Vampires Will Never Hurt You von abgemeldet (Riku x Sora) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Vorwort Dies ist eigentlich ein One-Shot zu dem Thema Halloween. Leider etwas verspätet :3 Hatte durch die Schule leider zu viel Stress, als dass ich die FF rechtzeitig fertig bekommen hätte. Hoffe, dass stört nicht zu sehr >.< Übrigens handelt es sich um einen One-Short, den ich in drei Teile geteilt hab :D Viel Spaß beim lesen, PapouRiku Vampires Will Never Hurt You Wo das Herz reden darf, braucht es keiner vorbereiten… Warm fühlte ich die fröhlichen Strahlen der munteren Oktobersonne auf meinem Gesicht, als ich missmutig die orange, ausgehöhlte Kugel betrachtete, die ich in meinen nackten Händen hielt. Meine hellblauen, dicken Fausthandschuhe lagen neben mir verstreut auf dem kalten Boden, auf dem ich im Neidersitz Platz genommen hatte und der von buntem Laub überdeckt war. Allmählich tat mir der Hintern vom langen Sitzen weh und auch die unvermeidliche Kälte meldete sich zu Wort, indem sie meine Finger bereits feuerrot gefärbt hatte. Zugegeben, ich war sicherlich kein Freund von niedrigen Temperaturen, nichtsdestotrotz war der Oktober einer meiner absoluten Lieblingsmonate. Und das hatte zwei ausschlaggebende Gründe: zum einem, mochte ich diese farbenfrohe Atmosphäre, die der Herbst zauberte und zum anderen freute ich mich jedes Mal riesig auf den 31ten. Halloween. Wenn es irgendein verrücktes Fest gab, was ich fast so abgöttisch liebte wie Weihnachten, dann war es Halloween. Es bestand kein noch so geringer Zweifel daran, dass ich eine heftige Abneigung gegenüber blutrünstigen Horrorfilmen hegte, jedoch war es für mich immerzu ein besonderes Highlight des Jahres mit Riku von Tür zu Tür zu wandern und Süßigkeiten als Gegenleistung zu fordern, dass wir die hilflosen Bewohner dieses Hauses in Frieden ließen. Und das lag hundertprozentig nicht nur an den leckeren Bonbons, die wir von unseren Nachbarn erfolgreich ergattern konnten. Ein lautloses Seufzen entwich meinen tauben Lippen, als ich mich bitter daran erinnern musste, dass unser traditioneller Beutezug dieses Halloween ins Wasser fallen sollte. Und warum das so war? Tja, das war ganz simpel zu erklären. Augenblicklich huschten meine blauen Augäpfel zu dem gut gebauten Jungen rüber, den ich um seine muskulösen Oberarme im Geheimen beneidete und dessen silbernes Haar im goldenen Licht des Sonnenscheins unbeschreiblich schön glänzte. Mir war durchaus klar, dass Riku Halloween generell nicht leiden konnte – die Ursache für seine starke Ablehnung dieser Festlichkeit gegenüber war mir erstaunlicherweise bis heute ein ungelöstes Rätsel -, aber dass er gleich zu der unveränderlichen Überzeugung kommen musste sich ab nun an betont erwachsen aufzuführen und unsere Süßigkeitenjagd als ‚zu kindisch’ abzustempeln war, meines Erachtens nach, ein gemeiner Verrat. Aus dem Alter seien wir längst raus – Pff! Von wegen… ich fand, dass man nie für etwas zu alt sein konnte. Bloß doof, dass meine Meinung anscheinend nach nicht zu zählen schien. Und so was schimpfte sich auch noch bester Freund! Ich vernahm, wie meine Mundwinkel sich zu einen trotzigen Schmollmund formten und ich mein ‚Werk’ mit verengten Augenbraun kritisch einstudierte. Schon komisch. Obwohl Riku offensichtlich keinerlei Begeisterung für Halloween aufbringen konnte, hatte er sich dessen ungeachtet von mir dazu breitschlagen lassen Kürbisse zu lustigen Gesichtern zu basteln. Kaum war ich zu dieser erfreulichen Feststellung gekommen, da begannen sich meine Gesichtszüge rasch zu entspannen und bereits wenige Sekunden darauf zauberte mein Mund ein glückliches Lächeln hervor. Riku nannte sich mein bester Freund – zu Recht. Von meiner Dankbarkeit gepackt linste ich flüchtig zu ihm rüber und konnte nicht verhindern darüber staunen zu müssen, wie unglaublich hübsch Riku doch eigentlich war. So, wie er da saß auf seinem geliebten, stabilen Stamm der Papupalme – die übrigens, so kurios es klang selbst jetzt im Herbst grün blühte -, die trainierten Arme hinter seinen Schädel überkreuzt und sie als Kissen nutzend. Sein nachdenklicher, beinahe verträumter Blick hing irgendwo in der Ferne und fixierte einen unbestimmten Punkt am Horizont. So eilig, wie ich ihn angesehen hatte, so eilig blickte ich auch wieder weg und stierte erneut meinen Kürbis an. Seiner war längst fertig und perfekt geschnitten neben dem besagten Baum deponiert. Würde man eine Kerze in diesen stellen, konnte er einem definitiv Angst einjagen – während meiner dagegen richtig lächerlich und erbärmlich wirkte. Doch war es nicht die Erkenntnis, dass Riku selbst im Kürbisbasteln besser abschnitt als ich, die mich so frustrierte, sondern vielmehr die feine Tatsache, dass ich mir in solchen Momenten wie diesen nichts mehr wünschte, als das er mich einmal mit solcher Sehnsucht anschaute. Ein einziges Mal. Wenigstens ein einziges, beschissenes Mal… Zu meinem Leidwesen wurde mir schlagartig bewusst, dass ich wieder einmal dabei war in sinnlosem Selbstmitleid zu ertrinken, was mich dazu animierte hastig das Haupt zu schütteln, in der verzweifelten Hoffnung so die trübseligen Gedanken abwimmeln zu können und tief zu schlucken. Mein Hals war ungewöhnlich trocken. Irgendwie musste ich mich ablenken, als mir einfiel, dass mich sowieso seit langem ein bestimmtes Thema sehr beschäftigte. „Riku?