Lediglich Laternen standen zur Unterstützung des Tageslichtes an strategisch wichtigen Punkten in der Halle. Die vier Herren der Winde, stadtbekannte, aber sonst unbekannte Rebellen, gehasste und bewunderte Hintergrundfädenzieher, saßen im Schneidersitz auf dem Boden – was nicht auf ihr Image zutraf. Und es kümmerte sie wenig bis gar nicht. Kameen D’un Jatcha vom Sirius-Bazaar liess seine Augen über seine drei Freunde wandern. Es behagte ihm nach zwei Wochen noch immer nicht im Geringsten, von ihnen als Anführer anerkannt zu werden, aber er sagte sich, wenn er es durchstand, dann mit Bravour. Pyroxen vom Orion-Bazaar und Zirkon vom Spica-Bazaar hatten recht gehabt, er war sowohl die logischste als auch die beste Wahl gewesen. Spinell Vega-Ban äußerte sich nicht dazu, aber er schien im Großen und Ganzen zufrieden, als er sich gegen eine Säule lehnte und die Arme vor der Brust kreuzte. „Kommt die Ra-Cria heute?“ „Ach!“, sagte Pyroxen und grinste. „Vermissen wir das Prinzesschen?“ „Bestimmt nicht“, sagte Spinell ausdruckslos. „Ich wollte mich nur informieren. Ich bin immernoch der Meinung, wir hätten ihr nicht sagen dürfen, wo unsere Basis ist.“ „Willst du etwa behaupten, sie könnte uns verraten?“, fuhr Zirkon auf. „Sie hat uns ihr Wort gegeben!“ „Sei nicht so naiv. Jeder kann sein Wort brechen.“ „Ich bin mir sicher“, sagte Zirkon bestimmt. „Sie ist keine Spionin.“ Und wenn sie eine wäre, würde sie es dir nicht auf die Nase binden, dachte Kameen, behielt den Gedanken aber sicherheitshalber für sich. Die Prinzessin hatte ihnen bereits gute Informationen zukommen lassen, die sich immer als korrekt herausgestellt hatten, sie schien vertrauenswürdig. Deshalb hatte er ihr auch verraten, wo sich das Hauptquartier der Herren der Winde befand, und sie hatte versichert, dass sie kommen würde, wenn sie sich einmal aus dem Palast würde schleichen können. Was gewöhnlich an Marktagen wie heute der Fall war. „Wir haben bisher viel erreicht“, sagte er statt dessen laut. „Wir haben die Brunnenmauern niedergerissen und Wächter aus dem Verkehr gezogen. Wir haben Ministern aufgelauert und ein oder zwei Straßenmobs auf Plätzen verursacht, auf denen öffentliche, politische Auftritte stattfanden... Und was wir erreicht haben, ist, dass die Wasserversorgung völlig lahmgelegt wurde, dass noch mehr Männer zum Wächterdienst herangezogen werden und dass die Minister gegen uns sind. Dabei wollen wir sie auf unserer Seite haben.“ „In einem Jahr würden wir auch eingezogen werden“, erinnerte sie Pyroxen. Mit 21 war es so weit. „Bis dahin dürfen wir es erst gar nicht kommen lassen. Wenn wir erst mal da sind, kommen wir nie wieder raus!“ „Das“, bestätigte Zirkon, „Und wir haben nicht erreicht, was wir uns als Ziel gesetzt haben. Wir wollten den Rah-Ten stürzen, damit das Leben auch für die Unterschicht wieder lebenswert ist.“ Kameen kratzte sich am Kopf. „Ja, aber wie stürzt man einen Tyrannen?“ Während Pyroxen und Zirkon ihn nur anstarrten, schlug sich Spinell mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Und so was will unser Anführer sein! Du sollst Pläne machen, nicht unlösbare Fragen in den Raum stellen!“ Kameen lächelte nur. „Du musst zugeben, dass es ein wenig kompliziert ist, den Rah-Ten überhaupt nur zu sehen, wenn er Tag für Tag nur unerreichbar fern in seinem Palast sitzt. Selbst für mich ist es schwer, da reinzugehen, nicht zu sprechen von der Gefahr. Also wie wollt ihr alle da reinkommen, um ihn zu stürzen?“ Stille. „Aber irgendwie müssen wir da rein. Dieser Wahnsinnige muss endlich verschwinden! Es herrschen schon viel zu lange Terror und Angst.