Nur ihr allein von NeunMephistopheles (- Könnt ein Teil des Ganzen sein -) ================================================================================ Kapitel 7: Sieben ----------------- Plötzlich erzitterte der Boden. Emmelie hörte das Geschirr im unteren Geschoss aus den Schränken fallen und auf dem Holzboden zerbrechen. "Was ist das?", fragte sie und sah sich um. Das Licht flackerte und erlosch ganz. Das Beben wurde stärker. Emmelie hielt sich an der Schulter Dorians fest, welcher sich langsam einen Weg auf dem schwankenden Boden zur Treppe bahnte. Überall fielen nun die Sachen aus den Schränken oder auch ganz um. Auch der große Glasschrank ihrer Großmutter verabschiedete sich mit lautem Scheppern und Klirren. Gemeinsam rannten sie die zerbrechende Treppe hinab und aus dem zerfallenden Haus hinaus. Draußen hatte das milde Wetter umgeschlagen. Der Himmel hatte sich verfinstert, schwarze Wolken waren aufgezogen. Heftiger Wind fegte durch die menschenleeren Straßen, deren Laternen flackerten und erloschen ganz, die Bäume bogen sich gefährlich gegen den Boden. Nichts Lebendiges war mehr zu sehen. Hinter ihnen wurde das Haus mit einem gewaltigen Donnern dem Erdboden gleichgemacht, nichts blieb mehr erhalten, außer den Trümmern, die vom Sturm in alle Richtungen getragen wurden. Erschrocken klammerte sich Emmelie an Dorian, der schützend vor ihr stand. "Was passiert hier?", fragte Emmelie, ihre Stimme klang schrill vor Angst. "Der Meister...", flüsterte Dorian. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut und Erschrecken. "Der, dem du deine Seele verkauft hast?", fragte sie leise. Dorian nickte gequält. Unsicher sah sich Emmelie um. "Sieh ihn nicht an!", befahl der schwarzhaarige scharf. Fast sofort senkte Emmelie ihren Blick auf den Boden. "Dorian Deveraux!", donnerte eine Stimme. Der schwarzhaarige zuckte zusammen. Besorgt blickte Emmelie zu ihm auf, doch Dorian drückte ihren Kopf nach unten. "Egal, was passiert, sieh dem Meister nie in die Augen! Sonst verlierst du deine Seele!", zischte er beschwörend. "Versprich es mir, Emmelie, versprich es mir!" Zögernd nickte die braunhaarige. "Sieh mir in die Augen und versprich es mir.", flehte Dorian. Langsam blickte Emmelie auf. "Ich verspreche es.", flüsterte sie und besiegelte dieses Versprechen mit einem flüchtigen Kuss. Dorian wandte sich der Stimme zu. "Was wünscht Ihr, Meister?", fragte er mit fester Stimme. "Deinen Teil des Abkommens.", antwortete eine tiefe, dröhnende Stimme laut. "Meinen Teil leistete ich Euch schon vor neunhundert Jahren.", widersprach Dorian laut und sah den Meister mit seinen roten Augen an. "Doch warum hieltet Ihr Euch nicht an das Abkommen?" Der Meister antwortete wütend: "Wenn Ihr Euch daran gehalten hättet, hatte auch ich mich daran gehalten. Ich bin gekommen, um meinen Teil u holen." Dorian schwieg. "Dorian...? Was ist dein Teil der Abmachung?", fragte Emmelie vorsichtig. Doch auch auf diese Frage schwieg der schwarzhaarige beharrlich. "Dorian, bitte!", flüsterte sie, doch er reagierte nicht. "Und? Was ist nun?", fragte der Meister. "Seid Ihr zu feige dazu?" - "Schweigt!", rief Dorian laut. Emmelie zuckte aufgrund Dorians lauter, schneidender Stimme zusammen und zwang sich, nicht aufzusehen. Ihre Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt, sie wollte nur weg. Plötzlich erinnerte sich die braunhaarige an den Abend vor dem Großen Befreiungsfeuer. Sie sah ihre Schwester Lady Asteriske neben sich, ihr Gesicht nur noch ein schwarzer Schatten. Sie hielt nach Dorian Ausschau und war im nächsten Moment schon nicht mehr bei ihr. Emmelie wusste nicht, warum sie gerade jetzt und hier an diesen Tag denken musste, doch es schien mit dem Meister zusammenzuhängen. "Du befiehlst mir, zu schweigen?", fragte der Meister höhnisch. "Was willst du tun, wenn ich nicht schweige?" Neben Emmelie zitterte Dorian fast vor unterdrückter Wut. Seine Fäuste waren geballt und die Fingernägel gruben sich schmerzhaft in die weiße Haut. Rotes Blut tropfte lautlos auf den dunklen Boden und versickerte in der Erde. "Dorian... bitte übertreib es nicht.", flüsterte die braunhaarige leise, doch Dorian schien sie nicht zu hören. Dann ging eine Veränderung in Dorian vor. Langsam und kaum bemerkbar. Erschrocken starrte Emmelie auf den schwarzhaarigen und wich ein paar Schritte zurück. Das Haar Dorians wurde vom Scheitel her weiß und fiel ihm bis auf die Schultern. Die roten Augen begannen zu glühen. Vor Schmerz krümmte er sich