Solidarity von NejiTen-Schreiber ([NejiTen]-Adventskalender 2oo8) ================================================================================ 24. Dezember ~ Weihnachtsgeschichte ----------------------------------- Nach einer Idee von Charles Dickens „A Christmas Carol“ Es begab sich zu einer Zeit, wo Wohlstand wichtiger als Zusammenhalt war. Wo der Stand der Familie wichtiger war, als einem einzelnen Menschen. Kurz gesagt: Die Geschichte spielte in unserer Zeit, die durch Egoismus und Macht ausgezeichnet war. Es war einmal ein junger Mann, der in der Zweigfamilie geboren wurde und durch Todesfälle und Verrat, wie durch Glück, an die Spitze seines Clans kam. Dass dies bloß zufällig geschah, wollte er nicht sehen, dafür war er viel zu hochmütig. Doch trotz dieser Zuversicht fehlte ihm das nötige Grundwissen um den Hyuuga-Clan aufrecht zu erhalten. Deswegen stellte er seine Cousine ein, die eigentlich dem Clan zu Lebzeiten ihres Vaters, dem damaligen Oberhaupt, den Rücken zugewandt hatte. Hinata war ein tüchtiges Mädchen und sehr einfühlsam. Ganz im Gegenteil zu Neji. Nach seiner offiziellen Einführung als Oberhaupt des Hyuuga-Clans hatte er sich grundlegend verändert. Er wurde immer überheblicher und knauseriger. Doch es gab eine Person, die ihm am Boden der Tatsachen hielt. Tenten war ihm die einzige Freundin, die zu ihm hielt und sich nicht von seiner neugewonnenen Macht beeindrucken ließ. Doch dann verstarb sie. Sieben Jahre war es nun bereits her. Ihr Todesdatum war der 24.12, Heilig Abend. Seit diesem Vorfall hatte Neji den Glauben an Weihnachten und dem Leben selbst verloren. Tenten war schon vorher krank gewesen. Ihr machte eine schwere Lungenentzündung zu schaffen und am Heiligen Abend erlag sie ihrer Krankheit. Von da an hatte Neji sich immer mehr zurückgezogen, hatte niemanden mehr an sich rangelassen und war noch schweigsamer als sonst. Und nun war es wieder soweit. Heute war der 24.12, Heilig Abend und Neji war weiß Gott nicht in Weihnachtsstimmung. Für ihn war dieser Tag wie jeder andere. Hinata saß an ihrem Schreibtisch, der in der Ecke von Nejis Büro stand und schrieb eifrig die Buchhaltung. Plötzlich hielt sie mit dem Schreiben inne und sah verunsichert und eingeschüchtert zu ihrem Cousin. „Neji?“, fragte sie und legte ihren Stift ab. Mit einem kurzen Kopfnicken bestätigte er, dass er ihr zuhörte, sah aber nicht von seinen Akten auf. „Heute ist doch Heilig Abend“, begann sie vorsichtig. „Ich wollte wissen, ob ich vielleicht etwas eher nach Hause kann.“ „Wegen deinem Sohn?“ „Auch, natürlich. Immerhin ist er nun fünf und ich war noch kein Weihnachtsabend zuhause.“ „Er ist schon fünf?“ Neji sah zu ihr rauf und wunderte sich, wieso die Jahre plötzlich so schnell vergingen. Nach Tentens Tod war der einzelne Tag eh bedeutungslos geworden und die Jahre verflossen immer mehr zu einem Brei aus Lästigkeit und Pflichten. Die junge Frau nickte auf seine Frage hin und lächelte sanft. „Naruto hat sogar dieses Jahr einen Baum besorgt und deswegen würde ich gerne nach Hause gehen. Es bedeutet ihnen und mir sehr viel.“ „Einen Baum“, murmelte Neji kaum hörbar. Das letzte Mal das Neji einen Baum in seinem Büro stehen hatte, war an Tentens letzem Weihnachtsfest. „Du darfst eine Stunde eher gehen.“ „Oh danke, Neji“, freute sie sich. „Aber dafür bist du morgen eine Stunde eher hier und keine Sekunde später“, fügte er bitter hinzu. „Natürlich.“ Hinata stand auf und verbeugte sich tief. „Danke, Neji.“ „Ach was. Geh lieber, bevor ich es mir noch anders überlege.“ Glücklich eilte die junge Frau aus dem Büro und schloss die Tür hinter sich. Neji starrte miesgelaunt die Tür an und murmelte gedankenverloren: „Weihnachten, dass ich nicht lache.“ --- Es hatte zu schneien begonnen und dicke Flocken fielen vom Himmel. Die Schneedecke war bereits dreißig Zentimeter hoch und Neji stapfte mit langsamen Schritten durch die unberührte Landschaft. Es war eisig kalt und er sah seinen eignen Atem in der Dämmerung. Wieder hatte er bis zum späten Abend gearbeitet, wieder zog ihn nichts nach Hause. Damals war er oft wegen Tenten früher gegangen, da sie zusammen wohnten, sich aber weder Herzen noch Betten teilten. Er zog seinen Mantel enger zu und ging das letzte Stück zu seinem Haus etwas schneller. Als er die Tür aufschloss, zuckte er plötzlich zusammen, denn er sah etwas auf dem Türknopf. Diese Augen, das waren eindeutig Tentens. Doch das konnte nicht sein, schließlich war er allein. „Bloß eine Einbildung“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Tenten ist immerhin tot.“ Doch die Augen, die er gerade gesehen hatte, waren eindeutig ihre, denn ihren Blick würde er unter Tausenden wiedererkennen. Auch nach all den Jahren. Er ging in das große Haus und spürte sofort die Einsamkeit. Das Lachen, das einst durch die Wände hallte, war verstummt, der Duft von frischgemachtem Essen verdampft. Dieses Haus war nicht mehr dasselbe wie früher. Ohne einen weiteren Gang in die Küche oder ins Wohnzimmer ging er nach oben in sein Schlafzimmer. Er benutzte nur noch zwei Räume in diesem Haus: Das Bad und sein Zimmer. Die anderen Räume hatte er nach Tentens Tod weder betreten, noch einen Gedanken daran verschwendet. Er aß immer in seinem Büro, lebte quasi in diesen vier Wänden und Besuch bekam er bereits seit sieben Jahren nicht mehr. Die Staubschicht in den einzelnen Räumen war zentimeterhoch, er hatte seit einer Ewigkeit nicht mehr geputzt, denn das übernahm immer Tenten. Erst nach ihrem Tod bemerkte er, was er überhaupt an ihr hatte. Allerdings dachte er selten an sie, zu groß war der Verlust, zu ausweglos die Situation. Nachdem er sich bettfertig gemacht hatte, stieg er ins Bett, nicht um zu schlafen, sondern nur um die Energie wiederzuholen, die er am Tag verloren hatte. Morgen würde wieder ein ganz normaler Arbeitstag sein, auch wenn viele sich frei nahmen, um Weihnachten zu feiern. „Weihnachten“, sagte Neji spöttisch „dass ich nicht lachen.