Burning Sun von Monsterseifenblase (Die Fortsetzung zu Bis(s) in die Ewigkeit) ================================================================================ Kapitel 15: That's the reason. So easy. --------------------------------------- 15. That’s the reason. So easy. Alles war bunt. Viel bunter, als sonst. Zumindest glaubte ich das. Ich hatte das Gefühl, als wollten die Farben mich erschlagen. Als wollten sie mir noch ein allerletztes Mal zeigen, wie wunderschön sie waren. Ich nahm es viel intensiver wahr, als zuvor. Mir war bewusst, dass ich vielleicht schon bald nicht mehr die Möglichkeit haben würde, mich an dieser einzigartigen, farbenfrohen Schönheit zu ergötzen. Meine Schritte setzte ich langsam und ganz gezielt, so dass ich möglichst wenig von dem weichen Waldboden, der gerade erst begann, sich vom Winter zu erholen, zerstörte. Seltsamer Weise wurde ich gerade in diesem Augenblick von einem unglaublichen Friedensbedürfnis durchströmt. Alles sollte gut werden, so schön, wie es vorher gewesen war. Als ich gerade wieder angefangen hatte zu leben und zu genießen und meine Tage nicht mehr von Trauer und nicht geweinten Tränen gefüllt wurden. Ich strich mir durch die Haare, doch die widerspenstige Locke, die sich oberhalb meines linken Auges befand, schlich sich immer wieder zurück in mein Gesicht. Normalerweise bändigte ich sie mit einer ganzen Menge Haarspray, aber ich war schon seit drei Tagen unterwegs und hatte keines mitgenommen. Ich hatte allgemein ziemlich wenig Gepäck, für meine Verhältnisse. Nur das, was ich am Leibe trug. Und ein paar Kleinigkeiten. Erinnerungsstücke, die mir ein bisschen Mut geben sollten, ein bisschen Kraft. Und einen Glücksbringer. Ein dünnes Armband. Es war aus Wolle gefertigt und so Leid mir es tat, sonderlich hübsch war es nicht. Die Farben passten nicht wirklich zueinander und es war schlecht geflochten. Aber so war Bella halt immer gewesen. Alles, was in irgendeiner Art und Weise mit Geschicklichkeit zusammenhing, war einfach nicht ihr Ding gewesen. Ganz bekümmert hatte sie es mir nach der Textilstunde gezeigt und ich hatte überschwänglich behauptet, wie wunderschön es war. Denn ich hatte immer nur eins gewollt. Alle glücklich machen. Dann hatte ich es ihr abgenommen und verkündet, ich würde es tragen, sobald sich eine Gelegenheit bot. Aber dann hatte ich es vergessen, verloren, was auch immer geschehen war. Keiner von uns beiden hatte einen weiteren Gedanken daran verschwendet. Bis ich es dann wieder gefunden hatte, als wir vor kurzem in unserem Haus in Forks waren. Unter meinem Bett hat es gelegen und auch wenn ich mir bis jetzt nicht erklären konnte, wie es dorthin gekommen war, war ich doch froh darüber, dass Jasper es durch Zufall gefunden hatte. „Ich hab es ja versprochen Bella. Bei einer passenden Gelegenheit, werde ich es tragen. Es tut mir Leid, dass ich dich solange hab warten lassen“, flüsterte ich leise und strich mit den Fingern über die leicht ausgefranste Wolle, die dem ganzen einen noch seltsameren Anblick verliehen. Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Umgebung. Es konnte nicht mehr weit sein. Zwei, vielleicht auch drei Meilen, dann war es soweit. Ein Teil von mir konnte es kaum erwarten, ein anderer, der ängstliche, der nicht so siegesgewiss war, drängte danach einfach wieder umzukehren. Doch ich hörte nicht auf ihn, ich ging weiter, auch wenn ich mich nach den anderen sehnte, auch wenn ich mich nach Sicherheit und nach Jaspers Armen sehnte. Um gewinnen zu können, musste man nun einmal auch riskieren und jetzt war es ohnehin zu spät, um irgendetwas zu ändern. Meine Finger strichen über die Äste, die sich mir entgegenstreckten. Jede einzelne Unebenheit spürte ich. Nichts entging mir und ich hätte den gesamten Weg, den ich so ertastete bis ins letzte Detail beschreiben können, wenn man mich danach gefragt hätte. Aber mich fragte niemand danach, als ich schließlich an der Stelle ankam, die ich in meiner Vision gesehen hatte. Sie war verlassen, ich war alleine. Dennoch war ich mir sicher, dass er kommen würde. Ich wusste nicht genau wann, vielleicht dauerte es auch noch einen Tag, aber er würde kommen. Ansonsten hätte er mich nicht gerufen. Oder war er vielleicht doch so böse, dass er mich aus Spaß hier hergeholt hatte? Einfach aus der Freude daran, mich leiden und treu kommen zu sehen? Nein, daran wollte ich nicht glauben. Diese Sache zwischen ihm und mir, das war einfach zu ernst für einen solch geschmacklosen Streich. Und irgendetwas sagte mir, dass er das genau so sah, wie ich. Ich ging weiter in die Mitte der kleinen Lichtung und ließ mich dort einfach auf dem Boden nieder. Ich würde warten, so lange, wie ich halt warten musste. Die Augen schließend konzentrierte ich mich auf die Geräusche um mich herum. Sogar das Meer konnte ich hören, denn ich wusste, dass es nicht weit entfernt war. Schließlich war Italien umgeben von Wasser. Dann hörte ich einen Vogel, einen der ersten seit ich in diesem Land angekommen war. Warum es so lange gedauert hat, weiß ich nicht. Vielleicht sind sie geflohen von diesem Ort. Wissend, dass er in ein paar Stunden für eine Weile der gefährlichste der Welt sein wird. Denn es gibt es nichts schlimmeres, als wenn Vampire Krieg führen, das hat Carlisle mir einmal gesagt. Sie spüren so viel, diese Tiere, warum nicht auch so etwas? Wieso sollten sie nicht fliehen vor dem, was geschehen wird? Vor der Wut, Rache und Grausamkeit, die hier bald freigesetzt werden wird. Es ist ihr Recht und eine gute Entscheidung zu fliehen. Denn wenn der Kampf lange dauern sollte, dann würden wir Kräfte benötigen und auch wenn mir der Gedanke nicht behagte, so war mir doch klar, dass auch ich in einer solchen Situation rücksichtslos jedes Tier in meiner Umgebung töten würde, um an sein Blut zu kommen. Um seine Kraft in mich aufzusaugen und gegen Aro zu verwenden. Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß, als ich schließlich das Gefühl hatte, nicht mehr alleine zu sein. Es kann eine Stunde gewesen sein, aber auch ein Tag, oder eine Woche. Mein Zeitgefühl war völlig verschwunden. Aber was bedeutete Zeit schon in einem Leben wie meinem? Ich hielt die Augen geschlossen und erst als das Gefühl immer stärker wurde, öffnete ich sie. Da war nichts, rein gar nichts. Die Lichtung war verlassen. Keine Vögel, keine Rehe, rein gar nichts konnte ich riechen. Aber mein Gefühl täuschte mich selten. Ich spürte, wie eine Vision mich zu überwältigen drohte, doch ich hielt die Augen starr geöffnet und unterdrückte sie. Nicht immer, aber manchmal schaffte ich es, eine Vision einfach abzuweisen. Früher hatte ich es häufig geübt in der Hoffnung mehr Kontrolle über meine so unberechenbare Fähigkeit zu erlangen. Aber in den Jahren, auf denen ich auf diesen Augenblick gewartet habe, hatte ich es nicht gewagt. Zu groß war die Angst gewesen, diese eine, ganz entscheidende Vision abzuweisen und Aros Ruf nicht zu hören. Dementsprechend