Wandelnde Rotachsen von halfJack (Seu / Killy) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es ist kalt. Die Hände kleben unförmig verschlungen über den Beinen. Schweiß rinnt meinen Körper hinab. Die Lippen berühren die Knie. Ich halte mich umschlungen. Ganz nah vor meinem Gesicht sind meine Finger, die sich unruhig bewegen. Zittere ich? Was ist das? Was ist das? Das Echo meiner Stimme. Mein Hals schmerzt, als ich den Kopf hebe. Nichts. Vor mir ist nichts, nur Leere. Leerer Stahl. Kalt. Mein Rücken ist in eine Ecke gedrängt. Wo bin ich nur? Auf klirrenden Sonnenflügeln bohren sie sich wie Speere in wogende Fleischwolken. Die Ansicht ändert sich. Ich sitze nicht mehr. Ich liege. Links eine Schiene. Unter mir feuchter Stahl. Rechts eine Schiene. Über mir kein Himmel. In einem unerträglichen Tosen verschwindet alles. Finsternis umfängt mich. Stahl rollt über mich hinweg. Eiskalter und unbarmherziger Stahl wälzt sich in der Unendlichkeit über mich hinweg. Über mich hinweg, sodass ich an den Boden gepresst werde. Ich stehe auf, als das Ungetüm näher kommt. Ich liege auf den Gleisen. Ein riesiges Stahlungetüm. Ich spüre keine Schmerzen. Der Schmerz ist so unerträglich, dass es mich zerfetzt. Und ich werde mitgerissen. Und es zieht mich mit. Und es zerfetzt mich. Schneller. Die Einbildung verschwindet. Ich bin müde. Wie Speere in wogende Fleischwolken ziehen vorbei. Wieder sind vor mir meine verschlungenen Finger, meine Knie und das Nichts. Doch da steht jemand. Ich bin nicht allein. Ich bin nicht allein? Ungläubigkeit schwingt in meinen Worten mit. Wer? Der Andere sagt nichts. Wie ist mein Name? Die Frage klingt verzweifelt. Er sieht mich an. Weißt du das nicht mehr?, richtet er sich traurig an mich. Dann antwortet er, Killy. Mein Name. Um mich ist es nicht hell. Es ist dunkel. Hinter mir ist die vermeintliche Wand, vor mir sind meine Beine, die ich umschlungen halte. Langsam löse ich meine vom Schweiß verklebten Finger. Meine Sachen knirschen, als ich mich bewege. Sie sind genauso dunkel wie die Umgebung. Wir sind eingeschlossen von Stahl. Nichts außer Stahl. Keine Decke, kein Boden, keine Wände, nur Stahl. Er steht vor mir und beobachtet mich. Etwas Vertrautes umgibt ihn. Sein Gesicht, der melancholische Blick, die Brutalität in seinen Gliedern. Ich kenne ihn. Ich kenne dich. Er sieht auf mich hinab und fragt, wie heiße ich? Ich weiß es nicht. Ich kenne deinen Namen nicht. Seine Augen werden noch trauriger. Das hast du also auch vergessen, sagt er leise. Ziehen vorbei ist die Nacht und das nächtliche Treiben. Du solltest auf mich hören, sage ich mir selbst. Ich bin in einem langen, engen Gang. Auf der einen Seite sind Fenster ohne Glas, hinter denen ich nichts sehen kann. Auf der anderen Seite ist kein Metall. Was ist das? Das unbekannte Material stülpt sich über meine Finger. Irgendetwas treibt mich an, das zu tun. Es ist Stoff, weich und kratzig. Ich möchte ihn aufschneiden, doch ich habe nur meine Hände. Und die weißen Innereien fliegen um mich. Sie zerfallen in der Luft und sind frei. Ich lache. Es war ein Versehen. Wirklich?, frage ich mich. Wirklich. Ich glaube mir nicht. Weiße Innereien. Rote Innereien. Ich wollte auch frei sein. Und das nächtliche Treiben erfüllt sie wie brennende Luftschiffe. Mein Name, sagt der Andere, ist Seu. Seu? Seu, bestätigt er. Es ist hell hier, sage ich in die Dunkelheit. Das Licht brennt