“ Dann schlief er ein… --- Ein leises, anhaltendes Husten drang durchs Haus und Neji wurde aus seinem ohnehin nur leichten Schlaf geweckt. Was war das? So etwas hatte er noch nie zuvor gehört und doch kam es ihn so merkwürdig vertraut vor. Er setzte sich in seinem Bett auf und sah auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht. Plötzlich stieg ihm ein Geruch in die Nase, die er eigentlich nur aus den Küchen des Anwesen kannte. Jemand war in seiner Küche und kochte. Mit Schwung sprang er aus seinem Bett und eilte die Treppen hinunter. Irgendwer war in seiner Küche und er würde diesen zur Rede stellen. Vielleicht waren es ja Einbrecher. Aber wieso sollten sie kochen? Es gab nur einen Weg: Er musste den Täter überführen. Er lief die Treppe hinunter und ging durch den Flur in die Küche, die er schon so lange Zeit nicht mehr betreten hatte. Er knipste entschlossen das Licht an und sah… niemanden. Die Küche war vollkommen verlassen und auch kein Essen stand auf dem Herd, aber dennoch roch er es, hier sogar intensiver als oben. Was ging hier nur vor? „Bloß eine Einbildung“, murmelte er und schaltete das Licht wieder aus. Unerwartet war wieder das Husten zu hören, diesmal kam es von seinem Schlafzimmer. Jemand, egal wer, spielte ein übles Spiel mit ihm. Er rannte zurück zu seinem Zimmer, öffnete blitzartig die Tür und… erschrak. Mitten im Raum stand eine Frau, die ihm den Rücken zugekehrt hatte. Sie war völlig weiß und Neji konnte durch sie hindurchsehen. Wieder ein Husten und es kam eindeutig von ihr, denn ihr ganzer Körper bebte. Als sie sich wieder beruhigt hatte, drehte sie sich zu ihm um und lächelte. Neji konnte sich nicht rühren, war unfähig etwas zu sagen. Er war völlig geschockt und durcheinander, denn er kannte diese Frau, wahrscheinlich besser als jeder andere. „Tenten“, brachte er nur atemlos heraus. „Hallo Neji“, sagte sie und ihr Blick wurde sanfter. „Schön dich nach all den Jahren immer noch gesund zu sehen.“ „Was machst du hier?“, fragte er nur und versuchte der Tatsache auszuweichen, dass sie ein Geist war. „Ich wollte dich besuchen, immerhin ist es schon sieben Jahre her, dass wir uns gesehen haben.“ Er glaubte ihr nicht, dass sie ihn nur eben besuchen wollte, dafür war es viel zu merkwürdig, dass sie ihm erschien. Er spürte, dass sie ein Anliegen hatte, er wusste nur nicht welches. Wieder fing sie an zu husten und Neji kam es auf traurige Weise so bekannt vor. Dass Tenten scheinbar immer noch krank war, obwohl sie ein Geist war, nagte sehr an ihm. „Du bist gar nicht da“, sagte er und seine Stimme wurde wieder fester. „Ich schlafe bestimmt und wenn ich aufwache bist du fort.“ „Rede keinen Unsinn“, sagte sie und klang etwas enttäuscht. „Es gibt keine Geister. Die gab es noch nie und außerdem habe ich keine Zeit mich mit einem Geist, den es nicht gibt, zu unterhalten. Ich muss morgen wieder arbeiten.“ „Aber morgen ist doch Weihnachten.“ „Mir ist Weihnachten egal.“ Tenten schnappte nach Luft, oder besser gesagt tat sie so, denn sie brauchte ja keine Luft mehr zum atmen. „Dir ist Weihnachten egal? Das Fest der Liebe?“, fragte sie entrüstet. „Das Fest der Liebe“, murmelte Neji spöttisch und setzte sich auf die Kante seines Bettes. „Das ist ein Tag wie jeder andere auch.“ „Du hast den Glauben an Weihnachten verloren, stimmst?“, fragte Tenten vorsichtig und setzte sich neben ihn. „Ja, vor vielen Jahren.“ „Das ist furchtbar.“ „Das Leben ist doch eh nur eine große Tortur, die uns nur jeden Tag neues Leid bringen soll.“ „Neji, bitte sag so etwas nicht. Du musst dich ändern, sonst wirst du es vielleicht dein ganzes Leben bereuen.“ „Wie soll ich mich denn ändern?“ „Ich werde dir heute Nacht drei Geister schicken.“ „Drei Geister?“ „Genau, der Geist der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht. Es ist schrecklich, dich so leiden zu sehen.“ „Ich komm schon klar, ich brauche deine Hilfe nicht.“ „Du hast dich wirklich verändert“, sagte Tenten traurig. „Ich hoffe, dass sie dir helfen können. Ich hoffe es wirklich.“ Und somit verschwand Tenten in einer Nebelwolke… --- Neji schlief unruhig. Er glaubte zwar nicht an das, was gerade geschehen war und noch weniger daran, dass heute Nacht drei Geister zu ihm kommen sollten, aber dennoch beunruhigte ihn diese Geschichte ein wenig. „Alles nur Humbug“, dachte er und war über sich selbst verwundert, wieso er das alles glaubte. Er zuckte leicht zusammen, als seine Standuhr einmal schlug und war überrascht, wie schreckhaft er diese Nacht war. Nur weil er von Tenten geträumt hatte? Das war doch nichts Neues. Aber dennoch fühlte sich dieser Traum diesmal so real an, so als ob Tenten wirklich hier war. Aber das war Quatsch, schließlich war sie tot und das nun sieben Jahre. Plötzlich erschrak Neji, denn er hörte ein leises Kichern und dieses Lachen war in seinem Zimmer. Doch er war allein. Er kniff die Augen zusammen und betete inständig, dass dieses Geräusch auf der Stelle aufhörte, doch es hielt an, wurde sogar lauter und fröhlicher. Ein Lachen, wie das eines Kindes, denn es war genauso rein und ehrlich. Vorsichtig öffnete er die Augen. Wer so ein Gelächter hatte, konnte keine Bedrohung darstellen und selbst wenn, würde Neji ihm Einhalt gebieten. Er sah schemenhaft einen Jungen, von ungefähr achtzehn Jahren, der vollkommend weiß war und, trotz seines Alters, vergnügt auf seinem Bett rumhüpfte, allerdings schaukelte es nicht. „Bloß eine Einbildung“, murmelte Neji und tat, als ob er schlafen würde. Doch der Geist hatte seinen Wachzustand sofort bemerkt und freute sich anscheinend noch mehr. „Guten Abend“, sagte er und klang jetzt noch näher. Neji öffnete langsam die Augen und wäre fast tausend Tode gestorben, denn das Gespenst war nur eine Haaresbreite von seinem Gesicht entfernt. „Genug geschlafen“, sagte der Junge. „Wir haben noch viel zu tun.