fiel es mir jetzt schwer, aber ich konzentrierte mich auf meine Umgebung, auf das, was real war und schaffte es schließlich doch. Wie ein Nebel verschwand der Faden von Bildern aus meinem Kopf und zog sich zurück. Ich schenkte ihm keine Aufmerksamkeit mehr, sondern widmete mich wieder den bunten Farben um mich herum und dann kam er. Genau so, wie ich es vorhergesehen hatte in meiner Vision beim Baseballspiel. Er trat zwischen den Bäumen hervor und es war so, als würde er aus den Farben heraus geboren werden, als würde er aus ihnen bestehen. Es war hell um uns herum und die einzelnen Sonnenstrahlen, die hinab auf die Lichtung schienen ließen ihn glitzern. Ließen ihn so unglaublich gefährlich und erfahren aussehen, wie nur ein Jahrtausende alter Vampir es konnte. Nur wenige Schritte von mir entfernt blieb er stehen und schaute auf mich hinunter, da ich noch immer im Schneidersitz auf dem Boden saß und auch nicht vorhatte aufzustehen. Es würde noch ein paar Minuten dauern, bis es soweit war. Ich spürte, dass er reden wollte, dass er noch ein paar letzte Worte an mich loswerden wollte. „Alice“, sagte er nur und um die Tradition zu waren, blinzelte ich freundlich und begrüßte ihn ebenfalls: „Aro.“ „Es freut mich, dass du hergefunden hast. Kurzzeitig hatte ich bedenken, dass du den Ort vielleicht nicht finden würdest. Ich kann einfach nicht genau abschätzen, wie viel deine Visionen dir zeigen.“ Er lächelte trocken, als er so schnell auf dieses Thema zu sprechen kam. Auf meine Fähigkeit, um die er mich so beneidete. „Ich hatte keine Probleme“, erwiderte ich nur, noch immer auf dem Boden sitzend, um ihm nicht allzu viel darüber zu verraten. Wenn er mich töten würde, dann würde ich wenigstens so wenig wie nötig vorher ausplaudern, egal worum es ging. Obwohl es wahrscheinlich sinnlos war, denn schon beim ersten Hautkotakt würde er alles wissen, was er zu wissen begehrte. Dennoch würde ich ihm nichts sagen. Gedanken auszusprechen war etwas gänzlich anderes, als wenn sie einem direkt aus dem Kopf gestohlen wurden. „Das freut mich. Und es tut mir auch Leid, dass ich dich habe warten lassen. Meine Brüder hatten ein Auge auf mich.“ „Ich hoffe wir sind ungestört“, sagte ich nur und meinte es vollkommen ernst. Wenn jemand aus der Garde herkommen würde, würde er mich töten, auch wenn Aro gegen den Befehl seiner Brüder mich angegriffen hatte. Eines der obersten Gesetze war es, den König zu schützen. Mein Leben war dabei nicht wichtig, es würde ohne weiteres geopfert werden, auch wenn ich unschuldig war. Aber von der Garde umgebracht zu werden, wäre etwas anderes, als von Aro getötet zu werden. Es war unser Kampf, ansonsten hatte sich niemand darin einzumischen. „Natürlich“, entgegnete er nur freundlich, doch dann wurde sein Gesicht traurig. Ich wusste, dass es gespielt war. Aro kannte Gefühle wie Trauer nicht. Nur Hass, Machtgier und Schadenfreude waren ihm vertraut. Dennoch musste ich mir eingestehen, dass er seine Rolle gut spielte. Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich es ihm abgenommen. „Es muss nicht so enden, Alice. Du weißt, dass es einen anderen Weg gibt. Einen Weg der viel sinnvoller und sicherer wäre. Für dich und deine Familie.