“ Angesprochener untersuchte weiterhin unentwegt den Glanz des Meeres, welches von der Abendsonne rötlich gefärbt wurde, dennoch konnte er sich dazu durchringen mir ebenfalls einen Teil seiner schwer zu erlangenden Aufmerksamkeit zu schenken – jedenfalls glaubte ich ein leises „Hm?“ vernommen zu haben. „Meinst du… es gibt Vampire wirklich?“. Sofort riss er seinen Schopf herum und inspizierte mich zunächst mit unverkennbarer Überraschung in seinen smaragdgrünen Kristallen, ehe seine Miene einen eher skeptischen Ausdruck annahm und er zweifelnd die rechte Braue in die Höhe zog. Oho~ das verhieß nichts Gutes. „Sora… unsere Freundschaft in allen Ehren, aber manchmal frag’ ich mich ernsthaft, wie alt du eigentlich bist“. Hey, das war nicht nett! Zugleich bildete ich gefährliche, katzenähnliche Schlitze als Augen. „Riku, das ist mein Ernst!“, verlieh ich meiner ehrlich gesagt wahrhaftig seltsamen Frage Nachdruck und bemühte mich in meiner Stimme einen betont autoritären Ton mitschwingen zu lassen, was natürlich gewaltig in die Hose ging. „Gerade deswegen ja“, entgegnete er mir nüchtern und sein belustigtes Grinsen offenbarte mir, dass ihn die jetzige Situation köstlich amüsierte. Gespielt beleidigt verschränkte ich meine Arme vor meiner schmalen Brust. Machte er sich etwa witzig über mich? „Riku!“ „Das ist mein Name?“ „Du bist doof…“ „Ich hab dich auch lieb“. Ähm… okay… wo war noch mal der Repeat-Knopf? Konnte er das eventuell wiederholen? Klar, musste ausgerechnet ich bestens darüber bescheid wissen, dass Riku dies einzig und allein geäußert hatte, um mich ein bisschen zu necken und mich dazu zu treiben, wie eine Rakete in die Luft zugehen, jedoch kam ich nicht drum herum, dass mich seine Aussage ganz schön aus der Bahn warf. Obgleich es nicht so sein sollte, verwirrte mich diese Bemerkung aufs äußerste. Es wirbelte meine gesamte Gefühlswelt durcheinander, ließ meine Emotionen verkehrt herum stehen und vermittelte mir den Eindruck, als hätte Riku soeben ein gigantisches Chaos in mir angerichtet. Demnach war es nicht weiter verwunderlich, dass plötzlich Schweigen folgte. Einige Minuten herrschte vollkommene Stille, bevor Riku diese endlich brach. Immer noch besah er sich den Horizont. „Es gibt sie nicht“. „Was?“, erkundigte ich mich perplex, als mich seine Worte aus meiner Art Trancezustand rissen und bereute dies direkt, da mir eigentlich klar gewesen sein müsste, dass Riku lediglich auf meine dämliche Frage geantwortet hatte. „Vampire. Oder hast du jemals eine Person getroffen, die sich in eine Fledermaus verwandeln und durch die Luft fliegen kann? Ich mein… okay, Goofy hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Fledermaus-“. „Goofy?“. Bildete ich mir das nur ein oder drehte Riku nun auch völlig am Rad? Wie kam er denn darauf Goofy mit einer Fledermaus zu vergleichen? Unweigerlich musste ich schmunzeln. Na ja, lustiger Gedanke war’s ja schon… „Hast Recht… die Schlappohren passen nicht dazu“. Ich konnte nicht anders und musste einfach losprusten. Wer hätte gedacht, dass Riku einen solch ausgezeichneten Sinn für Humor besaß? Nachdem ich verschnauft hatte, besann ich mich dazu wieder ernst zu werden und meinen Kumpel mit durchdringendem Blick zu mustern. „Na ja… du bist auffällig blass Riku“ „Bin ich das?“ „Jahh~“ „Interessant“. Interessant? Mehr hatte er nicht zu seiner Verteidigung zu sagen? Na warte, ich hatte noch ne Menge andere, gut durchdachte Argumente auf Lager! „Und du gehst auch nicht gerne vor die Tür, wenn die Sonne scheint“, wand ich schnell ein und nahm die Reaktion des Älteren genauer unter die Lupe. Jetzt konnte jede noch so minimale emotionale Regung in seinem makellosen Antlitz ein entscheidender Hinweis sein! „Muss daran liegen, dass ich generell nicht gerne unter Leute gehe“, tat er meine Anschuldigung bloß trocken ab und beäugte nach wie vor gebannt den Rand des Ozeans. „Auch ziemlich merkwürdig…“ Ein genervtes Seufzen erklang und ein breites, zufriedenes Grinsen stahl sich auf meine Lippen. Ha! Hatte ich es also doch geschafft ihn aus der Reserve zu locken! Mal sehen, wie er sich da aus der Affäre ziehen wollte… Deutlich gereizt richtete sich Riku auf und nahm eine Aufrechtsitzende Position ein, bevor er sich lustlos durchs glitzernde Haar fuhr und mich mit seinen typischen ’Du-bist-komplett-übergeschnappt’-Blick begutachtete. „Sora… ich will dir ja nicht zu Nahe treten, aber mal ehrlich; hast du mich jemals vor Weihwasser flüchten sehen?“ „Nein… trotzdem. Du magst keinen Knoblauch“. Meine Beweismittel wurden stetig besser! Wie wollte er wohl dies widerlegen? „Jetzt wird’s gruselig. Du scheinst mich besser zu kennen, als ich angenommen hatte“. Tadaaa! Das war mein Sieg! Triumphierend lachte ich. „Na siehst du!