Lost Memory von abgemeldet
(Kampf um die Erinnerungen)
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Kapitel 1: Der Alltag
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Jeanne schwebte über den Wolken. Ziellos irrte sie umher, ohne zu wissen wohin
sie sich wenden sollte. Vorsichtig sog sie den längst bekannten Duft von
Feuchtigkeit und Regen ein. Obwohl sie schon so oft hier gewesen war, kam ihr
alles doch so fremd vor. Wie lange würde es noch dauern? Wie lange würde sie
noch suchen müssen? Sie seufzte. Es war jedes Mal dasselbe, und doch hatte sie
das Gefühl, das dieser Traum wichtig war.
Sie seufzte erneut. Jede Nacht war es derselbe Traum. Jede Nacht fand sie
sich schwe-bend über den Wolken und suchte sie. Jede Nacht brauchte sie – so
schien es ihr – Stun-den, um sie wiederzufinden. Obwohl sie schon so oft hier
gewesen war, konnte sie sich den Weg zu ihr nicht merken.
Jeanne stoppte mitten im Flug. War sie gestern hier auch vorbeigeflogen?
Warum konnte sie sich nicht erinnern? Sie kratzte sich ärgerlich am Kopf. Es
war geradezu lä-cherlich! Sie war schon so oft hier oben gewesen und konnte
sich nicht mal daran erin-nern, hier vorbeigeflogen zu sein. War das überhaupt
noch normal?
„Ich sollte mal eine Karte zeichnen...,“ dachte sie zerknirscht.
Vielleicht wäre das keine so schlechte Idee gewesen, wenn sie nicht das Gefühl
gehabt hätte, dass die Wege jede Nacht anders waren. Genau wie bei dem Spiel
Das verrückte Labyrinth, das sie schon oft genug auf die Palme brachte.
Sie fasste sich an ihren Gürtel, um sicherzugehen, dass ihr Schwert noch
daran befes-tigt war. Trotz ihrem guten Umgang mit den verschiedensten Waffen
hatte sie sich für die Schwertkunst entschieden. Dieses Schwert hatte sie von
ihr bekommen. Hier oben. Über den Wolken. Im Traum! Vermutlich hätten die
anderen sie ausgelacht. Wie kann man denn etwas im Traum überreicht bekommen?
Aber so war es passiert. Sie hatte das Schwert im Traum überreicht bekommen und
als sie am nächsten Tag aufwachte, hielt sie die Schwertscheide samt Schwert
fest in der Hand. Dasselbe Schwert, das sie im Traum bekommen hatte.
Und nun lernte sie nachts bei ihr die verschiedensten Techniken und den
richtigen Um-gang mit dem Schwert. Wenn sie nur nicht immer so lange brauchen
würde, um den richtigen Weg zu finden...
Jeanne flog weiter. Irgendwie würde sie schon den Weg zu ihr finden. Zu der
Person, die sie zwar nicht kannte, aber die ihr doch ein vertrautes Gefühl gab.
Doch an wen erin-nerte sie sie bloß??
Plötzlich lichtete sich die Sicht vor ihr und die Wolken bildeten langsam
den Umriss eines gigantischen Schlosses: Sie hatte ihren Trainingsort endlich
erreicht!! Erfreut er-höhte sie ihr Tempo, als sie ihre Meisterin schon von
weitem sah. Eigentlich hatte sie schon einen Meisterin, aber wer sagt denn, dass
der Meisterin, den sie nur im Traum traf, auch wirklich existiert?
Jeanne landete neben ihr und begrüßte sie. „Tut mir Leid, dass ich so
spät dran bin, aber ich hab mich wieder verirrt...,“ entschuldigte sie sich
sofort.
„Schon okay, Jeanne. Du bist immerhin pünktlicher als gestern da!“,
meinte ihr Meiste-rin lächelnd.
„Mir kam es aber doppelt so lang vor wie gestern...,“ entgegnete Jeanne
und kratzte sich am Kopf.
„Das hat schon seine Gründe.“
„Hä?“
„Du wirst es noch früh genug erfahren.“
„Okay...“
„Kannst du schon die Technik der Schwalben-Klingen?“
„Leider noch nicht so gut, weil ich beim Meisterin noch was zu tun
hatte...“
„Das ist nicht gut. Gar nicht gut, Jeanne. Denn diese Technik ist sehr
wichtig, weil sie eine der wichtigsten Grundlagen der Phönix-Technik ist.“
„Ja, tut mir Leid...“
„Naja, dann bring ich dir eine weitere Grundlage bei: Die
Schlangen-Technik. Aber auf das nächste Mal kannst du beide Techniken,
klar?“
„In Ordnung.“
„Sehr gut.“
„Aber wieso ist die Schlangen-Technik bei der Phönix-Technik so
wichtig?“
„Also: Bei der Phönix-Technik bündelst du hauptsächlich deine Energie in
dein Schwert, um diese dann auf deinen Gegner zu schleudern. Doch dabei kann das
Schwert sehr leicht aus deiner Hand geschlagen werden, weil dir das Schwert
wegen deiner Konzentra-tion, die Energie zu bündeln, sehr schwer vorkommt und
dein Tempo sich drastisch ver-ringert. Die Schlangen-Technik dient dazu, deine
Geschwindigkeit und Reaktion zu trai-nieren.“
„Mit anderen Worten: Je schneller ich das Schwert bewegen kann, desto
wirkungsvoller ist die Schlangen-Technik?“
„Genau!“
„Das ist ja praktisch! Denn so kann ich diese Technik auch dazu nutzen, den
Gegner zu verwirren, oder?“
„Richtig.“
„Aber wird das nicht noch schwieriger, meine Energie auf etwas zu bündeln,
dass sich so schnell hin- und herbewegt wie eine Schlange? Außerdem wird diese
Technik die meis-ten Krieger nur vorerst überraschen, denke ich, denn sie sind
bestimmt nicht so langsam, oder?“
„Du denkst weit voraus, Jeanne! Kluges Mädchen. Die beiden Antworten auf
deine Fra-gen wirst du demnächst erfahren!“
„In Ordnung.“
„Gut, dann zeige ich dir erstmal, wie die Schlangen-Technik ungefähr
aussieht!“
Ehe Jeanne sich versah, hielt ihr Meisterin schon ein Schwert in der Hand.
Aber das überraschte sie nicht sonderlich. Immerhin war es schon merkwürdig
genug, im Traum Unterricht zu bekommen...
„Jetzt pass genau auf!“
Es ging blitzschnell und Jeanne konnte nicht mal reagieren. Ihre Meisterin
bewegte ihr Schwert blitzschnell hin und her und das Schwert war mal in der
linken, mal in der rech-ten Hand, mal auf der linken, mal auf der rechten
Schulter. Trotz ihrer Konzentration kam Jeanne mit dem Tempo nicht mit.
Nach einer Weile hörte ihre Meisterin auf. „Und, alles verstanden?“,
fragte sie grinsend.
„Äh, nicht wirklich. Es ging viel zu schnell für mich.“
„Das hat seine Richtigkeit. Aber beim zweiten Mal gewöhnt man sich dran.
Soll ich es nochmal vorführen?“
„Wäre nicht schlecht!“
„In Ordnung.“
Jeannes Meisterin wiederholte die Technik noch einige Male, bis diese es dann
zum größten Teil verstand.
„Gut, dann übst du es so, wie du es verstanden hast, und führst sie mir
nächstes Mal vor. Wenn du Fehler machst, korrigiere ich dich dann.“
„Wach ich wieder auf?“, fragte Jeanne überrascht.
Ihre Meisterin grinste. „Nicht ganz; du wirst in 20 Sekunden von deiner
Freundin ge-weckt...“
Das stimmte. Plötzlich löste sich das Schloss auf und Jeanne wurde
zurückgezogen. Dann verschwand alles vor ihren Augen. Sie stürzte und fiel –
direkt in die Tiefen der Dunkelheit. Ihr wurde schwarz vor den Augen...
Irgendjemand rüttelte grob an ihr.
„Jeanne, wach auf!“
„Hm...?“
„Jeanne! Mach deine Augen endlich auf! Wir müssen heute das Frühstück
vorbereiten, schon vergessen?“
Jeanne grummelte etwas Unverständliches und drehte ihrer Freundin den
Rücken zu.
„Jeanne! Mir reicht’s! Wenn du nicht innerhalb von 10 Sekunden aufstehst,
hole ich einen Eimer eiskaltes Wasser aus den Brunnen und kipp es über dich!
Dann darfst du das Frühstück vorbereiten, ohne dich vorher abzutrocknen!“,
drohte ihre Freundin.
Jeanne regte sich nicht.
„Ich zähle bis zehn! Wenn du dann nicht aufstehst...“
Jeanne vergrub ihren Kopf unter ihrem Kopfkissen.
„Eins...zwei...drei...vier...fünf...sechs...sieben...acht...neun...“
Jeanne schlug die Decke über ihren Kopf.
„9 ¼...9 ½...9 ¾...Zehn! Das reicht, Jeanne! Ich hab dir genug Zeit
gegeb-“
Weiter kam ihre Freundin nicht, weil ihr ein Kopfkissen mitten ins Gesicht
flog.
„Musst du morgens immer so laut sein, Navena?“, fragte Jeanne und raufte
sich müde ihre langen, rotbraunen Haare, auf die sie besonders stolz war. Sie
schaute ihre Freundin mit ihren rubinroten Augen verschlafen an.
„Ha, ha! Wie witzig! Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich ganz
bestimmt nicht geweckt, Jeanne!“, rief Navena und schmiss das Kissen wieder
zurück. Ihre hellgrünen Haare mit dunkelgrünen Strähnchen hatte sie zu einem
Pferdeschwanz zusammengebun-den. Sie trug ein grünes, ärmelloses Oberteil mit
einer dunkelbraunen Hose. Ihre sma-ragdgrünen Augen schauten Jeanne streng an.
„Und jetzt beeil dich, wir sind schon ziem-lich spät dran!“, ermahnte sie
ihre Freundin nochmals.
„Achja? Wir sind nämlich genau richtig! Du hast mich bestimmt wieder
einmal 10 Minu-ten früher als sonst geweckt, oder?“, bohrte Jeanne weiter und
spielte mit einer Haar-strähne, die sie sich um den Finger wickelte.
„Nein, hab ich nicht! Und jetzt beeil dich!“
„Navena!“
„Das ist die Wahrheit!!“, versicherte ihre Freundin.
„Naja, dann macht es ja nichts, wenn ich noch 1, 2 Minuten schlafe...“,
meinte Jeanne und legte sich wieder hin. Das half immer, damit Navena endlich
mit der Wahrheit her-ausrückte – auch dieses Mal wieder.
Diese gab sich geschlagen. „Okay, okay, du hast gewonnen! Wir sind genau
richtig! Aber jetzt beeil dich bitte!“
„Dann geh du zuerst ins Bad. Ich zieh mich erst um, “ schlug Jeanne vor
und stand auf.
„Okay.“
Jeanne stand seufzend auf und ließ ihren Blick durch ihren Schrank wandern.
Neben ihren Klamotten und Kampfanzügen standen da noch Bücher über Kampfkunst
und Magie. Doch in der hintersten Ecke ihres Schrankes hatte sie ihr Schwert
versteckt. Nur sie und Navena wussten davon.
Ein Blick auf die Wanduhr riss sie wieder in die Wirklichkeit zurück.
Schnell suchte sie sich was zum Anziehen aus und zog sich um. Gerade
rechtzeitig, denn 2 Sekunden später kam Navena wieder zurück ins Zimmer.
„Das Bad ist frei.“
„Okay. Dann geh du schonmal runter. Falls noch Zutaten fehlen, kannst du
sie schon mal kaufen gehen, während ich dann mit dem Frühstück anfange,
nachdem ich mich ge-waschen hab, “ schlug Jeanne vor. Sie trug ein
dunkelrotes, ärmelloses Oberteil mit ho-hem Halskragen und dazu eine schwarze
Hose.
„Hatte ich sowieso vor“, meinte Navena und schritt aus dem Zimmer. Jeanne
richtete noch ihr Bett zurecht, bevor sie anschließend ins Bad ging.
Nach dem Waschen ging sie dann runter in die Küche, um das Frühstück
vorzubereiten. Käse-Omelett. Wie jeden Morgen. Sie fragte sich, wann sich ihre
Meisterin daran sattes-sen würde, denn sie hatte schon nach drei Tagen genug
davon gehabt. Den anderen ging es nicht anders. Am Anfang hatten sie alle
gehofft, dass der Meisterin zwei, drei Tage später mal etwas anderes zum
Frühstück wollte, aber inzwischen hatten sie die Hoffnung schon längst
aufgegeben.
Jeanne schnürte sich ihre rotbraunen Haare mit einem Band zu einem Zopf
zusammen, während sie nachdachte. Wie viele Leute waren eigentlich noch da,
abgesehen von denen, die nicht da sind, weil sie was zu erledigen hatten.
„Also, Navena...ich...Saya...Yuki...Shadow...und Meisterin Hikari
natürlich! Also 6 Por-tionen. Haben die anderen ein Glück, dass sie nicht da
sind! Denn die müssen jeden Mor-gen bestimmt nicht immer dasselbe essen..., “
murmelte Jeanne vor sich hin und machte sich auf den Weg in den Keller, um die
benötigten Zutaten zu holen.
Sie hasste es, dort hinunterzugehen. Die Kälte lähmte ihre Sinne und
schwächte au-ßerdem einen Teil ihrer Kräfte. Yuki hatte dieses Problem nicht.
Im Gegenteil: Die Kälte verstärkte seine Fähigkeiten. Jeanne beeilte sich,
alles Nötige schnell zusammenzusu-chen und schleunigst wieder den Keller zu
verlassen, bevor sie dann sogar noch vergaß, was sie hier unten machte und
später dann nochmal runterkommen musste. Zum Glück lag zum Teil alles
griffbereit. Jeanne dankte ihrer Freundin im Stillen, denn diese wusste, dass
die Kälte ihre Schwäche war.
Kaum hatte sie den Keller verlassen, hörte sie plötzlich jemanden schreien.
„Du doofe Katzendämonin!! Gib mir gefälligst meine Sachen zurück!!“
Jeanne starrte aus dem Fenster, wo zwei Sekunden später eine Gestalt
vorbeisprang. Dicht gefolgt von Navena, die diese Gestalt wütend verfolgte.
Schnell stellte sie die Sa-chen auf den Küchentisch ab und rannte hinaus, um
nachzusehen, was geschehen war.
„Navena?! Was ist denn passiert??“, fragte Jeanne erstaunt, als sie ihre
Freundin end-lich eingeholt hatte.
„Diese Diebin hat mir meinen Bogen geklaut! Mit dem Köcher, wo ich meine
neuen Pfeile drin hatte!“, regte sich Navena auf.
„Was nimmst du zum Einkaufen auch deine Waffen mit?“
„Ich hab meinen Bogen zur Reparatur abgegeben und gleichzeitig neu
anstreichen las-sen, weil die alte Farbe schon zum größten Teil abgeblättert
war. Und kaum bin ich wei-ter, wurde ich bestohlen!“, erzählte Navena
entrüstet.
„Dann schnell hinterher!!“, meinte Jeanne seufzend und rannte der Diebin
hinterher. Navena folgte ihr.
„Bist du dir sicher, dass es eine Katzendämonin war?“, fragte Jeanne
nach einer Weile.
„Ja, aber nicht irgendeine! Die wird schon seit Monaten gesucht, weil sie
schon einige Leute beklaut hat, “ erklärte ihre Freundin.
„Na, toll!“, entfuhr es Jeanne.
„Hä?“
„Katzendämonen sind sehr schnell! Es wird eine Weile dauern, bis wir sie
dann erwischt haben!“
„Oh, nein! Das heißt, bis dahin sind die anderen wach und wir haben das
Frühstück noch nicht fertig!“, fiel Navena ein.
„Ganz genau!“
„Oh, oh! Hikari wird toben vor Wut...“
„Jetzt spar dir die Puste und renn!“
„Wer redet hier denn?“, regte Navena sich auf.
Jeanne setzte ihre Unschuldsmiene auf. „Ähm, du?“
Navena blieb stehen. „Ha, ha! Und du nicht, oder was?“ Jeanne stoppte
ebenfalls mit-ten im Rennen.
„Ich hab nicht gesagt, dass ich nicht rede!“
„Aber gedacht!“
„Musst du mir immer widersprechen?“, fragte Jeanne.
„Musst du immer das letzte Wort haben?“, entgegnete Navena.
Nun war es Jeanne, die sich aufregte. „Waaas?! Wer hat hier das letzte
Wort?“
„Ähm, du?“, fragte Navena und setzte ebenfalls ihre Unschuldsmiene auf.
„Ha, ha! Das sagt gerade die Richtige!“, meinte Jeanne spöttisch.
„Das ist mein Spruch!“, beschwerte sich Navena.
„Pech!“
„Wenn ihr dann fertig seid, sagt mir Bescheid, ne?“, ertönte es über
ihnen.
Jeanne und Navena hörten sofort mit ihrem Streit auf und schauten nach oben.
Da saß die Katzendämonin und begutachtete gerade den Bogen, den sie gerade von
Navena ge-klaut hatte. Die langen, blauweißen Haare gaben einen guten Kontrast
zu ihren schwar-zen Klamotten. Ihre bernsteinfarbenen Augen schauten die beiden
Streithähne halb inte-ressiert, halb belustigt zu.
„Hey! Du Diebin! Wer bist du eigentlich?“, rief Navena wütend.
„Ich? Die Katzendämonin, die seit Monaten gesucht wird, “ entgegnete
diese gelang-weilt.
„Du...“
„Was denn? Das ist die Wahrheit!“
„Sie wollte eigentlich wissen, wie dein Name lautet!“, mischte sich
Jeanne ein. Navena wollte sich beschweren, doch Jeanne unterbrach sie
flüsternd. „Überlass sie mir.“
„Namen hab ich viele. Und alle könnt ihr euch eh nicht merken. Manche
nennen mich so und andere so.“
„Und wie wirst du von den meisten genannt?“
„Tsuyu. Tsuyu, die Katzendämonin.“
„Gut, also Tsuyu! Wieso hast du Navenas Waffen geklaut?“, fragte Jeanne.
„Das ist ganz einfach. Ich sammle alle Sachen, die glitzern,“ erklärte
Tsuyu und schwenkte dabei lässig mit dem Bogen, welches wegen der neuen Farbe
in der Sonne glänzte, „so zum Beispiel auch das Taschenmesser, das du bei dir
trägst!“, fügte sie hin-zu und sprang vom Baum, um Jeanne das Taschenmesser
zu entreißen. Doch diese wich mit Leichtigkeit aus. Tsuyu knurrte wütend.
„Ich mach dir einen Vorschlag: Ich gebe dir mein Taschenmesser und du gibst
Navena dafür ihre Waffen zurück, “ schlug Jeanne vor.
Tsuyu lachte spöttisch. „Ich tausche nicht. Wenn ich etwas will, dann
bekomme ich es und gebe es auch nicht mehr zurück!“
„Tut mir leid, dass ich damit nicht einverstanden bin!“, meinte Jeanne
und wich der weiteren Attacke von Tsuyu aus. Diese knurrte wütend.
„Gib mir das Taschenmesser!!“, rief sie drohend.
„Wenn Navena ihre Waffen zurückkriegt.“
„Niemals!!“
„Tja, dann sag ich nur: Selber Schuld!“
Tsuyu verlor allmählich die Geduld. Wütend riss sie ihr Schwert aus der
Schwertscheide. „Ich frage dich noch ein letztes Mal: Gibst du mir dein
Taschenmesser?“, fragte sie zornig und richtete ihr Schwert auf Jeanne.
Jeanne tat so, als ob sie überlegen muss. „Hey, Navena!“, flüsterte sie
ihrer Freundin zu, wobei sie ihre Lippen kaum bewegte. „Deine Waffen müssten
auf dem Baum liegen! Ich kämpf gegen Tsuyu und lenk sie ab, während du dir
deine Waffen wieder zurückholst, okay?“
„In Ordnung!“, flüsterte diese zurück.
„Und? Wie sieht es aus?“, fragte Tsuyu nochmal.
„Nein, mein Taschenmesser ist mir viel zu wertvoll, um es dir einfach so zu
überlas-sen!“
„Gut, dann eben auf die harte Tour!!“
Tsuyu setzte zum Sprung an und griff Jeanne mit dem Schwert an. Diese konnte
den Hieb zwar noch abwehren, merkte aber zugleich, dass Tsuyu keine leichte
Gegnerin war.
Unterdessen schlich sich Navena zu dem Baum, auf dem Tsuyu vorhin saß,
heran. Und tatsächlich: Da lagen Köcher und Bogen, heil und unversehrt.
Schnell schaute sie nach, ob auch kein Pfeil fehlte, bevor sie sich den Köcher
um die Schulter warf.
Dann blickte sie wieder hinüber zu Jeanne und stellte fest, dass Tsuyu
langsam, aber sicher die Oberhand gewann. Ohne zu überlegen schoss sie einen
Pfeil ab, der haarscharf an Tsuyus Gesicht vorübersauste.
„Was...?“
„Gib lieber auf, Katzendämonin! Wir sind beide bewaffnet und du hast nur
deine stumpfen Krallen! Du hast keine Chance!!“, rief Navena und spannte einen
zweiten Pfeil, den sie auf Tsuyu richtete.
„Pah, sei dir da nicht so sicher, Druidin!“, meinte Tsuyu nur.
„Wie meinst du das?“
„Ach, verdammt! Navena! Sieh zu, dass du dich in Sicherheit bringst!
Außerdem hat sie noch ein Schwert, wenn du blind bist!“, rief Jeanne wütend
dazwischen und griff Tsuyu an. Diese sprang geschickt zur Seite und wehrte den
Angriff so ab, dass Jeanne selbst verletzt wurde.
„Na, was ist? Ich wusste gar nicht, dass die Schüler von Hikari so schwach
sind!“, meinte Tsuyu spöttisch und machte sich für den nächsten Angriff
bereit.
Jeanne lächelte kühn. „Ich glaube, da hab ich dich gewaltig
unterschätzt, Tsuyu!“, meinte sie keuchend und blickte sich zu Navena um.
„Bist du taub? Du sollst zusehen, dass du dich in Sicherheit bringst!“,
flüsterte sie ärgerlich.
„Kommt nicht in Frage!“, kam es von Navena zurück.
„Sturrkopf...“
„Wie bitte?“
„Ähm, hallo? Seid ihr bald fertig? Ich hab heute nämlich noch Einiges zu
tun, statt hier zuzuschauen, wie ihr euch streitet! Inzwischen hätte ich
bestimmt schon ganz viele Sa-chen erbeutet, “ rief Tsuyu dazwischen. Keine
Antwort. Jeanne und Navena stritten sich weiter, als ob es gerade nichts
Wichtigeres gab. Tsuyu schaute noch eine Weile verdutzt drein, zuckte dann aber
nur mit den Schultern und sprang davon.
Die beiden Streithähne hatten natürlich nicht mitbekommen, dass Tsuyu schon
längst über alle Berge war, und stritten sich immer noch.
„Navena! Jetzt hau schon ab! Tsuyu ist- Wo ist sie eigentlich?“
„Hä?“
Erst jetzt bemerkten die beiden, dass Tsuyu spurlos verschwunden war.
„Öh, und was jetzt?“, fragte Jeanne ihre Freundin und schaute recht
verdattert rein.
„Ähm, schnell zurück und das Frühstück vorbereiten?“, schlug Navena
mit einem schie-fen Lächeln vor.
„Na endlich! Da seid ihr ja!“, rief Ritchie erleichtert, als sie Jeanne
und Navena schon von Weitem sah. Wie immer trug sie ihren Kimono und hatte ihre
silberweißen Haare – abgesehen von einigen langen Strähnen –
zusammengesteckt, was ihr ein nobles Ausse-hen verlieh.
„Hallo Ritchie! Du bist aber schnell von deiner Erkundung zurück, “
begrüßte Navena ihre Freundin.
„Ja, es ging schneller, als ich es gedacht habe! Und ich konnte alles
besorgen, was Hi-kari wollte, “ entgegnete diese lachend.
„Und Hanako ist auch zurück?“, fragte Jeanne.
„Ja, “ antwortete Ritchie.
„Oh, nein! Jetzt ist es aus mit der Ruhe...“, stöhnte Navena auf.
„Wisst ihr eigentlich, dass wir uns zu Tode gesorgt haben?“, mischte Saya
sich ins Ge-spräch ein. Ihre langen, leicht gewellten schwarzen Haare hatte sie
– genau wie Navena – zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Seit dem Tod
ihrer Eltern trug sie dunk-le, bevorzugt schwarze Sachen; als Zeichen der
Trauer. Doch im Laufe der Zeit hatte sie sich auch daran gewöhnt und sah
schwarz als ihre Lieblingsfarbe an.