“ Sicherer. Ja, das wäre er mit Sicherheit. Aber mehr auch nicht. Außerdem würde Jasper nicht aufgeben, ich wusste es. Wenn ich mich der Volturigarde anschließen würde, würde er alles dafür geben, mich zu befreien oder ihr ebenfalls beitreten. Aber das wollte ich nicht. Das konnte ich nicht zulassen, denn es widersprach schlichtweg allem, was wir je von Carlisle gelernt hatten. Und das, was er mir als Vater beigebracht war immer mein einziger Anhaltspunkt gewesen, was mein Verhalten betraf. Ich wollte, dass es so blieb, deshalb schüttelte ich den Kopf und flüsterte: „Nein, Aro. Es gibt keinen anderen Weg. Nicht für mich. Genauso wenig wie es einen für Edward gab.“ „Es wäre eine Verschwendung“, widersprach er direkt und widerte mich einfach nur an, mit dem, was er sagte. Für ihn zählten nur die Fähigkeiten, die Persönlichkeiten die sich dahinter verbargen waren ihm völlig egal. „Ja, wahrscheinlich“, stimmte ich deshalb zu und schwang mich auf die Beine, um ihm in die Augen zu sehen. Dann fügte ich hinzu: „Die ganz allein du zu verantworten hättest.“ Sein Gesicht regte sich nicht, es war eine Maske, eine steinerne Maske, die er sich in ewiger Übung angeeignet hatte. Und nichts, rein gar nicht vermochte sie zu erschüttern. Ob es wohl etwas gab, was ihm wirklich wichtig war, etwas, das ihm am Herzen lag? Etwas anderes als Macht und Prestige, sondern vielleicht eine Person. Konnte Aro lieben, so wie ich Jasper liebte und Edward Bella geliebt hatte? War er überhaupt in der Lage solche Gefühle zu haben? Die Fragen drängten sich mir mit einem Male auf, obwohl ich vorher nie darüber nachgedacht hatte. Wenn es nämlich nicht so war, wenn Aro keine Ahnung davon hatte, was auch ein Vampir empfinden kann, dann würde es seine Schuld zwar nicht mindern, aber es würde es einfacher machen zu verstehen, was er tat. „Die Verantwortung liegt bei euch, Alice. Niemand sonst hat mit daran zu tragen. Es ist eure Pflicht euren Königen zu dienen. Wenn ihr euch weigert, dann müsst ihr bestraft werden.“ Mein Inneres zog sich zusammen. In Situationen wie diesen, in denen ich mich mit meinem größter Kummer auseinander setzten musste, fühlte ich mich seltsam. Manchmal glaube ich, dass ich mich dann fast wie ein Mensch fühle, auch wenn ich mich nicht daran erinnere, wie es ist, einer zu sein. A ber vielleicht ist mir das ja geblieben. Diese Fähigkeit in größter Verzweiflung von menschlichem Kummer heimgesucht zu werden. „Du hast uns genug betraft, Aro. Du hast unsere Familie auseinander gerissen, du hast sie zerstört. Und du hast es nicht getan, weil wir uns geweigert haben deiner Garde beizutreten. Du hast es getan, weil du Angst hattest. Carlisle ist beliebt, unsere Familie war etwas Besonderes. Du hingegen bist einfach nur grausam und machthungrig.“ Ich atme schnell, ich hatte so ein Bedürfnis nach Luft, auch wenn ich gar keinen Sauerstoff brauchte, dass ich es kaum erklären konnte. Aber es half mir dabei, mich zu beruhigen, denn ich spürte, wie die Flut der Erinnerung über mich zu kommen drohte. Ich wandte den Blick nicht von Aro ab und erkannte, dass seine Maske zu fallen drohte, dass ich seinen wunden Punkt getroffen und ihn wütend gemacht hatte. Und mit einem Mal erkannte ich es. Konnte das, was in seinen Augen stand, lesen. Erschrocken stolperte ich zurück. „Du hattest nicht einfach nur Angst“, flüsterte ich schließlich erstaunt. Warum hatte ich es nicht schon viel früher durchschaut? Ich hatte eine Gabe, die es mir erlaubt mehr zu sehen, als alle anderen, aber dennoch habe ich wieder versagt und Aros wahre Beweggründe waren mit jahrzehntelang verborgen geblieben. Edward war besorgt um Bella gewesen, hatte in ihm nur das Monster gesehen. Carlisle war geblendet von seiner alten