“ „Was seh’ ich? Weil ich den Gestank von Knoblauch nicht ausstehen kann, bin ich gleich zum elendigen Blutsauger mutiert? Wow… sehr aufschlussreiche Theorie“. Augenblicklich erstarb mein Lachen wieder und ich blinzelte einige Male, bevor ich erkannte, dass ich langsam, aber sicher in Erklärungsnot geriet. Dennoch; es gab noch einen einzigen Punkt, der mich ungeheuer aufwühlte und der mir, davon mal abgesehen, dass diese ganze Diskussion eher als Scherz galt, widerliche Bauchschmerzen bereitete. Sollte ich das wirklich aussprechen? Irgendwas in mir befürchtete, dass mir die Antwort darauf nicht gefallen würde. Kurz atmete ich tief durch, bevor ich meinen letzten Mumm zusammen kratzte, die Augenlider gänzlich senkte und sie anschließend wieder aufschlug, um direkt, ohne Umschweife, in die zwei wohl schönsten grünen Seen zu blicken, die die Welt oder gar die ganze Galaxie zu bieten hatte. „Du hast ständig kalte Hände“. Allen Anschein nach hatte selbst er mit dieser Begründung nicht gerechnet, da ich genau sah, wie sich die schwarzen Pupillen zu minimalen Pünktchen verkleinerten und er mich recht konfus fixierte, was dafür sorgte, dass ich schwer schluckte. Seine vollen, perfekt geschwungenen Lippen öffneten sich, als wolle er etwas äußern, doch genauso schleunigst schlossen sie sich wieder und er fuhr sich flüchtig mit der Zungenspitze darüber, bevor er ein zweites Mal einen Laut der Genervtheit von sich gab. „Sora, ich…“, wollte er gerade zu einer Erklärung ansetzen, als er von dem penetranten, lautstarken Rufen einer gewissen, mir allzu bekannten Person unterbrochen wurde. „Sora! Riku!“, schrie Kairi, die einige Meter entfernt war und auf uns zugelaufen kam. Na toll, nu würde ich also nie erfahren, wie Riku seine nicht vorhandene Körpertemperatur rechtfertigte, was meinen weiblichen, rothaarigen Kumpel einige Meilen am Allerwertesten vorbei rauschte. Statt auf meine beleidigte Miene einzugehen, übersah sie diesen gekonnt und wedelte triumphierend grinsend mit einen Zettel herum, der arg mitgenommen aussah. Was sie wohl nu wieder hatte? „Ratet mal… was das hier ist!“, quiekte sie entzückt und ich fischte nach meinen babyblauen Handschuhen. Irritiert blickte ich in die unergründlichen Smaragde, die mein bester Freund seine Sehkräfte nennen durfte und erhielt als Antwort darauf einen ebenso konfusen Blick. Unser Unwissen trug zu der unaufhaltsamen Erheiterung Kairis bei, die daraufhin siegessicher kicherte. „Ihr werdest es nicht fassen…“, quasselte sie aufgeregt drauf los und animierte mich dazu ein Geräusch der Frustration los zu werden. Manno. Lieber wäre ich mit Riku noch etwas länger alleine gewesen… Kapitel 2: ----------- „Letzte Station; Twilight Town. Die Fahrt endet hier. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt“, ertönte die monotone, maschinenartige Stimme einer fremden Frau und riss mich barsch aus meinen wirren Gedankensgängen, bevor mir jemand vorsichtig seinen Ellbogen in die Seite rammte und somit meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zog. Neugierig sah ich in die heiteren, meerblauen Augen meiner besten Freundin, die sich seit geschlagenen drei Tagen aufführte, als würde sie irgendwelche Happy-Hour-Pillen schlucken und sich in einem dauerfröhlichen Zustand befand, der selbst für meinen ungehaltenen Optimismus eine potentielle Konkurrenz darstellte. „Wir sind da“, kicherte sie munter und angelte nach ihren überfüllten Koffer, welcher auf mich den unverkennbaren Eindruck machte, als würde er jeden Moment aus allen Nähten platzen. Auch Riku, der die gesamte Dauer dieser langweiligen Reise mir gegenüber gesessen hatte, erhob sich nun aus seinem bequemen Sitz und mischte sich unter das Gedrängel der Passagiere, um das Zugabteil zu verlassen. Hektisch fischte ich nach meiner dunklen Umhängetasche, in der ich bloß das Nötigste hinein gepackt hatte, schmiss sie mir zügig über die rechte Schulter und sprang mit ein wenig zu viel Schwung vom gemütlichen Sitzpolster, so dass ich zunächst einige Schritte taumelte, ehe ich mein Gleichgewicht mit meinen Armen ausbalanciert hatte und ich meinen Freunden eilig folgen konnte. Draußen angekommen schlug mir zugleich die frische, kühle Bahnhofsluft entgegen und verursachte ein seltsames Prickeln auf meinen Wangen. Tief sog ich den herrlichen Sauerstoff ein und beobachtete amüsiert, wie sich beim ausatmen eine kleine, weiße Wolke vor meiner Nasenspitze bildete. Weniger witzig fand ich es, als die gemeine Kälte in meine Knochen kroch und mich unwillkürlich frösteln ließ. Die Temperaturen in Twilight Towen hatten sich der Jahreszeit bereits bestens angepasst und waren im Gegensatz zu Disney Island einige Gradzahlen hinab gesunken. In der vergeblichen Hoffnung, dass mir eventuell etwas wärmer werden würde begann ich mir zitternd mit den Händen die Oberarme zu reiben, als ich auf einmal ein federleichtes Gewicht auf meinen Schultern registrierte. Überrascht schaute ich auf und blickte direkt, ohne Umschweife, in die zwei wunderschönsten Smaragde, die diese groteske Welt zu bieten hatte – oder nein, was faselte ich da für einen Unfug?! Nichts da, die diese groteske Welt zu bieten hatte, sondern die, die in diesem gänzlich verrückten Universum existierten. „Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst ne Jacke mitnehmen“, erinnerte