“ „Meinst du im Ernst, Zirkon, dass die Wächter dich reinlassen werden, wenn du sie lieb bittest?“ „Wir könnten die Prinzessin nach einem Geheimweg hinein fragen.“ „Dein Vertrauen in ihre Fähigkeiten in Ehren – aber selbst eine Prinzessin ist nur ein Mensch, und sie hat noch viel weniger Macht als ihr Vater – selbst als Prinzessin.“ Kameen sah Spinell scharf an, und der behielt seine letzten, scharfzüngigen Kommentare bei sich. „Auf jeden Fall“, fasste der kluge Heiler zusammen, „Müssen wir möglichst bald, möglichst schnell und unter allen Umständen erfolgreich zuschlagen.“ Die anderen Drei schwiegen zustimmend, aber niemand von ihnen sah nur im Entferntesten glücklich aus. Sie mussten einen Plan entwerfen. Man konnte nicht gegen den Rah-Ten vorgehen wenn sie allein waren – das würden sie niemals schaffen. Sie brauchten die Unterstützung des einfachen Volkes und wenn möglich auch noch die der Mittleren Familien. Die Obersten Familien erschienen ihnen unerreichbar weit fern. Sie würden sich an denjenigen halten, der ihrer Sache dienlich war... Das würden sicher nicht die Rebellen sein. Es sei denn, es geschah ein Wunder. *** Trotz der gefährlichen Zeiten (besonders gefährlich für Prinzessinnen) und trotz der Rebellion, die wie ein drohendes Zweihänderschwert über der ganzen Stadt hing, ging genau diese am Marktplatz noch genau ihren Traditionen nach. Die Menge wogte wie riesige Wellen um Medusa herum, und aus einem unbestimmten Grund fühlte sie sich geborgen. Ihre einfache Kleidung, die aus einem Rock und einer Art Wickeltunika bestand und die sie sich selbst genäht hatte, liess sie in der Menschenmasse untergehen und machte sie zu Einer der Ihren... Mit einem Lächeln auf den Lippen wanderte sie an den Ständen vorbei, die Haushaltswaren, Hühner und Eier, Stoffe, gebrauchte Schriftrollen und Süßigkeiten anboten und lauschte dem pausenlosen Gerede der Händler, hörte das Gebrüll der Ochsen und roch die Gerüche, die sich über dem Platz ausbreiteten wie eine Decke. Es war immer und immer wieder riskant, sich aus dem Palast fortzuschleichen. Sie hatte ihre Zofen hinausgeschickt, hatte gesagt, ihr ginge es nicht gut und sie wolle nicht gestört werden. Mit Hilfe ihrer alten Amme hatte sie sich in Medusa, das Wüstenmädchen verwandelt – da das Volk sie nie ohne Schleier sah, erkannte sie auch niemand. Sie konnte nur hoffen, dass niemand ihren Ausflug bemerken oder ihr gar folgen würde. Das würde Konsequenzen haben. Gestern Abend hatte der Rah-Ten erfahren, dass die Rebellengruppe namens Herren der Winde offensichtlich ein Mitglied der Obersten Vier als Geisel genommen hatten. Angesichts der Tatsache, dass die Familie Vega-Ban nicht korrekt auf ihren Erben aufpassen konnte, hatte er getobt und wutschnaubend Porzellan im Wert von vielen Wochenrationen Wasser zerschlagen. Schweigend hatte Medusa zugesehen und dann den Raum still verlassen, wohl wissend, dass es ihn nicht kümmerte, was sie sagte oder tat. Und jetzt war sie unterwegs, um Kameen und die Anderen zu treffen. Die Menschen auf dem Mark waren erstaunlich guter Laune. Händler priesen lautstark ihre Waren an, Boten eilten geschäftig hin und her und lieferten bestellte Ware in den Hohen Häusern ab. Reiche Damen, ihre Diener im Schlepptau, promenierten unter den Arkaden entlang, die am Rande des Platzes schattige Plätze bildeten, Kinder liefen lachend und schreiend den fluchenden Trägern vor die Füße. Medusa genoß das Leben auf der Straße. Früher hatte ihr Vater sie manchmal mitgenommen, damals, als er noch nicht zum Rat des Palastes