Freundschaft zu den Volturi, aber ich hatte keine Entschuldigung! „Du-“, fing ich wieder an, musste aber abbrechen, weil ich es noch immer nicht glauben wollte. Er war kein gefühlsloses Monster. Im Gegenteil. „Du warst eifersüchtig“, stieß ich schließlich hervor und schüttelte den Kopf. „Das ist der Grund für alles. So einfach. Du wolltest uns nicht nur in der Garde haben, um sie zu stärken, sondern um sich unserer Fähigkeiten zu bedienen, die du nie haben würdest. Und du hast unsere Familie nicht aus Angst zerstört. Du hast sie auseinander gerissen, weil Carlisle und wir alles hatten, wonach es dich seit Jahrhunderten verlangt. Vertrauen, Liebe, Zuneigung, Freundschaft. Du hast danach gesucht und es nie gefunden. Und dann kam Carlisle, hat eine Weile bei euch gelebt und hat sich nicht von deinen Brüdern beeinflussen lassen. Er hat das gelebt, was er leben wollte und das hast du nie geschafft. Er hat das bekommen, was du dir immer erträumt hast und du warst bis zum Schluss nicht stark genug es ihm zu gönnen.“ Fassungslos machte ich noch einen Schritt nach hinten, um mich von ihm zu entfernen. Es machte alles einen Sinn, es war so logisch und keiner von uns war in der Lage gewesen es zu erkennen. Aber hätte es etwas geändert? Hätten wir anders gehandelt, wenn wir gewusst hätten, dass Aro nicht nur neidisch auf seine Fähigkeiten, sondern auf seine Liebe war? Hätten wir Bella retten können, wenn uns klar gewesen wäre, dass er sie auf seine ganz eigene Art und Weise gehasst hat, weil sie Edward geliebt, sogar vergöttert hat und das sogar über die Grenzen des Vampirsein hinweg? Und dann wurde mir noch etwas klar. Etwas, was viel schlimmer war, als alles andere. „Du hast es mit Absicht getan“, platze ich heraus und der Blick, der mich durchbohrte, wurde immer intensiver. Immer bösartiger. „Ich dachte immer, dass du die Ehre haben wolltest, sie zu verwandeln und einfach nicht geschafft hast aufzuhören! Aber du hast es mit Absicht getan. Du hast sie getötet, weil sie Edward geliebt hat und zwar Edward als Person, nicht als Vampir. Du hast sie getötet, weil sie Edward etwas gegeben hat, was du nie bekommen hast!“ In diesem Moment sprang er. Er sprang so schnell, dass ich es gar nicht sah. Ich registrierte es erst, als er gegen mich prallte. Die Wucht warf mich zu Boden, denn ich war kleiner als er und überrascht. Ich hatte ihm rein gar nichts entgegen zu setzten, in dieser unglaublichen Wut, die er schon so lange in sich trug und die ich nun entfacht hatte. Ich schlug auf dem Boden auf, doch es war harmlos. Was einem Menschen vielleicht den Rücken schwer verletzt hätte, war für mich nur eine Kleinigkeit, doch mir war bewusst, dass ich Glück gehabt hatte. In einem Bruchteil von Sekunden reagierte ich und zog, während ich fiel, intuitiv die Beine zwischen mich und Aro, und stieß ihn mit aller Kraft von mir. Sein Angriff war keine Herausforderung gewesen, ich hatte mir viel Schlimmeres ausgemalt, doch als er kurz darauf wieder auf beiden Beinen stand, erkannte ich, dass er anfing nachzudenken. In seiner unkontrollierten Wut hatte er mich einfach angegriffen, er hatte mich einfach töten wollen. Doch jetzt hielt er sich zurück, ich sah ihm an, wie er anfing seine Angriffe zu planen und das Bewusstsein durchströmte mich, dass es begonnen hatte. Der Kampf, der seit Jahren auf mich wartete, hatte angefangen. Und es war unumkehrbar, denn egal was ich nun sagte, es würde nichts mehr ändern. Rein gar nichts. Ich