Riku mich trocken an seine vorige Prophezeiung und ich merkte deutlich, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss, was mir soviel signalisierte wie; ich wurde rot. Verdammt, warum musste dieser Kerl mich auch dauernd mit so simplen Dingen in Verlegenheit bringen? Peinlich berührt zupfte ich an dem Kragen des schwarzen Umhanges, den mir mein bester Freund umgelegt hatte und zog ihn hoch bis zu meinen Wangenknochen, um meine dämliche Röte irgendwie zu verstecken. Zwecklos. So wie der seine Mundwinkel in die Höhe zog konnte er mir denken, dass er die längst entdeckt hatte. Beschämt brummte ich. Warum war mein Schicksal so grausam zu mir?! Dem Scham zum Trotz einen Schmollmund ziehend sah ich dem Älteren gespannt hinterher, wie er sich dem Zentrum des Bahnhofes näherte und sich sichtlich desinteressiert umschaute. Manchmal… - so abstrakt das aus meinem Mund klingen mochte – aber manchmal… da war Riku ein wahrer Gentleman. Unweigerlich strömte eine innere Wärme durch meinen Körper. Ein glückliches, verträumtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen und schnupperte heimlich an dem seidigen Stoff. Zufrieden seufzte ich lautlos auf und senkte für wenige Sekunden meine Augenlider, als ich seinen vertrauten, angenehmen Duft herausfiltern konnte. Ich mochte den Geruch von Riku. Er war ganz individuell und ich würde ihn unter Garantie unter tausend anderen sofort wieder erkennen. Ein bisschen nach irgendeinen teueren Deo oder Parfüm, etwas herb, weil männlich und irgendwie… nach Riku halt. Das konnte man gar nicht genau definieren – das einzige, was ich mit Abstand dazu aussagen konnte war, dass ich süchtig danach war. Zögernd öffnete ich meine Augen wieder und fixierte die makellose Gestalt meines besten Freundes, der scheinbar noch nicht gefunden hatte, was er suchte und ich nutzte die einmalige Gelegenheit dazu aus, um ihn unbeobachtet ein wenig genauer zu mustern. Er trug ein weinrotes, edles Hemd und eine dazupassende schwarze Hose. Sein schlanker Hals war von einer ebenso schwarzen Krawatte geschmückt und wenn man genug anstrengte, dann konnte man erkennen, wie zwei spitze Eckzähne unter seinem sonst recht harmlosen, dennoch perlweißen Gebiss hervor stachen. Nicht, dass ich nu wieder voreilig auf die waghalsige Annahme kam, dass Riku in Wahrheit ein Vampir war – mir war durchaus klar, dass er sich nur wie einer verkleidet hatte, schließlich war dies der Grund für unseren Besuch in Twilight Town. Hayner hatte uns zu seiner riesigen Halloween-Party eingeladen. Und weil Hayner nun mal keine halben Sachen machte handelte es sich bei dieser Halloween-Party, um eine typische Party, wie man sie aus diesen klischeehaften, amerikanischen Filmen kannte. Mit jede Menge Schnickschnack, wie Kostümen, Gläserrücken, Horrorfilmen und einer nächtlichen Tour über den stadtangehörigen Friedhof. Für gewöhnlich nichts, worauf ich sonderlich scharf war. Es mochte sein, dass ich mir nicht schwer dabei tat irgendwelche Herzlosen zu besiegen, jedoch was so eine ungefährliche ‚Mutprobe’ betraf war ich echt ein erbärmlicher Feigling. Allerdings wollte ich mich gar nicht weiter mit dem auseinander setzen, was mich auf dieser Feier gruseliges erwarten würde. Lieber konzentrierte ich mich mit all meinen Sinnen darauf Riku anzustarren. Unbewusst musste ich tief und schwer schlucken. Okay, zugegeben, ich hatte zwar schon unzählige Male während der langen Fahrt feststellen müssen, dass Riku unverschämt gut aussah, aber jetzt, wo das spärliche Licht der Oktobersonne auf seine silbernen Haarpracht fiel und es in den unterschiedlichsten Farben schimmern ließ, wurde mir seine unwiderstehliche Wirkung erst recht bewusst. Ich kam zu einer mir nicht allzu unbekannten, bitteren Erkenntnis; Riku war sexy. Scheiße… und wie er das war! Das war nicht zu übersehen! Trotzdem. Das war lange noch keine berechtige Rechtfertigung dafür, dass ausgerechnet ich als sein bester und treuster Kumpel solch verbotene Feststellungen machte. So durfte jeder denken – nur nicht ich! Grob wurde ich davon abgehalten in meinem jämmerlichen Selbstmitleid zu versinken, als ein lautes Quietschen neben mir erklang und mich merklich zusammen zucken ließ. Verblüfft, da ich ja nicht ahnen konnte, was nu wieder in das pinke Wesen gefahren was, das links abseits von mir stand, verfolgte ich schweigend das herzzerreißende Szenario, welches sich vor mir abspielte. Kairi, die sich in ein knappes, knallpinkes Hexenkostüm gezwängt hatte war auf ein ungesund dünnes, blondes Mädchen losgestürmt, welches ein weißes, zerrissenes und ‚blutverschmiertes’ Kleid trug und wohl eine tote Braut imitieren wollte. Lachend schloss Naminé die Rothaarige in ihre schmächtigen Arme. Autsch! Kairi drück’ sie nicht so fest, sonst bricht sie noch über! Ungewollt musste ich meine Miene schmerzhaft verziehen. Kritisch zog ich meine Augenbraun zusammen und blickte flüchtig an mir herab. Riku sagte oft, dass er Angst hatte mich zu berühren, weil ich auf ihn so zerbrechlich wirkte. Ob ich genauso spindeldürr wie Namnié war? Wohl kaum. Dafür aß ich mit Vorliebe viel zu gern und viel zu viel – oder? „Sora!