„Saya, dir traue ich das auch total zu!“, meinte Jeanne spöttisch und
knuffte dieser freundschaftlich in die Seite.
„Das war ironisch gemeint!“
„Ebenfalls.“
„Jeanne!! Navena!! Hab ich euch vermisst!!“, ertönte eine Stimme hinter
ihnen und Navena wurde zu Boden gerissen.
„Wie gesagt, jetzt ist es vorbei mit der Ruhe...,“ meinte Navena nur.
„Äh, hi Hanako! Auch schon zurück?“, fragte Jeanne.
„Natürlich! Aber wo wart ihr denn? Wir haben uns halb zu Tode gesorgt! Wir
wollten schon Hikari aufwecken, um euch zu suchen!“, erzählte Hanako. Ihre
blonden Haare wa-ren mit Spangen und Klammern zusammengesteckt und mit Blumen
geschmückt worden.
„Also wirklich, Hanako! Übertreiben darf man schon, aber du übertreibst
ja maßlos!“, mischte sich Nela nun ebenfalls in das Gespräch ein. Ihre
kurzen braunen Haare hatte sie gerade noch zu einem Pferdeschwanz binden
können, was sie allerdings äußerst selten macht, weil Saya den Zopf immer als
„Pinsel“ bezeichnete. Sie trug ein ganz normales T-Shirt mit einer langen
schwarzen Hose.
„Wir erzählen euch alles, wenn wir das Frühstück fertig haben, “
versprach Jeanne.
„Dann könnt ihr es auch jetzt! Saya und Nela haben’s nämlich schon
fertig!“, meinte Ritchie.
„Echt? Vielen Dank, ihr beiden!“
„Gern geschehen.“
„Also? Was ist passiert? Ich platz schon vor Neugier!“, rief Hanako
dazwischen.
Und so erzählten Jeanne und Navena ihren Freundinnen alles, was passiert
ist.
„Das heißt, ihr seid dieser Diebin begegnet und habt gegen sie
gekämpft?“, fragte Saya.
„Ne, Jeanne hat gegen sie gekämpft. Ich hab sie dann nur fast mit einem
Pfeil getrof-fen, “ verbesserte Navena.
„Oje, das ist gar nicht gut...“, seufzte Nela besorgt.
„Wieso?“, fragte Jeanne stirnrunzelnd.
„Katzendämonen können sehr nachtragend sein! Und diese Tsuyu soll schon
mehrere Clane ausgerottet haben!“, erzählte Ritchie.
„Und woher weißt du das?“, fragte Navena.
„Hanako und ich wurden geschickt, um herauszufinden, warum in letzter Zeit
so viele Clane ausgelöscht worden sind, “ begann Ritchie.
„...und?“, fragte Navena.
„Es soll eine Katzendämonin gewesen sein, und zwar eine sehr geschickte
noch dazu. Sie hat die Clane immer mitten in der Nacht angegriffen und die
Kirits überrascht. Da-durch waren sie im Nachteil und diese konnte ihnen ihre
heiligen Waffen entreißen und die Clane so auslöschen, “ erzählte Hanako.
„So nebenbei: Kirits sind Menschen, in denen zur Hälfte das Blut eines
Tieres fließt, sodass sie von klein auf auch schon besondere Fähigkeiten
haben. Ein Wolfskirit hat zum Beispiel einen viel ausgeprägteren Geruchssinn,
“ erklärte Nela.
„Aha. Und ihr meint, dass es Tsuyu gewesen ist?“, meinte Jeanne
nachdenklich. Keine Feststellung. Eine Frage. Ein Wunsch, weil sie nicht hoffte,
dass Tsuyu diese Kiritjägerin ist.
„Nun, es könnte schon so sein, oder?“
„Ja, schon, aber dafür gibt es noch keine Beweise! Sie hat viele Menschen
im Dorf be-raubt, klar. Aber hat sie auch nur irgendjemanden geschadet?“,
entfuhr es Navena.
Jeanne stimmte ihrer Freundin zu. „Navena hat vollkommen Recht! Moment! Ich
weiß, was ihr sagen wollt. Mich hat sie angegriffen. Aber dieser Sprung hätte
keinen Menschen umgebracht! Außerdem wusste sie, dass Navena und ich Kampfsport
können, sonst hätte sie nicht gekämpft!“
„Jeanne, Navena! Ihr seid viel zu gutmütig, wisst ihr das?“
„Wir sind nicht zu gutmütig! Wir wollen nur nicht Leute zu irgendetwas
beschuldigen, nur weil sie leicht in Verdacht kommen!“
„Was ist das für ein Radau so früh am Morgen?“, ertönte plötzlich
eine strenge Stimme hinter ihnen.
„Meisterin!!“, rief Saya erschrocken und verbeugte sich schnell. Die
anderen taten es ihr gleich.
„Also, wirklich! Habt ihr wirklich nichts Besseres zu tun, als euch früh
am Morgen zu streiten?“, fragte Hikari. Der Wind spielte durch ihre
goldblonden, gelockten Haare und sie trug noch immer ihren Morgenmantel.
„Also, was ist? Yuki und Shadow warten schon am Tisch auf euch! Jetzt
beeilt euch, damit wir endlich frühstücken können – Käse-Omeletts!“,
fügte sie noch grinsend hinzu. Die anderen stöhnten leise auf.
Kapitel 2: Aufbruch
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Alle hatten schnell ihr Frühstück runtergeschlungen und machten sich daran,
ihre Zeit zu vertreiben. Hanako, Nela, Saya und Ritchie beschlagnahmten die
Trainingshalle für den ganzen Vormittag fürs Training, während Yuki und
Shadow im Wald Kräuter sam-meln gingen. Jeanne und Navena gingen in die Stadt,
um die Einkäufe von Hikari zu erle-digen. Stumm machten sie sich auf den Weg.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Jeanne ihre Freundin nach einer Weile.
Keine Antwort.
„Ähm, Navena?“
„Hm?“, kam es geistesabwesend zurück.
„Ich hab gefragt, ob mit dir alles okay ist, “ wiederholte Jeanne ihre
Frage.
„Ja, eigentlich schon...“
„Lügnerin! Ich sehe es dir doch an, wenn mit dir etwas nicht stimmt! Also,
was ist los?“
„Es ist nichts!!“ erwiderte Navena ungeduldig.
Doch Jeanne blieb weiterhin hartnäckig. „Navena! Wir kennen uns von klein
auf und haben bis jetzt noch keine Geheimnisse voreinander gehabt. Und jetzt
willst du mir ehr-lich weismachen, dass mit dir alles okay ist? Hallo?! Seit
wann läufst du todernst durch die Straßen und hörst einem nicht zu, hä?
Sonst regst du dich im Unterricht bei Hikari immer auf, wenn ich dich was frag,
weil du unbedingt zuhören willst! Aber jetzt stimmt da wohl was nicht! Du
hältst es normalerweise mindestens nur 10 Sekunden aus, nix zu sagen – ich
hab nämlich die Zeit gemessen, und 10 Sekunden war der Rekord und...“
„Du hast was gemacht?“, unterbrach Navena sie wütend.
„Ups, verplappert...“
„Wie war das mit ‚Zeit messen’ und ‚Rekord’??“, fragte Navena
ihre Freundin drohend.
„Äh, wovon redest du...?“, fragte Jeanne und grinste scheinheilig.
Sicherheitshalber lief sie ein bisschen schneller – wer weiß, wie ihre
Freundin jetzt reagiert!
„JEANNE!!!! Das gibt Rache!“, entfuhr es Navena. Jeanne machte, dass sie
sich in Si-cherheit brachte und Navena verfolgte ihre Freundin lachend und
drohend zugleich.
Unterdessen wurden im Zentrum die neusten Berichte aus den verschiedenen
Nach-bardörfern ausgehängt. Sogleich drängten sich die Leute an der
Anschlagetafel, um das Neuste zu erfahren, und es war fast unmöglich, einen
Bericht auch nur in Ruhe durchle-sen zu können, ohne auch nur irgendwie seinen
Kommentar abzugeben. Bald schon ver-breiteten sich Gerüchte, sodass keiner mehr
genau wusste, was stimmte und was nicht...
Mittlerweile erreichten auch Jeanne und Navena das Zentrum und schnappten
hier und dort etwas auf.
„Sieht aus, als wurden die Berichte inzwischen schon ausgehängt, “
meinte Jeanne.
„Ja, aber was meinen die mit ‚Mörderelfin’ und ‚Dämonengefahr’,
oder so?“, erwiderte Navena nachdenklich.
Jeanne seufzte. „Weißt du was? Am Besten gehen wir zuerst zur
Anschlagetafel und lesen uns erstmal die Berichte durch, bevor wir die Einkäufe
erledigen.“
Navena war damit einverstanden und so machten die beiden erstmal einen Umweg
zur Anschlagetafel.
„Ob das stimmt?“
„Keine Ahnung...“
„So jung und so brutal! Unglaublich!“
„Die Jugend von heute halt.“
Navena hörte das Gemurmel schon von weitem und näherte sich stirnrunzelnd.
Als die Leute diese erblickten, wichen sie erschrocken zurück. Schon nach
kurzer Zeit stand niemand mehr vor der Anschlagetafel.
„Öh, was war denn das?“, fragte Jeanne erstaunt. Navena zuckte nur
verwundernd die Schultern und schritt zur Anschlagetafel. Und erstarrte.
Zwischen den Berichten hing ein Bild. Aber nicht irgendein Bild. Ein Bild von
ihr!! Und daneben der Bericht. Mörderelfin schlägt erneut zu!!, stand da als
Überschrift. Wie konn-te das sein? Schnell überflog sie den Bericht und
wunderte sich nur noch mehr. Im Nach-bardorf, das ziemlich weit entfernt von
hier ist, soll diese Mörderelfin am vorherigen Tag Leute umgebracht haben. Und
diese Mörderelfin sieht genauso aus wie sie.
„Navena?“ Navena wurde aus ihren Gedanken gerissen. Erschrocken schaute
sie sich um. Es war Jeanne, die ihre Freundin besorgt anschaute.
„Hey! Alles okay?“, fragte Jeanne ihre Freundin unsicher. Navena nickte
zwar zögernd, wirkte aber nicht gerade überzeugend. „Wer kann das bloß
sein? Welche Person sieht mir denn ähnlich?“, überlegte sie laut.
Jeanne schaute Navena an. „Hey, zerbrich dir darüber nicht den Kopf, okay?
Wir be-sorgen schnell die Einkäufe und gehen dann heim, um Hikari um Rat zu
fragen!“, schlug sie vor. Navena zögerte kurz, stimmte aber dann ihrer
Freundin zu.
Unterdessen trainierten Nela, Saya, Ritchie und Hanako hart. Naja, alle
außer Hanako. Diese saß auf dem Boden und japste nach Luft.
„Hey, Hanako! Jetzt sei nicht so faul!“, rief Saya keuchend, während sie
sich auf den Barren schwang.
„Ich und faul?? Saya, ich bin 5 Runden gerannt!!“
„Nur 5 Runden?? Das ist jetzt schon meine 35. Runde, Hanako!“, ertönte
es von Ritchie, die gerade an Hanako vorbeilief.
„Genau! Alle trainieren fleißig, Hanako. Und du hockst nur auf dem Boden
und keuchst wegen den schlappen 5 Runden!“, stimmte Nela ebenfalls zu.
„Ihr seid mal wieder voll nett zu mir, wisst ihr das?“, schmollte
Hanako.
Gerade in diesem Moment hörten sie Stimmen im Flur. Es waren Jeanne und
Navena.
„Hey, die sind ja schon zur-, “ begann Ritchie, wurde aber von Nela
unterbrochen.
„Psst, seid mal still!“
„Was hatte das zu bedeuten? Wieso gelte ich über Nacht plötzlich als
Mörderel-fin?!“ Navena zog ihre Schuhe aus und schmiss sie wütend in eine
Ecke.
„Das hast du mich jetzt schon zum 100. Mal gefragt, Navena! Und ich hab dir
auch ab und zu eine Antwort gegeben. Aber genau weiß ich es auch nicht. Wir
sollten Meisterin Hikari fragen!“, schlug Jeanne ihrer Freundin vor.
„Nein!“
„Muss ich den Grund wissen...?“
„Das hier ist meine private Angelegenheit und ich hab keine Lust, dass es
jetzt jeder hier erfährt!“, erklärte Navena.
„Okay, aber dieses Mal waren wir mit den Einkäufen dran, Navena! Das
nächste Mal müssen das die anderen erledigen! Irgendwann finden sie das
heraus!“
„Bis dahin ist alles nur noch Geschichte.“
„Du weißt genau, dass das nicht so schnell geht!“
„Achja? Und woher willst du das wissen??“
„Navena!!“
„Ach, lass mich doch ganz einfach in Ruhe!!“, schrie Navena wütend und
rannte hoch in ihr Zimmer.
Jeanne schaute ihrer Freundin noch eine Weile hinterher, seufzte dann kurz
und ging dann in den Stall.
„Was war denn mit den beiden los?“, platzte es aus Hanako heraus.
„Hä? Wie meinst du das denn wieder?“, bemerkte Saya.
„Wie oft kann man schon sehen, dass Navena und Jeanne sich mal richtig
streiten? Und wie oft sieht man Navena, wenn sie gereizt ist und Jeanne
zusammenstaucht?“, mischte sich Ritchie ein.
„Hey, stimmt! Navena ist sonst immer die Ruhe selbst! Nur Jeanne regt sich
immer so leicht auf, wenn ich sie ärgere!“, bemerkte Hanako.
„Wer ärgert hier wen??“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr.
Die vier zuckten erschrocken zusammen und schauten zur Tür. Jeanne lehnte
sich ge-rade an den Türpfosten und hatte ihre Arme vor ihrer Brust
verschränkt.
„Ähm, bist du nicht in den Stall gegangen?“, fragte Nela erschrocken, um
Jeanne vom Thema abzulenken.
„Bin ich, aber ich musste nochmal zurück, weil ich was vergessen hatte,
“ meinte Jeanne.
„So...,“ kam es von Saya, die hoffte, dass Jeanne dann wieder gehen
würde.
Eine kurze Weile sagte niemand was. Doch dann...
„Ihr habt alles gehört, hab ich Recht?“, fragte Jeanne plötzlich.
Ritchie seufzte. „Ja, Jeanne, wir haben ungewollt euer Gespräch gehört.
Und das mit Navena tut uns echt leid...“
„Schon okay, das solltet ihr lieber Navena erzählen und nicht mir.
Schließlich ist sie es, die davon betroffen ist“, meinte Jeanne nur und
verließ die Trainingshalle.
„Ich glaube, da muss ich ihr ausnahmsweise zustimmen...,“ murmelte Saya.
Im Eifer des Gespräches hatten sie nicht bemerkt, dass sie jemand am Fenster
die ganze Zeit belauscht hatte...
Navena lag auf ihrem Bett und starrte an die Decke, während sie nachdachte.
Sie ka-pierte es einfach nicht. Jeder in der Stadt wusste, dass sie eine
Schülerin von Hikari war und dass ihre Schüler niemals andere Leute umbringen
würden. Keine guten und un-schuldigen Menschen. Dafür mussten sie einen Eid
ablegen, damit Hikari sie als ihre Schüler akzeptierte. Also müssten die Leute
das wissen!
Doch wieso? Wieso denken jetzt alle, dass sie diese Leute im Nachbardorf
umgebracht hatte? Das Nachbardorf ist viel zu weit entfernt! Wie hätte sie in
einer so kurzen Zeit es schaffen können, geschwind hinzulaufen, ein paar
Menschen umbringen und schnell wie-der zurückzugelangen?
Sie verstand es wirklich nicht. Konnte es möglich sein, dass es eine Person
gab, die ihr bis aufs Haar glich? Navena verwarf den Gedanken gleich wieder. Das
ging nicht! Das wäre kein Zufall mehr! Nur Geschwister könnten sich so sehr
ähneln. Doch was wäre, wenn sie Geschwister hätte...?
Navena wurde aus ihren Gedanken gerissen, weil jemand klopfte. Stirnrunzelnd
schau-te sie zum Fenster. Und erstarrte. Vor dem Fenster stand eine Elfin mit
hellgrünen Haa-ren und dunkelgrünen Strähnchen, die zu einem Pferdeschwanz
zusammengebunden waren. Ihre tiefgrünen Augen schauten Navena halb belustigt,
halb interessiert an.
Navena stockte den Atem. Diese Elfin war sie selber?!
„Wer bist du?“, fragte Navena die Elfin unsicher.
Diese lachte nur und deutete ihr mit einer Geste an, das Fenster aufzumachen.
Navena tat es widerwillig.
„Also, wer bist du?“, wiederholte sie ihre Frage.
Die Elfin lachte erneut. „Kannst du es dir denn nicht denken? Gib es doch
zu, Navena! Du ahnst schon, wer ich bin“, antwortete sie.
„Schon möglich. Aber ich wünschte, dass ich es nicht ahnen würde!“
„Hat dir eigentlich schon jemand gesagt, wer deine Eltern sind?“, fragte
die Elfin weiter.
„…wieso willst du das wissen?”
„Ich bin nur neugierig, das ist alles!“
„So! Dann muss ich dir es ja nicht sagen, oder?”
Die Elfin seufzte. „Du weißt es also nicht.”
„Doch, aber ich sag es dir nicht!”, kam es nur spöttisch von Navena
zurück. Nach einer Weile fragte sie: „Wie heißt du überhaupt?“
„Gwenwin.“
Navena starrte die Elfin entgeistert an. Das kann doch nicht sein, oder...?
„Nun, ich bin gerade nicht wirklich ich! Ich bin ein Teil meiner Seele, die
aus meinem Körper entkommen ist, Navena. Und nun bin ich hier, um dich um Hilfe
zu bitten...“
„Nein, ich werde dir ganz bestimmt nicht helfen! Du warst es, die so viele
unschuldige Menschen getötet hat. Glaubst du allen Ernstes, dass ich dir
wirklich helfen würde? Einer Mörderin??“, entfuhr es Navena wütend.
„Ich war es nicht, Navena…“
„Achja, und wer dann?“
Währenddessen hatte Jeanne schon die Einhörner gestriegelt und ihnen das
Futter be-reitgestellt. Jetzt mistete sie eine Box nach der anderen aus. Doch
sie war unkonzentriert. Immer wieder musste sie an den Moment zurückdenken, als
sie in der Stadt den Bericht auf der Anschlagetafel gelesen hatten, wie Navena
zu Hause ausgeflippt ist und sich die beiden gestritten hatten.
Trotz allem konnte Jeanne ihrer Freundin nicht sauer sein, obwohl sie allen
Grund dazu hatte. Sie verstand sie und wollte ihr helfen.
„Glaubst du allen Ernstes, dass ich dir wirklich helfen würde? Einer
Mörderin?“, ertönte es plötzlich schreiend aus ihrem Zimmer. Erschrocken
schaute Jeanne auf das Fenster von ihrem Zimmer, konnte aber nichts erkennen.
„Ich glaube, es wäre am Besten, wenn ich die Tür benutze…,“ dachte
sie bei sich und rannte ins Haus.
„Natürlich, du warst es nicht, sondern ich, oder was?“, meinte Navena
spöttisch.
„Nein, Navena! Es war mein Körper, den meine finstere Seele besetzt
hat…, “ erklärte Gwenwin traurig. Navena starrte sie entgeistert an.
„Hä?!“
Inzwischen erreichte Jeanne Navenas Zimmer und wollte gerade hineinstürmen,
als sie dann inne hielt. Vielleicht wäre es besser, wenn sie draußen zuhörte,
worum es geht, statt einfach hineinzustürmen? Sie entschied sich dafür und
presste ihr Ohr gegen die Tür...
„Jeder Mensch hat seine guten und bösen Seiten. Meistens ist der finstere
Teil der See-le sehr klein, sodass er keinen Schaden anrichten kann. Aber je
nachdem kann dieser Teil wachsen und so die Oberhand über den guten Teil
gewinnen, sodass der gute Teil langsam aus dem Körper verschwindet.
Bei mir war es so. Ich bin in die Lehre von dem Schattenmagier Yami
eingetreten – ein Fehler, den ich vermutlich nie wieder gutmachen kann! Er
brachte mir die finstere Magie bei, die mich Stück für Stück beeinflusste.
Mein finsterer Teil gewann irgendwann die Oberhand und bannte mich, die gute
Hälfte, aus dem Körper, sodass ich nun als verlore-ne Seele auf dieser Welt
herumirre und jemanden suche, der mir vielleicht helfen konn-te…“
Jeanne stand draußen vor der Tür und hielt sich vor Entsetzen die Hand vor
den Mund. Gwenwins Erklärungen hallen immer wieder in ihrem Ohr. „Jeder
Mensch hat seine guten und bösen Seiten... seine guten und bösen Seiten...
seine guten und bösen Seiten...“
„Und du hast dann zufällig mich gefunden oder was?“, kam es von Navena
spöttisch.
„Ja, ich hatte gehofft, dass du mir helfen könntest, weil du mein- ... ich
meine, weil du auch eine Elfin bist, genau wie ich.“
„Nur, weil ich eine Elfin bin? Gwenwin! Du verheimlichst mir doch
irgendwas!“, meinte Navena misstrauisch und schaute der Elfin tief in die
Augen.
Die schaute rasch zur Seite. „Nein... wie kommst du darauf?“
Navena schaute Gwenwin – oder ihre Seele – prüfend an. Irgendwas hat sie
ihr nicht erzählt, das spürte sie genau. Sonst hätte sie sich nicht so
schnell zur Seite gedreht und hätte auch ganz bestimmt nicht so knapp
geantwortet. Doch das war im Moment nicht so wichtig. Sie hatte einen Entschluss
zu fassen. Sollte sie ihr nun helfen oder nicht?
Stattdessen fragte sie stirnrunzelnd: „War dieser Schattenmagier Yami nicht
mal ein Schüler von Meisterin Hikari?“ Die Frage sollte so beiläufig wie
möglich klingen.
„Ja, aber weil er sich dann nur noch auf die finstere Magie konzentriert
hatte, wurde er von Hikari aus der Lehre entlassen, “ erzählte Gwenwin und
hoffte insgeheim, dass Na-vena ihr helfen würde.
„So...“
Jeanne sackte auf die Knie und blieb erschrocken sitzen. Was sie gerade eben
gehört hatte, war zu viel! Hikari hatte einen Schüler aus ihrer Lehre
verbannt. Gwenwin war der gute Teil ihrer Seele und gleichzeitig eine Elfin, die
Navena um Hilfe bat, weil diese auch eine Elfin war. Aber wie soll Navena
Gwenwin denn helfen?
„Und wie soll ich dir helfen? Und überhaupt, wobei soll ich dir
helfen?“, fragte Navena.
„Ich habe dich gesucht, um dich zu bitten, mir dabei zu helfen, dass ich
wieder in mei-nen Körper komme und die Oberhand über den bösen Teil meiner
Seele gewinne.“
Jeanne runzelte die Stirn und presste sich weiter an die Tür, um die beiden
besser hö-ren zu können. Wie würde sich ihre Freundin entscheiden? Würde sie
einer fremden Per-son bzw. Seele helfen?
„Nicht, dass ich dir nicht helfen will... nur, wie kann ich dir helfen? Wie
soll ich es schaffen, dass du wieder in deinen Körper gelangst und dann noch
gewinnst?“, fragte Navena verwundert.
„Oh, das muss ich alleine tun. Aber dazu darf ich nicht gestört werden.
Ich will, dass du Yami ablenkst, damit ich ungestört in meinem Körper gelangen
kann, “ erklärte Gwenwin.
Navena überlegte kurz, dann stimmte sie zu. „Gut, ich werde dir
helfen!“, rief sie ent-schlossen. Gwenwin lächelte erleichtert.
„Gut, aber ich muss jetzt gehen, weil ich noch was zu erledigen hab. Wir
werden uns bestimmt noch treffen. Doch es wäre am Besten, dass du zuvor noch
Informationen sammelst. Der beste Weg wäre, wenn du im Sternengebirge, beim
Kristallfluss und im Schattenwald einen längeren Halt machen würdest. Denn die
Clane bzw. Schulen dort wissen genau über den Schattenmagier Yami Bescheid und
werden dir sicher helfen!“
„Gut, mach ich!“, kam es von Navena. Dankbar lächelnd schwang sich
Gwenwin aus dem Fenster und war im nächsten Moment auch schon verschwunden.
Navena stand noch eine Weile am Fenster und blickte lange in die Richtung, in
der Gwenwin verschwunden war. Sie war überrascht, dass sie einer fremden Person
so schnell zugesagt hatte, ihr zu helfen. Normalerweise wäre sie ganz anders
vorgegangen. Sie verstand nicht, wieso, doch hatte sie das Gefühl, Gwenwin von
früher zu kennen…
Jeanne lächelte still. Es war ihr klar, dass Navena ohne zu zögern Gwenwin
helfen woll-te – dazu kannte sie ihre Freundin einfach zu gut. Und vermutlich
würde sie nachts heim-lich weggehen, ohne Hikari oder ihr und den anderen
Bescheid zu sagen.