gehört und dann zum Rah-Ten gewählt worden war. Sie konnte sich lebhaft daran erinnern, wie starke Schultern sie hoch über der schreienden Menge sicher trugen, während sie kichernd die Köpfe der Menschen von oben besah und an einer kandierten Tish-Frucht lutschte... Die junge Frau liess sich für einen Moment treiben und bemerkte erst verzögert, dass die Menschenmenge plötzlich still wurde. Von jetzt auf gerade lag eine Spannung in der Luft, die Medusa das Atem zu erschweren schien und deren Dichte beinahe greifbar war. Erschrocken sah sie sich um und bemerkte, dass die Menschen ihre Aufmerksamkeit nach vorne richteten, in die Richtung, in der sich an einem Marktplatzende eine erhöhte Tribüne befand. Normalerweise wurde sie für Feste und Darbietungen genutzt, heute standen zwei Wächter in voller Rüstung darauf. Einer von ihnen führte drei gefesselte, panisch umherblickende Männer hinter sich her. Medusa erstarrte. Was sollte das? Wer waren diese Männer? Warum wurden sie hier vorgeführt? Weshalb waren sie angeklagt? In Zeiten wie Diesen konnte sie sich nur einen Grund vorstellen, nur eine Tat, die den Kaiser genug reizen würde, um Männer öffentlich auszustellen, und dass war die Rebellion... Ihr wurde eiskalt. Sie keuchte leise auf und begann, sich mit Händen und Füßen einen Weg nach vorne, zur Bühne, freizumachen. Sie hatte es so eilig, dass sie sich nicht einmal entschuldigte, als sie einer alten Dame den Stock aus der Hand schlug und diese taumelte, das Entsetzten fuhr durch ihre Adern, heiß und warnend. Der Aushand am Rande der Tribüne war ordentlich geschrieben und sauber verfasst, und seine Mitteilung war unmißverständlich. Medusa drehte sich auf dem Absatz um und rannte. *** Kameen stöhnte auf und hielt sich den Kopf. „Da können wir auch gleich in den Palast stürmen und den Rah-Ten als Geisel nehmen!“ Langsam bereitete sich ein pochender Schmerz in seinen Schläfen aus, er hatte es kommen sehen. Die vielen Menschen um ihn herum kamen einfach zu keiner vernünftigen Entscheidung, und wenn schon mal etwas Konstruktives vorgeschlagen wurde, dann wurde der Vorschlag niedergebrüllt, weil er zu langwierig oder kompliziert erschien. Aber vielleicht lag es auch daran, dass diese Menschen nicht so entschlossen waren, wie sie schienen. Natürlich wollten alle den Rah-Ten stürzen, natürlich wollten alle kämpfen, aber beim zweiten Blick... Wer wollte schon sterben? Wer war schon bereit, sich selbst für Andere zu opfern, die man gar nicht kannte? Frei sein, gut, ohne Angst leben, schön – aber wer garantierte ihnen, dass es auch wirklich funktionierte? Und wenn nicht, wer würde dafür leiden? Sie. Deshalb waren ihre Aktionen eingeschränkt. Das Treffen hatte keinen Sinn, dachte Kameen, es führte ja doch nur zu nichts. Oder zu Zwist und Streitigkeiten, und Uneinigkeit innerhalb der Gruppe konnten tödlich sein... „Sie sind einfach feige“, bedeutete ihm Spinell mit seinen Händen, aber Kameen schüttelte den Kopf. Wer wären sie, wenn sie keine Angst hätten? Verdammt, sogar er hatte Angst. Wieder seufzte er leise auf und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was ein älterer, weißhaariger Mann gerade von sich gab. So viel Unsinn es auch sein mochte. KNALL! Alle sprangen erschrocken auf, als die Tür mit einer Wucht aufflog, die sie beinahe aus ihren Angeln katapultiert hätte, aber noch ausreichte, um lautstark gegen die gegenüberliegende Wand zu fliegen. Hatte man sie gefunden? Nein. Eine leichenblasse, aber keuchende junge Frau kam hereingestürzt, ihre Röcke undamenhaft gerafft, ihr Haar wirr. Ihre leichenhafte Blässe passte nicht zu ihrer Brust, die sich schnell hob und senkte, als sei sie den gesamten Weg her gerannt. „Was zum...