“ Erneut schreckte ich aus meinen tristen Überlegungen, als ich das aufgeweckte, lebhafte Rufen einer meiner Freunde realisierte und mich nur wenig später in einer erdrückenden Umarmung wieder fand, die mir sprichwörtlich die Kehle zuschürte. „Ich hab dich auch vermisst, Hayner“, brachte ich nach Luft ringend und leise lachend hervor, während sich meine abgefrorenen Finger in das flauschige, braune Fell seiner Ärmel krallte, die sich um meinen Rücken geschlungen hatten und mich an seinen nicht minder behaarten Oberkörper drückten. Aha, Hayner fuhr also auf Werwölfe ab. Ein zweites Mal wurde ich gnadenlos herangezogen. Hilfe! Wollte er mich erwürgen? Wenn ja, dann Glückwunsch; er war geradewegs auf den besten Weg zu seinem Erfolg! Aussichtslos bemühte ich mich darum mich aus diesen beengen Klammergriff zu befreien, indem ich mich mit meinen Händen von ihm wegpresste, als ich urplötzlich - völlig unerwartet - vernahm, wie irgendwer bedächtig, dennoch genauso bestimmend an der Kehrseite meines Oberteils zog und mein Gegenüber an seinen komischen Plüschohren auf eine weniger sanfte Weise als es bei mir der Fall gewesen war von mir weggerissen wurde. Verdutzt blickte ich in das unverkennbar gereizte Gesicht meines besten Freundes. Nanu? Was hatte er denn? In den strahlendgrünen Augen blitzte es verräterisch auf. Moment mal! War Riku etwa wütend? Aber… wieso? Was hatte ich denn nu schon wieder falsch gemacht? Nachdenklich runzelte ich meine Stirn, während ich sah, wie die rechte, fein geschwungene Augenbraue des Größeren gefährlich zu zucken anfing und er Hayner zornig anfunkelte. Was hatte Riku denn so verärgert? Auch Hayner dem ich wortlos meine Frage zusendete erwiderte bloß ebenso verwirrt meinen Blick und zuckte ahnungslos mit den Achseln – soweit dies in seiner unbequemen Position möglich war. „Falls es dir entgangen sein sollte; Menschen brauchen Luft zum atmen…“, knirschte Riku und seine Tonlage gab offen kund, dass ihm irgendwas absolut gar nicht in den Kram passte, bevor uns beide los ließ und sich wieder umwandte, um auf den Bahnhofsausgang zu zumarschieren. „Wolltest du die Party nicht bei dir feiern? Ich frier’ mir nämlich sonst was ab“, fügte er noch knurrend hinzu und ließ seine Hände in den Weiten seiner Hosentaschen verschwinden. Weiterhin völlig durcheinander gewirbelt stierte ich ihm nach. Was war das denn gewesen? Irgendwie fühlte ich mich vor den Kopf gestoßen. Kapitel 3: ----------- Ein eiskalter Schauer kletterte meine Kehrseite hinab, umspielte jeden einzelnen Wirbel und ließ mich unangenehm erzittern, als ich die Augenbraun kritisch zusammen gezogen missmutig die rostigen Gitter des riesigen Eisentors beäugte und ein mulmiges Gefühl sein Lager in meiner Gegengegend aufschlug. Unmerklich schluckte ich schwer, als sich ein dicker, hinterlistiger Kloß in meinem Hals einnistete und mir signalisierte die Luftzufuhr zu versperren. Mir war zum schreien zumute. Der unwiderstehliche Drang auf der Stelle kehrt zu machen war nie mächtiger gewesen, als in diesem Furchteinflößenden Augenblick in dem ich meiner aller schlimmsten Albtraum persönlich gegenüberstand. Ich hasste Friedhöfe. Für mich war es stets ein außergewöhnliches, unerklärliches Rätsel gewesen, wie manche Menschen eine verrückte Fabel für einen solch entsetzlichen, traurigen, vor allem aber unheimlichen Ort entwickeln konnten. Ich meinerseits konnte mich mit den grauen, tristen Grabsteinen, den unzähligen, längst vergessenen Denkmälern und der gruseligen Leichenhalle nicht anfreunden. Eigentlich ganz schön paradox, nicht? Immerhin war ich der Auserwählte des Sagenumwogenden Schlüsselschwertes! Es machte mir nichts im Geringsten aus von einer Welt in die andere zu wandern, Herzlose zu vernichten und gegen enorm starke, beinahe unbesiegbare Gegner zu kämpfen, jedoch sobald ich einen Fuß auf eine stille Begräbnisstätte setzen sollte geriet ich zweifelsohne in unberechtigte, hysterische Panik. Manchmal wurde selbst nicht einmal ich schlau aus den grotesken Widersprüchen, die meinen Charakter auszeichneten. Trotzdem. Das änderte leider nichts an der simplen, sowie feinen Tatsache, dass mir die kalte Atmosphäre, die den eingezäunten Kirchhof umgab mit Abstand nicht gefiel, sondern mir einen ekelhaften Gänsehautschauer über die Arme jagte. Alles roch nach Tod. Weg. Ich wollte weg von hier. Und zwar so schleunigst, wie es mir meine schlotternden Beine erlaubten. Mir war durchaus klar gewesen weshalb ich vorhin als der Einzige unerbittlich darauf bestanden hatte sich lieber die Nacht lang einen Horrorfilm nach dem anderen rein zuziehen, als diese dämliche Mutprobe anzutreten. Aber nein, ich musste mich ja von den blöden Sprüchen unseren rothaarigen ‚Lucifers’ – jedenfalls schloss ich aus dem dunklen Mantel und den lustigen Hörnern, die aus Axels feuerroten Haarpracht hervorlugten daraus, dass dieser sich seiner wahren Rolle angepasst hatte und sich als Teufel ausgab - provozieren lassen und eine große Klappe riskieren.Und nun hatte ich den Salat. Erschrocken zuckte ich deutlich zusammen, als ein Ohrenbetäubendes Quietschen ertönte und ich zu meiner Missgunst bitter feststellen