“ „Du bist gar nicht da“, murrte Neji und drehte sich um. „Nur eine Ausgeburt meiner Fantasie.“ „Natürlich bin ich da. Deine Fantasie ist gar nicht so grob, dass du dich mir ausdenken könntest. Wie kannst du nur an meiner Anwesenheit zweifeln.“ Der Geist redete ziemlich schnell und klang nun enttäuscht. „Schon gut, schon gut. Ich träume eh nur schlecht, also kann ich dieses Spiel auch mitspielen“, gab Neji nach und setzte sich auf um den kleinen weißen Jungen genauer zu betrachten. Er hatte zu seinen Lebzeiten bestimmt sehr fülliges Haar, seine Augen waren rund wie der Mond und eine tiefe, offene Wunde war auf der linken Seite seines Brustkorbes. „Ich bin Lee“, erklärte er. „Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht.“ „Vergangenen?“ „Ganz recht. Ich werde mit dir in deine Kindheit zurückgehen.“ „Spar dir das. Ich brauch keine Reise in meine Vergangenheit, ich war dort schon mal.“ „Aber das ist doch viele Jahre her. Wahrscheinlich hast du alles an die alte Zeit bereits vergessen.“ „Ich vergesse niemals, außerdem geht es mir heutzutage besser als damals.“ „Von früh bis spät zu arbeiten ist ja auch so toll“, sagte Lee ironisch. „Du braucht ein wenig Glanz in deinem Leben.“ „So ein Unsinn.“ „Ich werde es dir beweisen und auch das ich echt bin.“ „Geister sind nicht echt, ob du nun da bist oder nicht.“ Er sah den Jungen ernst an. Immerhin war er neunundzwanzig. Die Phase wo er an Geister geglaubt hatte, war mit fünf oder sechs, aber jetzt nicht mehr. Und selbst wenn der Geist von Lee wirklich in seinem Zimmer war, sah er dies ziemlich nüchtern. „Ich habe keine Zeit für solche Spinnereien. Ich muss morgen wieder früh raus.“ „Um zu arbeiten?“ „Ganz recht, um zu arbeiten.“ „An Weihnachten?“ „Weihnachten ist auch nur ein ganz normaler Tag“, konterte er. Lee fuhr zusammen. „Sag so etwas nicht. Wenn es wirklich so wäre, würden die Menschen doch niemals Weihnachten feiern.“ „Das ist alles nur Geldmacherrei.“ „Du hast aber nicht immer so gedacht“, flüsterte Lee, griff in seine Tasche und holte ein kleines Stoffsäckchen hervor. „Was ist das?“, fragte Neji verwundert, doch der Geist antwortete ihm nicht, sondern griff nur mit der Hand in den Beutel und holte goldenen Staub aus diesem. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, pustete er Neji diesen ins Gesicht und die beiden fielen in ein schwarzes Loch, das aus dem Nirgendwo zu erscheinen schien… ~~~ Ein kleiner Junge saß einsam auf einem Stuhl in der Bibliothek. Völlig in sich gekehrt, völlig zurückgelassen. Seine Haare trug er lang, seine Kleidung ähnelte einem Kimono. Er saß zwischen all den Büchern, die über ihn wachten, aber ihn weder beschützen, noch behüten konnten. Doch sie konnten eins: Ihm die Einsamkeit nehmen und ihn an so einem verrottenden Ort das Leben etwas versüßen. Der Junge las eifrig, verschlag die Worte in dem Buch fast und sehnte sich nach den Schauplätzen die in den Büchern beschrieben wurden. Er wollte darin versinken und eins mit dem Buch werden, allerdings war dies nur ein Wunschtraum, denn er wusste, dass er nur in seine Fantasie vor der Wirklichkeit flüchten konnte. „Wer ist das?“, fragte Lee und sah zu Neji, der traurig den kleinen Jungen betrachtete. „Das bin ich. Damals war ich zehn. Ich hatte vergessen, dass ich mal richtig süchtig nach Büchern war. Kann er uns sehen?“ „Nein, wir sind unsichtbar für ihn. Er nimmt uns gar nicht wahr.“ Plötzlich stampfte Lee wütend auf den Boden, er war wirklich launisch. „Mist, eigentlich wollte ich doch an ein Weihnachten in deine Kindheit.“ „Lee, das ist mein Weihnachten.“ Der Geist sah ihn ungläubig an. „Was machst du an Weihnachten in einer Bibliothek? Wieso alleine? Wo ist der Weihnachtsschmuck? Wo sind die Geschenke?“ „Es gibt keine. Mein Vater ist früh verstorben und mein Onkel zog es vor mit seiner Familie zu feiern.“ „Das ist ja schrecklich.“ Lee legte sich die Hand vor dem Mund und betrachtete das kleine Abbild von Neji. „Nicht wirklich. Immerhin habe ich Weihnachten gefeiert, nur ohne meine Familie.“ „Mit wem denn?“ Plötzlich ging die Tür auf und ein kleines Mädchen mit braunen Haaren und neugierigen Augen trat zu dem kleinen, lesenden Neji. „Neji“, sagte sie und strahlte übers ganze Gesicht. „Hätte ich mir ja denken können, dass du hier bist.“ Der Junge hob den Kopf und lächelte leicht, allerdings kaum wahrzunehmen. „Die anderen suchen dich, nun ja, eigentlich suche ich dich nur, die anderen haben schon mit der Bescherung angefangen.“ „Ich komme sofort. Ich lese nur eben dieses Buch zu Ende.“ Tenten lachte und es klang so fröhlich und ehrlich, wie es auch all die Jahre noch klang. „Das Buch wird nicht weglaufen, nur weil du kurz nicht da bist.“ „Aber ich will nicht, dass mir später die Zeit dafür fehlt.“ „Du wirst immer Zeit zum Lesen haben, Neji. Menschen ändern sich nicht so schnell und deswegen kann ich mir gar nicht vorstellen, dass du mal nicht mehr lesen wirst.