Sie atmetete tief durch und fasste einen recht gewagten Entschluss…
Es war Nacht geworden und alle schliefen. Fast alle. Navena schwang sich
ihren Köcher auf den Rücken und nahm die vollgestopfte Satteltasche, um
heimlich in den Stall zu schleichen, was ihr auch recht gut gelang. Liebevoll
streichelte sie ihr Einhorn über die Mähne.
„Keine Angst, Silivren, ich bin es nur, “ flüsterte sie ihr beruhigend
zu. Silivren wieherte leicht. Schnell band sie ihrem Einhorn Sattel, Zaumzeug
und Satteltasche um und führte es so leise wie möglich aus dem Stall.
In der Eile hatte sie nicht bemerkt, dass die Box von Crystal, Jeannes
Einhorn, leer stand...
„Ruhig, Crystal, “ flüsterte Jeanne ihrem Einhorn beruhigend zu.
„Navena und Silivren müssten jederzeit kommen!“
Crystal lief unruhig ein paar Schritte zurück
„Nein, Crystal! Sonst sehe ich nicht, ob sie kommen!“, sagte Jeanne und
streichelte es, damit es sich endlich beruhigt.
Seufzend schaute sie wieder zurück auf den Weg, der als einziger aus der
Schule von Hikari führt. Ob Navena es auch geschafft hatte, sich
hinauszuschleichen? Sie hoffte es.
Crystal schnaubte leise und stellte ihre Ohren auf...
„Super, Silivren! Wir sind aus der Schule raus!“, freute sich Navena, als
sie die Schule hinter sich gelassen hatten.
Silivren wieherte nur und verlangsamte ihr Tempo.
„Silivren, was...?“, wunderte sich Navena, als eine Gestalt aus dem
Gebüsch trat.
„Jeanne??“, rief Navena erstaunt auf.
„Ich hab mir schon gedacht, dass du nachts heimlich aufbrichst, “ meinte
Jeanne grin-send.
„Du hast uns heute Morgen belauscht!“, stellte Navena fest und tat so,
als ob sie sich darüber empörte.
„Das könnte man auch schonender sagen... aber: Ja, ich habe euch
belauscht. Tut mir Leid, “ fügte sie noch hinzu und senkte ihren Kopf.
„Lass mich raten: Die anderen wissen alle Bescheid und erwarten uns gleich
in den nächsten 5 Metern?“, entgegnete Navena schmunzelnd.
„Hältst du mich zufällig für Hanako?“, meinte Jeanne spielend
entrüstet.
„Bei dir weiß man nie...,“ kam die spöttische Antwort von Navena fies
grinsend zurück.
„Wie nett.“
„Ich bin immer nett!“
Jeanne seufzte. „Schon gut, ich ergebe mich. Aber wir sollten lieber
zusehen, dass wir hier wegkommen! Falls Hikari wach wird und registriert, dass
wir nicht da sind... oh, oh... böse Vorstellung...“
„Da hast du mal ausnahmsweise eine gute Idee gehabt!“, entgegnete Navena
grinsend.
Hikari hatte währenddessen alles durch ihre Lichtkugel beobachtet. Ein
leichtes Lächeln huschte über ihrem Mund. Mit einer kurzen Handbewegung ließ
sie die Lichtkugel wieder verschwinden.
„Das war mal wieder typisch für die beiden, einfach heimlich aus der
Schule zu schlei-chen, ohne mir Bescheid zu sagen...“, murmelte sie leise.
Kapitel 3: Informationen...
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„Hey, Navena! Warte mal!!“, rief Jeanne ihrer Freundin zu.
„Was ist denn?“, fragte diese leicht gereizt.
Jeanne zeigte mit ihrem Finger in die Ferne. „Da! Ist dort nicht das
Sternengebirge, von dem Gwenwin dir gestern erzählt hatte?“, fragte sie.
„Ja, da ist das Sternengebirge! Aber wir müssen erstmal hier den Berg
hinunter, um überhaupt hinüberzukommen, oder?“
„Woher sollte ich denn wissen, dass du sie schon entdeckt hattest?“
„Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“
Jeanne wollte was sagen, hielt sich jedoch zurück. Seitdem Navena die
Nachricht mit der Mörderelfin gelesen hatte, hatte sie sich vollkommen
verändert. Sie war oft gereizt und meckerte über jede Kleinigkeit.
Jeanne seufzte. Sie hoffte, dass dieses Verhalten nur vorübergehend war und
nicht für lange Zeit anhalten würde. Denn wenn Navena mal schlecht gelaunt
ist, ist es für die Menschen in ihrem Umfeld dir reinste Hölle...
„Sag mal, träumst du oder warum beeilst du dich nicht ein bisschen? Wir
haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit!“, ertönte Navenas Stimme.
Jeanne versuchte, sich zu konzentrieren und folgte ihrer Freundin.
„Hey, Jeanne! Kannst du vorne schon etwas erkennen?“, fragte Navena und
duckte sich erneut, damit sie keinen Ast ins Gesicht geschleudert bekam.
Jeanne schaute angestrengt nach vorne. „Nein, nichts als Bäume und
Gebüsche!“, meinte sie.
„Ach, verdammt! Wieso hab ich eigentlich zugesagt, Gwenwin zu helfen?“,
beklagte sich Navena – und wich gerade rechtzeitig einem Ast aus.
„Na, na, willst du jetzt etwa umkehren?“, fragte Jeanne grinsend – und
bekam einen Ast ins Gesicht. „Autsch!“
„Haha! Selber Schuld! Das kommt davon, wenn man beim Reiten nicht nach
vorne schaut!“, kam es von Navena lachend zurück.
Jeanne verdrehte die Augen. Wenn sie sich blamierte, schaffte sie es immer,
Navena zum Lachen zu bringen – auch wenn das mit dem Ast nicht wirklich von
ihr geplant war...
„Glaubst du, wir schaffen es vor Tagesanbruch, das Sternengebirge zu
erreichen?“, fragte Navena ihre Freundin, nachdem sie sich beruhigt hatte.
Diese zuckte die Schultern.
„Da fragst du die Falsche, Navena. Ich war dort nämlich noch nie...“
Stunden später brach der neue Morgen an und Jeanne und Navena erreichten
endlich ihr Ziel: Das Sternengebirge.
„Puh, das wurde aber auch Zeit!“, rief Navena erleichtert.
„Ja, und ich glaube, dass mir ein paar Stunden Schlaf fehlen. Ich bin sowas
von müde!“, meinte Jeanne und gähnte zur Demonstration.
„Wenn ich mich nicht täusche, befindet sich im Sternengebirge eine
Schule...,“ erzählte Navena und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
Jeanne lachte. „Und ich glaube, dass du damit gar nicht so falsch
liegst!“, sagte sie und zeigte in die Ferne. Dort stand eine gigantische Burg,
dessen Oberfläche in der Sonne zu schimmern schien. „Siehst du die Flaggen?
Dort ist das Wappen von der Schule der Ster-ne drauf! Schau mal genau hin!“
Navena schaute genauer hin, schüttelte aber dann den Kopf. „Ich kann nicht
wirklich was erkennen – die Sonne blendet mich, “ meinte sie.
Dann schaute sie ihre Freundin überrascht an. „Wieso kannst du was
erkennen, obwohl dich die Sonne genauso blenden müsste?“, fragte sie Jeanne
erstaunt.
„Gute Frage! Die Welt ist voller Rätsel... Vielleicht hat es ja mit meinem
Element zutun? Wie auch immer... Lass uns dorthin reiten! Crystal und Silivren
sind sicher auch total er-schöpft. Wir sollten den beiden einmal eine Pause
gönnen!“, schlug Jeanne ihrer Freundin vor.
„Na, dann los!“, rief Navena und die beiden ritten um die Wette Richtung
Schule der Sterne.
Jeanne stieg leicht keuchend von Crystal ab. Wieder einmal hatte sie gegen
Navena verloren und hatte gerade erst ihr Ziel erreicht. Navena und Silivren
erwarteten die bei-den schon.
„Na, endlich da?“, fragte Navena ihre Freundin grinsend. Silivren
wieherte und schaute Jeanne und Crystal an, als ob sie die beiden auslachte.
„Sieht... sieht so aus..., “ meinte Jeanne atemlos und japste nach Luft.
Auch Crystal schnaubte erschöpft.
Bevor Navena noch was erwidern konnte, wurde das Tor von der Schule der
Sterne aufgeschlossen. Ein junges Mädchen mit langen dunkelblauen Haaren trat
heraus. Über-rascht erblickte sie den beiden erschöpften Freundinnen ins
Gesicht.
„Oh, wer seid ihr denn?“, fragte sie erstaunt.
„Ich bin Navena und das ist meine Freundin Jeanne. Und Crystal und
Silivren, unsere Einhörner, die uns hierher gebracht haben, “ erklärte
Navena.
„Und wer bist du eigentlich?“, fragte Jeanne.
„Ich heiße Sirius, und bin eine Schülerin von dieser Schule, “
antwortete diese. Sie trug eine Schuluniform, auf deren linken Brusthöhe das
Wappen von der Schule der Sterne abgebildet war.
„Wäre es möglich, dass wir bei euch eine kleine Rast einlegen
würden?“
„Klar, kein Problem. Folgt mir!“
„Hey, Hanako! Aufstehen!!“, rief Nela ihrer Freundin zu. Diese murmelte
irgendetwas Unverständliches und rieb sich müde die Augen.
Nela lachte. „Ich bin zwar auch müde, aber es hilft nichts, Hanako!
Vergiss nicht, dass heute die Prüfungen sind und...“
Mit einem Schlag war ihre Freundin hellwach. „Was?? Die Prüfungen? Oh,
nein! Wir sind viel zu spät dran!! Wie soll ich in dieser kurzen Zeit denn
alles vorbereiten?? Nur 10 Minuten!! Das ist nicht wahr! Wieso ist die Welt nur
so ungerecht?“, rief sie erschrocken, nachdem sie einen Blick auf ihren Wecker
geworfen hatte.
Während sie sich über jede Kleinigkeit aufregte, sprang sie aus dem Bett
und begann, sich umzuziehen und zugleich ihre Haare zu kämmen.
Nela stand grinsend daneben und beobachtete ihre Freundin. Das war mal wieder
ty-pisch Hanako. Sobald es um Prüfungen geht, ist sie sofort hellwach und
könnte tagelang ohne Schlaf auskommen – Hauptsache, sie kriegt eine Note, die
ihrer Meinung nach gut genug ist...
In diesem Moment klopfte es an ihrer Zimmertür. „Hanako? Nela? Seid ihr
wach?“, er-tönte es von Ritchie.
Nela lief zur Tür und öffnete sie.
Saya begrüßte die beiden gut gelaunt. „Guten Morgen zusammen! Na, gut
erholt?“, fragte sie sogleich.
„Ich ja, aber Hanako...“ Nela schaute grinsend zu Hanako rüber, die sich
gerade ihr Hemd zuknöpfte und ihren Kamm zwischen den Zähnen festhielt. Ein
komischer Anblick, bei dem sich Nela beherrschen musste, nicht einfach
loszulachen.
„Morgen, Hanako! Wie geht’s?“, fragte Saya ebenfalls grinsend. Der
verschwörerische Blick von Nela hatte ihr verraten, was momentan vorging, und
so spielte sie einfach mal mit.
„Guch. Ich much mich halch beeichen, “ kam es von Hanako, die es
schließlich endlich geschafft hatte, ihr Hemd zusammenzuknöpfen und zog sich
in Rekordsgeschwindigkeit noch ihre Schuhe an.
„Aha, alles verstanden...“, kam es von Saya.
„Wieso muss du dich beeilen??“, fragte Ritchie und tat verwundert.
„Prüchungen, chon vergechen?“, versuchte Hanako zu erklären – immer
noch mit dem Kamm zwischen den Zähnen und eifrig dabei, ihre Schnürsenkel
zusammenzubinden.
Doch als sie aufschaute, bemerkte sie die grinsenden Gesichter ihrer
Freundinnen und runzelte nachdenklich die Stirn. Hatte sie was falsch gemacht?
„Also seid ihr beide Schülerinnen von Meisterin Hikari von der Schule des
Lichts?“, frag-te Sirius erstaunt. Navena nickte und wölbte stolz ihre Brust,
was Jeanne ein wenig über-trieben und zugleich irgendwie peinlich fand.
„Und wieso seid ihr jetzt hier? Wollt ihr die Schule wechseln?“
„Das bleibt vorerst noch geheim!“, meinte Jeanne nur und grinste ihrer
Freundin ver-schwörerisch zu.
„Stimmt, was nicht, Hanako?“, fragte Nela und versuchte, sich das Grinsen
zu verknei-fen. Saya und Ritchie hatten vor Anstrengung schon ganz rote
Gesichter, stellte Hanako besorgt fest.
„Saya, Ritchie... alles okay mit euch? Ihr seid so rot im Gesicht... habt
ihr Fieber?“, fragte sie.
Das war zu viel. Die drei Freundinnen prusteten gleichzeitig los und mussten
sich ge-genseitig stützen, damit sie nicht vor Lachen umfielen. Hanako sah nur
irritiert von einer zur anderen und verstand nicht, was los war. „Ähm,
geht’s euch noch gut??“, fragte sie unsicher.
Saya hatte sich als Erste wieder gefangen. Bemüht, nicht zu lachen,
versuchte sie Ha-nako die Situation zu erklären. „Also, Hanako, jetzt hör
mir mal gut zu: Wir schreiben heute weder einen Test noch haben wir eine
mündliche Prüfung bei Hikari. Du verstehst?“
Die arme Hanako schaute zuerst noch stirnrunzelnd in die Runde, als es dann
endlich bei ihr machte. Sofort beschwerte sie sich. „Was fällt euch
ein, mich so zu er-schrecken?? Wisst ihr, dass ich 1000 Tode gestorben bin wegen
euch??“, entkam es ihr halb lachend, halb verzweifelt, während sie mit ihren
Armen rumruderte. Die Freundin-nen sahen zu, dass sie außer Reichweite kamen,
um so nicht getroffen zu werden.
„Schon. Aber dadurch bist du immerhin wach geworden, oder?“, meinte
Ritchie nur lachend, wodurch sie eine spöttischen Blick von Hanako erntete.
„Jetzt ist es aber genug! Wir wollten doch mit Jeanne und Navena trainieren
gehen! Wahrscheinlich liegen die beiden immer noch in ihre Betten! Kommt! Wir
wollen sie we-cken gehen!“, schlug Nela fies grinsend vor.
Die anderen stimmten ihr begeistert zu.
„Eure Namen... sind das nicht gleichzeitig auch Sternnamen?“, fragte
Jeanne Sirius, die ihr und Navena eine Liste mit allen Schülerrinnen der Schule
zeigte. Ihre Freundin schau-te sie erstaunt an. Was die mal wieder alles wusste
an Stelle vom Unterrichtsstoff.
Sirius nickte anerkennend. „Nicht schlecht. Aber es ist kein Zufall. Die
Leute, die kei-nen Sternnamen haben, bekommen hier einen und werden dann auch so
genannt. Das ist eine der Vorschriften an dieser Schule, “ erklärte sie.
„Und wetten, dass ihr nur bestimmte Kleidungen tragen dürft?“, meinte
Navena nun grinsend.
Sirius sah Navena an, als ob sie sich gerade als Außerirdische entpuppt hat.
„Sag mal, woher wisst ihr das alles? Ihr könnt einem echt Angst einjagen!!“
„Tja...“
„Kannst du uns vielleicht zu deiner Meisterin führen? Wie heißt die denn
nochmal?“, mischte sich Jeanne ein.
„Polaris. Und ja, ich kann euch hinführen. Aber erst, wenn sie wach ist.
Mit anderen Worten: Ihr müsst euch noch ein paar Stündchen gedulden!“,
erklärte Sirius.
„Kein Problem.“
„Vielleicht könntest du uns ja mal ein Zimmer anbieten, wo wir uns
ausruhen können, da wir bestimmt für längere Zeit hier bleiben werden, “
schlug Navena grinsend vor.
„Hm... kein einziges Schnarchgeräusch... ob die schon wach sind?“,
murmelte Saya und schaute Nela fragend an.
„Weiß nicht. Aber das wär’ eigentlich ein Wunder, denn die beiden sind
eigentlich Lang-schläfer! Das weißt du doch, Saya, “ meinte Nela flüsternd
zurück.
„Aber du weißt genauso gut wie ich, dass die beiden normalerweise
schnarchen.“
„Das stimmt nicht ganz!“
„Hä?“
„Jeanne schnarcht. Navena redet im Schlaf, weißt du nicht mehr?“
„Du meinst, als wir Skifahren waren? Da weiß ich nur noch, dass Jeanne
schnarchend neben mir lag und ich jedes Mal gedacht hab, dass sie Bäume
fällt!“, meinte Saya und rieb sich ihren rechten Arm, als ob es erst gestern
passiert war, als Jeanne sich an daran geklammert hatte.
Nela lachte. „Stimmt ja. Das war vielleicht was. Und Navena hat im Schlaf
gesprochen. Da kam ein >Yeah! ... nenenenenee<, dicht gefolgt von ’nem
Schmatzer. Wir haben sie doch verdächtigt, dass sie geheime Vorräte an
Süßigkeiten unter ihrem Kissen versteckt hat, schon vergessen?“, fragte Nela
grinsend weiter und musste lachen.
„Aha... und das weißt du noch alles?! Hey, Hanako! Hörst du, ob sie schon
wach sind?“, fragte Saya Hanako, die mit Ritchie den Anfang bildete. Diese
schüttelte gerade den Kopf, als ihre Freundin die Tür von Navena und Jeannes
Zimmer mit einem Ruck aufriss. „Jeanne! Navena! Zeit zum Aufste-“, rief sie
munter, als sie sich mittendrin unterbrach.
„Ritchie? Ist was passiert?“, fragte Nela, als sie Ritchies erschrockenen
Blick sah. Als diese nicht antwortete, drängte sie sich energisch an Hanako
vorbei und warf einen Blick ins Zimmer.
Keine Spur von Jeanne und Navena...
„Was ist denn los?“, ertönte Hanakos besorgte Stimme aus dem
Hintergrund.
„Eine Sensation! Die beiden sind schon wach!“, meinte Nela und ließ ihr
Blick nochmals im Zimmer schweifen. Irgendwas stimmte hier nicht, das sagte ihr
Gefühl.
„Eeecht?!“, kam es von der überraschten Hanako. Saya blieb vor Staunen
der Mund offen stehen.
„Ja, die beiden müssten inzwischen schon wach sein. In ihrem Zimmer sind
sie jeden-falls nicht, “ kam es von Ritchie.
„M-hm“, machte Nela nur und blickte sich immer noch im Zimmer um.
„Na, wenn das so ist, sollen wir die beiden nicht suchen gehen?“, schlug
Hanako vor, die sich allmählich von ihrem Schock erholt hat.
„Gute Idee!“, meinte Ritchie und die beiden ließen Saya und Nela
alleine, um Navena und Jeanne zu suchen.
Währenddessen schweifte Nelas Blick ziellos im Raum umher, als ihr Blick an
einen dunkelroten Briefumschlag auf Jeannes Schreibtisch hängen blieb. Mit
einigen Schritten war sie dort und begutachtete den Umschlag, auf dem mit
säuberlicher Schrift geschrieben stand.
„Hey, Saya! Hier ist ein Brief von Jeanne an uns beide geschrieben!“,
rief Nela ihrer Freundin zu.
Saya schaute verblüfft auf den Umschlag in Nelas Hand. „An uns?“, fragte
sie erstaunt. Nela nickte.
Mit schnellen Schritten lief Saya zu ihr und schnappte sich den dunkelroten
Briefum-schlag. „Du hast Recht! Aber bist du dir sicher, dass er von Jeanne
ist? Was ist, wenn es eine Falle ist?“, fragte Saya unsicher.
„Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass er von Jeanne ist. Sie
benutzt doch immer nur dunkelrotes Briefpapier mit dunkelroten Umschlägen,
schon vergessen? Außerdem würde ich ihre Schrift im Dunkeln wiedererkennen!
Nur sie schreibt so sauber!“, erklärte Nela.
„Navena hat auch eine saubere Schrift!“, versuchte Saya zu
widersprechen.
„Stimmt, aber sie benutzt nur grünes Briefpapier mit grünen Umschlägen!
Und ihre Schrift ist nicht sauber, ihre Schrift ist cool!“, meinte Nela
grinsend.
„Sei froh, dass ich gerade die einzigste Zeugin bin...“, kam es von Saya
grinsend zu-rück.
„Tja! Darf ich jetzt den Brief aufmachen?“, fragte Nela ungeduldig.
„Von mir aus!“
Neugierig riss Nela den Briefumschlag auf und entfaltete ein dunkelrotes
Papier, auf der Jeannes säuberliche Handschrift zum Vorschein kam. Sie strich
es glatt und breitete es auf Jeannes Schreibtisch aus. Die beiden beugten sich
über das Papier und begannen zu lesen.
Hi Saya! Hallo Nela!
Wundert euch nicht, weil ich euch plötzlich einen Brief schreibe. Es bot
sich leider keine Gelegenheit, euch die Sachen zu erzählen, die gerade eben
passiert sind, als ihr trainiert habt. Also erzähle ich euch jetzt alles ganz
grob:
Eine Elfin namens Gwenwin, die Navena zum Verwechseln ähnlich sieht, hat sie
um Hilfe gebeten. Nicht wirklich sie, sondern der gute Teil ihrer Seele, der aus
ihrem Körper verbannt wurde, weil der böse Teil die Oberhand gewonnen hat.
Gwenwin will wieder in ihren Körper zurück, doch dabei darf sie nicht von
Yami, ihren Meisterin, gestört werden. Und Yami ist ein verbannter Schüler von
Hikari!!
Nun, wie auch immer, Gwenwin hat Navena also um Hilfe gebeten, und ihr könnt
euch denken, was Navenas Reaktion war – sie hat versprochen, ihr zu helfen.
Und, naja, ich habe das Gespräch ungewollt mitbekommen und auch sofort
beschlos-sen, sie auf der Reise zu begleiten. Wir werden vermutlich heute Nacht
heimlich aus der Schule schleichen und unsere Einhörner mitnehmen, damit wir
nicht so lange unterwegs sind. Hikari werden wir nichts erzählen.
Nun habe ich eine Bitte an euch: Kommt uns bitte, sobald es möglich ist,
nach. Navena soll Yami ablenken, während Gwenwin dann versucht, ihren bösen
Teil zu besiegen und in ihren Körper zu gelangen. Den Gerüchten zufolge soll
Yami sehr stark und nicht so leicht zu täuschen sein. Deshalb glaube ich auch
kaum, dass Navena und ich es auch schaffen werden.
Bitte, kommt uns so schnell wie möglich nach, wenn ihr könnt! Und erzählt
Hikari bitte nichts von der Sache!! Unser erster Halt ist die Schule der Sterne
im Sternengebirge. Danach führt unser Weg weiter zum Kristallfluss bzw. in die
Schule der Kristalle. Wenn wir dort genug Informationen über Yami gesammelt
haben, wird unser Weg zum Schat-tenwald weiterführen. Dort wird es am
schwierigsten sein, um an Informationen zu kommen, da es dort weder Schulen noch
Clane gibt und kaum jemand, den man nach Schattenmagier Wami fragen kann. Nicht
weit entfernt wird dann vermutlich die Festung von Yami sein.
Bitte kommt uns nach, sobald ihr könnt! Und erzählt niemanden von dieser
Sache und diesem Brief! Wir werden bei der Schule der Kristalle auf euch warten!
Viel Glück!
Liebe Grüße,
Jeanne
Saya schaute Nela verdutzt an. „Ähm, heißt der Magier jetzt Yami oder
Wami??“, fragte sie verdutzt.
„Ich denk mal, dass Jeanne sich mal wieder verschrieben hat und der Magier
Yami heißt, “ meinte Nela und las sich den Brief noch einmal durch.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Saya.
Nela sah ihre Freundin grinsend an und steckte den Brief zurück in den
Umschlag. „Jetzt? Jetzt packen wir alle nötigen Sachen für unsere Reise
heute Abend zusammen!“
Inzwischen hatte Sirius Jeanne und Navena ihre Zimmer gezeigt und auch
passende Kleidung bereit gelegt. „Für alle Fälle! Falls Polaris gerade
schlechte Laune hat, müsst ihr euch ebenfalls an die Regeln halten!“, hatte
sie erklärt. Jetzt waren die drei auf dem Weg zu Polaris.
