Geborgenheit von Karen-san (Die Sehnsucht nach dem das man nicht hat) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Geborgenheit Zögerlich sah ich auf. Die Sonne schien durch mein halb geöffnetes Dachfenster und weckte mich mit ihren warmen zarten Strahlen. Müde reckte ich mich und stand nun endlich auf. Es war schon nach zehn Uhr morgens, viel zu früh zum Aufstehen. Langsam ging ich nach unten in die Küche. Niemand war da. Nur ein Zettel auf der Küchenzeile sagte mir, dass meine tolle Mutter mal wieder weg war und erst spät wieder nach Hause kommen würde. Ich seufzte kurz, aber irgendwie konnte ich mir schon denken dass es wieder so kommen musste. Sie hielt nie ihre Versprechen, nie und das war mir leider bewusst. Hin und wieder übermannte mich die Hoffnung, so wie heute, doch auch diese wurde schnell wieder zerschlagen. Ich öffnete den Kühlschrank und wieder war viel zu wenig darin. Darüber konnte ich wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln. Aber was erwartete ich auch? Das meine Mutter sich um mich kümmerte? Sie hatte sich noch nie um mich gekümmert, also warum sollte sie jetzt damit anfangen? Kurz kam wieder diese leichte Verzweiflung in mir hoch. Diese die mir immer die Kehle zuschnürte wenn sie mich überkam. Ich schluckte das bittere Gefühl einfach runter. Versuchte einfach nicht mehr daran zu denken. Nicht mehr daran zu denken was sie mir alles angetan hatte. Zögerlich nahm ich mir die angebrochene Flasche Milch aus dem Kühlschrank und ließ kurz drauf die Tür zufallen. Als nächstes nahm ich mir eine Schüssel aus dem angrenzenden Küchenschrank und die Schachtel Cornflakes die gleich vor mir auf der Arbeitsplatte stand. Ich füllte die Cornflakes in die Schüssel und kippte den letzen Schluck Milch aus der Flasche über diese. Dann nahm ich mir noch einen Löffel aus einer Schublade und ging wieder hoch in mein Zimmer. Dort angekommen ging ich zunächst mit der Schüssel in der Hand zum Fenster und sah hinaus. Es war ein wirklich schöner Morgen. Alles war hell und freundlich doch tief in meinen Innersten war alles dunkel und kalt. Ich war einsam, fühlte mich alleingelassen von meiner eigenen Mutter und den Menschen die mir einst so wichtig gewesen waren. Langsam ging ich vom Fenster weg und ließ mich aufs Bett fallen. Ich schlang die Cornflakes hinunter und kaute fast nicht. Als ich die Schale geleert hatte schnappte ich mir meine Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Wahllos schaltete ich durch alle Programme. „Ach nur Mist!” Gefrustet schaltete ich das Gerät wieder ab. Dann kam mir eine Idee. Kurzerhand sprang ich auf und rannte zu meinem Schrank, aus welchem ich eine kleine schwarze Tasche nahm, welche im untersten Fach lag. Mit der Tasche ging ich ganz vorsichtig zurück zu meinem Bett, warf die Decke zur Seite und legte die Tasche vorsichtig auf dem Bett ab. Dann öffnete ich den Reisverschluss und nahm meinen einzigen und besten Freund heraus. Nun lag er da, klein und schwarz. Noch schnell das Netzteil angesteckt und eingeschaltet. Schon konnte es los gehen. Ich stellte die Verbindung her und schon konnte ich sehen was ich in den vergangenen Stunden verpasst hatte. Zunächst öffnete ich meine e-Mails. Es waren einige zusammen gekommen. Die ersten waren nur Werbung. Schade, und ich dachte ich hätte mal was gewonnen oder so. Aber nein, wieder nichts. Ich hatte einfach kein Glück. Ich hatte scheinbar mit nichts Glück. Dann war ich bei der letzten