zusammen. Emmelie sah, dass aus seinem Rücken durch den roten Mantel zwei riesige, lederne Schwingen wuchsen. Sie waren so schwarz wie die Nacht und besaßen eine Spannweite von zwei Körperlängen. Langsam breitete Dorian sie aus. Erschrocken wich Emmelie zurück, ihr Gesicht war kreidebleich. Die Haut Dorians nahm einen seltsamen, dunklen Ton an. Blut lief aus seinem Gesicht, wo sich spitze Zähne in die Haut gruben, auch vom Rücken und den Flügeln. Langsam richtete sich Dorian auf und sah in die leeren Augen des Meisters. Dieser lachte auf, doch in seinem Lachen lag nichts belustigtes, es war kalt wie - wie der Tod. Wie elektrisiert stellte Emmelie dies fest und diese Erkenntnis ließ sie noch bleicher werden. Der Meister war der Tod. Dorian hatte ein Abkommen mit dem Tod geschlossen, damit er ewig lebt. Doch was war der Preis für diesen Fluch? "Dies ist die Strafe für jene, die mit dem Tod spielen.", sagte der Meister kalt. Doch entweder schien Dorian ihn nicht zu hören oder er ignorierte ihn, denn er wandte sich zu Emmelie um. Diese wich noch etwas zurück, stolperte über einen spitzen Stein und fiel hart auf den Boden. "D-Dorian...? Nein...", ihre Stimme klang erstickt und bebte vor Angst. "Emmelie...", flüsterte Dorian, doch es war nur ein raues Krächzen, was seinem Mund entwich. "Wie rührend. Doch Dorian, ich will den Preis oder du bleibst für immer in dieser Gestalt, verflucht bis ans Ende aller Zeiten.", schaltete sich der Meister ein. Niedergeschlagne senkte Dorian den Blick. Es schien, als suchten sich silberne Perlen eine Weg über die fast schwarze Haut, zum Kinn hinunter, wo sie letztendlich auf den dunklen Boden tropften. Er weinte. "Ich gab Euch meinen Teil schon vor neunhundert Jahren. Erinnerst du dich an die Stadt? Sie brannte nur für Euch.", antwortete Dorian leise. "Nun, du versprachst mir genau 5000 Seelen, doch ich bekam nur 4998 davon." Dorian erstarrte. "Der Bedienstete und Emmelie...", flüsterte er tonlos. Der Meister nickte. "Doch nur Emmelie lebt noch." Emmelie zuckte bei ihrem Namen zusammen. "Nein... das ist nicht wahr...", flüsterte sie. "Sag, dass das nicht wahr ist!" Die braunhaarige schrie Dorian ins Gesicht. "Du hast meine Schwester auf dem Gewissen! Und Kazahm!" Fluchtartig sprang Emmelie auf. Anklagend deutete sie auf Dorian. "Du bist an allem Schuld! Verdammter Lügner." Unter diesen Anschuldigungen zuckte Dorian überrascht und getroffen zurück. "Es ist nicht so wie du denkst, Emmelie...", versuchte er zu erklären. "Ach nein?! Und wie ist es dann?", fragte sie wütend. Wütend auf Dorian und auf sich selbst, dass sie ein weiteres Mal auf ihn hereingefallen war. Dorian schwieg. "Dorian, ich warte.", sagte der Meister ruhig. "Wie du weißt, haben wir ewig Zeit, nur Nuri nicht." Bei dem Klang des fremden Namens horchte Emmelie auf. Nein, dieser Name war ihr nicht fremd, nur in kurzer Zeit in Vergessenheit geraten. "Dorian... ich will das nicht mehr. Mach dem allen ein Ende.", bat Emmelie flüsternd. "Nein, ich kann nicht.", antwortete Dorian leise. Seine Stimme war erfüllt von Schmerz. "Warum nicht? Warum quälst du dich? Und mich?", in den Augen Emmelies waren Tränen. "Neunhundert Jahre sind genug, findest du nicht auch? Ich hasse sie. Zu lang...", die Stimme der braunhaarigen verlor sich im Wind. Der Meister beobachtete das Geschehen geduldig. Aufmerksam folgte er jeder der Bewegungen Dorians. "Wenn du nicht dazu fähig bist, tut es mir leid. Aufwidersehen, Dorian.", Emmelie ging auf ihn zu und unter ihrer Berührung wurde Dorian wieder er selbst. Seine schwarzen Haare wehten um sein blasses Kinn. Sanft legte Emmelie die Hand auf die weiße Wange Dorians. "Aufwidersehen.", flüsterte sie, hauchte einen letzten Kuss auf die roten Lippen und wandte sich dem Meister zu. Langsam hob sie den Blick und sah auf. Es trat nichts ein, was sich Emmelie vorgestellt hatte. Nachdem sie in ein außergewöhnlich schönes Gesicht eines Mannes blickte, umfing sie eine wohltuende Wärme. Gedankenlos ließ sie sich fallen und war endlich frei. Dorian sah noch wie Emmelie dem Meister in die Augen blickte, versuchte sie davon abzuhalten, doch sie entglitt seinen Händen. Leblos stürzte der ihr Körper zu Dorians Füßen. "Nun ist der Kreis geschlossen.", waren die letzten Worte des Meisters, dann nahm Dorian nichts mehr wahr. Es war, als hätte es ihn niemals gegeben. Ein warmer Wind fegte über den Platz hinweg und trug die Zeichen der Verwüstung mit sich fort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)