„Navena? Hast du eine Idee, was wir Polaris sagen sollen, falls sie uns
fragt, warum wir für eine Weile hierbleiben wollen?“, fragte Jeanne ihre
Freundin flüsternd.
„Sagen wir mal so... wenn ich dir die Aufgabe geben sollte, sämtliche
Antworten parat zu halten, würdest du dich vermutlich vor lauter Nervosität
verplappern!“, flüsterte Na-vena zurück und lief sicherheitshalber ein
bisschen schneller.
„So? Wenn du der Meinung bist, dann überlasse ich alles dir!“,
antwortete Jeanne schnippisch.
„Ähm, wenn ich euch unterbrechen darf, ihr zwei... Wir sind da!“,
unterbrach Sirius die beiden Streithähne.
Die beiden hörten augenblicklich auf mit ihrer Zankerei. Sie waren an einer
Tür ste-hengeblieben, die mit Sternen und Sternschnuppen bemalt war.
„Also, bist du soweit?“, fragte Jeanne Navena seufzend.
„Klar! Jederzeit!“, kam es von Navena grinsend zurück. Jeanne
unterdrückte sich ihr Grinsen und klopfte an die Tür.
„Herein!“, ertönte es von innen.
Navena atmetete noch einmal tief ein, bevor sie die Tür öffnete und
eintrat. Jeanne und Sirius folgten ihr.
Eine Frau saß am Schreibtisch und schrieb gerade etwas auf ein Stück
Pergamentpa-pier. Ihre langen blauen Haare waren kunstvoll mit goldenen
Haarnadeln zusammenge-steckt und einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht.
Endlich legte sie ihre Feder beiseite und schaute auf.
„Nanu? Sirius? Was machst du denn hier? Solltest du nicht lieber für die
Prüfung mor-gen trainieren?“, fragte die Frau überrascht.
„Das stimmt, Meisterin! Aber als ich heute Morgen das Tor öffnete, standen
diese bei-den hier davor und baten mich, sie zu Euch zu führen. Sie haben extra
so lange gewartet, bis ich sicher war, dass Ihr auch bestimmt schon wach seid,
“ erzählte Sirius höflich.
„Hast du unseren Besuch wenigstens ein geeignetes Zimmer gezeigt?“
„Jawohl, Meisterin!“
„Sehr gut. Dann darfst du dich jetzt entfernen, Sirius!“
„Jawohl.“ Sirius verbeugte sich und verließ dann den Raum.
Die Frau wandte sich lächelnd Navena und Jeanne zu. „Erstmal herzlich
willkommen in der Schule der Sterne! Ich bin Polaris und leite diese Schule hier
im Sternengebirge. Ihr wolltet mich sprechen?“, fragte sie und ihre blauen
Augen schauten die beiden Freunde freundlich an.
Navena nickte. „Es stimmt, Meisterin Polaris. Wir sind Schülerinnen von
der Schule des Lichts, die von Meisterin Hikari gegründet worden ist. Mein Name
ist Navena und das ist meine Freundin Jeanne.“
Polaris lächelte. „So. Und warum wolltet ihr mich so dringend
sprechen?“
Navena zögerte. Sollte sie der Gründerin der Schule der Sterne den wahren
Grund ver-raten? Fragend schaute sie zu Jeanne rüber – und nickte ihr dann
kurz zu. Diese verstand und wandte sich an Polaris.
„Wir wollten Sie fragen, ob Sie etwas über den Schattenmagier Yami
wissen.“
Navena schaute Jeanne erstaunt an. Sie hatte eigentlich erwartet, dass sie
auch die Sache mit Gwenwin verraten würde, aber wie sich herausstellte, war
Jeanne doch schlauer, als sie manchmal vorgab...
Polaris’ Lächeln erstarrte. Entsetzt schaute sie die beiden Freundinnen
an. „Was...? Wieso...? Warum wollt ihr was über einen... einen Magier aus
einer Legende erfahren? Es gibt ihn gar nicht!“, brachte sie dann stockend
hervor.
Navena setzte ihr unschuldigstes Lächeln auf. „Wir haben nur gehört, dass
er einmal ein Schüler von Meisterin Hikari war, Meisterin Polaris. Aber so, wie
wir Menschen sind, wird Meisterin Hikari uns bestimmt nichts über einen
Schüler verraten, den sie damals aus ihrer Lehre verbannt hat. Deshalb haben
wir die Idee gehabt, dass wir euch fragen, Meisterin Polaris, “ erzählte
sie.
„Mich?“, fragte diese, bemüht, überrascht zu klingen.
„Ja, Sie, Meisterin Polaris. Sie sind doch sehr gut mit Meisterin Hikari
befreundet!“, fuhr Jeanne hastig dazwischen.
Polaris überlegte kurz. „Nein, tut mir leid, dass ich euch nicht helfen
kann. Aber ich weiß auch nur, dass Yami von Hikari aus der Lehre verbannt
wurde, weil er anfing, dunk-le Magie zu gebrauchen. Also, wenn sonst nichts
weiter ist, dann dürft ihr jetzt gehen. Ich habe zu tun!“ Und mit diesen
Worten wurden Jeanne und Navena aus Polaris’ Büro „vertrieben“.
Nela kramte in ihrer Kommode nach und suchte verzweifelt nach ihrem Buch
Zauber-sprüche – für Zuhause und unterwegs, was sie vermutlich verlegt
hatte. Gerade in diesen Moment stürmte Saya ins Zimmer.
„Nela? Was machst du da??“, fragte Saya, als sie den Chaos in ihren
Zimmer sah.
Nela grummelte etwas, was sie nicht verstand.
„Ich hab gerade unseren Einhörnern genügend Futter bereitgestellt. Heute
Nacht kön-nen wir dann aufbrechen, “ erzählte Saya.
Endlich schaute Nela mal hoch und zog triumphierend ihr Buch aus den
Klamotten-Stapeln. „Na endlich! Das Buch such’ ich schon seit Stunden!“,
rief sie glücklich und packte es sogleich in die Satteltasche.
Dann endlich wandte sie sich Saya zu. „Das ist gut. Ich hab auch alles
Nötige zusam-mengepackt. Und unsere Waffen tragen wir ja immer bei uns.“
Saya nickte zustimmend. „Sollten wir unsere Kampfanzüge nicht
mitnehmen?“, fragte sie nachdenklich.
„Stimmt!“, entfuhr es Nela und sie schnippste mit den Fingern. „Aber
die Taschen sind schon voll... Am besten, wir ziehen sie gleich an. Nachts kann
es in den Wäldern sehr unangenehm werden!“
„Gute Idee!“
„Also, nach dem Abendessen brechen wir auf.“
„Was war denn das?“, fragte Jeanne verdutzt, als sie vor dem Büro
standen. Navena deutete ihr mit einer Geste an, das sie nachdachte. Jeanne
konnte die einzelnen Zahnrä-der förmlich in Navenas Kopf sehen, die sich
rasend schnell drehten und bedrohlich laut knatterten und knirschten.
„Polaris hat uns nicht die Wahrheit erzählt, “ entfuhr es Navena
plötzlich. Jeanne schaute ihre Freundin noch verdutzter an.
„Hä?“
Navena sah Jeanne gereizt an. „Hast du nicht gesehen, wie ihr Lächeln
mittendrin er-starrte, als du von ihr verlangt hast, dass wir Informationen
über Yami sammeln wollen? Sie war so entsetzt, dass sie sogar stotterte, weil
sie dachte, dass... ach, was weiß ich! Weil sie dachte, dass wir uns für
schwarze Magie interessieren oder sonst sowas in der Art!“, erklärte Navena
Jeanne ungeduldig. „Deswegen hat sie uns wahrscheinlich auch rausgeschmissen.
Vermutlich misstraut sie uns jetzt.“
Jeanne sah besorgt drein. „Das wäre gar nicht gut...“
„Nichts zu machen. Wir hätten uns gleich denken sollen, dass das keine so
gute Idee war, “ meinte Navena seufzend. „Und jetzt? Wie sollen wir an
Informationen über Yami kommen?“
Jeanne schnippste grinsend mit den Fingern – ein Zeichen dafür, dass sie
eine gute Idee hatte. „Ich hab’s! Ich könnte heute Abend schon zu
Informationen kommen, wenn alles gut läuft!“, sagte sie triumphierend. Jetzt
war es Navena, die verdutzt reinschaute.
„Hä?“
„Mann, bin ich voll!“, rief Hanako heraus und gähnte hinter ihrer Hand.
„Müde?“, fragte Nela geistesabwesend.
„Na klar! Ich hab gestern immerhin nur 5 Stunden geschlafen.“
„Soll das irgendeine Anspielung sein?“, mischte sich Ritchie in das
Gespräch ein.
„Nö... wie kommst du drauf?“, fragte Hanako scheinheilig.
„Naja, Nela und ich wollten noch ein wenig üben gehen. Also lassen wir
euch mal allei-ne. Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen…“, bemerkte Saya
seufzend und lief mit Nela in ihr Zimmer, Hanako und Ritchie hinter sich
lassend, die viel zu sehr in ihr Gespräch vertieft waren, um zu merken, dass
sie alleingelassen wurden.
Als Navena in ihr Zimmer trat, lag Jeanne schon in ihrem Bett und schlief,
wobei sie die Nachttischlampe angelassen hatte, die das Zimmer in einem matten
Gelbton erhellte. Sie beobachtete ihre schlafende Freundin grinsend. Dann blieb
ihr Blick an einem golden ver-zierten Buch hängen, in dessen Seiten ein
Lesezeichen eingeklemmt war. Neugierig nahm sie das Buch in die Hände und
betrachtete es. Auf dem Einband war der Titel Mythen und Legenden eingeprägt.
Das Interesse geweckt, blätterte Navena ein paar Seiten durch, wobei sie sich
auf Jeannes Bettkante niederließ. Nicht lange und sie wurde von der Welt der
Mythen und Legenden gefesselt.
Zur gleichen Zeit sattelten Saya und Nela ihre Einhörner und befestigten
daran ihre Satteltaschen. Lautlos führten sie diese dann aus der Schule und
ritten sogleich Richtung Kristallfluss, um dort auf Jeanne und Navena zu
treffen.
„Glaubst du, dass wir heute noch ankommen?“, fragte Nela Saya.
„Schwer zu sagen. Aber ich denke, dass wir so gegen Morgengrauen beim
Sternenge-birge ankommen werden, “ vermutete Saya.
„Das wäre nicht schlecht. Vielleicht sind Jeanne und Navena ja noch da und
wir können anschließend gemeinsam zum Kristallfluss reiten!“, meinte Nela
hoffnungsvoll.
Saya lachte. „Je mehr Narren, desto besser das Lachen, oder wie auch immer?
Du hast Recht. Zu viert wird so ’ne Reise bestimmt viel lustiger!“
Unterdessen befand sich Jeanne in der „Traumwelt“ und irrte mal wieder
ziellos umher. Sie wollte so schnell wie möglich ihre Meisterin finden, weil
sie auf die Idee gekommen war, diese nach Informationen zu fragen, denn sie
vermutet, dass diese etwas wusste.
„Hoffentlich, “ dachte sie, „hoffentlich kann sie mir auch dieses Mal
helfen!“
Zu ihrem Glück fand sie das Wolkenschloss schneller als sonst. Ihre
Meisterin trat ge-rade heraus. Diese war überrascht, als sie ihre Schülerin so
früh schon sah.
„Nanu? Jeanne! Was machst du denn so früh schon hier?“, fragte sie
verdutzt.
„Meisterin! Bitte! Ich habe eine ganz dringende Frage!! Hoffentlich könnt
Ihr mir hel-fen!“
Diese schaute Jeanne verwundert an. Das war das erste Mal, dass sie Jeanne so
aufge-regt erlebt.
„Meisterin! Wisst Ihr vielleicht etwas über den Schattenmagier Yami?“,
fragte Jeanne.
Genau wie bei Polaris erstarrte Jeannes Meisterin von einer Sekunde zur
anderen. „Was?? Aber... Jeanne! Wieso fragst du mich plötzlich solche Sachen?
Und... woher weißt du etwas von einem Schattenmagier namens Yami? Wer hat dir
das erzählt?“, fragte sie entsetzt.
Jeanne trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. „Meisterin, bitte! Die
Zeit drängt! Ich will nur einer Freundin von Navena helfen, die sie um Hilfe
gebeten hat! Und dazu benötigen wir alle möglichen Informationen über Yami!
Bitte, Meisterin! Ihr wisst doch ganz bestimmt etwas!“, drängte sie.
Diese schaute Jeanne mit besorgter Miene an. „Jeanne. Ich bin nicht die
Richtige, die dir darüber was erzählen kann, aber... ich werde dir helfen. In
der Schule der Sterne gibt es eine Sternenbibliothek. Dort kannst du in den
Büchern Zaubersprüche und Flüche, Magier, Krieger und Dämonen, Mythen und
Legenden und Dörfer und Clane etwas über ihn herausfinden. Doch wo genau diese
Bücher stehen, das kann ich dir nicht sagen. Und sei vorsichtig! Die
Sternenbibliothek ist groß und man verirrt sich da leicht! Markiert euch euren
Weg am besten!“, riet diese ihr.
„Aber Meisterin, wo...?“ Weiter kam Jeanne mit ihrer Frage nicht, denn
wie einige Tage zuvor löste sich das Schloss plötzlich auf und sie wurde
zurückgezogen. Dann sank sie in die Finsternis...
„Jeanne! JEANNE!!! Wach auf, verdammt nochmal!!“ Navena rüttelte grob an
Jeannes Schulter und versuchte ihr Möglichstes, um ihre Freundin aufzuwecken,
als diese sich mit einem Mal kerzengerade aufrichtete und verwirrt vor sich
hinstarrte.
„Jeanne! Hörst du mich?“, fragte Navena unsicher. Keine Antwort.
„Jeanne??“
Endlich drehte sich Jeanne zu Navena um – und blickte ihr wütend ins
Gesicht. „Was hab ich denn gemacht? Ich hab dich doch nur geweckt!“,
verteidigte Navena sich er-schrocken.
„Genau! Du hast mich geweckt! Und zwar gerade dann, als ich von meiner
Meisterin wissen wollte, wo die Sternenbibliothek ist, in der wir dort dann
Informationen zu Yami finden können!!“, rief Jeanne wütend.
„’Tschuldigung, konnte ich ja nicht wissen!“, meinte Navena und
seufzte.
Jeanne schnaubte wütend
„Echt, Jeanne! Das wollte ich nicht. Aber ich hab hier in deinem Buch auch
etwas Inte-ressantes herausgefunden.“
Mit einem Schlag war Jeannes Wut verflogen. „Mein Buch?? Bist du dir
sicher? Ich hab nämlich keine Bücher mitgenommen!“, meinte sie und schaute
Navena verwundert an.
Nun war es Navena, die Jeanne erstaunt anstarrte. „Was?! Aber... das Buch
lag hier auf deinem Nachttisch! Und dein Lesezeichen steckte drin!“
„Zeig mal her!“, forderte Jeanne ihre Freundin auf.
Navena reichte Jeanne das Buch in die Hand.
Diese las sich den Titel durch und schaute ihre Freundin dann fröhlich an.
„Navena! Du bist spitze!!“, entfuhr es ihr.
„Hä?“
„In diesem Buch können wir etwas über Yami herausfinden!! Das hat mir
mein Meiste-rin erzählt!“
„Deswegen hab ich dich aber nicht geweckt, Jeanne, “ sagte Navena und
nahm Jeanne das Buch aus der Hand.
„Was...?“
Navena schlug eine bestimmte Seite auf und zeigte auf ein Bild. „Schau dir
das mal an. Ist das nicht zufällig dein Schwert?“, fragte sie ihre Freundin.
Jeanne schaute sich das Bild genauer an. „Ja, schon. Und weiter?“
„Bist du dir wirklich sicher, dass es dein Schwert ist?“
„Ja.“
„Wirklich total sicher? Also, ich meine, ohne jeglichen Zweifel und so?“
„Ja, verdammt!! Wieso fragst du? Du erkennst mein Schwert doch auch leicht
wieder, oder? Also, was soll die ganze Fragerei??“
„Ist ja gut, beruhig dich wieder. Ich zeig es dir... auf ’ner anderen
Seite ist die Be-schreibung... gefunden! Hier, lies mal!“
Das Phönix-Schwert
Das Phönix-Schwert ist eine der heiligen Waffen. Seit Anbeginn der Zeit hatte
es der O-berhäuptin des Phönix-Clans gehört, die als eine der mächtigsten
Kriegerinnen galt. Doch vor einigen Jahren wurde der Phönix-Clan ausgelöscht
und nur wenige Phönix-Kirits über-lebten. Auch das Phönix-Schwert verschwand
und niemand weiß, was heute daraus ge-worden ist. Gerüchten zufolge soll die
Oberhäuptin überlebt haben und nach einer eben-bürtigen Erbin suchen, die mit
dem Schwert umgehen kann, ohne beim Anfassen des Schwertes sofort zu Staub zu
zerfallen. Soweit die Information stimmt, war die letzte Oberhäuptin Kajika.
Jeanne schaute nochmals auf das Bild. Kein Zweifel. Das abgebildete Schwert
war ihr Schwert. Kein Wunder, dass ihre Meisterin sie beim ersten Mal
fürsorglich gewarnt hatte, nicht jedem das Schwert zu zeigen. Aber woher hatte
ihre Meisterin das Schwert gehabt? Wenn die Gerüchte wirklich stimmten, dann
würde dies heißen, dass ihre Meisterin die Oberhäuptin des Phönix-Clan war -
Kajika!
Sie schüttelte entschlossen den Kopf. Das konnte nicht sein! Oder doch? Aber
das wä-ren doch viel zu viele Zufälle auf einmal! Wieso sollte die
Oberhäuptin Kajika ausgerech-net sie, Jeanne, ein junges, naives Mädchen im
Alter von sechzehn Jahren, als Erbin an-sehen? Und wer sagte denn, dass ihr
Schwert wirklich das Phönix-Schwert war?
„Hey, Jeanne! Alles okay?“, fragte Navena ihre Freundin und schaute sie
besorgt an.
Jeanne seufzte. „Nein, nichts ist okay! Mein Kopf platzt gleich wegen den
vielen Fragen, die mir keiner beantworten kann!“, meinte sie und ließ sich
auf ihren Kissen fallen. Sie fühlte sich auf einmal total erschöpft und hatte
gerade überhaupt keine Lust, über Yami oder ihrem Meisterin oder das
Phönix-Schwert nachzudenken.
„Vielleicht sollten wir uns erstmal ausruhen und morgen weiter darüber
reden, “ meinte Navena und löschte das Licht.
Kapitel 4: Der erste Kampf
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Als der neue Morgen anbrach, kamen Saya und Nela dann endlich im Sternengebirge
an. Saya war wieder einmal „sehr gesprächig“, weil sie so müde war, dass
sie jederzeit auf ihrem Einhorn einschlafen konnte.
„Was meinst du? Sollen wir uns ein bisschen in der Schule der Sterne
ausruhen?“, frag-te Nela und gähnte.
„Mhm...“, meinte Saya nur geistesabwesend.
„Mann, bist du gesprächig...“
Als Saya und Nela an der Schule der Sterne ankamen, machte gerade ein kleines
Mäd-chen mit blau-grünen, langen Haaren das Tor auf. Sie erblickte die beiden
Freundinnen, die vor Müdigkeit jederzeit vom Einhorn runterfallen könnten.
„Nanu? Wer seid ihr denn?“, fragte sie.
„Ich bin Nela. Und das hier ist meine Freundin Saya, “ stellte Nela sich
und Saya vor.
„Mhm...“
„Aha!“, machte das Mädchen nur. „Ich bin Antares.“
„Wir sind Schülerinnen von der Schule des Lichts und... äh... und machen
einen Aus-flug. Da wir aber schon ziemlich lange unterwegs waren, wollten wir
fragen, ob wir hier ’ne kurze Rast einlegen können, “ erzählte Nela.
„Mhm...“
Das Mädchen schaute skeptisch zu Saya rüber. „Sag mal, ist deine Freundin
immer so gesprächig?“, fragte es.
„Nein. Eigentlich nur, wenn sie müde ist, “ meinte Nela entschuldigend.
„Mhm...“
Unterdessen kam Navena gerade zurück in ihr Zimmer. „Hey, Jeanne! Zeit zum
Aufste- Oh! Du bist schon wach?!“, fragte sie erstaunt.
„Schlimm?“, murrte Jeanne fragend und steckte sich ihre Haare hoch.
„Nö, nur ungewöhnlich!“, meinte Navena lächelnd. „Komm’ schon! Ich
will den Unter-richt nicht verpassen! Vor allem nicht Zaubertränke!“
„Magische Kunst ist mir irgendwie lieber..., “ meinte Jeanne und
schnappte sich einige Pergamentblätter und Federstifte. „Lass uns los!“
„Waas?! Ihr habt jetzt das Fach Magische Kunst?? Da will ich hin!“, rief
Nela heraus. „Was ist denn das für ein Fach?“, fragte Saya und rieb sich
müde die Augen.
„Das ist ein Fach, wo man lernt, magische Tiere und Pflanzen
abzuzeichnen!“, erklärte Antares lachend.
„Hm... ist nichts für mich. Ich mag Zaubertränke lieber!“, meinte
Saya.
„Hast wohl zu viel Harry Potter gelesen?“, rief Nela lachend. Saya
steckte ihr die Zunge raus.
„Hey, hört doch auf! Und was Zaubertränke angeht... wir haben dieses Fach
wirklich!“, unterbrach Antares die beiden Streithähne grinsend.
Saya und Nela starrten Antares erstaunt an. „Echt jetzt??“
Navena schlenderte die Flure entlang und schaute sich suchend um. Irgendwie
hatte sie sich verlaufen und fand den Raum nicht, wo das Fach Zaubertränke
unterrichtet wer-den sollte.
Sie hielt inne und kratzte sich nachdenklich am Kopf. War sie hier nicht
schonmal vor-beigelaufen? Ach, es war zum Kotzen! Wieso sehen in der Schule der
Sterne auch alle Gänge und Flure genau gleich aus?? Wütend lief sie weiter. Ob
es Jeanne geschafft hatte, sich im „Labyrinth“ zurechtzufinden...?
Plötzlich hielt sie an einer seltsamen Tür inne. Sie hatte die Form eines
Sterns und war mit kleinen, einzelnen, glitzernden Sternen verziert worden.
Neugierig öffnete Navena die Tür und schaute hinein – und hielt vor
Erstaunen den Atem an! In dem Raum türmten sich die Regale voller Bücher! Das
reinste Paradies für jemand, der gerne liest.
Sie hatte die Sternenbibliothek gefunden!
Bewundernd trat sie in den Raum hinein und lief zu einem Regal, um die Titel
anzu-schauen, als sie plötzlich eine Bewegung neben sich wahrnahm.
Stirnrunzelnd schaute sie in die Richtung, konnte allerdings nichts
Verdächtiges entdecken. „Wahrscheinlich hab ich mir bloß was
eingebildet...“, dachte sie bei sich und wandte sich wieder den Büchern zu.
Inzwischen saß Jeanne im Hof auf dem Rasen und zeichnete gerade ihr Einhorn
Crystal ab. Schon von klein auf zeichnete sie sehr gerne, weil sie sich dabei am
besten von Ge-schehnissen ablenken konnte, die sie schwer mitnahmen. Von klein
auf? Sie hörte kurz auf zu Zeichnen. Wenn sie genauer nachdachte...
Sie wusste nicht einmal, wie sie in die Schule des Lichts gekommen ist!
Komisch, wieso ist sie nicht früher auf den Gedanken gekommen? Erst jetzt kam
ihr der Gedanke, dass sie überhaupt nichts über ihre Herkunft und
Vergangenheit wusste! Was hatte das denn zu bedeuten?
„Jeanne?“
Jeanne drehte sich erschrocken um. „Nela?!“, rief sie erstaunt, als sie
ihre Freundin entdeckte. „Was machst du denn hier?“, fragte sie
überrascht.
Nela schaute empört rein. „Also, hör mal! Du hast Saya und mir doch einen
Brief hin-terlassen und uns gebeten, zu kommen! Aber dass du noch hier bist...
ich dachte, wir wollten uns in der Schule der Kristalle treffen!“
„Es kam alles doch ein bisschen anders, “ meinte Jeanne entschuldigend
und umarmte ihre Freundin. „Aber ich bin froh, dass du hier bist! Wo ist
Saya?“
„Beim Unterricht für Zaubertränke, “ erzählte Nela und setzte sich
neben Jeanne auf den Rasen.
„Echt? Navena auch!“
„Tja, dann werden die beiden sich wohl ebenfalls getroffen haben!“,
meinte Nela la-chend.
„Wahrscheinlich.“
„Also habt ihr jetzt schon eine Spur?“, fragte Nela.