tat einen Schritt nach hinten, dann kniff ich leicht die Augen zusammen und konzentrierte mich. Ich fixierte alle meine Gedanken auf Aro und konnte jede Entscheidung sehen, die er traf. Als er mich wieder angriff, konnte ich ihm erneut ohne Probleme ausweichen, denn egal was er zu tun beabsichtigte, ein paar Sekunden vor dem eigentlichen Angriff, wusste ich, was er vorhatte und konnte mich darauf vorbereiten. Oft hatte ich Jasper stundenlang hingehalten und war auch Emmett eine Ewigkeit immer wieder aus dem Weg gehüpft, aber das würde mich in dieser Situation nicht weiterhelfen. Ich musste nicht ausweichen, ich musste siegen. Obwohl mein Verstand mir das immer wieder einredete, hielt ich an meiner Taktik fest. Ich wich ihm aus, vermied es, ihm zu Nahe zu kommen und konzentrierte mich darauf, so häufig wie möglich ein und auszuatmen. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und half mir, andere Gedanken aus meinem Kopf zu verbanne. Ich sah, wie er auf die Bäume springen und mir von hinten in den Nacken falle wollte, doch ich war schneller, kam ihm zu vor und sprang auf die Äste. Geschickt kletterte ich durch einen Baum und ließ mich nur wenig später auf der anderen Seite hinter Aro wieder hinunter gleiten. Er wirbelte herum und ich bemerkte, dass er sich keine Strategie mehr zu Recht legte. Er rannte einfach mit aller Kraft auf mich zu, handelte willkürlich und instinktiv. In letzter Sekunde wich ich ihm erneut aus, doch er bekam mich noch zu packen und mitsamt meinem Arm wurde ich nach hinten gerissen. Ich bäumte mich auf, musste aber schnell einsehen, dass ich seiner körperlichen Stärke nichts entgegen zu setzten hatte. Doch er tötete mich nicht, rannte einfach weiter, schleifte mich halb hinter sich her, so blind war er in seiner Wut. Verzweifelt versuchte ich Schritt zu halten und nutze den Schwung schließlich um mich abzudrücken. Ich sprang in die Luft und rammte ihm meine Knie in den Rücken. Aus dem Gleichgewicht gebracht stolperte er kurz und den Moment, den er brauchte, um sich erneut zu fangen, nutze ich, um mich loszureißen. Sofort suchten seine stechend roten Augen nach mir und nahmen die Verfolgung auf, als er mich hundert Meter von ihm entfernt entdeckte. Seine Zähne waren gefletscht, sein Blick war verrückt. Er hatte dem Monster in sich freien Lauf gelassen und konnte sich selbst nicht mehr kontrollieren. Selbst wenn er in diesem Moment entschieden hätte mich zu verschonen, wäre er nicht dazu in der Lage gewesen. Ich rannte weiter. Ich rannte einfach nur vor ihm weg, während ich fieberhaft nach einem Weg suchte, ihn zu besiegen. Doch mir fiel keiner ein. Immer war ich davon ausgegangen, dass es ein Kampf werden würde von Vampir zu Vampir. Aber nicht hatte ich mit einer Jagd gerechnet, in der Aro die Kontrolle über sich selbst verlor. Ich versuchte zu sehen, was seine Absicht war, doch das einzige, was in seinem Kopf widerhallte, war der besessene Gedanke daran, mich zu töten. Immer wieder, ohne Pause. Er war besessen und rannte einfach nur hinter mir her und mir wurde klar, dass ich nur eine Chance hatte. Ich musste ihn überraschen. Es war ein verzweifelter Versuch, doch meine einzige Möglichkeit, denn irgendwann würde mich einholen. Meine Augen verengten sich wieder und kurz wanderten meine Gedanken zu Jasper. Ich wollte noch ein letztes Mal sein Bild vor Augen haben, nur für den Fall, dass ich mich falsch entschied. Viel lieber wollte ich ihn noch ein letztes Mal in Armen