“ Neji betrachtete das Mädchen, das einst Tenten war und es kam ihm so vor, als ob sie immer dieselbe geblieben war. Er vermisste sie, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte. An diesem Tag in dem Büchersaal konnte er sich allerdings nur vage erinnern. Tenten eilte wieder zur Tür, wartete dann aber. „Kommst du, Neji?“, fragte sie und lächelte ihm zu. „Warte einen Moment.“ Der kleine Neji trat vor und hielt das Buch, das er gerade ausgelesen hatte, unterm Arm. „Ich versteh gar nicht, wieso du immer noch hier hin kommst, um es zu lesen, obwohl es doch dein Buch ist. Du hast es dir vor langer Zeit gekauft und kommst trotzdem her um es hier zu lesen.“ „Es ist angenehmer in Gesellschaft zu lesen“, sagte Neji und sah zu den anderen Büchern, die in den hohen Regalen standen. „Ich möchte es dir schenken.“ „Mir?“ Verwunderung in Tentens Blick. „Ja, es ist mein Lieblingsbuch und ich möchte es dir zu Weihnachten schenken. Halt es in Ehren.“ Er reichte ihr das Buch. „Danke, Neji“, sagte sie und lächelte glücklich. „Welch liebe Geste von dir“, bemerkte Lee und grinste. „Wenn du Weihnachten wirklich so sehr hassen würdest, hättest du Tenten keine Freude bereiten wollen.“ „Ich hatte es doch bereits gelesen, drei Mal schon.“ „Und doch hast du es ihr geschenkt, ohne selbst etwas zu bekommen.“ „Ja, und?“ „Das ist Weihnachten.“ „Rede keinen Unsinn. Ich weiß nicht, ob mir diese Erinnerung irgendwie helfen soll.“ „Du bist wirklich eine harte Nuss“, schmollte Lee. „Können wir wieder nach Hause?“ „Noch nicht. Erst müssen wir das Buch verfolgen.“ „Tenten wird es wohl in irgendeinen Schrank verstauben lassen.“ „Sei dir da mal nicht so sicher.“ Lee nahm wieder eine Hand voll Glitzerstaub aus seinem Säckchen und pustet es in die Luft… ~~~ Leise atmend lag Tenten im Bett ihres Schlafzimmers, das direkt neben Nejis lag und schlief tief und fest. Ihr Husten war momentan nicht zu hören, doch sobald sie aufwachen würde, würde es wieder durch die Wände zu hören sein. Wie oft hatte sie gesagt, sie würde auch im Wohnzimmer schlafen, nur damit Neji nicht von ihrem Husten wach wurde, doch er hatte jedesmal abgelehnt. Wieso wusste sie nicht, aber es beruhigte sie zu wissen, dass er im Notfall sofort bei ihr sein konnte. Auf ihrem Nachttisch brannte noch eine Lampe und Neji hatte das Bedürfnis sie auszuschalten, hielt dann aber inne. Ein kleines Buch lag auf dem Tisch und dieses würde er unter allen Büchern wiedererkennen. Es war das Piratenbuch, das er Tenten geschenkt hatte, als sie noch Kinder waren. Sie hatte es all die Jahre bei sich, wahrscheinlich las sie sogar noch darin, obwohl sie vermutlich jedes Wort auswendig konnte. „Das hier ist der Morgen des 24.12“, sagte Lee. „Ihr letzter Morgen.“ „Tenten“, murmelte Neji leise und unterdrückte den Schmerz, der sich in seiner Brust ausbreitete. „Wir müssen ein Stück weiter. Sagen wir bis um sechzehn Uhr.“ Neji wollte wiedersprechen, wollte noch länger die schlafende Tenten beobachten, wollte sie warnen vor dem, was heute Abend mit ihr geschah, doch es war zu spät, denn Lee streute schon wieder den goldenen Staub in die Luft… ~~~ Ein großer Baum stand in Nejis Büro und passte gerade eben unter die Decke. Eine junge Frau schmückte ihn gerade und summte fröhlich ein Weihnachtslied, bis sie von ihrem Husten unterbrochen wurde. Tenten trat vor zu Neji und lächelte. „Wie findest du den Baum?“ „Ganz nett“, sagte er emotionslos und sah noch nicht mal von seinen Akten auf. „Du müsstest auch hinsehen“, sagte Tenten geknickt und wandte sich zu Hinata, die mit der Buchhaltung beschäftigt war. „Wie findest du ihn?“ „Er ist zauberhaft“, sagte Hinata und bewunderte den Baum glücklich. „Danke. Ich finde, dass wir heute alle etwas eher Schluss machen sollten. Schließlich ist heute doch Heilig Abend.“ „Tenten, bitte“, murmelte Neji. „Hinata, du darfst gehen, wenn du magst“, sagte die braunhaarige Frau und achtete nicht auf das Oberhaupt. „Wirklich? Danke Tenten“, freute sich Hinata und eilte aus dem Büro, bevor Neji etwas erwidern konnte. Dieser sah nur genervt zu seiner Mitbewohnerin. „Wieso schickst du meine Angestellte nach Hause.“ „Sie ist deine Cousine und es ist doch Weihnachten.“ „Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein. Ich habe zu tun.“ Er sah wieder in seine Unterlage und beschäftigte sich nicht weiter mit Tenten. „Du hast dich wirklich sehr verändert“, sagte sie traurig und trat zum Schreibtisch vor. „Komm nicht zu spät nach Hause.“ „Kann dir doch egal sein.“ Sie schluckte schwer und legte das Buch auf den Schreibtisch, das Neji ihr Jahre zuvor geschenkt hatte. „Fröhliche Weihnachten.“ Neji nahm das Buch gar nicht zur Kenntnis. „Lass mich nun arbeiten. Wegen dir muss ich Hinatas Arbeit auch noch machen.“ „Tut mir leid“, sagte Tenten gekränkt und ging zur Tür. Sie drehte sich noch einmal um, doch Neji schenkte ihr keine Aufmerksamkeit mehr. Sie ging aus der Tür und einzelne Tränen flossen an ihren Wangen entlang. „Wieso hast du sie gehen lassen?“, fragte Lee bestürzt. „Was ist geschehen?“ „Du weißt doch, dass sie gestorben ist.“ „Natürlich, aber wie sie gestorben ist, weiß ich nicht.“ „Sie hatte einen Hustenanfall und ist daran erstickt. Eigentlich war ich immer da, wenn sie so einen Anfall hatte, aber diesmal nicht, da sie früher nach Hause gegangen ist.“ „Du meinst, dass sie Schuld an ihrem eigenen Tod ist?“ „Ja, sie wusste genau, dass sie nicht alleine sein darf, weil sie schon ersticken könnte.“ „Vielleicht hielt sie es mit einem Monster, wie dir, nicht mehr in einem Raum aus.“ „Ach, so ein Unsinn.