Jeanne nickte. „Ja. Aber dazu müssen wir erstmal die Sternenbibliothek
finden.“
„Wenn ihr wollt, können wir euch ja nach dem Unterricht dann helfen!“,
schlug Nela vor.
„Gerne! Wer hat euch beiden eigentlich hier reingelassen? Sirius?“,
fragte Jeanne Nela.
„Wer ist Sirius?“, wollte diese wissen.
„Ein Mädchen mit langen, dunkelblauen Haaren. Sie hat uns reingelassen und
uns ein Gespräch mit Meisterin Polaris ermöglicht,“ erklärte Jeanne. Sie
wollte ihrer Freundin gerade von den Ereignissen, die am Tage zuvor passiert
waren, erzählen, als sie plötzlich von grünem Licht umgeben wurde.
Nela sah entgeistert rein. „Jeanne? Was...?“
Jeanne versuchte, ruhig zu bleiben. „Ich... ich weiß nicht. Vielleicht...
bittet Sirius um Hilfe... und sucht die Sternenbibli-“ Weiter kam sie nicht,
denn das grüne Licht ver-schluckte sie und ließ die immer noch verblüffte
Nela alleine auf der Wiese zurück.
Navena schaute stirnrunzelnd vor sich. Komisch... sie hatte doch alles
richtig gemacht! Wieso ist Jeanne denn immer noch nicht hier? Sicherheitshalber
schaute sie nochmal im Buch nach, konnte sich jedoch nicht denken, was falsch
gesagt zu haben. Sie wollte den Teleportierzauber gerade erneut sprechen, als
hinter ihr ein lautes Krachen und Poltern zu hören war, dicht gefolgt von einem
lauten Aufstöhnen und Fluchen.
„Autsch! Verdammt, wo bin ich hier?“, ertönte es. Navena brauchte noch
einige Sekun-den, um aus ihrem Schrecken zu erwachen, lief dann aber erleichtert
in die Richtung, aus der die Stimme kam.
„Jeanne, alles okay?“, fragte sie sogleich ihre Freundin, die inmitten
von Büchern und umgekippten Regalen lag, und half ihr auf.
„Klar, alles okay! Ich bin ja nicht plötzlich von einem Ort zum anderen
teleportiert wor-den und wurde auch nicht plötzlich in der Höhe von 10 Metern
von der Magie losgelassen und bin auch nicht so auf den Regalen gefallen, dass
die umgekippt sind und ich von 1000 Büchern begraben wurde!“, kam es wütend
von Jeanne, die sich immer noch ihren schmerzenden Rücken rieb.
„Tut mir leid. Ich hatte es eigentlich so geplant, dass du da vorne an der
freien Stelle auftauchen solltest, “ entschuldigte Navena sich.
Jeanne grummelte nur ein wenig. „Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte
sie dann.
„In der Sternenbibliothek.“
Jeanne schaute sich um. Die Bibliothek sah ganz anders aus, als sie sich
vorgestellt hatte. Viel größer, schöner... und unübersichtlicher!
„Wie soll man hier überhaupt ein Buch finden?“, fragte sie sich.
Navena musste lachen. „Was hat nochmal deine Meisterin erzählt? Man
verläuft sich ziemlich leicht in dieser Bibliothek. Und so wie es aussieht, hat
sie wohl Recht! Ich bin gespannt, wie lange wir brauchen werden, um die Bücher
zu finden. Hast du was dabei, damit wir unseren Weg markieren können?“
„...willst du die Wahrheit hören?“
„...lieber nicht...“
„Warte mal, vielleicht hab ich ja doch was...?“, meinte Jeanne und kramte
in ihrer Ho-sentasche. Nach einer Weile zog sie ihr Taschenmesser hervor.
„Tadaa! Damit müsste es eigentlich auch gehen!“, rief sie triumphierend.
Navena schaute ihre Freundin anerkennend an. „Wie gut, dass du ihn immer
dabei hast! Lass uns mit der Suche beginnen, “ schlug sie vor.
Inzwischen waren schon die ersten beiden Unterrichtsstunden aus und Nela fand
Saya in ihrem Zimmer vor. „Hey, Saya! Na, wie war denn Zaubertränke?“,
fragte sie sogleich.
Saya schaute ihre Freundin gut gelaunt an. „Super! Das war echt voll
interessant! Mein einzigstes Problem: Ich hab vielleicht nur die Hälfte davon
verstanden...“
Nela lachte. „Immerhin bist du wieder bestens gelaunt, woraus ich
schließen kann, dass du nun hellwach bist, “ meinte sie.
Saya streckte ihr die Zunge raus.
„Hast du eigentlich Navena getroffen?“, fiel Nela dann ein.
Saya schaute ihre Freundin verblüfft an. „Nein. Wieso...? Hätte ich sie
treffen sollen?“
„Eigentlich schon! Ich hab Jeanne nämlich in Magische Kunst getroffen und
sie hat ge-sagt, dass Navena ebenfalls in Zaubertränke ist!“
„Du hast Jeanne getroffen??“
„Ja.“
„Und? Hat sie dir sonst noch etwas erzählt? Haben sie schon eine Spur?“
Nela seufzte. „Weißt du was? Das Beste wäre, wenn ich dir erstmal
ausführlich erzähle, was passiert ist in der Zeit, wo ich mich mit Jeanne
unterhalten habe...“
„Hey, Jeanne! Hast du schon irgendeine Spur?“, fragte Navena, während
sie seufzend ein weiteres Buch zuklappte.
Jeanne seufzte. „Schön wär’s! Ich hab bestimmt schon so um die 20
Bücher durchge-blättert, aber nicht einen einzigen Hinweis von Yami! Das ist
echt zum Kotzen! Wieso gibt es auch zu jedem Buchtitel an die 100 verschiedenen
Bücher??“, regte sie sich auf.
Navena seufzte ebenfalls. „Tja. So, wie es aussieht, wurde jedes Jahr ein
neues Buch geschrieben zu den Titeln, weil es wirklich jährlich die
interessantesten Neuigkeiten gab! Und natürlich war es einigen Leuten so
langweilig, dass sie diese Sachen auch noch fest-halten mussten!!“ Beide
seufzten.
„Ich frage mich echt, wie lange wir beide brauchen werden, um alle Bücher
zu durch-blättern, “ meinte Jeanne schließlich.
„...sie hat gesagt, dass wir Sirius um Hilfe bitten und die
Sternenbibliothek suchen sol-len. Und dann wurde sie von diesen grünem Licht
verschluckt, “ erzählte Nela.
„Sirius? Wer ist das?“, fragte Saya nachdenklich.
„Das ist ein Mädchen mit langen, dunkelblauen Haaren, die Jeanne und
Navena gestern hier reingelassen hat.“
„Geht’s vielleicht noch ein bisschen genauer? An dieser Schule gibt es
schließlich viele Leute, die lange, dunkelblaue Haare haben!“
„Tja, mehr weiß ich leider auch nicht...“
„Na, toll! Und jetzt?“, fragte Saya.
„Wieso fragste mich das?“, entgegnete Nela.
„Weil du einen IQ von 140 hast und ich nur einen von 127!“
„Als ob das jetzt in unserem Fall so entscheidend wäre!“
„Ist es etwa nicht?“
Genervt klappte Jeanne ein weiteres Buch zu. Es war einfach hoffnungslos! Sie
hatten beide zusammen vielleicht noch nicht einmal einen Viertel von den vielen
Büchern durchwälzt – geschweige denn das Glück, nur einen kleinsten Hinweis
über Yami zu fin-den. Missmutig packte sie den dicken Wälzer zurück ins
Regal, um den nächsten Wälzer runterzunehmen und durchzublättern. Sie
seufzte. So ging das bestimmt schon seit Stunden! Sie fragte sich, wie lange sie
noch brauchen würden...
„Hey, Navena! Hast du schon was gefunden?“, fragte sie nach einer Weile
ihre Freundin. Navena schüttelte enttäuscht den Kopf.
Jeanne seufzte erneut. „Wenn Saya und Nela und doch endlich finden
würden...“
Navena horchte auf. „Saya? Nela? Hier? Wie kommst du denn darauf?“,
fragte sie stirn-runzelnd.
„Ich hab dir doch erzählt, dass ich den beiden in einem Brief alles grob
erklärt und sie gebeten habe, dass sie nachkommen, “ fing Jeanne an.
„Ja, und weiter?“
„Nunja, die beiden sind heute Morgen schon angekommen. Hast du Saya nicht
in Zau-bertränke getroffen?“
„Nein, ich war da nicht mal, weil ich mich verirrt und den Raum nicht mehr
gefunden hab, stattdessen aber die Sternenbibliothek!“, erklärte Navena.
„Wie auch immer, die beiden sind hier und suchen wahrscheinlich schon die
Sternen-bibliothek.“
„Und woher wissen die davon? Wir wussten doch auch erst hier davon!“
„Ich hab Nela in Magische Kunst getroffen und konnte ihr noch davon
erzählen, bevor du mich... Hey! Das ist die Idee!!“, rief Jeanne plötzlich
heraus.
Navena fiel vor Schreck vom Stuhl. „Sag mal... könntest du vielleicht so
nett sein und mich nicht immer zu Tode erschrecken, wenn du ’ne Idee hast?“,
empörte sie sich.
„Navena! Wenn du es geschafft hast, mich hierherzuteleportieren, dann
müsstest du es doch auch bei Saya und Nela schaffen, oder?“, rief Jeanne
strahlend heraus.
„Ähm, nein!“, kam es von Navena.
Jeanne stand die Enttäuschung im Gesicht geschrieben. „Und wieso
nicht?“, fragte sie.
„Weil du mich so sehr geschockt hast, dass ich mich vor Schreck gar nicht
mehr kon-zentrieren kann für den Rest meines Lebens!“, meinte Navena
grinsend. Dann musste sie wegen Jeannes komischen Gesichtsausdrucks lachen.
„Klar kann ich das. Und ich muss schon sagen: Es kommt selten vor, dass du so
gute Ideen hast!“
„Tja!“, kam es von Jeanne, die ihr die Zunge rausstreckte.
„Und was jetzt?“, fragte Saya seufzend.
Nela zuckte die Schultern. „Wir könnten ja mal Sirius suchen gehen, “
schlug sie dann vor.
Saya seufzte nochmals. „Du hast Recht. Vermutlich ist es das einzig
Sinnvolle, was wir momentan tun können...“
Nela lachte. „Na, dann lass- Was geht hier vor??“, rief sie erschrocken,
als Saya und sie von grünem Licht umgeben wurden.
„Keine Ahnung! Aber hast du nicht gesagt, dass Jeanne ebenfalls von grünem
Licht umgeben wurde?“, fragte Saya.
„Worauf willst du hinaus?“, entgegnete ihre Freundin panisch.
„Vielleicht werden wir ja zu ihr gebracht?“
Jeanne schaute sich prüfend um. „Bist du dir sicher, dass du nichts falsch
gemacht hast?“, fragte sie ihre Freundin schließlich, die immer noch im
Schneidersitz auf den Bo-den saß.
Navena ignorierte sie. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und sie hatte
immer noch ihre Augen geschlossen, damit sie konzentriert blieb. Doch ein lautes
Rumsen – dicht gefolgt von lauten Schreien – ließ sie aufschrecken.
„Was war das?“, fragte Jeanne erschrocken und schaute in die Richtung,
aus der die seltsamen Geräusche kamen.
Navena rappelte sich auf und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
„Wenn alles geklappt hat, müssten es eigentlich Saya und Nela sein, die
gerade eben hierhertelepor-tiert wurden“ erklärte sie grinsend.
„...lass mich raten: Du hast sie ebenfalls aus einer Höhe von 10 Metern
fallen gelassen, sodass sie auf den veralteten Regalen voll Bücher gekracht
sind – genau wie ich??“
„Jop.“
Jeanne stöhnte bei den Gedanken daran und rannte schnell in die Richtung,
dicht ge-folgt von Navena, die wegen dem Zauber immer noch leicht außer Atem
war.
„Saya? Nela? Seid ihr das?“, fragte sie sogleich.
„Jeanne?“, kam es von Nela.
„Navena?“, kam es von Saya.
„Seid ihr okay?“, fragte Jeanne besorgt. Die beiden nickten bloß und
rieben sich ihren schmerzenden Rücken.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Navena und kratzte sich verlegen am
Kopf.
Nela schaute Navena überrascht an. „Du warst das? Ich hätte das eher
Jeanne zuget-raut!“
„Wie nett von euch.“
„’Tschuldigung. Kommt nicht wieder vor. Versprochen!“
„Das wollen wir mal hoffen!“, meinte Saya schmunzelnd.
„Stellt euch halt an wie Mädchen!“, entgegnete Navena frech grinsend.
„Wo sind wir hier eigentlich?“, unterbrach Nela die beiden.
„In der Sternenbibliothek.“
„Das heißt, ihr habt uns hierher geholt, damit wir euch helfen,
Informationen zu su-chen?“, fragte Nela.
„Du hast es erfasst.“
„Warum überrascht mich das nicht...“
Mit einem lauten Seufzer machten sich die vier daran, weiterhin die übrigen
Bücher zu durchblättern.
Stunden vergingen, und dennoch haben die vier nicht mal die Hälfte der
durchzublät-ternden Bücher durch. Draußen war es bereits tiefe Nacht, als
Jeanne gähnend ein weite-res Buch zuklappte und fragte: „Wollen wir nicht mal
eine Pause machen? Es ist schon spät! Wir können morgen ja wiederkommen!“
Navena schaute von ihrem Buch hoch. „Und was ist, wenn wir morgen nicht
mehr hier-her finden?“, fragte sie.
„Wir könnten doch hier schlafen!“, schlug Saya vor.
„Auf den Boden, oder wie?“, meinte Jeanne leicht spottend.
„Wozu gibt’s Bücher?“
„Das nimmst du zurück, Saya!!“, mischte sich Nela ein.
„War doch nur ’n Witz!“
„Also? Wie machen wir es jetzt?“, fragte Navena.
Jeanne und Nela schauten sich nachdenklich an.
„Wie wäre es, wenn zwei von uns jetzt erstmal zurück auf unsere Zimmer
gehen, alle nötigen Sachen zusammenstellen und Navena die beiden dann wieder
herteleportiert?“, schlug Saya vor.
Jeanne stöhnte. „Und wer darf ein zweites Mal wieder in einer Höhe von 10
Metern fallengelassen werden und für den Rest ihres Lebens Rückenschmerzen
haben?“, fragte sie und rieb sich ihren immer noch schmerzenden Rücken.
Navena schaute ihre Freundin grinsend an.
Diese verdrehte theaterisch ihre Augen. „Warum überrascht mich das nicht!
Und wer begleitet mich?“
„Hm... ich kann dich schlecht begleiten, da ich euch ja dann
herteleportieren muss. Aber ich fände es gerecht, wenn Nela mitgehen würde,
denn Saya hatte schließlich die Idee und sich deshalb eine ‚Belohnung’
verdient, “ meinte Navena.
„Von mir aus...“
„Dann denke ich, dass wir jetzt erstmal gehen, “ schlug Jeanne vor.
„Wie lange braucht man von hier bis zu unseren Zimmern?“, fragte Nela.
„...vielleicht ’ne Viertelstunde, “ meinte Navena nachdenklich.
„Gut, dann teleportiere uns in einer Dreiviertelstunde wieder hierher –
wer weiß, was dazwischen kommen könnte!“
„Okay.“
„Was meinst du? Ob Jeanne und Nela inzwischen schon unsere Zimmer gefunden
ha-ben?“, fragte Saya Navena einige Zeit später, während sie einen dicken
Wälzer zuklappte.
Navena schaute nachdenklich auf. „Ich weiß nicht, Saya. Ich hab heute
Morgen die Sternenbibliothek schließlich auch nur durch Zufall gefunden. Du
hast ja selbst gemerkt, dass die Gänge hier identisch sind, sodass es nahezu
unmöglich ist für uns, sich nicht zu verlaufen. Außerdem könnten sie
unterwegs auf Meisterin Polaris treffen, und die ist nicht gerade gut auf Jeanne
und mich zu sprechen...“
Saya lachte. „Das heißt mit anderen Worten: Die haben die Zimmer noch
nicht gefun-den!“
„Jop.“
Doch Navena irrte sich. Nela und Jeanne hatten schon längst die Zimmer
gefunden und packten momentan getrennt alle nötigen Sachen zusammen.
Jeanne überlegte gerade, was sie wohl noch brauchen würden, als es an ihrer
Zimmer-tür klopfte.
„Komm einfach rein, Nela! Ich hab momentan andere Sorgen, “ rief sie und
wandte der Zimmertür ihren Rücken zu.
„Jeanne? Was machst du da?“, ertönte eine vertraute Stimme hinter ihr.
Überrascht drehte die Angesprochene sich um. „Sirius?! Was...? Ist was
passiert?“, fragte sie erstaunt und schob ihre vollgestopfte Tasche unter
ihren Bett, was Sirius na-türlich nicht entging.
„Ich glaube, dass ich dich dasselbe fragen könnte!“, meinte diese und
hob ihre Augen-brauen.
„Äh...“
„Wieso packst du mitten in der Nacht deine Taschen?“, fragte Sirius.
„Ähm... damit ich mich nicht so hetzen muss, falls wir spontan abreisen
wollen...“, ver-teidigte Jeanne sich.
„Ihr wollt gehen?“
„Nein, noch nicht...“
„Und wo ist eigentlich Navena?“
„Die... ist gerade auf der Toilette...“
„Von dort bin ich gerade erst gekommen, Jeanne! Also rück’ jetzt mit der
Wahrheit raus oder ich melde alles Meisterin Polaris!“
Das ging zu weit. Jeanne schmiss wütend das Buch Mythen und Legenden, das
sie ge-rade in ihre Tasche packen wollte, aufs Bett. „Jetzt mach mal halblang,
ja? Wir werden wohl noch ein bisschen Privatsphäre haben dürfen! Oder steht es
irgendwo in euren Re-geln geschrieben, dass wir den Mitgliedern der Schule alles
berichten müssen? Und selbst wenn, wieso sollte ich euch dann was sagen??
Meisterin Polaris will uns ja nicht helfen, also müssen wir wohl selber
zusehen, wie wir an Informationen kommen!
Und wenn du uns an sie verpetzen willst, dann geh ruhig! Aber eins kann ich
dir jetzt schon sagen, Sirius: Selbst wenn wir aus der Schule geschmissen
werden, wir werden nicht eher aufgeben, bis wir die benötigten Informationen
alle zusammen haben!!“, ent-fuhr es ihr.
In diesem Moment ging die Zimmertür auf und Nela kam – mit Taschen beladen
– her-ein. „Jeanne? Alles okay?“, fragte sie stirnrunzelnd. Diese nickte
nur leicht und packte die restlichen Sachen in ihre Tasche.
„Könnte ich hier vielleicht mal erfahren, was für Informationen ihr genau
sucht?“, frag-te Sirius die beiden, als sie die „Rede“ von Jeanne verdaut
hatte. „Ich kann euch ja hel-fen, “ fügte sie hinzu.
„Du würdest alles Polaris melden – das passt eher!“, meinte Jeanne
giftig.
„Jeanne, jetzt bind’ dir mal einen Knoten in die Zunge!“, mischte Nela
sich ein. Diese grummelte etwas Unverständliches, schwieg dann aber.
Nela seufzte und schaute auf die Uhr. Sie hatten noch 20 Minuten, bis sie
dann von Navena wieder in die Sternenbibliothek teleportiert werden würden.
Sollten sie nun das Risiko eingehen und Sirius einweihen?
„Wie lange haben die noch?“, fragte Navena gähnend und schleppte einen
weiteren Stapel Bücher zurück zum Bücherregal, um sich die nächsten
Bücherstapel mitzunehmen und durchzublättern.
Saya schaute auf ihre Armbanduhr. „Etwas weniger als 20 Minuten, “
antwortete sie.
„Sollen wir uns eine kleine Pause gönnen?“, fragte Navena nach einer
kurzen Weile.
„Gerne! Wir können uns ja ein bisschen umschauen!“, entgegnete Saya
begeistert.
Unterdessen hatte Nela Sirius alles erklärt, während Jeanne immer noch auf
ihrem Bett saß und so tat, als wäre sie gerade beschäftigt damit, das Buch
Mythen und Legenden durchzustudieren.
„Verstehst du jetzt? Wir wollen nur jemanden helfen!“, erzählte Nela.
„Jetzt verstehe ich, warum Navena heute nicht in Zaubertränke war, “
meinte Sirius nachdenklich.
„Hast du überhaupt zugehört?“
„Klar! Und ich werde euch helfen!“
„Ähm... wie soll ich das verstehen?“, fragte Nela verblüfft.
„Ich werde euch auf eurer Reise begleiten, “ meinte Sirius.
Jeanne schaute erstaunt von ihrem Buch hoch und ihr Blick traf sich mit dem
von Nela.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragte sie dann Sirius.
Diese grinste die beiden Freundinnen entschlossen an.
„Nee, oder?“, entfuhr es Nela und Jeanne wie aus einem Mund.
In der Zwischenzeit liefen Saya und Navena staunend zwischen den Regalen und
riesi-gen Bücherstapeln umher und markierten sich den Weg mit Jeannes
Taschenmesser.
„Es ist erstaunlich, wie viele Bücher es hier gibt!“, meinte Saya
staunend.
„Es ist noch viel erstaunlicher, wie gut diese Bücher hier erhalten sind!
Sie müssten zum Teil bestimmt schon mehrere hundert Jahre alt sein!“,
entgegnete Navena.
Saya stimmte ihrer Freundin lachend zu. „Hast Recht! Nur schade, dass wir
nicht genug Zeit haben, um länger hierzu-“ Plötzlich brach sie mitten im
Satz ab.
Navena schaute ihre Freundin besorgt an. „Saya? Was...?“, begann sie,
doch diese un-terbrach sie und deutete ihr mit einer Geste an, still zu sein.
Navena tat es ein wenig widerwillig.
„...hier ist noch jemand außer uns, “ flüsterte Saya Navena nach einer
Weile zu.
Diese schaute ihre Freundin entgeistert an. Ihr Blick verriet sofort, was sie
dachte: Das kann doch gar nicht sein!
Doch Saya ließ sich nicht beirren. Sie konnte schon von klein auf die
unterschiedlichs-ten Auren den Elementen zuordnen und konnte sie gut wahrnehmen,
wofür andere wie-derum hart trainieren mussten. Sie schloss ihre Augen und
konzentrierte sich.
„Dieses Lebewesen benutzt das Element Finsternis und greift mit
Feuer-Attacken an...“, erzählte sie dann.
Navena schaute ihre Freundin besorgt an. Feuer-Attacken! Feuer war ihre
Schwäche, das wusste Saya so gut wie Jeanne und Nela. Sie bezog ihre Kraft von
Pflanzen, die je-doch sehr leicht vom Feuer ausgelöscht werden können. Sie war
noch tief in ihren Ge-danken versunken, als sie wieder in die Wirklichkeit
zurückbefördert wurde.
„Sollten wir auf es treffen, dann werde ich ihn eine Zeitlang hinhalten
können, während du dich dann beeilst, um Jeanne und Nela
hierherzuteleportieren,“ schlug Saya vor.
„Aber das ist gefährlich! Ich kann dich doch nicht alleine kämpfen lassen
und mich daneben hinsetzen, um die beiden hierherzubefördern!“, widersprach
Navena.
„Wenn du es nicht tust, haben wir gar keine Chance mehr, Navena! Dieses
Lebewesen hat das Element Finsternis! Das heißt, dass der größte Teil meiner
Attacken, die dem Element Dunkelheit zugeordnet werden, von ihm absorbiert
werden und somit wirkungs-los sind! Und da es noch Feuer-Attacken beherrscht,
hast du genauso keine Chance!
Deswegen sind Jeanne und Nela unsere einzige Hoffnung! Jeanne machen
Feuer-Attacken gar nichts aus und Nela kann durch ihre Magie das Feuer auch gut
abwehren! So haben wir eine viel bessere Möglichkeit, um diesem Lebewesen zu
entkommen oder es zu besiegen – je, nachdem, wie’s kommt, “ erklärte
Saya.
„Aber...“, versuchte Navena zu widersprechen, doch sie wurde
unterbrochen.
„Kein aber!! Wenn du dich jetzt nicht beeilst, findet das Viech uns und
selbst wenn du dann die beiden um Hilfe bitten willst, hast du keine
Möglichkeit mehr dazu! Also fang jetzt schon mal an. Du brauchst doch allein,
um dich zu konzentrieren, 5 Minuten, oder nicht?“
Navena sah ein, dass es nicht weiter half, sich mit Saya zu streiten und lief
einige Re-gale weiter, wo sie selber nicht gesehen werden, jedoch Saya im Blick
behalten konnte. Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und versuchte
sich zu konzentrieren, in-dem sie nach den Auren von Jeanne und Nela suchte, um
die beiden dann – samt den Sachen in ihren Umkreis von 2 Metern – in die
Sternenbibliothek zu holen.