halten, ihn an mich drücken und ihm ins Ohr flüstern, dass er alles für mich war, aber ich gab mich keiner Hoffnung hin. Ich hatte ein dringenderes Problem, dass mit einer unglaublichen Geschwindigkeit dabei war aufzuholen. Ich liebe dich Jasper. Ich hoffte verzweifelt, dass er es auf irgendeine Art und Weise hören würde, dann bremste ich ab und blieb abrupt stehen. Wie erwartet verstand Aro nicht, was ich tat. Er versuchte ebenfalls zu bremsen, doch er kam nicht so schnell zum Stillstand wie ich. Während er an mir vorbei rannte, streckte er wieder die Arme nach mir aus und bleckte seine Zähne. Doch ich wich ihm aus und sprang auf ihn zu. Er sah meinen Angriff kommen, doch er drehte sich nicht schnell genug. Mit aller Kraft die ich aufbringen konnte, prallte ich gegen ihn, aber er fiel nicht. Stattdessen knallte er gegen einen Baum. So fest, dass der Stamm wackelte. Er schüttelte sich und zögerte keine Sekunde den Angriff zu erwidern, aber ich drückte mich ab, sprang über ihn hinweg und griff ihn erneut von hinten an. Ich schaffte es, mich an seinem Hals festzuhalten, zog mich an ihn heran und versenkte meine Zähne in seinem Nacken. Ich konnte spüre, wie er immer mehr seiner Raserei verfiel. Er drehte sich im Kreis, denn ihm war bewusst, dass er mich nicht einfach loswerden würde, da ich mich wie an Affe an seinen Rücken klammerte. Er drehte sich immer schneller, während ich meine Zähne immer tiefer in seiner faltigen Haut versenkte und versuchte meine Hände so zu platzieren, dass ich ihm das Genick brechen konnte. Doch bevor er mir gelang, drehte er sich so schnell um sich selbst, dass ich von ihm geschleudert wurde. Ich hatte einfach nicht genug Halt gehabt und spürte, wie ich durch die Luft flog. Erst ein Baumstamm hielt mich auf, als ich mit voller Wucht gegen ihn knallte. Ich gönnte mir keine Sekunde Ruhe, zog mich an einem Ast hoch, doch dieses Mal schaffte ich es nicht, Aros erneutem Angriff völlig auszuweichen. Wieder erwischte er mich am Arm und Sekunden später spürte ich, wie er zubiss. Schmerz fuhr durch mich hindurch, als er seine giftigen Zähne brutal in meinen kleinen dünnen Arm rammte und ich wusste, dass ich mich nicht würde befreien können. Mit aller Kraft zog er mich näher zu sich und obwohl ich mich wehrte, hatte ich ihm nichts entgegen zu setzten. Ich ermahnte mich zu atmen, als sein Griff noch fest wurde. Verzweifelt versuchte ich meine Konzentration wider zu finden und rammte ihm meine Schulter ins Gesicht. Schmerz durchzuckte mich, als sein Kopf zu Seite geschleudert und seine Zähne mit einem widerlichen Geräusch aus meinem Arm gezogen wurden. Dennoch zögerte ich keine Sekunde, sprang in die Luft und hielt mich dort an einem Art fest. Kurz darauf ließ ich mich wieder fallen, landete hinter Aro und schaffte es erneut auf seinen Rücken aufzuspringen. Es war die einzige Möglichkeit für mich zu gewinnen, denn wenn ich ihn von vorne angriff, bot ich ihm damit zu viel Angriffsfläche. Ich beugte mich nach vorne, klammerte meine Hände fester um seinen Hals, da ich wusste, dass er mich auf die selbe Art und Weise abschüttelten wollte, wie zuvor. Ich schlang ihm die Beine um den Bauch und drückte sie so fest es ging zusammen, um Halt zu finden, als er anfing sich zu drehen. Aber ich verzichtete darauf ihn zu beißen. Es würde ihn nur in zusätzliche Raserei versetzten. Er drehte sich, immer schneller und der Sog, der mich von ihm wegzog, wurde immer stärker. Doch ich widersetzte mich