“ Neji trat vor und betrachtete das Buch. Es war dasselbe wie damals in der Bücherei, das gleiche wie auf ihrem Nachttisch. „Sie hat mir niemals das Buch wieder zurück gegeben.“ „Doch, an diesem Tag. Du hast es nur nicht wahrgenommen.“ „Also ist es immer noch da?“ Lee nickte. „Hinata hat es in das kleine Bücherregal geräumt, sie wusste ja nicht, welchen Wert es hatte.“ Neji stutzte. „Es hatte keinen Wert, es war nur ein altes Buch.“ „Wenn du wüsstest“, murmelte Lee und schüttelte verständnislos den Kopf… --- Lees Worte verfolgten Neji bis tief in die Nacht hinein. Sie schienen ihn zu durchbohren, ihn zu fesseln und nicht mehr loszulassen. Hatte er wirklich alles falsch gemacht? Wenn er nur gewusst hätte, dass es Tentens letztes Weihnachten gewesen wäre, wäre er doch mit ihr nach Hause gegangen und hätte den Tag genossen. Doch für ihn war die Arbeit wichtiger, war sie immer noch. Er dachte, dass die Arbeit sein einziger Halt nach Tentens Tod war, doch er wusste nicht, dass selbst zu ihren Lebzeiten die Arbeit für ihn an erster Stelle stand. Aber für Reue war es nun zu spät. Inzwischen war es zwei Uhr nachts. Diesmal war er zwar nicht zusammengezuckt, als die Standuhr schlug, doch er schlief ungewöhnlich labil, so als wenn er auf etwas warten würde. „Ich warte auf nichts“, dachte er und tadelte sich selbst. Doch ehe er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte er etwas, was nicht zur nächtlichen Geräuschkulisse passte. Jemand blätterte Seiten eines Buches um. Dieses Rascheln würde er unter tausenden anderen Geräuschen wiedererkennen, auch wenn er schon lange keinen Roman mehr in den Händen hielt. Er öffnete die Augen und sah einen alten Mann, der es sich auf der Kante seines Bettes bequem gemacht hatte. „Ähm“, begann Neji und wollte sich somit bemerkbar machen. „Jaja, einen Moment. Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin“, murrte der Geist und verdrehte genervt die Augen. Er hatte ungewöhnlich langes und dickes Haar, das ziemlich struppig war. Er sah zu dem Hyuuga und sein Gesicht schien zu entgleisen. „Ach, was rede ich denn da“, korrigierte er sich selbst und klatschte mit der flachen Hand an seine Stirn. „Ich bin doch wegen dir überhaupt hier.“ „Das habe ich mir schon gedacht.“ „Ich bin Jiraya, der Geist der gegenwärtigen Weihnacht. Ich denke, dass du bereits von mir gehört hast.“ „Mehr oder weniger.“ Worauf die Betonung auf weniger lag. „Aber um mir meine gegenwärtige Weihnacht zu zeigen, musst du nicht unbedingt zu mir kommen, ich bin ja schließlich gerade in der Gegenwart.“ „Dummerchen. Wir sehen uns doch nicht deinen trüben Weihnachtsabend an. Wir gehen jemanden besuchen.“ „Auf Besuche habe ich aber momentan keine Lust, ich muss morgen –“ „Früh raus“, unterbrach ihn Jiraya. „Und noch mehr zu arbeiten, als du ohnehin schon tust.“ „Genau.“ „Verschwende nicht dein ganzes Leben für diesen Bürokram.“ „Das ist immerhin mein Leben.“ „Wenn man das überhaupt Leben nennen kann.“ Jiraya widmete sich wieder dem Buch zu, das er immer noch in den Händen hielt. „Das Buch ist übrigens richtig schlecht. Keine nackten Frauen.“ Neji betrachtete das Buch und stutzte. „Das ist Tentens Buch“, sagte er empört und erkannte den Umschlag mit dem Piraten drauf. „Falsch“, korrigierte ihn der Geist. „Das ist dein Buch, sie hat es dir zurückgeschenkt.“ „Das ist doch Quatsch. Man kann Geschenke nicht zurückschenken, also ist es immer noch ihrs.“ „Es ging Tenten ja nicht um das Buch selbst, sondern um die Geste. Das ist ein feiner, aber großer Unterschied.“ Neji sah ihn skeptisch an. So hatte er Tentens Aktion gar nicht gedeutet. Er dachte eher, dass sie es nicht mehr haben wollte und es ihm deswegen geschenkt hatte. „Aber es ist wirklich eigenartig geschrieben“, sagte Jiraya und erhob sich. „Ich könnte das besser.“ „Es war nur ein Kinderbuch“, murmelte Neji. „Nur ein Kinderbuch? Dafür hängt ihr viel zu sehr daran.“ Der Geist begann zu lachen und streckte sich. „Aber wir müssen uns nun beeilen. Immerhin dauert die Gegenwart nicht ewig an und wenn wir Pech haben sind wir dann in der Vergangenheit. Ich kann diese Knirps nicht ausstehen.“ „Du meinst Lee?“ „Genau den. Er kann ziemlich nervig sein“, lachte Jiraya. Neji verstand nicht ganz wann überhaupt aus der Gegenwart die Vergangenheit wurde. Immerhin war die Gegenwart nur ein kurzer Abschnitt in einem Leben, aber vielleicht war es in der Geisterwelt anders, immerhin haben sie die Unendlichkeit. „Also komm“, sagte Jiraya und riss Neji aus seinen Gedanken. „Wir müssen los.“ Er nahm Neji an der Hand und zog ihn unachtsam aus dem Bett. Neji wäre fast gestolpert, aber dann befanden sie sich plötzlich in einen schwerelosen, rotleuchtenden Tunnel. „Wo sind wir?“, fragte Neji und sah sich um. Er kannte nur Lees Staub und durch diesen wurde ihm immer schwarz vor Augen, aber durch einen Tunnel waren sie nie geschwebt, eher durch ein Loch gefallen. „Die Gegenwart ist anders, als die Vergangenheit. Wäre ja blöd, wenn ich mit dem Kleinen gleich wäre.“ Jiraya lachte erneut. „Wo gehen wir hin?“ „Das wirst du gleich sehen.“ Sie erreichten das Ende des Tunnels und blieben abrupt auf dem Bürgersteig stehen. Sie befanden sich vor einer kleinen Hütte. Es grenzte an ein Wunder, dass sie überhaupt noch stand, so heruntergekommen war sie. „Wo sind wir?“, fragte Neji und sah zu dem alten Mann. „Du weißt es wirklich nicht?“ „Nein“, gab er zu. Woher sollte er diesen Ort nur kennen? „Das ist das Haus von Hinata.“ „Hinata? Aber das ist eine Bruchbude.“ „Ganz recht. Und du hast all die Jahre zugelassen, dass sie hier wohnt, weil es dir egal war. Eine schreckliche Gegend. Am äußersten Rand der Stadt.