“, sagte Zirkon, und Kameen erhob sich. „Was erlaubt sie sich?“, rief der selbe Mann, der gerade noch gesprochen hatte. „Wie kann eine Frau es wagen, so hier hereinzuplatzen?“ „Sei ruhig“, sagte Spinell beinahe unhöflich. „Medusa“, sagte Kameen und trat an sie heran, er benutzte mit Absicht ihren Namen und keinen Titel. „Was ist geschehen? Du bist gerannt!“ Medusa kümmerte sich weder um die Anrede noch um die Anwesenden, sondern blickte nur die Herren der Winde an. „Schnell!“, rief sie verzweifelt. „Ihr müsst schnell kommen!“ Der Ton in ihrer Stimme veranlaßte die vier Freunde, ihr ohne eine weitere Frage sofort zu folgen, und sie liessen einen zeternden und schimpfenden Haufen Rebellen hinter sich. Die Klügsten standen auf und folgten ihnen. Waren die Menschen von Natur aus ängstlich und bedacht, ihren Herrscher nicht zu verärgern, so hinderte dies auch ihre Reaktionsfähigkeit. So entstand ihr Unwille zum Kampf. Diese Menschen brauchten einen Anstoß, etwas, dass sie dazu zwang, in Aktion zu treten. Die Menschen würden ihn bekommen. *** Auf der Bühne auf dem Markt baumelten die erhängten Leichen der drei Männer, die Medusa zuvor gesehen hatte. Wie zu Stein erstarrt blieben Kameen, Zirkon, Pyroxen und Spinell stehen und starrten ungläubig auf die makabere Szene vor ihnen. Das konnte nicht sein. „Er hat es getan“, flüsterte Medusa völlig ungläubig. „Nein“, quetschte Kameen zwischen schmerzhaft zusammengebissenen Zähnen hervor. Eine junge Frau kauerte vor der Bühne und weinte herzzerreißend, neben ihr schrie eine alte Mutter ihren Schmerz in den Himmel hinaus. Ein kleines Mädchen wurde von drei älteren Brüdern mit steinernem Gesicht festgehalten, es versuchte immer wieder, ihnen zu entkommen und auf die Bühne zu klettern. Spinell ballte die Fäuste so fest, dass seine Fingernägel in sein Fleisch schnitten und Blutstropfen hervorquollen. Zirkon wandte schmerzerfüllt den Blick ab, und Pyroxen hämmerte seine geballten Fäuste gegen eine Säule. „Scheiße!“ Er kannte einen der jungen Männer dort. Er hatte heute Morgen auf dem Marktplatz noch mit ihm gesprochen. Es war Calcit. Stumme Tränen liefen Medusa über ihr Gesicht. Sie stand vor dem Beweis, dass ihr Vater tot war. Er hätte niemals jemanden erhängen lassen. Mit diesen Männern starb ein Stück von ihr. *** Der Rückweg verlief in absoluter Stille. Medusa war bereits wieder in den Palast zurückgekehrt, sie hatte, als die Männer sich nach scheinbar unendlich langer Zeit zu ihr umdrehten, alle Tränen vergossen gehabt, die sie hatte. Trotzig starrte sie die Vier an. „Das darf nicht sein“, fauchte sie wie eine wütende Katze. „Ihr seid verantwortlich. Tut irgend etwas.“ Niemand hatte etwas erwidert. Angesichts der Grausamkeit des Rah-Ten, drei Männer hinzurichten, öffentlich, ohne Scheu, waren sie sprachlos. Sie schwiegen noch immer, als sie die Tür aufzogen, die zu ihrem Hauptquartier führte, und nacheinander aus der Helligkeit des Tages in die Dunkelheit eintraten. Ihre Augen brauchten eine Zeit, bis sie sich an das Dämmerlicht gewöhnten. Licht flammte auf, blendend hell. Erschrocken hoben die Herren der Winde die Hände, um ihre Augen abzuschirmen. „Im Namen des Sechzehnten Rah-Ten von Xjunta: Ihr seid festgenommen, ihr dreckigen Rebellen! Widersetzt euch uns und werdet verletzt in den Kerker geworfen oder kommt friedlich mit uns als unsere Gefangenen. Der Rah-Ten erwartet euch bereits.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)