und war nicht bereit aufzugeben. Sobald ich losließ, hatte ich verloren. Immer wieder hämmerte ich mir den Gedanken in den Kopf und schloss die Augen, um zu warten, bis er aufgab. Es dauerte. Es dauerte lange. Unermüdlich drehte er sich in einem atemberaubenden Tempo. Schneller als Emmett und Jasper es jemals gekonnt hätten. Trotzdem schaffte ich es, mich festzuhalten und nicht aufzugeben. Ich klammerte und versuchte zu vergessen, wo ich war. Ich konnte nicht sagen, wie lange es so ging, aber schließlich war es nicht das Drehen, das mich aus dem Konzept brachte, sondern das abrupte Abbremsen. Mit einem Mal hielt Aro inne und noch während ich dabei war zu registrieren, was geschehen war, verfluchte ich mich selbst dafür, dass ich die Konzentration verloren und nicht mit so etwas gerechnet hatte. Innerhalb von Sekunden spielte ich so viele Varianten im Kopf durch, wie mir einfielen, bis ich bemerkte, dass Aro nicht meinetwegen angehalten hatte. Er starrte nach vorne in den Wald, während er sich um mich nicht zu kümmern schien. „Unfair“, hörte ich ihn dann murmeln. Ich wusste nicht wovon er sprach und es war mir egal. Er hatte nichts anderes verdient als den Tod und die drei Sekunden, die er abgelenkt war, würden seinen Untergang bedeuten. Ich veränderte meine Position ein wenig, legte meine Hände um seinen Hals und auch wenn ich ihn nicht mit eigenen Kräften besiegt hatte, sondern nur, weil er abgelenkt war, zögerte ich nicht und brach ihm das Genick. Schlaff hing sein Kopf in meinen Händen und ich atmete tief ein, während sein Körper mitsamt mir zu Boden fiel. Ich rollte mich von ihm herunter, betrachtete ihn kurz, dann raffte ich mich auf. Ich hatte noch nicht gewonnen, noch lange nicht gewonnen. Ich drehte seine Leiche und sah bereits, wie seine Knochen wieder zusammenwuchsen. Er war noch nicht tot, aber ich würde ihn nicht noch einmal auferstehen lassen. Noch zweimal brach ich ihm den Hals und als mir klar wurde, dass es zu lange dauern würde ein Feuer zu errichten, zog ich eine Grimasse. Es war widerlich, aber es war notwenig, also beugte ich mich ein weiteres Mal vor und versenkte meine messerscharfen Zähne in seiner Haut. Zuvor hatte ich so etwas nie gemacht, es lag nicht in meiner Natur, weshalb es lange dauerte, bis ich den Kopf zu Großteil abgeschnitten hatte. Anschließend riss ich ihn einfach von dem toten Körper ab und positionierte ihn hundert Meter von der Leiche entfernt, um sicherzugehen, dass er nicht wieder heilen konnte. Ich war mir nicht sicher, wozu Aro fähig war. Ich warf einen Blick auf das steinerne Gesicht, das von langen Haaren umgeben wurde und mich aus kalten, nun nicht mehr roten Augen anstarrte. Aber da war nichts in mir. Kein Triumph. Keine Freude. Nur das Bedürfnis zu weinen und die Sehnsucht danach in den Arm genommen zu werden. Ich riss mich los und versuchte die Gedanken zu verscheuchen. Ich hatte noch eine Aufgabe zu erledigen, weshalb ich auf die zwei Bäume zuging, um Feuerholz zu besorgen. Langsam bückte ich nach den Ästen und gönnte mir einen Moment lang Ruhe. Es war naiv, doch ich hatte einfach nicht mehr die Kraft, alles in sekundenschnelle herzurichten. Zwar gab ich mir Mühe, meine Konzentration aufrecht zu erhalten, aber mir war bewusst, dass es mir nicht gelang. Deshalb gab ich es auf und, griff einfach nur nach einem zu Boden gestürztem Ast, um daran zu ziehen. Dann spürte ich den Atem in meinem Nacken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)