“ „Mir war es nicht egal, sie hätte ja etwas sagen können.“ Im Haus wurde das Licht angeschaltet und Neji trat zu einem Fenster, um hineinsehen zu können. Eine junge Frau trug ein Tablett, auf dem ein Stück Fleisch lag, und stellte es in die Mitte des kleinen Esszimmertisches. Sie hatte sich ein schönes, wenn auch kaputtes Kleid angezogen und lächelte glücklich den Weihnachtsbaum an. Dieser machte seinem Namen allerdings keine Ehre. Er war klein, krumm und einzelne Nadeln fielen bereits auf den Fußboden. Und dennoch lächelte Hinata und ging wieder aus dem Raum. „Ist das der Baum, von dem sie gesprochen hat?“, fragte Neji eher sich selbst. „Das ist ihr Weihnachtsbaum.“ „Macht sie sich einen Mitternachtssnack? Ist noch etwas vom Weihnachtsessen übrig geblieben?“ Jiraya sah ihn fragend an. „Neji. Das ist ihr Weihnachtsessen.“ „Ich dachte, wir sind in der Gegenwart. Es müsste doch bereits zwei Uhr sein.“ „Die Gegenwart ist ein dehnbarer und undefinierter Begriff. Nur weil etwas vergangen ist, heißt es nicht, dass es vorbei ist.“ „Das versteh ich nicht.“ „Musst du auch nicht, darum geht es schließlich auch nicht.“ „Um was geht es dann?“, fragte Neji und gähnte herzhaft. Er war es nicht gewohnt, so lange wach zu bleiben, da er eigentlich die Nacht durchschlief und nicht ständig geweckt wurde. Als Tenten noch lebte, weckte ihr Husten ihn ab und an, aber das war es wert. „Es geht darum, dass du sieht, wie andere Weihnachten verbringen.“ „Interessiert mich nicht.“ „Spiel dich mal nicht so auf, Neji“, murrte Jiraya. „Ich opfer gerade meine Freizeit für dich.“ „Du bist tot. Dir kann die Zeit egal sein.“ Plötzlich versetzte ihm der Geist einen bösen Blick, wandte sich dann aber wieder dem Fenster zu. Hinata kam wieder in das Wohnzimmer, diesmal zusammen mit Naruto, der das Besteck und die Teller trug. Sie lachten über einen Witz, den Neji nicht hörte, allerdings sah man das Glück in ihren Gesichtern. Sie hatten sich wirklich gesucht und gefunden. Die junge Frau wandte sich zur Tür und sie rief nach jemandem, allerdings nicht bösartig, sondern eher freundlich. Ein kleiner Junge mit Krücken kam in den Raum gehumpelt. Als Naruto seinen Sohn bemerkte, stellte er schnell die Teller ab, ging zu seinem Kind und hob es hoch, um ihn den Weg zum Tisch zu erleichtern. Der Junge war Hinata und Naruto wie aus dem Gesicht geschnitten und strahlte so viel Fröhlichkeit aus und das, obwohl er ein verkrüppeltes Bein hatte. Neji erinnerte sich an das, was er eins zu Hinata gesagt hatte. Er verstand damals nicht, wieso sie ein behindertes Kind großzog, doch jetzt begriff er endlich. Er spürte die Liebe zwischen den dreien und auch die Fröhlichkeit die von dem kleinen Jungen ausgingen. Neji bereute es langsam, dass er Hinata die Unterstützung ablehnte, die sie damals forderte. Sie wollte ihrem Jungen ein besseres Leben bieten, doch ihr fehlte das Geld. Neji bezahlte sie unter dem eigentlichen Gehalt für ihre Arbeit und dennoch arbeitete sie für ihn, ohne zu jammern, ohne zu meckern. Durch den Austritt aus dem Clan bekam sie auch keine finanzielle Unterstützung mehr. „Ich denke, dass es besser wäre, wenn wir reingehen, immerhin hören wir ja nicht, was sie reden“, sagte Jiraya und klatschte in die Hände. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das überhaupt hören will“, murmelte Neji. „Natürlich willst du das“, sagte der Geist und nahm seine Hand. Und prompt waren sie in dem Wohnzimmer von Naruto und Hinata. ~~~ „Der Baum sieht wirklich traumhaft aus, Naruto“, sagte Hinata und schob den Stuhl nach hinten, damit ihr Mann das Kind auf diesen setzen konnte. „Danke, ich habe ihn eigenhändig gefällt“, sagte der blonde Mann stolz und grinste übers ganze Gesicht. „Ich bin so froh, dass Neji dich heute eher nach Hause gehen ließ. Du arbeitest auch viel zu lange für diesen Kauz.“ „Naruto. Er ist schließlich mein Cousin. Ich kann ihn doch nicht im Stich lassen.“ „Wieso? Er lässt dich doch auch im Stich.“ Hinata strich ihrem Mann liebevoll über den Arm. „Naruto, bitte nicht, es ist schließlich Weihnachten.“ „Ist Onkel Neji wirklich so schlimm?“, fragte er kleine Junge. „Natürlich nicht. Neji ist ein vernünftiger und netter Mann“, erklärte Hinata und lächelte sanft. „Schließlich hat er mich trotz allem bei sich eingestellt.“ „Und du arbeitest für einen Hungerlohn“, sagte Naruto und schüttelte den Kopf. „Aber ich mache es gerne.“ „Wieso besucht uns Onkel Neji nie?“, fragte der Sohn weiter. „Er hat viel zu tun, mein Schatz“, sagte Hinata und küsste ihr Kind auf die Stirn. „Sich zum Beispiel auf seinem Geld ausruhen.“ „Naruto“, tadelte Hinata. „Wir sollten mit dem Essen anfangen.“ „Ich denke, das reicht“, sagte Jiraya und legte Neji eine Hand auf die Schulter. Diesem hallten die Worte von Hinata weiter im Kopf und er sah schweigend zu dem kleinen Jungen. Er hatte ihn all die Jahre noch nie gesehen, wusste selbst seinen Namen nicht, es hatte ihn auch nie interessiert. „Wird mein-“ Er stockte, fing sich dann aber wieder „Wird mein Neffe wieder gesund?“ „Das ist sein letztes Weihnachtsfest“, sagte Jiraya. „Er ist ziemlich unterernährt und seine Verkrüppelung macht ihm das Leben unnötig schwer. Ein Wunder, dass er fünf wurde.“ „Das ist schrecklich.“ „Es ist dir doch, wie gesagt, egal, oder?“ Jiraya sah zu Neji und dieser schüttelte den Kopf. „Mir ist es nicht egal, denke ich“, sagte er unsicher. „Warum so durcheinander? Ich denke, wir gehen nun wieder in dein Schlafzimmer.