Mail angekommen. Sie war von Paul. Paul war ein Junge, den ich im Internet kennen gelernt hatte. Er war genau so alt wie ich, sechzehn. Wir verstanden uns gut. Schon seine erste Nachricht fand ich richtig süß. Da meinte er, dass er meinen Nickname schön fände und dass er mich gern näher kennen lernen wollen würde. Nun schrieben wir uns schon seit circa einer Woche und es kam mir so vor als würden wir uns schon ewig kennen. Er war der gleichen Meinung wie ich. Wir reden einfach über alles und vertrauen uns voll und ganz. Ich las seine neue Mail und da stand dass er mich gern treffen wollte. „Ja!” Innerlich jauchzte ich. Ob ich mich wohl ein wenig in ihn verliebt hatte? Aber konnte man das den so einfach über das Internet? Ich war mir da nicht so sicher, aber was sollte schon schief gehen? In meinen tiefsten Inneren begann die Sonne zu scheinen. Es war so lange her das ich mich richtig auf etwas gefreut hatte. Ich genoss dieses Gefühl und ich ahnte noch nicht dass meine Erwartungen mehr als erfüllt werden sollten. Paul schrieb, dass er mich gern im Park treffen wollte. Das war auch ganz praktisch da der Park ungefähr auf der Hälfte der Wegstrecke lag. Es war zwar trotzdem noch ein recht weiter Weg, aber es war nicht unmöglich dort hinzukommen. Strahlend schrieb ich eine Antwortmail. Gern möchte ich ihn treffen. Gern den Menschen sehen der mich als Einziger zu verstehen scheint. Schnell ist die Mail getippt und versendet. Gebannt schaue ich nun auf mein Postfach und warte. Warte auf seine Antwort. Ungeduldig drückte ich F5 um die Seite zu aktualisieren und da, endlich hatte ich eine neue Nachricht. Schnell klicke ich sie an. Sie ist tatsächlich von ihm. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Ich las ganz genau. Er schlug als einfaches Erkennungsmerkmal eine Rose vor. „Wie klassisch,“ dachte ich im ersten Moment. Und dann kamen mir die ersten Zweifel. War es wirklich ok ihn zu treffen? Schnell schüttelte ich die Zweifel ab und überlegte schon mal was ich anziehen könnte. Dann viel mir auf das wir zwar Platz und Erkennungsmerkmal ausgemacht hatten, aber noch gar keinen Tag und Zeit. Eilig schrieb ich noch eine Mail um diese kleine Unklarheit schnell zu klären. Seine Antwort ließ wider nicht lang auf sich warten. Ich las dass er mich heute am liebsten schon treffen wollte. „Heute?!” murmelte ich. Dann las ich die Zeit. 15 Uhr. Kurz überlegte ich und schrieb dann die letzte Mail für diesen Tag. Sie war sehr kurz und vielleicht auch etwas unüberlegt. Ich antwortete ihm einfach nur mit ja. Ja ich freue mich dich zu treffen und heute ist so ein schöner Tag da bietet sich das ja an. Ich wartet keine weitere Mail ab, sondern stürzte gleich zu meinem Kleiderschrank. Ein kurzer Blick zurück zum Bett und dann auf den Nachttisch zeigte mir dass es bereits halb 12 war. Ich seufzte. Am Laptop verging die Zeit einfach immer zu schnell. Ohne weiter zu zögern wandte ich mich meinen Sachen zu um auch ja das Richtige für diesen wichtigen Tag zu finden. Es dauerte scheinbar ewig bis ich etwas Passendes gefunden hatte und mein erneuter Blick auf die Uhr zeigte das ich wirklich gut eine Stunde für meine Suche nach etwas Passendem vertrödelt hatte. Da stand ich nun. Ich hatte eine dunkelblaue Jeans an und ein schwarzes T-Shirt mit einem weißen Aufdruck an. Eilig ging ich ins Bad um meine langen schwarzen Haare zu bändigen und mir noch einmal die Zähne zu putzen. Schnell noch ein wenig Deo unter die Arme und schon war ich startklar. Ich ging die Treppe hastig nach unten und schlüpfte in meine neuen Turnschuhe, welche mir meine Mutter erst neulich von einer ihrer Geschäftsreisen mitgebracht hatte. Sie brachte mir meistens etwas mit, wahrscheinlich tat sie dies nur um ihr Gewissen zu beruhigen. Sie ließ mich sehr oft lang allein und dachte mit teuren Geschenken könnte sie das wieder gutmachen. Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken an sie. Nicht jetzt. Ich hatte eindeutig besseres vor als mir über sie Gedanken zu machen. Endlich war es soweit. Schnell öffnete ich die Haustür und ging hinaus. Es war wirklich warm an diesem Tag. Die Sonne schien und kein Lüftchen wehte. Strahlend ging ich die Straße zur nächsten Bushaltestelle hinunter. Dort musste ich auch nicht lange auf den ersten Bus warten. Ich stieg ein, löste eine Fahrkarte und setzte mich auf einen freien Platz. Die Fahrt schien ewig zu dauern. Es kam mir wie Stunden vor, dabei saß ich gerade einmal eine dreiviertel Stunde im Bus und hatte noch eine weitere halbe Stunde Fahrt vor mir. Die Zeit stand für mich still. Ich versuchte mich abzulenken und sah aus dem Fenster. Viele Menschen waren heute unterwegs, was bei dieser Wetterlage wirklich nicht wunderlich war. Dann war es endlich soweit. Ich war noch circa zehn Minuten von meiner Station entfernt. Ungeduldig wie ich war stand ich bereits auf und drückte den Stoppknopf. Ein Piepton ertönte und einige der anderen Fahrgäste sahen mich missbilligend an. Mich störte das nicht weiter. Was interessierte mich auch die Meinung der andern Menschen. Zurzeit war nur ein anderer Mensch für mich wichtig. „Paul,“ sprach ich leise vor mich hin und da war es wieder. Dieses Lächeln das mich schon den ganzen Tag begleitete, seit ich wieder eine seiner Nachrichten gelesen hatte. Ich sehnte mich danach ihn endlich kennen zu lernen. Ihn endlich gegenüber zu stehen und den wichtigsten Menschen in meinen noch sehr jungen Leben kennen zu lernen. Endlich hielt der Bus an und ich stieg aus. Nun war es nur noch dreißig Minuten Fußweg bis zum Park. Ich lief langsam, aber voller Erwartungen zum vereinbarten Treffpunkt. Gerade als ich um die letzte Ecke gebogen war, sah ich schon den Eingang vom Park. Man konnte ihn einfach nicht übersehen. Da stand ein großes hölzernes Schild auf welchem groß Stadtpark eingeschnitzt war. Ich sah kurz nach links und rechts, dann überquerte ich ein letztes Mal die Straße. Nun war ich endlich da. Ungeduldig sag ich auf meine Armbanduhr und sah dass es fast 15 Uhr war. „Nein,“ stieß ich hervor. Mir viel gerade ein das ich unser Erkennungsmerkmal vergessen hatte. Was sollte ich den machen? Wie sollte er mich erkennen? Panik machte sich in mir breit. Plötzlich zuckte ich zusammen. Jemand hatte mich angetippt. „Ivette?,“ fragte eine melodische stimme. Starr vor Schreck stand ich da. Dann trat er vor mich. Sein kurzes blondes Haar stand nach allen Seiten von seinem Kopf ab und seine blauen Augen strahlten. Mir stand einfach der Mund offen. Die Worte fehlten mir einfach. Was sollte ich sagen? “Hallo,“ brachte ich schließlich hervor, noch immer wollte nicht mehr über meine Lippen kommen. Schüchtern lächelte er mich an. „Du bist noch schöner als ich gedacht hatte,“ sagte er schließlich und sah dabei beschämt auf den Boden. Sein Gesicht verfärbte sich leicht rot. Ich lächelte wieder. Alles war gut. Wir hatten uns auch ohne die Rose gefunden. Erleichterung machte