Saya schaute nochmal zu Navena, bevor sie dann vorsichtig weiterging und sich
ge-naustens umschaute, ob sich zwischen den Bücherstapeln auch nicht
Verdächtiges be-fand.
Seltsam... vorher hatte sie die Aura eindeutig in diesem Bereich gespürt,
doch jetzt scheint sie verschwunden zu sein. Ob sie sich das zuvor nur
eingebildet hat...? Nein, das konnte nicht sein!! Ihr Sinn, Auren zu spüren,
war viel zu ausgeprägt, als dass sie sich irren könnte.
„Aber wenn ich’s mir nicht eingebildet habe... heißt das, dass dieses
Lebewesen seine Aura unterdrücken kann, sodass man ihn nicht bemerkt?“,
dachte sie verwundert und suchte alles weiterhin genau ab. Doch sie konnte
nichts Verdächtiges entdecken. „Ko-misch...“
Jeanne schaute ein weiteres Mal auf ihre Armbanduhr. „Seltsam... Navena
wollte uns doch schon vor 5 Minuten zurück in die Sternenbibliothek
teleportieren? Ob was dazwi-schen gekommen ist?“, murmelte sie besorgt.
Sirius hörte dies. „Nun beruhig dich erstmal, Jeanne. Vermutlich haben die
beiden ein-fach nicht mehr auf die Zeit geachtet und sind zu sehr in den vielen
Büchern vertieft, sodass sie momentan vollkommen vergessen haben, euch zu
holen, “ versuchte sie Jeanne zu beruhigen.
Doch auch Nela war sich da nicht so sicher. „Hoffentlich hast du
Recht...“, meinte sie. Doch es klang so, als ob sie sich selber damit
beruhigen wollte...
Navena hatte ihre Augen fest zusammengekniffen und versuchte sich schon seit
eini-gen Minuten, sich zu konzentrieren. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
Endlich hatte sie die Auren von Jeanne und Nela geortet. Aber da war noch eine
dritte Aura dabei, die sie dem Element Wasser zuordnete.
Was nun? Sollte sie jetzt alle drei Personen hierherbefördern? Das würde
beim Kampf gegen dieses Lebewesen helfen, da diese dritte Person ja das Wasser
beherrschte! Aber was, wenn diese Person ihnen nicht half, sondern dieses
Lebewesen unterstützen wird? Dann hätten sie ein noch größeres Problem! Sie
musste sich entscheiden.
Alarmiert drehte sich Saya um und sah einen Schatten blitzschnell an ihr
vorbeihu-schen.
„Also ist hier doch noch jemand!“, dachte sie und lächelte zufrieden.
Sie hatte sich also doch nicht geirrt. Aber dann wurde sie wieder ernst und
schloss ihre Augen, um sich auf ihr Gehör zu verlassen. Durch die Schnelligkeit
des Gegenübers wurde sie verwirrt und es war daher unmöglich, ihn weiterhin
mit den Augen zu verfolgen. Sie konzentrierte sich. Hier und da vernahm sie ein
kurzes Treffen von den Füßen des Gegners mit den Fußbo-den und
Bücherregalen.
„Er ist schnell...“, dachte sie bei sich.
Doch dann fiel ihr auf, dass der Gegner immer nur an bestimmten Stellen in
dem Be-reich auftrat, um so Schwung zu holen für den nächsten Schritt.
„Hm... er benutzt immer nur dasselbe Muster und denselben Rhythmus bei der
Schat-tenkörpertechnik. Wenn er glaubt, mich so verwirren zu können, dann hat
er sich aber gewaltig unterschätzt!“, dachte Saya und ein leichtes Lächeln
huschte über ihr Gesicht.
Blitzschnell holte sie einen Wurfstern aus ihrer Hosentasche und schleuderte
ihn rechts von sich. Das wirkte. Der Gegner konnte zwar gerade so Rins Angriff
ausweichen, kam jedoch aus seinem Rhythmus raus und konnte die
Schattenkörpertechnik nicht mehr wei-terführen und kam zum Stillstand – ein
Ninja.
„Oh, Mann! Wieso haben die uns immer noch nicht hinteleportiert?“, rief
Jeanne inzwi-schen schon zum x-ten Male. Die Besorgnis in ihrer Stimme war nicht
zu überhören. Schon seit einiger Zeit lief sie im Zimmer auf und ab, sodass
Nela und Sirius sich auch langsam, aber allmächtig Sorgen machten.
„Jeanne, jetzt setz dich erstmal hin! Wenn du die ganze Zeit auf und ab
läufst, hilft uns das auch nicht weiter!“, versuchte Nela ihre Freundin zu
beruhigen.
Jeanne wollte was erwidern, als die drei von grünem Licht umgeben wurden.
Sie grinste Nela an. „Hm... scheinbar hat’s doch ein wenig geholfen!“,
meinte sie la-chend und die drei wurden, mitsamt den zusammengepackten Sachen,
zurück in die Sternenbibliothek teleportiert.
„Der Ninja... der kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber wieso kann ich mich
nicht erinnern?“, dachte Saya verwirrt, als sie sich zum Kampf bereitstellte
und auf die Bewe-gungen des Gegners achtete. Dennoch war sie schon nach kurzer
Zeit mit ihren eigenen Gedanken so sehr beschäftigt, dass dies vom Gegner
ausgenutzt wurde.
Der Gegner griff sie mit mehreren Feuerkugeln an. Saya konnte die
hinterhältigen An-griffe des Gegners eine Weile abwehren, war jedoch schon bald
am Ende ihrer Kräfte, sodass ihre Schutzbarriere zusammenbrach. Mit Mühe
gelang es ihr, den Attacken aus-zuweichen, wobei sie viele Streifwunden abbekam.
Doch dann holte ihr Gegner zum nächsten Angriff aus und schleuderte ein
riesiges E-nergiebündel auf sie. Mit letzter Kraft errichtete Saya noch ein
Schutzschild, bemerkte aber mit großem Entsetzen, dass der Energiebündel nur
ein Trugbild war, das sich in vie-le Wurfmesser zerteilte. Diese durchbohrten
ihr Schutzschild. Saya versuchte, auszuwei-chen, doch es klappte nicht ganz. Die
Wurfmesser bohrten sich tief in ihren linken Arm hinein, sodass sie vor Schmerz
aufschrie.
Saya versuchte tapfer, sich auf den Beinen zu halten, doch ihr Gegner
schleuderte wei-tere Feuerbälle auf sie, sodass sie vor Schmerz nochmals
aufschreiend gegen den nächs-ten Bücherstapel krachte.
Navena atmete erleichtert auf, als in der Nähe von ihr ein lautes Poltern
ertönte, dicht gefolgt von einem Aufstöhnen, das sie nur zu gut von Jeanne
kannte. Schnell erhob sie sich und lief in die Richtung, aus der sie die
Geräusche wahrgenommen hatte, als ein Schrei aus der anderen Richtung sie in
ihrer Bewegung verharren ließ.
„Das war doch Saya?!“, dachte sie erschrocken. „Was jetzt? Soll ich zu
Jeanne und Ne-la oder zu Saya?“, dachte sie besorgt.
Schließlich entschied sie sich für letzteres und lief in die Richtung, aus
der sie Rins Schrei gehört hatte.
„Navena? Saya? Wo seid ihr?“, rief Jeanne, nachdem sie den Schrei gehört
hatte. Keine Antwort. Nur ein weiterer Aufschrei aus der Ferne.
„Ob ihnen was zugestoßen ist?“, fragte Nela besorgt.
„Das werden wir – denk ich – gleich erfahren, “ entgegnete Sirius und
lief in die Rich-tung, aus der sie den Aufschrei wahrgenommen hatten. Nela und
Jeanne folgten ihr be-sorgt.
„Oh, Gott! Saya!! Alles okay?“, rief Navena erschrocken und rannte zu
ihrer Freundin, die keuchend versuchte, sich aufzurappeln. Ihr linker Arm war
blutüberströmt und ihre Klamotten waren vollkommen verrußt und verstaubt.
„Alles okay?“, fragte Navena nochmal.
„Klar, alles im Griff!“, meinte Saya schwach lächelnd, um ihre Freundin
zu beruhigen. Doch im nächsten Moment spuckte sie Blut aus und konnte sich kaum
noch halten.
Zum Glück war Navena gleich neben ihr und stützte sie sofort. „Ich hätte
dich nicht alleine kämpfen lassen dürfen!!“, warf sie sich vor.
„Saya! Navena! Da seid ihr ja!!“, ertönte Jeannes Stimme plötzlich
hinter ihr. Navena drehte sich verwundert um und atmete erleichtert auf, als sie
ihre Freunde vor Weitem auf sie zurennen sah.
„Oh, Gott! Saya, was ist mit dir denn passiert?“, brach Nela in Entsetzen
aus und brachte sie mit Sirius zu einem Sofa, um sie hinzulegen.
Jeanne wandte sich entgeistert an Navena. „Was ist hier passiert?“,
fragte sie sofort. „Wir waren nicht einmal eine Stunde weg! Was ist denn
geschehen, dass Saya so verletzt wurde?“
Navena erklärte ihr alles und sah, dass ihre Freundin schon fast vor Wut
platzte. Kaum hatte sie ihren Bericht beendet, drehte Jeanne sich um und schrie
so laut sie konnte durch die Sternenbibliothek: „Du Feigling!! Wenn du
glaubst, dass wir Angst vor dir ha-ben, dann hast du dich gewaltig geschnitten!!
Zeig dich gefälligst!“
„Bei deiner lauten Stimme wundert mich es immer wieder, warum ich immer
noch so gut hören kann, obwohl ich jedes Mal neben dir stehe, wenn du alle
möglichen Sachen durch die Gegend posaunst!“, meinte Navena nach einer Weile,
nachdem das Surren in ihrem Ohr verschwand und Gegner sich immer noch nicht hat
blicken lassen, wofür sie nur einen vernichtenden Blick von ihrer Freundin
erntete.
Sie presste ihre Lippen zusammen. Wenn Jeanne mal nicht zum Scherzen zumute
war, dann war sie mega-wütend, das wusste sie inzwischen. Und in solchen
Momenten sollte man sie lieber nicht unnötig reizen, wenn man noch „am Leben
bleiben“ wollte...
„Saya? Alles okay?“, fragte Nela ihre Freundin, der immer wieder schwarz
vor den Au-gen wurde, während Sirius sich die Wunden gründlich anschaute.
„Mir geht’s gut. Ich hab den Gegner nur leicht unterschätzt...“,
brachte Saya schwach hervor. Nela tupfte einige Schweißtropfen auf ihrer Stirn
ab.
„Der Gegner ist ein Ninja, besitzt das Element Finsternis und greift mit
Feuer-Attacken an, richtig?“, mischte sich Sirius ein, nachdem sie sich Rins
Wunden angeschaut und ver-arztet hatte.
Nela schaute sie entgeistert an. „Woher weißt du das denn?“, fragte sie
erstaunt.
Auch Saya schien ihre Schmerzen vollkommen vergessen zu haben und schaute
Sirius ziemlich verblüfft an. „Abgesehen davon, dass ich dich nicht kenne –
aber das macht ja nichts! Aber... woher weißt du diese Sachen denn??“, fragte
sie dann genauso erstaunt.
Sirius lächelte. „Deine Wunden haben mir es verraten!“, meinte sie
grinsend.
Jeanne schaute sich immer noch wütend nach dem unbekannten Gegner um, der
sich im Nichts aufgelöst zu haben schien. Auch Navena konnte niemand
Verdächtiges entde-cken und schaute sich ebenfalls stirnrunzelnd um.
„Seltsam... wo hat sich dieser Feigling bloß versteckt?“, murmelte
Jeanne nachdenklich.
Navena wollte gerade etwas erwidern, als Jeanne von hinten angegriffen wurde
und gegen die nächsten Bücherregale flog und inmitten von Büchern begraben
wurde.
Das alles verlief so schnell, dass Navena erstmal einige Schrecksekunden
brauchte, um zu verdauen, was gerade eben passiert war. Schließlich rannte sie
auf den in sich zu-sammengefallenen Bücherstapel hin.
„Jeanne!! Bist du okay?“, rief sie dann besorgt und versuchte, ihre
Freundin aus den Bücherhaufen zu befreien, wobei sie ein Buch nach dem anderen
einfach hinter sich warf, ohne darauf zu achten wohin.
Saya und Nela starrten Sirius verwundert an. „Wie meinst du das?“, fragte
Saya er-staunt und schaute sich ihre Wunden an, konnte aber nichts
Ungewöhnliches entdecken.
Sirius’ Grinsen wurde immer breiter.
„Jetzt spann’ uns nicht so auf die Folter. Erzähl’ uns, was los
ist!“, bat Nela.
„Also gut. Ich habe von klein auf eine ganz spezielle Fähigkeit gehabt,
die es mir er-möglicht, anhand von Wunden, Schrammen an Gegenständen oder auf
Böden und so erkennen zu können, wer oder was diese Sachen verursacht hat. Ein
einziger Kratzer reicht, um sehen zu können, ob es ein Mensch war oder ob
einfach nur was runtergefal-len ist oder sowas in der Art. Sollte es ein
Gegenstand sein, ist es nicht weiter schlimm. War es ein Mensch, kann ich dann
sofort erkennen an dieser Person Geschlecht, Element, Attacken, Waffen und so
weiter ablesen, “ erklärte Sirius.
„Du hast also auch eine seltene Gabe geerbt!“, meinte Saya lachend.
„Ähm... Du suchst gerade in dem falschen Bücherhaufen...“, ertönte es
rechts von Na-vena.
Die Angesprochene wandte sich erstaunt um. Dort stand Jeanne, die es
irgendwie ge-schafft hatte, sich zu befreien und sich gerade ihren schmerzenden
Rücken rieb.
Navena sah Jeanne an, als ob diese sich gerade als Außerirdische entpuppt
hätte. „A-aber... wie bist du...? Ich meine, du bist doch da inmitten von
Büchern begraben worden, oder nicht??“, brachte Navena schließlich verdutzt
hervor und zeigte auf den Bücherhau-fen vor ihr, bei dem schon über die
Hälfte der Bücher irgendwo in der Gegend verstreut waren.
Jeanne musste grinsen. „Tja, ich wäre da drin begraben, wenn ich nicht
rechtzeitig die Doppelgängertechnik benutzt hätte, “ erklärte sie grinsend.
Bei Navenas fragendem Gesichtsausdruck musste sie sich beherrschen, um nicht
loszu-lachen.
„Ich erkläre es dir. Als wir die vielen Bücher durchsucht bzw.
durchflogen haben, stand in einem recht genau Informationen über die
Doppelgängertechnik drin und auch, wie man sie anwendet. Naja, ich hab’s mir
dann mal durchgelesen, weil’s ja nicht schaden wird, und hab sie vorhin ohne
große Hoffnung angewendet. Aber es hat geklappt und ich bin weiteren
Rückenschmerzen davongekommen! Die Technik schafft ein identisches E-benbild
von der Person, die diese Technik anwendet, und teleportiert die richtige Person
zurück an die Stelle, an der sie vor wenigen Sekunden stand,“ erklärte sie
lachend.
Navena sah ihre Freundin seufzend an. „Ich verstehe echt nicht, wie du auf
die Noten bei Meisterin Hikari kommst, Jeanne!“, meinte sie. Diese streckte
ihr als Antwort nur die Zunge raus.
Gerade in diesem Moment flogen von allen Seiten Wurfmesser auf die beiden zu.
Jeanne bemerkte sie als Erstes. Im letzten Moment gab sie ihrer Freundin einen
Stoß, sodass diese zwar gegen einen Bücherregal stieß, dafür aber nicht von
den vielen Wurf-messern getroffen werden konnte und so in Sicherheit war.
„Sirius, hör gut zu: Der Gegner ist sehr schnell und benutzt recht
bevorzugt die schwer erlernbare Schattenkörpertechnik. Aber diese Technik kann
leicht besiegt werden, weil sie in einem ganz bestimmten Rhythmus und Muster
geht. Unser Gegner hat im Kampf gegen mir nur das Pentagramm-Muster benutzt. Die
Schnelligkeit ist zwischen hoch und sehr hoch. Er hat eigentlich das Element
Finsternis, aber er beherrscht auch ein weiteres Element, das sogenannte
Teilelement, von denen man bis zu drei beherrschen kann. Sein Teilelement ist
Feuer. Da du das Element Wasser beherrscht, beträgt deine Wahrschein-lichkeit
somit 25% mehr, dass du ihn besiegen kannst, “ erklärte Saya, der es jetzt
schon viel besser ging, nachdem Nela sie ärztlich mit Magie behandelt hatte.
Sirius lächelte. „Ich weiß, “ sagte sie. „Ich denke, dass ihr hier
keine Hilfe mehr benö-tigt. Also werde ich mal nach Jeanne und Navena schauen
gehen. Vielleicht haben sie diesen Gegner sogar schon besiegt?“, fügte sie
noch schmunzelnd hinzu. Doch sie wuss-ten alle, dass es in Wahrheit nicht so
war...
Navena rieb sich fluchend ihren brummenden Schädel, der gegen den
Bücherregal ge-stoßen ist. Ihr war immer noch schwindelig und vor ihren Augen
tauchten immer wieder einzelne, schwarze, immer mehr werdende Punkte auf, die es
ihr unmöglich machten, mal nach Jeanne zu schauen, der sie es verdankte, dass
sie Kopfschmerzen hatte. Sie schloss ihre Augen und versuchte, sich einen klaren
Blick zu verschaffen, indem sie ihren Kopf schüttelte, was sie aber sogleich
bereute, als sie ein starkes Stechen am Hinterkopf spürte.
Vorsichtig versuchte Navena ihre Augen zu öffnen. Ganz langsam verschwanden
die vielen schwarzen Punkte und sie konnte verschwommen jemanden vor sich liegen
sehen. Sie kniff ihre Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Ohne Erfolg.
War diese Person Jeanne?
Erneut versuchte Navena etwas zu erkennen. Doch es klappte nicht. Sie
versuchte, ruhig zu bleiben und dachte nach, was passiert war.
„Jeanne und ich wurden von allen Seiten mit fliegenden Wurfmessern
angegriffen... Sie hatte sie als Erste bemerkt und hat mich dann so
weggestoßen, sodass ich ohne von den Wurfmessern verletzt zu werden außerhalb
des Zielbereiches bin...“, murmelte sie leise vor sich hin.
Wenn dies stimmte, dann würde das doch bedeuten, dass Jeanne doch von den
vielen Wurfmessern getroffen wurde?!
„Unsinn!“, meinte Navena und verwarf die schlimme Vorahnung gleich
wieder. Jeanne konnte immerhin die Doppelgängertechnik! Damit hatte sie sich
bestimmt retten können.
Währenddessen kam Sirius an die Stelle, wo Jeanne und Navena von dem
unbekannten Gegner angegriffen worden sind. Sofort entdeckte sie Jeanne, die
schwer verletzt inmit-ten von vielen Wurfsternen auf den Boden lag. Sofort
rannte sie auf diese zu.
„Jeanne!! Alles okay?“, rief sie besorgt und kniete neben ihrer Freundin
nieder, deren Körper mit Schnittwunden übersät waren und in deren linkem Arm
noch immer einige Wurfmesser steckten.
Jeanne nickte nur schwach und versuchte sich aufzurichten, verzog jedoch
sogleich vor Schmerz ihr Gesicht, konnte aber gerade noch von Sirius gehalten
werden.
„So ein Feigling!“, fluchte Jeanne und zog zwei weitere Wurfmesser aus
ihrem linken Arm, die sie dann auf den Boden fallen ließ.
„Wo ist Navena?“, fragte Sirius besorgt.
Jeanne zeigte schwach in die Richtung, in der sie ihre Freundin hingestoßen
hat, damit diese nicht verletzt wurde. Gerade in diesem Moment taumelte Navena
hinter einem Bü-cherregal hervor, während sie sich ihren Hinterkopf rieb. Dann
bemerkte sie Jeanne, die am ganzen Körper mit Schnittwunden übersät war und
von Sirius gestützt wurde.
„Jeanne?!“, rief Navena erstaunt auf und lief, so schnell sie es ohne zu
schwindeln konnte, zu den beiden.
„Navena... ist bei dir alles okay?“, fragte Jeanne ihre Freundin,
während sie einen wei-teren Wurfmesser mit schmerzverzerrtem Gesicht aus ihrem
Arm zog.
„Dasselbe könnte ich dich fragen!! Du kannst doch die
Doppelgängertechnik! Wieso hast du sie denn nicht eingesetzt?“, warf Navena
ihrer Freundin vor.
„Ich bin nicht dazu gekommen, “ wich Jeanne aus. Dann wandte sie sich an
Sirius. „Si-rius, hör gut zu. Unser Gegner ist sehr heimtückisch und zeigt
sich nie. Seine Angriffe kommen immer in verschiedenen Abständen.
Beim ersten Mal wurde ich von hinten angegriffen. Es war ein Energiebündel,
der nor-malerweise den Gegner schwere Verbrennungen zufügt. Aber ich benutze
ebenfalls das Element Feuer, daher hätte mir dieser Angriff nichts anhaben
können. Bei diesem Angriff hat er sein Teilelement mit Magie verbunden
eingesetzt.
Beim zweiten Mal wurden Navena und ich von fliegenden Wurfmessern, die von
allen Seiten kamen, angegriffen. Dieses Mal hat er zwar nur Magie benutzt, aber
wir dürfen eines nicht außer Acht lassen: Er zeigt sich nicht, sondern bleibt
sozusagen immer im Verborgenem. Ich vermute, dass er bei den Angriffen zugleich
noch die Schattenkörper-technik benutzt.
Und vergiss nicht, dass das Feuer nur sein Teilelement ist! Er benutzt also
hauptsäch-lich das Element Finsternis, “ erklärte sie ihrer neuen Freundin.
Navena starrte Jeanne entgeistert an. „Und du hast in
Beobachtungsfähigkeit eine 4??“, fragte sie erstaunt.
„Der Unterricht in Beobachtungsfähigkeit bei Meisterin Hikari ist ja auch
stinklangweilig! Da macht’s auch gar keinen Spaß! Aber wenn’s darauf
ankommt, dann streng ich auch mal meinen Dickschädel mal an, “ entgegnete
Jeanne lachend. Sirius musste grinsen.
„Und hast du zufällig auch eine Idee, wie wir gegen sein Element
ankommen?“, fragte Navena schmunzelnd.
„Klar, mit reiner Magie, “ ertönte es hinter ihnen.
Die drei Freundinnen drehten sich überrascht um. Es war Nela.
„Wie meinst du das?“, fragte Sirius stirnrunzelnd.
Jeanne schnippste mit ihren Fingern. „Natürlich, “ entfuhr es ihr,
„Nelas Element ist Kristall. So kann sie mit ihrer Magie alles, was sie
berührt, in Kristalle einschließen – so-gar die Finsternis!“, erklärte
sie.
„Man kann doch nie und nimmer Elemente wie Feuer, Wasser, Licht oder
Dunkelheit in etwas Materielles einsperren, “ entgegnete Navena verwundert.
„Doch, kann man. Du wirst schon sehen!“, meinte Nela und lächelte
geheimnisvoll. Dann wandte sie sich an Sirius. „Wie wär’s, wenn wir beide
zusammen gegen diesen Nin-ja kämpfen?“, schlug sie ihr vor.
„Gerne, “ entgegnete diese lächelnd.
„Seid vorsichtig!“, rief Navena den beiden zu und stützte Jeanne, weil
diese sich immer noch nicht halten konnte.
„Das werden sie schon, “ meinte Saya, die neben den beiden aufgetaucht
war.
„Saya! Geht es dir wieder besser?“, fragte Jeanne besorgt.
„Nein, ich tu nur so, “ kam es spottend zurück. Navena grinste. „Und
dir?“, fügte Saya nach einer kurzen Pause dann hinzu.
„Es könnte besser sein, “ entgegnete Jeanne schwach lächelnd.
Inzwischen waren Sirius und Nela schon mitten im Kampf mit dem Ninja, welcher
seine Schattenkörpertechnik ganz aufgegeben hatte, nachdem er gemerkt hatte,
dass er mit seiner Geschwindigkeit nicht mehr weiterkam. Auch seine
Feuer-Attacken brachten ihn nichts mehr, da Sirius diese mit ihren
Wasser-Attacken mühelos abwehren konnte. Er hatte es auch mit seinem Element
Finsternis versucht - doch ohne Erfolg! Nela schloss seine Kraft mit
Leichtigkeit in viele Kristalle ein, die anschließend in unzählige Teile
zer-barsten und seine Kräfte somit annulliert waren.