“ „Aber –“, begann Neji wurde aber zum Schweigen gebracht. Jiraya nahm seine Hand und sie flogen wieder durch den roten Tunnel in Nejis Schlafzimmer… --- Die Standuhr schlug einmal. Zweimal, Dreimal. Es war bereits drei Uhr nachts und Neji wusste, was nun geschehen würde. Zu jeder vollen Stunde kam ein Geist. Erst Tentens Geist um Mitternacht, dann Lee und Jiraya. Nun war der Geist der zukünftigen Weihnacht dran und er wusste jetzt schon, dass ihm dies nicht gefallen würde. Niemand will gerne seine Zukunft sehen, egal, wie sie aussieht. Denn dieses Kapitel ist wirklich mehr als unangenehm, denn jeder wünscht sich das Beste für sich und man ist nie mit dem zufrieden, was man bekam. Neji saß bereits hellwach und kerzengrade in seinem Bett, wartete auf den Geist, der kommen sollte. An Schlaf war schon lange nicht mehr zu denken. Schlagartig wurde es kälter im Raum und dichter Nebel stieg auf. Ein Mann in einer schwarzen Kutte trat aus dem Schatten einer Ecke und ging zu Neji ans Bett. Er sah aus wie der buchstäbliche Sensenmann, der Tod in Person und doch dachte der schlaflose Neji, dass er diesen Geist irgendwo her kannte. Er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, so dass er sein Gesicht nicht sehen konnte, doch von der Gangart erkannte man sofort, dass es sich um einen Mann handelte. Der schwarze Herr sagte nichts, hob nur seine Hand und tippte mit dem Zeigefinger auf Nejis Stirn. Augenblicklich wurde Neji schwarz vor Augen… ~~~ Der Mond schien auf den kleinen Hügel, der abgelegen von der Stadt lag. Hölzerne Kreuze und Steine standen in Reihe. Manche waren bereits verwittert, andere sahen noch neu aus. Krächzende Raben flogen kreisförmig über den kleinen Berg und schlugen fast lautlos mit ihren Flügeln. Dies war eindeutig der unheimlichste Ort in ganz Konoha. Neji ging schweigend neben in Geist her, wagte es kaum zu atmen und sah sich suchend um. Doch nach was suchte er? Nach seinem eigenen Grab? Das war doch Humbug. Ihn würde dies nicht sonderlich berühren, immerhin war der Tod das normalste der Welt. Plötzlich blieb der namenlose Geist stehen, sagte allerdings immer noch nichts. Neji betrachtete das Grab vor dem er stehenblieb und stutze. Auf dem Grabstein war der Name Fuyuharu eingemeißelt. Der Stein war noch nicht verrottet und machte auch sonst keinen alten Eindruck. Nur etwas Moos hatte sich auf dem halben Gestein angesetzt. Etwas in Neji sagte ihm, dass er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Es schrie förmlich in ihm, doch er wusste es nicht. Er konnte den Namen nicht zuordnen. Fuyuharu. Das waren die beiden Wörter für Winter und Frühling. Sie hatten eine Bedeutung, er wusste nur nicht welche. Und plötzlich schossen ihn Hinatas Worte in seinen Kopf, die sie vor langer Zeit einmal zu ihm sagte: „Stolz und bodenständig wie der Winter und fröhlich und frei wie der Frühling, so wünsche ich mir mein Kind.“ Ihr Kind… dies war das Grab von Hinatas Sohn. Er wusste zwar, dass der kleine Junge keine Chance hatte, aber nicht, dass er einmal am Grab seines Neffen stehen zu würden, ohne ihn einmal getroffen zu haben. „Welch Tragödie, nicht?“, fragte der Geist und lachte leise und spöttisch. Plötzlich zuckte Neji zusammen. Diese Stimme, dieses Lachen. Das war… „Onkel?“, fragte er und weitete die Augen. Der Geist streifte sich die Kapuze vom Kopf und es war tatsächlich Hiashi Hyuuga, Hinatas Vater, das damalige Oberhaupt des Clans. „Was ist nur aus dir geworden, Neji?“, fragte er leise und sah zum Grabstein seines Enkels. „Habe ich dich jemals so behandelt, wie du deinen eigenen Neffen behandelt hast? Selbst auf seinem Sterbebett wolltest du ihn weder sehen noch helfen.“ „Auf seinem Sterbebett?“, fragte Neji und sah seinen Onkel fragend an. „Ja, er lag im Sterben. Nur noch eine Operation hätte ihm helfen können, aber du verweigertest die Hilfe. Meine Tochter hat dich mit Tränen in den Augen um Geld gebeten und du hast sie eiskalt nach Hause geschickt.“ „So etwas würde ich niemals tun“, sagte er, besann sich dann aber. Doch, genau so würde er handeln, wenn er jetzt die Wahl hatte. Dies war kein Trugbild. Dies war er selbst, immerhin hatte er sich diese Zukunft selbst gesponnen, wie eine Spinne ihr tödliches Netz spinnt. „Du bist eine Schande“, murmelte Hiashi leise und wandte das Gesicht von ihm ab. „Du hättest so vieles besser machen können. Du hättest Tentens und Fuyuharus Tod verhindern können. Du hättest lieber an ihrer Stelle sterben sollen. Sie waren so fröhliche, ehrliche Menschen. Und du? Du bist ein Nichts, ein unbedeutender Wurm, der andere für sich arbeiten lässt, weil er selbst zu unfähig ist.“ Neji schluckte schwer. War er wirklich eine Schande? War sein Leben überhaupt etwas wert? „Es- es tut mir leid“, sagte er leise. „Dafür ist es jetzt bereits zu spät.“ „Aber mein Neffe lebt noch, ich habe ihn gesehen.“ „Man kann nicht über Nacht eine Krankheit heilen. Er leidet seit seiner Geburt an diesen Höllenqualen.“ „Ich werde ihm helfen. Ich werde Hinata genug Geld geben.“ „Geld ist nicht alles im Leben, Neji“, fiel Hiashi ihm ins Wort. „Du kannst weder Tenten zurück ins Leben holen, noch gut machen, dass du Hinata so verletzt hast.“ „Aber ich will mich ändern, wirklich.