musste, dass sich Hayner voller Enthusiasmus daran machte das Gittertor auf zuschieben. Damit war es endgültig. Es führte kein Weg dran vorbei. Es gab kein zurück mehr. Jetzt hieß Äuglein zu und durch! Tief sog ich ein letztes Mal den lebensnotwendigen Sauerstoff in meine Lungen, als ich auf einmal ein harmloses Gewicht auf meiner rechten Schultern registrierte, was mich dazu animierte schreckhaft zusammen zu fahren und unterdrückt aufzufiepen. Keine Sekunde später blickte in die wunderschönsten strahlendgrünen Kristalle, die mir jemals auf meinen weiten Reisen untergekommen waren. Riku… „Lass’ uns zurückgehen“, sagte er ruhig und in einer solchen Lautstärke, dass vermutlich nur ich in der Lage war seine Aufforderung zu verstehen, „…du musst keinem was beweisen, Sora“, fügte er zügig hinzu und vielleicht hatte ich mir das eingebildet, dennoch erhielt ich den unverkennbaren Eindruck, dass für einen minimalen Zeitpunkt so etwas wie Ärger in seiner Stimme mitgeschwungen hatte, als er einen flüchtigen Blick in Axels Richtung warf und mich anschließend wieder mit seinen warmen, durchdringenden Smaragden fixierte. Erstaunlicherweise genügte allein seine unvergleichbare Gegenwart, um mich zu beruhigen und mir zu vermitteln, dass ich in unerschütterlicher Sicherheit befand. Riku würde niemals zulassen, dass mir irgendwas zustoßen würde – koste es, was es wolle. Das hatte mir damals, als er sich aus den gemeinen Klauen der gehässigen Dunkelheit befreit hatte, versprochen und ich glaubte an die Aufrichtigkeit seines Schwurs. „Ich hab’ keine Angst“, verteidigte ich mich postwendend und konnte es nicht unterlassen trotzig zu schmollen. Ich war ein so miserabler Lügner, was mir das belustigte Schmunzeln meines besten Freundes bestätigte. „Ich find’s bloß nicht korrekt“, schob ich zumindest etwas glaubwürdiger hinterher, da dies der Wahrheit entsprach und ich ehrlich nicht sonderlich viel dafür übrig hatte die Ruhe der Toten zu stören. Man hatte den Friedhof nicht umsonst in den angrenzenden, dichten Wald der Stadt verlegt, oder? Und ich war nicht besonders scharf darauf zu erleben, wie die blutrünstige Rache der rastlosen Seelen der Verstorbenen ausfallen würde. „Wir teilen uns in Zweiergruppen auf und laufen in 5-Minuten-Abständen los“, erklärte Hayner, der neben dem geöffneten Tor Platz genommen hatte und eine kleine, mit Papierkügelchen gefüllte Schlüssel in seinen monströsen Pranken hielt, die zu seinen Kostüm zählten. Seine Mundwinkel waren triefend vor Stolz in die Breite gerückt. Wieso passte mir das gar nicht? Und wo waren Tidus, Wakka, Cloud, Yuffie und Leon geblieben? Seit wir Hayners Haus verlassen hatten war jegliches Lebenszeichen von ihnen wie vom Erdboden verschluckt. Mir schwante Böses. „Die Gruppen werden ausgelöst“, fuhr er ungehindert fort und schien nicht einmal annähernd ein Problem damit zu haben, dass wir drauf und dran dazu waren jegliche moralischen Grundsätze zu missachten und den jähen Zorn der Toten gegen uns zu richten. Nachdem sich die Pärchen Roxas und Axel, Kairi und Pence, Olette und Naminé ergaben hatten und inzwischen die Hoffnung aufgegeben hatte vor Morgengrauen noch einmal zu erfahren wer meine Begleitung darstellte wurde plötzlich meine Name genannt. Neugierig sah ich auf und wartete gespannt darauf wer mein Partner sein würde. „Sora… du und-“, wollte mir Hayner meinen Gefährten verraten, als er verächtlich schnaubend von Riku unterbrochen wurde. „Sora geht mit mir“, bestimmte er nüchtern und ich konnte bestens nachvollziehen, dass Hayner bei der Art und Weise, wie Riku dies klargestellt hatte zugleich eingeschüchtert verstummte und es nicht wagte dem zu widersprechen. „Aber die Regeln besagen…“, probierte es unser tapferes Werwölfchen zaghaft, die Stirn hatte widerwillig in Falten gelegt und seine braunen Opale zeigten, dass er nicht abhaben konnte, wenn man seine mühsam ausgedachten Bedienungen nicht berücksichtigte. „Kein Aber. Mich interessieren deine tollen Regeln nicht. Ich gehe mit Sora. Punkt“, entgegnete Riku selbst für seine Verhältnisse ein bisschen zu unterkühlt und das bedrohliche Funkeln in seinen schwarzen Pupillen wurde von dem gefährlichen Zucken seiner rechten, fein geschwungenen Augenbraue perfekt unterstrichen. Mir wunderte es nicht, dass Hayner sich nicht weiter traute Einspruch zu erheben, sondern schweigend die Anordnung des 19jährigen akzeptierte, obgleich sie ihm nicht wirklich behagte. War wahrscheinlich förderlichste für seine Gesundheit… Unter ‚normalen’ Umständen hätte ich mich sicherlich darüber beschwert, dass allen Anschein nach als eine reine Selbstverständlichkeit galt über meinen Kopf hinweg zu entscheiden, ganz so, als sei ich eine leblose Ware, die ohnehin keine eigenen Willen besaß und doch tat ich es nicht, da ich im Geheimen heilfroh darüber war, dass Riku sein Vorhaben so konsequent durchgesetzt hatte. Mir war der Friedhof so oder so nicht geheuer und demnach rechnete ich es zu meinem Glück, wenn ich diesen gemeinsam mit Riku überkreuzen durfte. Mit ihm würde mir nichts passieren; davon war ich felsenfest überzeugt. Kapitel 4: ----------- Schwach knirschte das