„Hey, du Ninja! Gib lieber auf. Du hast keine Chance gegen uns!“, rief
Sirius dem Geg-ner zu.
„Genau! Wir können nämlich alle deine Angriffe mit Leichtigkeit abwehren
– ohne uns anzustrengen!“, fügte Nela ebenfalls hinzu.
Der Ninja schien dies scheinbar auch realisiert zu haben. Statt sich zu
ergeben, drehte er sich um und versuchte zu flüchten.
„Bleib stehen, du Feigling!“, entrüstete sich Sirius und wollte ihrem
Gegner gerade hin-terherjagen, als dieser mitten im Rennen stoppte, keuchte,
taumelte und anschließend umfiel, wo er dann regungslos liegen blieb.
„...ist der tot?“, fragte Sirius, nachdem sie das gerade Geschehene
verdaut hatte.
Gerade in diesem Moment erreichten Navena, Saya und Jeanne die Stelle, an der
Sirius und Nela gegen den Ninja gekämpft hatten.
„Habt ihr ihn besiegt?“, fragte Saya neugierig.
„Nicht wirklich...“, murmelte Sirius und erzählte den anderen haargenau,
was sich er-eignet hatte.
Nela lief langsam auf den Gegner zu und befühlte dessen Puls. „Er lebt
leider nicht mehr, “ meinte sie dann nach einer Weile und musterte danach die
Leiche von oben bis unten. Unter dessen linken Ohr entdeckte sie schließlich
eine dünne Nadel, die sie vor-sichtig rauszog.
„Und diese Nadel hat sein Leben beendet, “ erzählte sie den anderen und
hielt die Na-del hoch. Die anderen staunten nicht schlecht.
Navena schaute Jeanne ernst an. „Jetzt mal ehrlich, Jeanne. Hast du die
Nadel gewor-fen?“, fragte sie ihre Freundin.
Jeanne schaute Navena entgeistert an. „Bitte? Bist du verrückt, Navena?
Ich kämpfe mit meinem Schwert, Wurfmessern und meinem Taschenmesser, aber
Nadeln hab ich noch nie benutzt! Außerdem trag ich auch nie eine bei mir, “
verteidigte sie sich.
„Jeanne kann es gar nicht gewesen sein, Navena. Niemand von uns kann es
gewesen sein! Schließlich erfordert es jahrelanges Training, bis man dann auch
mit so kleinen Ge-genständen umgehen oder gar jemanden umbringen kann, “
erzählte Nela.
„Aber wer war es dann?“, mischte Saya sich nun in das Gespräch ein.
Sirius, die bis dahin schweigend zugehört hatte, unterbrach die vier. „Ich
weiß nicht, ob ich euch das erzählen soll, aber...“
Sofort hörten die vier Freundinnen auf zu reden und schauten Sirius
neugierig an.
„Aber was?“, fragte Navena.
„Meisterin Polaris ist dafür bekannt, Nadeln als Waffen zu benutzen.
Wusstet ihr das nicht?“, fragte Sirius überrascht.
Die vier brauchten erstmal eine Weile, um diese Neuigkeit zu verdauen.
„Po-, Polaris benutzt Nadeln als Waffen?!“, entfuhr es Nela schließlich.
Auch die ande-ren drei schauten überrascht rein.
„Ja, ich benutze Nadeln als Waffen und habe auch gerade eben eine Nadel auf
den Ein-dringling geworfen, “ ertönte eine Stimme hinter ihnen. Die fünf
drehten sich erschrocken um.
„Meisterin!“, rief Sirius und verbeugte sich schnell.
Polaris klopfte ihrer Schülerin anerkennend auf die Schulter. „Du hast
dich heute gut geschlagen, Sirius! Das hätte ich dir wirklich nicht zugetraut,
“ lobte sie sie. Diese erröte-te und verbeugte sich nochmal.
Dann wandte sie sich an die vier Schülerinnen von Hikari zu. „Und was euch
angeht... ich würde sehr gerne wissen, was ihr hier in meiner Bibliothek zu
suchen habt! Es ist nur den Schülern von der Schule der Sterne erlaubt, die
Sternenbibliothek zu betreten. Was habt ihr hier zu suchen?“, fragte Polaris
streng.
„Ihr wisst genau, warum wir hier sind, Meisterin Polaris!“, entgegnete
Jeanne nur.
Polaris schaute die vier Mädchen entsetzt an. „Ihr habt doch nicht...? Das
ist doch nicht euer Ernst?! Ihr habt euch hier in die Sternenbibliothek
geschlichen, nur um Informatio-nen über Hikaris ehemaligen Schüler Yami zu
suchen??“, rief sie erschrocken.
Die vier nickten. „Ganz genau, Meisterin Polaris. Wir hatten Sie ja auch
schon gefragt, aber Sie wollten uns nicht helfen. Also mussten wir andere Wege
finden, um an Informa-tionen zu kommen, “ erklärte Navena.
„Aber woher wusstet ihr von der Sternenbibliothek? Nur die Schüler der
Schule der Sterne wissen davon, “ meinte Polaris.
„Das bleibt unser Geheimnis, “ meinte Jeanne schlicht.
„Aber wieso wollt ihr unbedingt Informationen über Yami sammeln? Es gibt
kaum noch welche, die etwas von ihm wissen – geschweige denn, dass es ihn
überhaupt gibt!“, er-zählte Polaris, die ihren Schrecken allmählich
überwunden hatte.
„Wir wollen nur einer Freundin helfen, und dazu brauchen wir alle
Informationen zu Yami, die wir kriegen können. Bitte Meisterin Polaris! Ihr
wisst doch sicher etwas. So helft uns bitte und erzählt uns alles, was Ihr
wisst, “ bat Navena.
„Also gut. Ihr habt mich überzeugt. Ich werde euch erzählen, was ich
weiß...“
Kapitel 5: Die Schule der Kristalle
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„Damals hatten Hikari, Raine und ich gerade unsere Schulen gegründet. Hikari
die Schule des Lichts, auf der ihr ja gerade seid, ich die Schule der Sterne und
Raine die Schule der Kristalle, die sich am Kristallfluss befindet. Wir wollten
die Schulen am selben Tag eröffnen und hatten uns deshalb am vorigen Tag
getroffen, um am Elementen-Schrein zu den Wächtern der Elemente zu beten.
Unsere Freundin Kajika, die damalige Oberhäuptin des Phönix-Clane, kam auch
mit.
Dort angekommen, wurde Hikari von einem Priester angesprochen, der ihr
prophezeite, dass sie einen schlimmen Fehler begehen würde, der die ganze Welt
in große Gefahr bringen würde. Hikari glaubte ihm nicht – ein Fehler, den
sie wahrscheinlich nie wieder gutmachen kann!
Es geschah dann zehn Jahre später. Einer ihrer Schüler widmete sich immer
mehr der dunklen Magie und brach schließlich den Eid, den man ablegen musste,
um als Schüler bzw. Schülerin akzeptiert zu werden: Er brachte Menschen um, um
seine Fähigkeiten in dunkler Magie zu testen. Dieser Schüler war Yami.
Hikari war sehr zornig darüber und bannte ihn daraufhin aus ihrer Lehre.
Seine Fähig-keiten ließ sie ihm, da sie dachte, dass es Strafe genug war, wenn
man keinen Abschluss hatte. Sie irrte sich. Yami wurde immer mehr von der
dunklen Magie beeinflusst und be-gann ebenfalls, Schüler in seine Lehre zu
nehmen, denen er nur die dunkle Magie bei-brachte.
Zwei Jahre später geschah dann das Unglück. Mehrere Kirit-Clane wurden von
Yami ausgerottet, darunter auch der Phönix- und der Drachen-Clan, die beiden
mächtigsten Clane überhaupt. Kajika, die ja mit dem Oberhaupt des
Drachen-Clans Kami verheiratet war, war zu der Zeit schwanger. Sie konnte jedoch
mit den beiden Schwertern fliehen, weil Kami sie beschützt hat. Dieser ist in
diesem Kampf leider umgekommen. Und diese beiden Schwerter waren das
Phönix-Schwert und die Drachen-Klinge. Wo sich diese bei-den Waffen befinden,
weiß niemand, auch ich nicht.
Nun denn, seitdem werden im Jahr durchschnittlich zwei Clane ausgerottet.
Hikari weiß inzwischen nun, was für einen schlimmen Fehler sie damals gemacht
hatte, als sie Yamis Fähigkeiten nicht ausgelöscht hat. Doch ihr sind die
Hände gebunden, weil sie nicht weiß, wo Yami sich befindet, “ erzählte
Polaris.
Sie hatten es sich alle inzwischen auf einem Sofa in der Sternenbibliothek
bequem ge-macht.
Jeanne hatte Polaris mit klopfenden Herzen zugehört. Sie kannte Kajika! Und
wusste über das Phönix-Schwert Bescheid! Vielleicht konnte sie ihr ja auch
etwas über ihre Her-kunft verraten!
„Meisterin Polaris, könnten Sie mir vielleicht noch etwas über das
Phönix-Schwert er-zählen?“, fragte sie.
Polaris schaute sie überrascht an. „Nun, viel weiß ich nicht. Das
Phönix-Schwert gehört zu den heiligen Waffen, die einen enorme Kraft
beinhalten, die nur von wenigen Phönix-Kirits beherrscht oder gar komplett
eingesetzt werden kann. Normalerweise ist immer nur ein Phönix-Kirit Oberhaupt,
der das Schwert benutzen kann, ohne sofort zu Staub zu zerfallen, “ erzählte
sie Jeanne, die mit großer Interesse zuhörte.
„Und haben Sie das Phönix-Schwert schonmal in Echt gesehen?“, fragte
diese weiter.
Polaris nickte. „Natürlich! Bevor Hikari, Raine und ich die Schulen
gegründet haben, hatten wir oft zusammen im Phönix-Clan trainiert! Da habe ich
das Phönix-Schwert schon oft zu Gesicht bekommen. Außerdem würde ich es
sofort wiedererkennen, “ fügte sie noch lächelnd hinzu.
„Jeanne, was hast du vor?“, unterbrach Navena das Gespräch erschrocken.
Alle außer Jeanne sahen sie überrascht an. Doch diese achtete gar nicht
darauf.
„Du willst doch nicht etwa...?“
„Doch, das hab ich vor. Meisterin Polaris hat uns sehr geholfen, Navena.
Außerdem frage ich mich schon seit Jahren, warum ausgerechnet ich es bin. Ich
kann mich nicht mal an mein Leben erinnern, bevor ich die Schule des Lichts
betreten habe! Da stimmt doch was nicht!“, meinte Jeanne und griff nach dem
kleinen Anhänger, der an ihrem Gür-tel befestigt war.
Inzwischen sahen alle verwundert zu Jeanne.
Navena biss sich auf die Unterlippe. „Bist du dir sicher, dass du Meisterin
Polaris es sagen willst?“, fragte sie nochmal.
Jeanne nickte entschlossen. Und verwandelte den Anhänger in seine
Ursprungsform zurück – das Phönix-Schwert.
Polaris stockte vor Staunen den Atem. „Aber das... das ist das
Phönix-Schwert! Wie-so...? Warum hast du das Phönix-Schwert? Wie hast du das
bekommen?“, fragte sie ü-berrascht.
„Ich hab es im Traum überreicht bekommen, “ meinte Jeanne. Sie wusste,
dass es to-tal lächerlich klang. Aber es war die Wahrheit.
„Im Traum?? Aber das würde ja bedeuten, dass du... du bist eine
Phönix-Kirit!“, brach-te Polaris hervor.
Jeanne schaute diese überrascht an. Sie hatte es schon im Dunkeln geahnt,
aber... das konnte doch nicht sein, oder?
„Der Phönix-Clan wurde doch vor Jahren von Yami ausgerottet! Und nur
Kajika hatte überlebt, oder nicht?“, fragte sie die Gründerin von der Schule
der Sterne.
Polaris nickte. „Das stimmt, Jeanne, aber du hast ein Detail außer Acht
gelassen. Kaji-ka war zu diesem Zeitpunkt schwanger, als der Phönix-Clan
ausgelöscht wurde.“
Jeanne klappte die untere Kinnlade vor Staunen runter.
„Aber das würde ja bedeuten, dass Jeanne die Tochter von Kajika ist?!“,
rief Saya ü-berrascht.
„Ja, so scheint es, “ stimmte Polaris ihr zu. Dann wandte sie sich an
Jeanne und schau-te sie an. „Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Oh Gott, warum
ist mir das nicht schon frü-her aufgefallen? Du siehst ihr so ähnlich, Jeanne.
Und ich hab es gestern nicht gemerkt. Wie konnte ich so blind sein?“
Jeanne stiegen Tränen in die Augen. „Wenn das so ist, dann habe ich es
also Yami zu verdanken, dass mein Vater nicht mehr lebt?“, fragte sie dann.
Polaris nickte und sah sie traurig an. „Ja. Und seitdem habe ich auch den
Kontakt zu Kajika verloren. Ich wusste nicht einmal, ob sie das Kind zur Welt
gebracht hatte! Sie hatte dann jeglichen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen, “
erklärte sie, „es besteht so-gar die Möglichkeit, dass sie bereits...“
Nela legte ihrer Freundin tröstend den Arm um die Schulter.
Jeanne, der es zuvor gelungen war das Weinen zu unterdrücken, liefen die
Tränen über die Wangen. Das war nicht fair! Jetzt hatte sie endlich mal eine
Spur zu ihrer Vergangen-heit gefunden und musste sich nun klarmachen, dass ihr
Vater schon lange nicht mehr lebte und ihre Mutter inzwischen vermutlich auch
schon nicht mehr existierte.
Sirius versuchte, sie aufzumuntern. „Hey, Jeanne. Sieh die ganze Sache doch
mal posi-tiv! Meisterin Polaris hat zwar gesagt, dass sie seit Jahren keinen
Kontakt mehr zu Kajika hatte. Doch sie vermutet nur, dass deine Mutter
inzwischen wahrscheinlich nicht mehr lebt. Es kann doch auch sein, dass sie sich
zurückgezogen und jeglichen Kontakt ab-gebrochen hat, um dich zu schützen,
damit du dich nicht in Gefahr begibst, oder? Viel-leicht wartet sie ja darauf,
bis du würdig bist, um ihren Posten als Oberhaupt des Phönix-Clane
weiterzuführen, bis sie sich dir dann endlich zu erkennen gibt, “ meinte sie
und reichte ihrer Freundin ein Taschentuch. Diese nahm es dankbar entgegen und
wischte sich ihre Tränen.
Auch Saya versuchte ihrer Freundin Mut zu machen. „Sirius hat Recht,
Jeanne. Viel-leicht war sie ja die ganze Zeit in deiner Nähe und hat über dich
gewacht, “ fügte Saya hinzu.
„Eben! Und außerdem: Jetzt, wo wir gerade eh unterwegs sind, können wir
uns ja auch gleichzeitig mal nach deine Mutter umhören. Es wird zwar bei Weitem
schwieriger werden als Informationen über Yami zu sammeln, aber wir packen das
schon. Hab Vertrauen zu dir selbst! Wir werden dir natürlich auch helfen, so
gut wir können!“, stimmte Navena den anderen zu.
Jeanne schaute ihre Freundinnen dankbar an. „Danke. Euch allen...“, sagte
sie und fiel ihnen vor Rührung schluchzend um den Hals.
Am nächsten Tag wachte Jeanne ungewöhnlich früh auf für ihre
Verhältnisse. Verschla-fen schaute sie sich um. Wo war sie denn nochmal? Sie
überlegte eine Weile, bis ihr dann die einzelnen Geschehnisse vom vorigen Tag
allmählich einfielen.
Sie schaute sich um. Die anderen schliefen alle noch tief und fest. Sie
hatten die Nacht alle – mit Erlaubnis von Polaris – in der Sternenbibliothek
verbracht und wollten am Vor-mittag wieder weiter in Richtung Kristallfluss
ziehen. Polaris traf fast der Schlag, als sie erfuhr, dass ihre
Lieblingsschülerin Sirius mit ihnen reisen würde. Doch sie akzeptierte ihre
Entscheidung.
„Ich schau mich hier nochmal ein bisschen um, “ dachte Jeanne bei sich,
während sie leise aufstand. Sie konnte sich ja in der Zwischenzeit noch ein
paar Bücher durchblättern, während die anderen noch schliefen.
Leise schlich sie sich etwas weiter weg. Als sie die Stelle erreichte, wo sie
gestern ge-gen den Eindringling gekämpft hatten, blieb ihr Blick dann an der
Leiche von dem Ninja hängen.
„Es gehört sich zwar nicht, Sachen von Toten zu durchwühlen... aber
irgendwie bin ich ziemlich neugierig, ob unser Gegner etwas Interessantes oder
irgendwelche Informatio-nen bei sich trägt...“, dachte Jeanne bei sich und
lief auf die Leiche zu. Sie entdeckte ein gut verschnürtes Bündel, dass in
einem schwarzen Tuch eingeschlagen und am Gürtel befestigt war. Vorsichtig
entwendete sie dieses und wollte es gerade auseinanderpacken, als die Leiche
sich mit einem lauten Zischen in schwarzen Rauch auflöste.
Jeanne starrte entgeistert auf die Stelle, wo zuvor noch der tote Ninja
gelegen hat. Stattdessen befand sich dort eine schwarze Feder, die von einer Art
Bannkreis mit schwarzen Blitzen umgeben war.
„Und was jetzt?“, dachte sie verwirrt. Die Feder versuchen, mit bloßer
Hand anzufassen, das wäre Wahnsinn. Schließlich ist diese von dem Bannkreis
umgeben! Und man sollte Bannkreise lieber nicht unterschätzen, das hatte sie
von Hikari gelernt. Ihr Blick fiel wie-der auf das Bündel.
„Vielleicht entdecke ich darin ja irgendein Hinweis auf diese seltsame
Feder?“, murmel-te sie nachdenklich und schlug das schwarze Tuch auseinander.
Zum Vorschein kamen drei Bücher - Magier, Krieger und Dämonen, Dörfer und
Clane und ein anderes Band von Mythen und Legenden - und zwei kleine
Stoffbeutel, die man sich an den Gürtel binden konnte. Sie steckte sie ohne
Zögern ein.
Nachdenklich schaute Jeanne auf die drei Titel der Bücher. Das waren drei
der vier Buchtitel, die ihre Meisterin ihr vorgeschlagen hatte! Könnte es sein,
dass dieser Schat-tenmagier Yami inzwischen schon wusste, dass sie nach
Informationen über ihn suchten? Dann würde es ja heißen, dass dieser Ninja
einer von seinen Gefolgsleuten ist!
Sie schluckte. Bei den Gedanken daran, dass ihr Feind jetzt schon jeden
Schritt und Tritt von ihnen kennt, wurde Jeanne nochmals bewusst, wie mächtig
ihr Gegner ist.
Nach kurzem Zögern schüttelte sie ihre Furcht wieder ab und nahm sie eines
der Bü-cher, um zu lesen.
Saya war schon länger wach, doch sie stand noch nicht auf. Die vielen
Ereignisse vom vorigen beschäftigten sie noch immer und sie benötigte noch
etwas Zeit, um alles richtig einzuordnen und nochmals überblicken zu können.
Wenn sie so nachdachte, fiel ihr ein, dass ihr dieser Ninja bekannt vorkam.
Hatte sie ihn zuvor schon einmal getroffen? Wieso wusste sie es nicht mehr? Sie
musste daran denken, was Jeanne gesagt hatte. „...Außerdem frage ich mich
schon seit Jahren, warum ausgerechnet ich es bin. Ich kann mich nicht mal an
mein Leben erinnern, bevor ich die Schule des Lichts betreten habe! Da stimmt
doch was nicht!“
Saya legte ihre Stirn in Falten. Wenn sie ehrlich war, wusste sie eigentlich
auch nichts über ihre Vergangenheit; über die Zeitspanne, die Geschehnisse die
sie erlebt hatte, be-vor sie die Schule des Lichts betrat. Aber wie konnte das
sein? Sie verstand es echt nicht.
Es war bereits Mittag, als die fünf Freunde sich auf dem Weg zum
Kristallfluss machten. Die Sonne stand hoch am Himmel, aber im Schatten der
Bäume war es ganz angenehm. Wie so oft übernahmen Navena und Jeanne die
Führung, in einem größeren Abstand zu Saya, Nela und Sirius, die wegen der
Hitze nicht die geringste Lust zu reden hatten.
„Alles okay?“, fragte Navena Jeanne schließlich. Diese hatte, seitdem
sie aufgebrochen sind, nur geistesabwesend nach vorne geschaut und nur was
gesagt, wenn man sie ansprochen hatte.
„Ja, klar, “ kam es nur abwesend zurück.
„Es ist wegen deiner Mutter und deiner Herkunft, stimmt’s?“, fragte
Navena seufzend.
„...hör auf, meine Gedanken zu lesen!“, antwortete Jeanne und sah ihre
Freundin leicht genervt an.
„Seit wann kann ich Gedanken lesen? Jetzt mal ehrlich, Jeanne. Ich bin mir
sicher, dass wir deine Mutter finden werden. Es könnte zwar dauern, aber
irgendwann wird es schon klappen! Hab nur Geduld und etwas mehr Selbstvertrauen.
Und vergiss nicht, dass wir immer zur Stelle sind, um dir zu helfen, “
versuchte Navena ihre Freundin zu ermutigen.
Jeanne ritt verzweifelnd ein bisschen schneller, sodass sie Navena nicht mehr
antwor-ten musste. Diese versuchte, mit ihrer Freundin mitzuhalten und rief ihr
hinterher: „Jetzt versuch nicht wegzulauf-“
Mitten im Satz brach sie ab. Jeanne drehte sich stirnrunzelnd um und sah eine
reiterlo-se Silivren auf dem Waldweg stehen.
„Navena?“, rief sie verwundert nach ihrer Freundin. Keine Antwort.
Plötzlich flog ein Schatten mit etwas Grünes dicht an ihr vorüber. Dieser
kurze Moment genügte Jeanne, um zu erkennen, dass es Navena war, die von
irgendetwas in den Wald verschleppt wurde. War das etwa einer von Yamis
Gefolgsleuten? Wenn nicht, gar erneut ein Ninja?
Entsetzt bei dem Gedanken daran sprang Jeanne von ihrem Einhorn ab und
stellte si-cher, dass sie ihr Schwert noch bei sich hatte. Dann rief sie den
anderen noch zu: „Nave-na wurde entführt!“, woraufhin sie dann alle dem
unbekanntem Schatten hinterherjagten.
„Navena? Bist du hier irgendwo?“, rief Jeanne verzweifelt. Erneut keine
Antwort.
Ihre Freunde hatten sie gerade eingeholt, als sie im Schatten der Bäume eine
Bewe-gung bemerkten.
Das „Etwas“, das Jeanne noch wenige Augenblick zuvor mit Navena im Wald
ver-schwinden gesehen hatte, entpuppte sich als gutaussehender Vampir mit langen
blonden Haaren und gefährlich aussehen Zähnen. Navena lag in seinen Armen. Als
er sich über sie beugte, wollten Jeanne und die anderen eingreifen, doch als
sie den Gesichtsausdruck ihrer Freundin sahen, hielten sie inne. Diese lag mit
verträumtem Gesichtsausdruck in den Armen des Vampirs und schien sich
überhaupt nicht zu fürchten.
Jeanne starrte ihre Freundin vor Entsetzen sprachlos und verdutzt zugleich
an.
„Navena?!? Geht’s dir gut?“, fragte Saya genauso überrascht.
„Ja...“, kam es von Navena zurück, die den Vampir immer noch mit
verträumtem Blick anschaute.
Der Vampir schaute die Freunde mit einer gehobenen Augenbraue an, und blickte
dann wieder verdattert zu Navena runter. Dann schaute er wieder zu den Freunden.
„Bevor hier noch irgendwer anfängt zu schreien: Ich wollte eurer Freundin
nichts tun. Ich bin Gonzo, ein halbblütiger Vampir, “ stellte er sich vor.
„Ein halbblütiger Vampir?“, fragte Nela verdutzt.
„Das heißt, dass er halb Mensch und halb Vampir ist. Ein Vorteil für ihn,
weil er da nicht pausenlos Blut saugen muss und auch am Tag rumflattern kann, wo
die Vollblüter längst schon zu Staub zerfallen wären,“ erklärte Jeanne.
Sirius schaute ihre Freundin erstaunt an. „Woher weißt du das?“, fragte
sie überrascht.
„Das hab ich heute Morgen zufällig in dem Buch Magier, Krieger und
Dämonen gelesen, “ antwortete Jeanne.
„Aha...“
„Ich will ja nicht pessimistisch sein, aber... irgendwie bereitet mir
Navenas seltsames Verhalten Sorgen...“, mischte Saya sich nun ein.