“ Die Worte von seinem Onkel stachen ihm ins Herz, trafen ihn da, wo er jahrelang niemanden hin gelassen hatte. Doch er versuchte stark zu bleiben, sich nichts anmerken zu lassen, doch all die Worte bohrten sich in seinen Kopf, ließen ihn nicht mehr los. Er kam sich vor wie ein kleiner Junge, der von seinem Vater ausgeschimpft wurde. „Bring mich nach Hause“, murmelte Neji kaum hörbar. „Wir sind noch nicht fertig“, sagte Hiashi bestimmt und hob seinen rechten Arm. Sein Ärmel rutsche hinunter und eine knöchrige Hand kam zum Vorschein. Neji wusste allerdings, dass dort zuvor keine war. Mit dem Knochenfinger deutet sein Onkel auf das Grab von Fuyuharu. Plötzlich spaltete sich das Grab und ein schwarzes Loch wurde sichtbar. Die Grube war komplett leer, ein inhaltloser Behälter. Kein Sarg, keine Erde. „Was –“, begann Neji, verstummte aber augenblicklich, als sein Onkel seinen knochigen Finger auf ihn deutete. Mit einer lockeren, aber bestimmten Geste befahl er seinem Neffen näher an das Grab zu gehen. Neji trat zögernd vor und beugte sich zu dem Loch. Es schien bodenlos zu sein und es wäre schrecklich dort reinzufallen. Blitzartig leuchteten zwei gelbe Augenpaare aus dem Inneren der Grube auf. Sie leuchteten im Dunkeln und waren grell. Ein geisteskrankes, schrilles Kinderlachen drang aus dem tiefen Loch. Neji zuckte zusammen, völlig im Bann mit diesen Augen, die alles widerspiegelten, was er verkörperte: Ein Monster, ein schreiendes, nach Liebe hungerndem Kind, gefangen im Körper eines Mannes. Unerwartet spürte er einen Stoß, jemand schubste ihn in das Grab. Er fiel, fiel immer schneller. An ihm rauschte Wind vorbei und es pfiff in seinen Ohren. Er drehte sich in Windeseile um, sah nach oben und blickte in das ausdrucklose Gesicht seines Onkels, der jetzt um einige Jahre jünger aussah und am Rand des Grabes stand und zusah, wie sein eigener Neffe in Richtung Hölle fiel… --- Atemlos und nach Luft ringend wachte Neji auf. Die Sonne schien bereits durch sein Schlafzimmerfenster und ihm wurde jetzt erst bewusst, dass er wohlbehütend in seinem Bett lag. War dies alles bloß ein Traum? Er stieg aus dem Bett und stutze. Seine Füße waren mit einer Erdkruste bedeckt und auch in seinen weißen Laken waren Anteile von Erde. Selbst an seinen Händen hatte er Erde, wahrscheinlich, weil er sich an den Wänden des Loches abbremsen wollte. Aber was war geschehen? Hatte er den Stutz überlebt? Oder war er nicht wirklich da? Aber woher kam sonst die Erde? Und wieso hatte sein Onkel ihn in das Grab geschubst? Der junge Mann stand auf, klopfte sich den Lahm von der Kleidung und ging zu Spiegel. Er sah sich, seine Haut war so blass wie sein Nachthemd, diese Nacht hatte ihn ziemlich mitgenommen. Und plötzlich erschrak er. Dieses Gesicht, dieses entsetzlich weiße Gesicht hatte er schon einmal gewesen und eigentlich dachte er, dass es jemand anderes war. Er stand oben am Rande des Grabes, deswegen sah sein Onkel auch jünger aus, weil es nicht sein Onkel, sondern er selbst war. Er hatte sich so täuschen lassen, da er Todesängste hatte. Aber wieso sollte er sich selbst ins Grab werfen? Er hielt in seinen Gedanken inne. Er wusste die Antwort bereits, da er selbst für dieses Elend verantwortlich war, das er nun lebte. Er hatte sich begraben, da für ihn das Leben eh bereits gelaufen war. Er musste Ordnung schaffen, zuerst in seinem Schlafzimmer und dann in seinem Leben. Er zog die Decke vom Bett, um sie zu reinigen und plötzlich fiel ein kleines Buch hinunter. Auf dem Umschlag war ein breitgrinsender Pirat zu sehen, ein Abenteurer, der nichts fürchtete, weder Wind noch den Tod. Neji hob das kleine Buch auf, das nach all den Jahren ziemlich mitgenommen aussah, aber dennoch gepflegt wurde. Er schlug die erste Seite auf und stockte. Dort war eine kleine Nachricht verfasst: Für den liebsten Freund dieser Welt. Ich möchte dir dieses Buch zurückgeben, da ich denke, dass du es viel mehr brauchst als ich. Wenn ich einmal nicht mehr bin, möchte ich, dass du wie der Pirat in diesem Buch handelst: Sei stark, aber verlier niemals die Liebe zur hohen See. Ich wünsch dir alles Glück auf Erden. In Liebe Tenten Neji las die Worte erneut und versuchte sie zu verinnerlichen, sich jedes Wort einzuprägen. Er hatte diese Nachricht all die Jahre nicht gelesen, keiner hatte das, denn das Buch stand jahrelang im Regal seines Büros. All die Jahre blieben ihm diese Worte verwehrt. Erst die drei Geister hatten ihm gezeigt, wie wichtig Liebe und Zuwendung in dieser Welt waren. Er schloss das Buch wieder und drückte es an seine Brust. „Danke Tenten“, sagte er leise und stand auf. Er musste sich anziehen, musste sofort zu seiner Cousine, in die hohe See stechen, sich in die Höhle des Löwen wagen. Noch war es für den kleinen Fuyuharu nicht zu spät und wenn doch, konnte Neji ihm den Rest seines Lebens so angenehm wie möglich machen. Er zog sich blitzschnell an und machte sich auf den Weg zu Hinatas Haus. Er wusste, dass er sich nicht von heute auf morgen ändern konnte, er wusste auch, dass nicht alle seine Veränderung sofort akzeptieren werden würden, da er einfach viel zu lange dieses Muster widergespiegelt hatte. Er musste auch selbst erst lernen aus seinem Alltag auszubrechen, alte Gewohnheiten abzulegen. Es war ein langer Weg, doch Neji wollte ihn bestreiten. Für seine damalige große Liebe und für sich selbst. Tenten kam nicht mehr nachts zu ihm. Sie hatte ihn nur dieses eine Mal besucht. Doch auch wenn er es nicht von ihr wusste, wusste er, dass sie im Grunde stolz auf ihn war, denn er hatte die Liebe zur See neu gefunden und von diesem Tag an niemals mehr verloren… -Ende- Frohe Weihnachten an alle! Endlich ist es soweit und wir haben Heilig Abend. Ich wünsche euch alle besinnliche und erholsame Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2009. Ich hoffe euch hat so eine lange Geschichte gefallen (mal wirklich was neues von mir o.o) Diese Geschichte widme ich besonders meinen lieben Freunden und Mitstreiterinnen Maji und Aya_Nox. Liebe Grüße TentenHime Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)