feuchte, gelbliche Laub unter meinen Sohlen, aus dem sich mittlerweile eine matschigen Substanz gebildet hatte und verlieh dem ohnehin schon total unheimlichen Ort eine dunkle, gruselige Aura, die man aus den typischen, amerikanischen Horrorfilmen kannte. Es musste inzwischen Zwölf Uhr mitternachts durch sein, da vorhin der Kirchenglocke geläutet und somit die Geisterstunde angezettelt hatte. Panisch rannte ich ohne Ziel über den modrigen Boden, umschlängelte die unzähligen, grauen Grabsteine, die in der Dunkelheit der Nacht noch viel gruseliger erschienen und wurde zugleich für meine hektische Unachtsamkeit bestraft, indem ich auf dem nassen Gras ausrutschte, hoffnungslos mein Gleichgewicht verlor und mich mit einem erstickten Laut der Länge nach hinlegte. Am Rande notierte ich wie der schleimige Dreck an den Unterseiten meiner Arme klebte und ein dumpfer Schmerz des relativ harmlosen Aufpralls durch meine Ellbogen zog. Abermals ertönte ein lautstarker Lärm, als es donnerte und ein greller Blitz erhellte mit einem Mal den schwarzen Himmel. Reflexartig kniff ich meine Augen zusammen, zuckte deutlich erschrocken zusammen und begann verzweifelt zu schniefen. Nicht, dass dieser unschöne Sturz sonderlich wehgetan hätte, nein, das Schlimme an dieser grausamen Situation war die fürchterliche Tatsache, dass ich vollkommen alleine war und den unvermittelten Eindruck hatte jede Sekunde vor Angst sterben zu müssen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, in dem sich zum allen Überfluss ein dicker Kloß gebildet hatte und mich daran hinderte vernünftig Luft zuholen. Und gleichgültig, wie oft und tief ich schluckte; es war vergeblich – das fiese Miststück wollte einfach nicht Leine ziehen! Warum war ich auch so ein erbärmlicher Feigling? Ich war es selbst schuld, dass ich mich derzeitig in einer solch ungemein misslichen Lage befand. Hätte ich vorhin nicht sofort so heftig überreagiert würde ich mich vermutlich jetzt in einer schützenden Umarmung meines besten Freundes wieder finden, der mich beruhigend an seine muskulöse Brust drücken würde, aber nein, ich musste direkt in totale Paranoia verfallen und wie ein jämmerlicher Angsthase die Flucht ergreifen. Dabei hatten Riku und ich nach anfänglichen Schwierigkeiten beinahe das Ziel erreicht, es hatte bloß noch ein paar Meter gefehlt und der ganze Spuk hätte ein Ende gehabt. Dabei hatte sich Riku wahrlich extrem liebevoll um mich gekümmert. Ständig hatte er mir Mut zugesprochen, hatte mir ausführlich erklärt, dass das Alles eine Show war, die sich Hayner zusammen gebastelt und vorbereitet hatte, dass nichts von Alle dem, nicht die Fledermäuse, nicht das schmerzerfüllte Stöhnen und nicht einmal das Jaulen echt gewesen sei und hatte mich an sich heran gezogen, um mir beruhigend über den Rücken zu streicheln. Und das war mein Dank? Dass ich wie ein gehetztes Kaninchen davon lief und das nur, weil irgendwer es als superwitzig empfand genau in dem Moment in einem Gespensterkostüm vor uns aufzutauchen, in dem es gewitterte? Kraftlos richtete ich mich auf alle Viere, meine Knochen zitterten ununterbrochen und ich atmete stoßweise. Scheiße, wovor fürchtete ich mich überhaupt? Hier war nichts. Rein gar nichts. Absolut rein gar nichts. Und trotzdem hockte ich hier irgendwo mitten auf dem Friedhof und führte mich so auf, als wäre ich meiner toten Großmutter begegnet. Mühsam kroch ich zu einer der riesigen Eichen, suchte darunter Schutz vorm Regen – es hatte vor wenigen Minuten unerwartet wie anfangen zu gießen wie aus Eimern – und lehnte mich schwer seufzend mit der Kehrseite an den standhaften Stamm des Baumes. Meine geschundenen Beine winkelte ich an, zog sie nahe an mich heran und schlang meine Arme um die Knie, bevor mein verheultes, errötetes Gesicht daran verbarg. Ich war so feige. Wie konnte es sein, dass so jemand wie ich vom Schlüsselschwert auserkoren worden war? Riku wäre dafür viel besser geeignet gewesen, als ich… Ich kam mir so unglaublich schlecht vor, denn ich konnte nicht leugnen, dass ich meinen besten Kumpel ganz schön verletzt haben musste. Er war sicherlich zutiefst enttäuscht über mein kindisches Verhalten, weil ihm doch geschworen hatte, dass ich ihm vertraute und nun hatte ihm offensichtlich das eiskalte Gegenteil bewiesen. Mein Schluchzen wurde lauter. Ich hatte Riku gar nicht verdient. Nachdem, was er für mich alles schon in Kauf genommen hatte, dass mit mir über diese Begräbnisstätte wanderte, obwohl er diese Finsternis hasste und mich nie im Stich ließ, war ich fähig eine derartige Dreistigkeit aufzuweisen und zu fliehen, wenn es brenzlig wurde. Was würde ich tun, wenn das vorhin keiner unserer kostümierten Freunde gewesen wäre, sondern ein Dämmerling, der uns angreifen wollte? Hätte ich dann tatsächlich alleine und seinem Schicksal überlassen? Was war ich nur für ein schlechter Freund? „Sora!“ Überrascht hob ich meinen Schädel an, als ich die mir allzu bekannte, vertraute Stimme des Silberhaarigen hörte. Riku? Wie jetzt? Hatte er wahrhaftig nach mir gesucht, nachdem ich eine so fimreife Szene präsentiert hatte? „Sora, da bist du!