sich in mir breit. „Danke,“ entgegnete ich kurz auf sein Kompliment und wurde ebenfalls rot. Als er dies sah musste er schmunzeln. Dann reichte er mir die Rose die er mitgebracht hatte. Er war wirklich scharmant und echt süß. „Wollen wir ein Stück gehen?,“ fragte er als wir nun schon zehn Minuten schweigend dastanden und uns ansahen. „Ja sehr gern,“ antwortete ich mit einem breiten Lächeln, welches er erwiderte. Wir verbrachten den ganzen Tag miteinander und verstanden uns prächtig. Es war genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Er verstand mich einfach und alle Bedenken die ich kurzzeitig hatte waren verflogen. Das Treffen mit ihm war mein erstes Treffen mit einen Jungen und das erste Mal das ich mich in der Gegenwart eines anderen Menschen so wohl gefühlt hatte. Er gab mir das was die ganze Zeit in meinem Geben gefehlt hatte. Geborgenheit. Wir waren an diesem Tag Eis essen und spazierten gemütlich durch den Park. Das schöne Wetter tat das Übrige. Langsam aber sicher keimte da etwas in mir auf. Es war einfach ein wunderbares Gefühl, welches ich nie wieder missen wollte. Paul war den ganzen Tag sehr zuvorkommen und lieb. Wir beide schienen einfach wie geschaffen füreinander zu sein. Der Tag war einfach traumhaft was den Abschied am Abend sehr schwer für uns beide machte. Ich hätte nie gedacht, dass es mir so schwer fallen könnte. Ihm schien es da nicht anders zu gehen. Er begleitete mich noch zum Bus und wartete bis dieser kam. Zum Abschied nahm er mich in den Arm und gab mir ein Kuss auf die Stirn. Das war wieder ein erstes Mal für mich. Es war das erste Mal, das mich ein Junge in den Arm nahm und küsste. Auch wenn es nur auf die Stirn war. „Ich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen,“ flüsterte er mir ins Ohr. „Ich würde mich freuen dich wieder zu sehen!,“ sagte ich strahlend und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Wieder wurde er rot und lachte. „Schreib mir wenn du zu Hause angekommen bist,“ sagte er noch zum Abschied bevor ich in den Bus einstieg. „Ja mach ich,“ entgegnete ich bevor sich die Tür des Busses hinter mir schloss. Schnell löste ich meine Fahrkarte und setzte mich auf einen freien Platz. Mein Blick aus dem Fenster zeigte mir das Paul immer noch da war. Ich winkte ihm zu, als der Bus losfuhr. Er erwiderte mein Winken und lächelte. Auch ich lächelte und mein Herz begann wieder zu rasen. Das hatte es noch nie gemacht. Es fühlte sich irgendwie gut an. Mir wurde ganz warm als ich wieder an ihn dachte. Ich hätte mir gewünscht das wir noch mehr Zeit miteinander verbringen hätten können. Aber es war ja nicht unser letztes Treffen. Nein das war es nicht. Wir trafen uns noch viele Male und bei jedem Treffen wurde das Gefühl das ich ihn nie wieder loslassen wollte immer stärker. Meine ach so tolle Mutter bekam von dem Ganzen nichts mit. Ihr war es wahrscheinlich sowieso egal was ich machte und daher sah ich es auch nicht ein ihr irgendetwas von meinem Freund zu erzählen. Paul und ich wurden ein Paar. Er war mein erster Freund und es fühlte sich alles so richtig an. Es war auch richtig. Wir passten einfach perfekt zusammen. So perfekt das wir heute noch zusammen sind. Und das nunmehr schon seit fünf Jahren. Ich bin so glücklich und wen ich so an meine Jugend zurückdenke hätte ich damals wahrscheinlich nie erwartet jemals so glücklich mit einen anderen Menschen werden zu können. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)