Und sie hatte nicht mal Unrecht: Navena lag währenddessen noch immer mit
ver-träumten Augen in den Armen von Gonzo, der so langsam, aber allmählich
verlegen wur-de.
„Ähm... ist eure Freundin eigentlich immer so drauf?“, fragte er die
anderen.
„Öhm...“
„Ich kann es immer noch nicht glauben!“, entfuhr es Jeanne schon zum
x-ten Male und schüttelte heftig mit dem Kopf, so wie es immer tat, wenn sie
dachte, dass sie das, was gerade passiert war, nur geträumt hat. Dieses Mal
übernahmen Saya und sie die Führung.
„Blick der Wahrheit ins Gesicht, Jeanne! Navena und Gonzo sind jetzt
zusammen. Dar-an kannst du jetzt auch nichts mehr ändern, “ meinte Saya
lachend.
„Eben. Es war Liebe auf dem ersten Blick, “ stimmte Nela ihrer Freundin
zu. Diese ritt mit Sirius direkt hinter ihr und Jeanne.
„Aber ich kann’s immer noch nicht fassen! Ihr müsst euch die ganze Sache
mal vorstel-len! Navena und ich haben uns ganz normal unterhalten. Da ich ein
bisschen weiter vor-ne geritten bin, hab ich mich umgedreht und finde da nur
eine Silivren ohne Reiterin vor! Dann fliegt plötzlich noch so ein Schatten mit
etwas Grünes dicht an mir vorbei. Ich hab gedacht, mich trifft der Schlag!!
Was, wenn Gonzo einer von Yamis Gefolgsleuten wäre? Ich konnte ja erkennen,
dass das Grüne Navenas Haare waren. Also hab ich euch infor-miert und wir sind
dann auch hinterher. Als wir die beiden dann endlich erreicht haben, war es
Gonzo natürlich zu langweilig und er hat sich gedacht, dass er Navena mal ein
bisschen erschrecken könnte und beugt sich also über sie und tut so, als ob er
sie beißen will. Wir wollten ihr natürlich zu Hilfe eilen. Doch jetzt kommt ja
erst das Beste: Unsere Navena liegt mit verträumten Augen in seinen Armen und
fürchtet sich kein bisschen! Tja, da ist Gonzos Plan, sie zu erschrecken,
gründlich in die Hosen gegangen – doch stattdes-sen hab ich wahrscheinlich
den allergrößten Schock meines Lebens erlebt!“, beschwerte Jeanne sich.
Die anderen brachen in großes Gelächter aus und kippten vor Lachen fast vom
Einhorn.
„Jeanne, du redest wie ein Wasserfall!“, sagte Sirius, als sie sich
wieder beruhigt hatte und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht.
„So langsam frag’ ich mich wirklich, wie du auf deine tollen Noten bei
Meisterin Hikari kommst, “ meinte Navena verwundert und musste sich
beherrschen, um nicht wieder loszulachen. Sie und Gonzo ritten ganz hinten,
damit sie sich ganz in Ruhe unterhalten konnten, ohne von den anderen gestört
zu werden.
„Wieso? Auf was steht sie denn durchschnittlich?“, mischte Gonzo sich in
das Gespräch ein und schaute seine Freundin fragend an.
Jeanne drehte sich erschrocken um und blickte direkt in das grinsende Gesicht
ihrer Freundin.
„Navena, nur ein falsches Wort, dann...“, rief sie ihrer Freundin zu und
hob drohend ihren Zeigefinger. Nela und Saya grinsten sich verschwörerisch an.
Auch Sirius musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen.
Navena wandte sich an Gonzo. „Sorry, Schweigepflicht, “ meinte sie und
küsste ihren Freund, den dieser mit Freuden erwiderte. Schließlich musste sie
wegen der Reaktion ihrer Freundin doch lachen.
„Navena! Gonzo! Beeilt euch ein bisschen! Wir wollten noch an der Schule
der Kristalle ankommen, bevor es dunkel ist!“, rief Saya den beiden
schließlich zu, nachdem sie sich alle wieder einigermaßen beruhigt hatten.
Daraufhin ritten sie dann alle im Galopp Rich-tung Kristallfluss.
Es dämmerte bereits, als sie endlich an der Schule der Kristalle ankamen.
Die Einhör-ner – und auch Gonzos schwarzer Mustang – waren schon vollkommen
erschöpft. Auch den Freunden ging es nicht anders.
„Wenn das so weiter geht, werden mir irgendwann nicht nur ein paar Stunden
Schlaf fehlen; ich glaube eher, dass ich irgendwann dann noch an Schlafmangel
leide!“, meinte Jeanne und gähnte zur Demonstration.
„Jetzt beschwer’ dich nicht, Jeanne! Schließlich hat dich niemand
gezwungen, mit mir mitzukommen. Wenn du’s jetzt bereust, kannst du ja immer
noch umkehren, “ kam es leicht gereizt von Navena.
Jeanne drehte sich zu ihrer Freundin um. „Ich hab mich nicht beschwert! Ich
hab nur eine Tatsache festgestellt. Außerdem war auch von Bereuen nicht die
Rede! Ich bin froh, dass ich mitgekommen bin, “ meinte sie und schaute Navena
ernst in die Augen. „Schließlich bin ich froh, wenn ich meinen Freunden
helfen kann.“
„Wir sind da, Leute!“, rief Sirius in diesem Moment und unterbrach so das
Gespräch zwischen den beiden Freundinnen. Sie schauten nach vorne. Ein riesiges
Tor aus Ahorn-holz versperrte ihnen den Weg in die Schule.
„Na, endlich, “ kam es von Gonzo, der sofort von seinem Pferd abstieg.
Die anderen folgten seinem Beispiel.
Nela lief zum Tor und klopfte dreimal an. Nach einer Weile öffnete sich das
Tor und zwei Personen erschienen, ein Junge und ein Mädchen.
„Wer seid ihr?“, fragte das Mädchen. Sie hatte lange schwarze Haare, die
sie mit einem weißen Haarband zu einem locker geflochtenen Zopf
zusammengebunden hatte. Ihre marineblauen Augen schauten die Freunde prüfend
und neugierig zugleich an. Sie trug eine weiße Bluse mit einem dunkelroten
Rock, der ihr bis zu den Knien reichte.
„Wir sind Schüler von der Schule des Lichts und sind hier zufällig
vorbeigekommen. Da es schon recht spät ist, wollten wir um eine Unterkunft
bitten, bevor wir in den nächsten Tagen dann wieder weiterziehen, “
antwortete Saya.
„Und wie viele seid ihr?“, kam es von dem Jungen. Seine zerzausten
braunen Haare fielen ihm ins Gesicht. Er trug ein schwarzes Shirt mit
dunkelblauer Hose. Seine braunen Augen schauten die Freunde fragend an.
„Wir sind zu sechst, “ entgegnete Sirius.
„Ob ihr hierbleiben könnt oder nicht, das können wir nicht entscheiden.
Meisterin Raine wird dann entscheiden, ob ihr hier über Nacht bleiben dürft,
“ sagte das Mädchen und öffnete das Tor. Die sechs Freunde liefen mit ihren
Einhörner und Pferden an den Zügeln haltend hinein.
Nachdem sie die Reittiere in den Stall gebracht und ihnen genügend Futter
und Trinken hingestellt hatten, folgten die Freunde den beiden – Yuina und
Flake – zu Meisterin Rai-nes Trainingshalle.
„Hey, Navena, wie sollen wir’s diesmal anpacken, ohne dass Meisterin
Raine gleich Verdacht schöpft?“, flüsterte Jeanne ihrer Freundin fragend
zu.
Diese zuckte die Schultern. „Wir werden sehen. Es kommt, wie es halt kommt.
Lassen wir uns überraschen, “ kam es flüsternd zurück.
Jeanne seufzte. „Immerhin wissen Gonzo und Sirius auch Bescheid. Da ernten
wir gleich zwei überraschte Blicke weniger, “ meinte sie und erntete
stattdessen einen Das-war-mal-wieder-typisch-dass-du-so-etwas-sagst-Blick von
Navena.
„Hier sind wir. Gleich könnt ihr Meisterin Raine alles erklären, “
unterbrach Yuina die beiden.
Flake hatte inzwischen die Schiebetür zur Seite geschoben. Er und Yuina
verbeugten sich kurz.
„Meisterin Raine, entschuldigt die Störung. Aber diese sechs Leute hier,
die sagen, dass sie Schüler von der Schule des Lichts kommen, wollen hier um
eine Unterkunft für diese Nacht bitten, “ erklärte er.
Raine drehte sich um. Sie trug einen Kampfanzug und hatte ihre langen,
dunkelblauen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, sodass man anhand
ihrer Ohren erkennen konnte, dass sie kein Mensch, sondern eine Elfin war. Neben
ihr lag ein Holz-schwert.
„Ihr könnt euch entfernen, “ sagte sie zu ihren Schülern. Diese
verbeugten sich noch einmal und verließen die Trainingshalle.
Dann wandte sich Raine ihren Gästen zu. „Ihr seid also alle Schüler von
Hikari von der Schule des Lichts?“, fragte sie die Freunde.
„Nicht ganz, Meisterin Raine. Ich bin eine Schülerin von Meisterin Polaris
von der Schu-le der Sterne, “ erzählte Sirius.
„Und ich geh auf keine der beiden Schulen, “ kam es von Gonzo.
„So. Und wieso seid ihr hier? Müsstet ihr nicht in euren Schulen sein? In
ein paar Tagen sind immerhin Prüfungen. Ihr müsstet doch wissen, dass ihr von
der Schule fliegt, wenn ihr nicht an ihr teilnimmt, oder?“, fragte Raine
lächelnd weiter.
Jeanne trat vor und wollte ihr antworten, doch in dem Moment, als Raine sie
sah, ver-schwand ihr Lächelnd mit einem Schlag.
„Was willst du hier?“, zischte sie hasserfüllt.
Jeanne schaute Raine fragend an. „Entschuldigt, aber ich fürchte, ich
verstehe nicht ganz, was...?“, brach sie stotternd hervor.
„Tu nicht so, Kajika! Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte Yami
niemals das Kris-tall-Schwert bekommen!“, rief Raine zornig. Tränen traten
ihr in die Augen. „Außerdem wäre der Kristall-Clan auch nicht zerstört
worden, “ brach sie schluchzend hervor.
„Meisterin Raine, hört mir bitte zu. Sie haben sich geirrt. Ich bin nicht
Kajika. Mein Name ist Jeanne und ich bin eine Schülerin von Hikari. Ich habe
Sie noch nie zuvor gese-hen, also kann ich Ihnen auch nichts getan haben,“
versuchte Jeanne Raine zu beruhigen.
Mit einem Mal war all die Wut und Trauer verflogen. Raine schaute Jeanne
erstaunt an. „Du bist nicht Kajika? A-aber... diese Ähnlichkeit! Wie kann das
sein?!“, fragte sie über-rascht.
„...ich bin die Tochter von Kajika, wenn das stimmt, was Meisterin Polaris
mir gestern erzählt hat, “ sagte Jeanne.
Raine brachte vor Staunen kein Wort mehr heraus.
„Hört zu, Meisterin Raine. Der Kristall-Clan wurde vor ungefähr 30 Jahren
von Yami und seinen Gefolgsleuten zerstört. Aber wir sind alle so um die 16
Jahre alt. Es kann kei-ner von uns gewesen sein. Ihr verwechselt Jeanne mit
ihrer Mutter, “ mischte sich Nave-na nun ein.
Raine schwieg. Jeanne konnte förmlich sehen, dass es in ihrem Kopf ratterte
und knirschte, weil sie alles erst einmal verdauen musste.
„Meisterin Raine. Wisst ihr vielleicht, wie Yami zu so vielen Gefolgsleuten
kommt?“, fragte sie dann die Gründerin von der Schule der Kristalle.
Diese sah sie überrascht an. „Wieso fragst du?“
„Weil ich einen Verdacht habe, aber ich bin mir noch nicht ganz
sicher...“, erklärte Jeanne und schaute nachdenklich drein.
„Wie meinst du das, Jeanne?“, mischte sich nun Saya ebenfalls ins
Gespräch ein. Auch die anderen sahen sie gespannt an.
Raine seufzte. „Ich bin mir auch nicht sicher. Aber ich sage euch, was ich
weiß, als Ent-schuldigung, dass ich eurer Freundin einen so großen Schrecken
eingejagt und dass ich sie zu Unrecht verdächtigt habe.
Yami wurde damals von Hikari aus der Schule des Lichts verbannt, weil er
nicht nur angefangen hat, dunkle Magie zu erlernen, sondern weil er auch
jemanden umgebracht, nur um seine Kräfte zu testen. Doch nur wenige wissen, was
für eine dunkle Kunst er versucht hat zu erlernen bzw. inzwischen schon erlernt
hat.
Die dunkle Magie beinhaltet viele verschiedene Künste, die für jeden
Menschen unter-schiedlich schlimm ist. Und die Kunst, die Yami zu erlernen
versucht hat, ist die Fähigkeit, den Menschen einen Teil ihrer Erinnerungen zu
rauben und sie dann in Federn zu ver-wandeln. Das hat er nach einiger Zeit auch
geschafft, doch er hat eines nicht beachtet: Die Federn haben alle ihre eigenen
Bannkreise.
Ein Beispiel: Bei einer Person, die das Element Eis hat, hat die
Erinnerungsfeder eine bläulich-weiße Färbung. Wenn jemand versuchen würde,
die Feder mit bloßen Händen anzufassen, würde sie sofort zu Eis erstarren.
Aber es gibt auch Ausnahmen. So können zum Beispiel die Personen, die der
Person, der die Erinnerungsfeder ja eigentlich gehört, nahestehen, die Feder
mit bloßer Hand berühren, ohne zu Eis zu erstarren. Es ist ziem-lich
kompliziert. Solltet ihr mal so eine Erinnerungsfeder finden, fasst sie
sicherheitshal-ber nicht mit bloßer Hand an, sondern nutzt eure Magie, um sie
zu transportieren. Es gibt aber auch spezielle Taschen, in der man die
Erinnerungsfedern legen kann. Aber sie sind sehr selten!“, erzählte Raine.
Bei diesen Worten streifte Jeanne ihren Rucksack von ihren Schultern ab und
wühlte darin rum, bis sie dann endlich zwei stoffbeutelähnliche Taschen aus
ihrem Rucksack zog.
„Meinen Sie zufällig die hier?“, fragte sie und wedelte mit einen der
beiden Taschen.
Den anderen klappte der Mund auf.
„Sag mal, Jeanne, was kommt denn als Nächstes? Entpuppst du dich
vielleicht als eine der Gefolgsleuten von Yami?“, kam es staunend von Sirius.
„Sehr witzig!“, entgegnete diese.
Raine schaute ebenfalls ziemlich verblüfft rein, als sie die Tasche in
Jeannes Händen sah.
„So langsam wirst du mir unheimlich, Jeanne. Diese speziellen Taschen sind
sehr, sehr selten! Wie kommt es eigentlich, dass du gleich zwei davon hast?“,
fragte sie überrascht.
Jeanne schaute ihre Freunde an. Sollten sie die Sache, die in der
Sternenbibliothek passiert war, Meisterin Raine erzählen?
In diesem Moment wurde die Tür von der Trainingshalle aufgerissen und ein
Mädchen mit langen blauen Haaren, die zu zwei Zöpfen gebunden waren, stürmte
herein. Sie trug ein weißes ärmelloses Kleid, das mit blauen und grünen
Mustern verziert war. Auch sie war eine Elfin – um genau zu sein, Raines
jüngere Schwester Rainy.
„Raine! Es ist etwas Fürchterliches passiert! Draußen sind zwei
Gefolgsleute von Yami, die mit dir sprechen wollen. Sie haben schon einige
deiner Schüler angegriffen!“, rief sie keuchend und ihre dunkelblauen Augen
blitzten vor Empörung auf.
Währenddessen kämpften Yuina und Flake verbissen gegen die beiden
Gefolgsleute von Yami, um zu verhindern, dass diese die Schule der Kristalle
betreten. Einige Schüler lagen schon verletzt auf den Boden und haben ihr
Bewusstsein verloren. Jetzt standen die beiden Rücken an Rücken, um ihre
Gegner nicht aus den Augen zu lassen.
„Verdammt! Flake, hast du eine Idee, was wir machen könnten? Wenn das so
weiter-geht, werden wir auch noch besiegt werden, “ flüsterte Yuina ihrem
Klassenkamerad zu.
Dieser setzte zur Antwort an, doch in diesem Moment griffen die beiden Ninjas
wieder gleichzeitig an, und so blieb den beiden nichts anderes übrig, als sich
weiterhin auf den Kampf zu konzentrieren.
„Es reicht!!“, ertönte es plötzlich hinter ihnen. Sofort stoppten die
vier im Kampf. Yuina und Flake verbeugten sich schnell vor Raine.
Raine wandte sich den beiden Eindringlingen zu. „Was wollt ihr hier?“,
fragte sie streng.
Einer von den Gefolgsleuten deutete auf Jeanne. „Sie hat etwas von unserem
Kamera-den mitgenommen. Das wollen wir wieder, “ sagte er.
„Und was hat sie mitgenommen?“, fragte Raine weiter.
„Die Erinnerungsfeder, die ihr nicht gehört, “ antwortete der zweite.
„Das stimmt. Die Feder gehört mir nicht – aber euch gehört sie auch
nicht! Ihr habt die Erinnerung geklaut, und zwar von Saya!!“, mischte sich
Jeanne nun in das Gespräch ein.
Saya schaute ihre Freundin überrascht an. „Von mir? Bist du dir sicher,
Jeanne?“, frag-te sie unsicher.
„Hast du Beweise?“, kam es wütend von dem Gegner.
Jeanne grinste. „Ja, die habe ich. Und sogar mehrere! Die Erinnerungsfeder,
die ich mitgenommen habe, ist schwarz und hat einen dunklen Bannkreis mit
schwarzen Blitzen. Rins Element ist Dunkelheit, also ist auch die Feder schwarz.
Da die Dunkelheit aber nicht ausreicht, um einen Bannkreis zu bilden, gibt’s
noch schwarze Blitze. Und eines von Rins Teilelementen ist Donner! Das ist mein
erster Beweis, “ erzählte sie.
Die beiden Ninjas schwiegen. Raine und die anderen schauten Jeanne
beeindruckt an.
Diese wandte sich an Saya. „Saya, gibt es bei dir in den Erinnerungen nicht
irgendeine Lücke, an die du dich schon mehrmals versucht hast zu erinnern, aber
dir nie was einge-fallen ist, obwohl du dich noch so sehr konzentriert hast?“,
fragte sie ihre Freundin.
„Doch. Und wie es der Zufall will: Es ist ausgerechnet die Zeitspanne, die
passiert ist, bevor ich die Schule des Lichts betreten habe – genau wie bei
dir!“, antwortete diese nachdenklich.
Jeanne lächelte. „Gut, damit ist bewiesen, dass Saya ein Teil ihrer
Erinnerungen ge-raubt wurde, “ meinte sie.
„Achja? Dennoch ist noch lange nicht bewiesen, dass es ihre Feder gewesen
ist...“, setzte der eine Ninja an, doch Jeanne unterbrach ihn.
„Nicht so voreilig! Der wichtigste Teil fehlt noch. Meisterin Raine hat uns
erzählt, dass nur jemand, der dem Besitzer der Erinnerungsfeder nahesteht, die
Feder mit bloßer Hand berühren kann, ohne dabei von dem Bannkreis verletzt zu
werden. Ich wusste es damals noch nicht, also hab ich sie zuletzt doch mit
bloßer Hand genommen und in eine der spe-ziellen Taschen gepackt, die euer
Kamerad bei sich getragen hat.
Mit anderen Worten: Die Erinnerungsfeder gehört jemanden, der mir ebenfalls
sehr nahesteht, sie hat das Element Dunkelheit und außerdem das Teilelement
Donner. Au-ßerdem fehlt ihr ein bestimmter Teil ihrer Erinnerungen. Und da Saya
die einzige von den mir nahestehenden Personen ist, der diese Eigenschaften
zutreffen, bin ich mir auch si-cher, dass diese Erinnerungsfeder ihr gehört!
Also habt ihr zwei auch kein Recht, diese Erinnerungsfeder zurückzuverlangen,
weil sie selbstverständlich ihrem Besitzer gehört – nämlich Saya!“,
meinte sie triumphierend.
„Wenn du sie uns nicht zurückgeben willst, dann müssen wir sie uns eben
mit Gewalt zurückholen!“, riefen die beiden zornig und griffen Jeanne an.
„Jeanne! Die Schwäche von den beiden ist Feuer!“, rief Saya ihrer
Freundin noch schnell zu.
„Danke für den Tipp!“, entgegnete sie grinsend und wich den Angriffen
der Gegner mit der Trugbild-Technik aus, die unzählige Ebenbilder von ihr
schafften. So hatte sie genü-gend Zeit, um ihre Energie zu bündeln und diese
dann auf die beiden Gegner zu schleu-dern. Sie ließ sich auf einem Baum nieder
und schloss die Augen, um sich zu konzentrie-ren. Zwischen ihren Händen
erschien eine kleine Flamme, die immer größer wurde.
Inzwischen haben die beiden Ninjas mehr als die Hälfte der Ebenbilder
beseitigt. Jeanne merkte dies.
„Ich denke, dass dieser Flammenbündel hier reichen müsste, um die beiden
zu besie-gen, “ dachte sie bei sich.
Sie formte die Flamme zu zwei Pfeilen mit Bogen und schoss sie auf die beiden
Ninjas. Diese merkten den Angriff viel zu spät, um ihn ausweichen zu können,
und wurden so beide am Arm getroffen. Auch der größte Teil ihrer Kräfte
verschwand.
„Wenn ihr an eurem Leben hängt, dann verschwindet von hier! Das ist eure
letzte Chance. So leicht lasse ich euch bestimmt kein zweites Mal davonkommen,
“ rief Jeanne den beiden Gefolgsleuten vom Baum aus zu.
Diese sahen ein, dass dies der beste Weg war.
„Das wirst du noch bitter bereuen, Jeanne, dass du dich gegen Meisterin
Yami gestellt hast!!“, riefen sie ihr noch drohend zu, bevor sie fluchend von
dannen zogen.
Jeanne sprang vom Baum runter. „Das stimmt nicht. Schließlich weiß ich,
dass ich das Richtige tue...“, dachte sie bei sich und lief zu ihren Freunden.
„Ich danke dir nochmals, dass du die beiden vertrieben hast, Jeanne!“,
sagte Raine.
Jeanne schüttelte den Kopf. „Ihr braucht euch nicht zu bedanken, Meisterin
Raine. Au-ßerdem war das selbstverständlich. Wir hätten alle zur Not
eingegriffen. Doch zum Glück war dies nicht nötig. Und ihr habt uns sehr viele
Informationen gegeben, die wir gesucht haben, “ entgegnete sie und wandte sich
an Saya. „Und was deiner Erinnerungsfeder angeht, die kriegst du natürlich
wieder, “ meinte sie lachend und drückte ihrer Freundin einen der speziellen
Taschen in die Hand.
Saya nahm sie dankend an und öffnete sie. Die Erinnerungsfeder schwebte von
alleine heraus und landete auf ihren Kopf. Sie schloss ihre Augen. Die
Geschehnisse und einzel-nen Details spielten sich in ihren Gedanken nochmal ab.
Gedanken und Bilder überflute-ten sie. Sie erinnerte sich wieder, was damals
passiert war – und weshalb sie in die Schule des Lichts gekommen ist.
„Alles okay bei dir?“, fragte Nela ihre Freundin, nachdem diese ihre
Augen öffnete. Die Erinnerungsfeder war spurlos verschwunden.
Saya nickte nur stumm.
„Und wo ist die Erinnerungsfeder hin?“, fragte Gonzo.
„Die ist wieder in ihren Körper zurückgekehrt, “ erklärte Raine.
Sirius wandte sich an Jeanne. „Wann hast du eigentlich die Erinnerungsfeder
gefunden bzw. mitgenommen?“, fragte sie ihre Freundin neugierig.
„Heute Morgen, als ihr alle noch geschlafen habt. Ich bin kein
Langschläfer, weißt du. Deswegen bin ich schon so früh auf gewesen. Und dann
noch die Ereignisse, die sich ges-tern in der Sternenbibliothek abgespielt
haben...“, antwortete Jeanne und musste grinsen.
„Wäre es jetzt eigentlich möglich, dass wir heute Abend hier eine
Unterkunft bekom-men könnten?“, wechselte Navena schnell das Thema.
Raine nickte. „Ja, natürlich. Yuina wird euch in eure Zimmer bringen. Es
sind Zweier-Zimmer, “ fügte sie noch hinzu.
Die Freunde schauten sich an. Irgendwie war ihnen alle jetzt schon klar, wer
mit wem in ein Zimmer kommen würde...
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