“, wisperte der Ältere, der nicht weit entfernt von mir war und mit eiligen Schritten auf mich zustampfte, bevor er wenige Zentimeter vor mir in die Knie sackte und mich mit seinen unglaublich wunderschönen, unergründlichen und ausdruckstarken giftgrünen Kristallen fixierte. Obgleich sonst immer frostige Kälte in ihnen lag glaubte ich mir einzubilden, dass ein Schimmer der Besorgnis in ihnen funkelte. Wie konnte das sein? War er denn gar nicht sauer? Machte es ihm gar nichts aus, dass ich eben wie ein ignoranter, egoistischer Schisser davon gerannt war? Doch statt Wut, Enttäuschung oder gar Verletztheit in seinem hübschen, makellosen Antlitz zu erkennen konnte ich bloß grenzenlose Sorge darin finden. Doch bevor ich überhaupt kam mich für mein törichtes Auftreten zu rechtfertigen spürte plötzlich zwei starke Arme, die sich um meine schmalen Schultern schlossen und mich an den durchtrainierten Oberkörper des Größeren schmiegten. Völlig perplex weiteten sich meine Augen und ich konnte gar nicht anders, als augenblicklich überrascht zu erstarren und inne zuhalten. Nicht einmal zu atmen traute ich mich, da ich befürchtete, dass ich aus diesem wundersamen Traum erwachte, sobald ich mich nur ansatzweise falsch bewegte. Selbst das hinterlistige Organ in der linken Hälfte meines Brustkorbs hatte sich gegen seinen Besitzer verschwören und hämmerte mit einer solch unermesslichen Geschwindigkeit gegen die stabile Wand aus Fleisch, als wolle es mich vorwarnen entweder bald in zig Teile zu explodieren oder gleich meinen Leib zu sprengen. Die unzähligen Schmetterlinge in meinem Bauch, die ich so sorgsam an tonnenschwere Ketten gelegt hatte rissen sich von diesen los, als seien es nur hauchdünne Fäden gewesen, die beim leichtesten Ziehen auseinander glitten. „Verdammt, mach’ so was nie wieder, hörst du? Nie wieder!“, drangen eindringlich die gehauchten Worte meines besten Freundes an mein Ohr und sorgten dafür, dass ich allmählich meine Lähmung abschüttelte und mich beinahe automatisch in die durchnässten Ärmel seines Oberteils klammerte. „Es tut mir so leid“, sprudelte es mit einem Mal aus mir heraus und obwohl ich es mit allen Mitteln, die in meiner Macht standen zu unterdrücken bemühte, rannen mir stetig mehr Tränen über die überhitzten Wangen, „…es tut mir so schrecklich leid, Riku… i-ich…wollte dich nicht-“, wollte ich mich für mein ungehobeltes Verhalten entschuldigen, da hinderte mich sein Zeigefinger daran weiter zusprechen, indem er sich sanft auf meinen Mund legte und somit das Reden verbat. „Shht… schon okay. Ich hätte dich gar nicht erst auf den Friedhof lassen dürfen“, flüsterte er schuldbewusst und mit einer solcher Aufrichtigkeit, dass es mir einen wohligen Schauer die Wirbelsäule entlang jagte. Hastig presste ich ihn noch enger an mich heran, vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge und weinte stumm vor mich hin, während ich registrierte wie er mir geschickt einige, nasse Strähnen aus der Stirn strich und mir immer wieder versicherte, dass alles gut sei und ihm kein weiteres Mal ein solcher Fehler unterlaufen würde. Verdammt, warum sagte er so was? Er konnte doch nichts dafür, dass ich ein so tollpatschiger Trottel war! Ich kann nicht sagen, wie lange wir da saßen und uns einfach gegenseitig in den Armen hielten, dennoch musste es eine ganze Weile gewesen sein, denn als ich mich einigermaßen gefangen hatte und mich wenige Zentimeter von ihm löste, um ihm mit einem strahlendem Lächeln in die unvorstellbar schönen, endlos tiefen grünen Augen zu schauen blendete mich das helle Licht der Sonne, welche am Horizont den Morgen begrüßte. „Du? Riku?“ Der Angesprochene hob fragend seine rechte, fein geschwungene Augenbraue, was mir ein breites, amüsiertes Grinsen entlockte. „Leben Vampire eigentlich wirklich für immer?“ Skepsis machte sich in seinem Blick bemerkbar und nachdenklich runzelte er die Stirn. „Wieso fragst du?“ „Beiß’ mich“ Ich musste lachen, als ich das konfuse, perfekt gezogene Gesicht meines Gegenübers sah, was allerdings zugleich wieder erstarb, als ich den ernsten Ausdruck realisierte, der sich in den strahlendgrünen Smaragden erkennbar machte. „Könntest du dir ein ewiges Leben vorstellen?“ Ich schluckte, bevor ich die Antwort aussprach, die ich seit Jahren mit mir herum schleppte und endlich offenbaren wollte. „Nur mit dir“, hauchte ich so leise, dass es an ein weiteres Weltwunder grenzte, wenn Riku das tatsächlich verstanden hatte. Ein siedend heißer Blitz durchfuhr mich, als ich beobachtete, wie die Mundwinkel meines besten Freundes in die Höhe zuckten und sich ein fast schon schelmisches, diabolisches Grinsen auf seinen vollen, verführerisch glänzenden Lippen stahl. Das Glitzern in seinen Augen, dieses undefinierbare Funkeln und das Verlangen, was in ihnen lag ergaben ein unvergessliches Bild, welches sich tief in mein Gedächtnis brannte. „Nichts lieber als das“, war das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ehe sein heißer Atem meine empfindliche Haut am Hals traf und ich anschließend spürte, wie seine spitzen Eckezähne hauchzart darüber fuhren und er anschließend zärtlich zubiss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)