unerbittlich in meinen Augen. Ja, antwortet er. Alles ist blau um uns herum. Wie ein Meer, das nie existierte. Unaufhaltsam durchflutet es unsere Körper und verwandelt den Tod in Leben. Vollkommene Schwerelosigkeit erfasst mich. Ich sehe zu Seu auf und ertrinke. Alles ist blau. Wie ein Himmel, den man nie sah. Gefangen in meinen tauben Fesseln liegt die Freiheit. Verfolgt vom Tod. Verfolgt vom Leben. Ich erinnere mich nicht, sage ich resignierend. Ich weiß, entgegnet er. Warum erinnere ich mich nicht? Wieso bin ich hier? Wieso bin ich hier? Seus Augen sind traurig. Keine Antwort. Wir fallen durch die Wolken in das Leben und sterben. Und ich denke, blau ist alles, was ruht und wartet und vergeht. Erfüllt sie wie brennende Luftschiffe in wandelnden Rotachsen. Zähflüssig klebt es an meinen Fingern. Ich achte nicht darauf. Tote Körper liegen um mich herum. Körper, die nie lebten. Nie lebten wie ich. Ich wende mich ab. Und gehe. Die Waffe wird immer schwerer in meiner Hand. Sie reißt mir den Arm weg. Hier ist niemand. Ich bin allein. Ich verlasse diesen Ort, um weiterzusuchen. Wie brennende Luftschiffe in wandelnden Rotachsen zerfurcht. Hitze flimmert in der Luft. Wie Feuer brennt sich das Rot durch meine Haut. Es bohrt sich ins Fleisch. Es zehrt an den Sehnen. Es zersetzt das Nichts. Das Nichts, in dem ich noch immer an dem kalten Stahl auf dem Boden lehne. Seu beobachtet mich. Er steht einfach nur da und beobachtet mich. Woher kenne ich ihn? Und wonach habe ich gesucht? All die Zeit war ich auf der Suche. Aber wonach? Was ist mit meiner Erinnerung geschehen? Der andere rührt sich nicht. Rot flirrt das Licht in der Dunkelheit. Es blendet das Weiß. Und ich stelle mir vor, wie ein Horizont aussehen muss. Wahrscheinlich endlos. Wo liegt der Anfang? Seu antwortet mir wieder nicht. Dann sagt er, du bist verwirrt. Ich bin verwirrt. Hier ist nichts. Ja, sagt er, weil du es vergessen hast. Wie erstarrt glüht das Rot eisig auf meiner Haut. Und ich stelle mir vor, dass der Tod weiß sein muss. In wandelnden Rotachsen zerfurcht ist das Gesicht. Flucht. Ich flüchte. Ich muss rennen. Ich muss entkommen. Ich bleibe stehen. Nachdem ich mich umdrehe, hebe ich meine Waffe und schieße. Schieße auf Kreaturen, von denen ich vergessen habe, warum ich sie eliminieren muss. Die Vertilger zerspringen in unförmiges Gedärm. Überall Blut. Die Leichen türmen sich auf. Bis es vorbei ist. Ich starre auf eine Wunde an meinem Arm. In der Hand halte ich die Waffe. Ich senke sie langsam. Dann wende ich mich ab. Und gehe weiter. Ich lasse alles hinter mir. Der Schmerz schlingt sich um meinen Körper. Die Einsamkeit begleitet mich aufmerksam. An meiner Seite ist die Gegenwart und Realität. Zerfurcht ist das Gesicht in entstellten Gedärmsruhen. Was machen wir hier? Ich weiß es nicht, sagt Seu, wir warten. Worauf? Er schweigt. Killy, beginnt er erneut, wir können nichts tun. Ich betrachte ihn lang, bevor ich endlich die Augen öffne. Ich erhebe mich, schaffe es nur wankend. Die Umgebung hat jegliche Farbe verloren. Killy, sagt er und schweigt. Mein Name, flüstere ich, Warum habe ich ihn vergessen? Ich stehe in der Leere. Vor mir steht Seu. Ich kenne seinen Namen. Und ich kenne meinen Namen. Doch warum weiß ich nicht, was nun zu tun ist? Warum weiß er es nicht? Warum? Es ist zu spät, Killy, sagt er. In wandelnden Rotachsen. Ich stehe am Abgrund. Wärme überflutet meinen Körper. Ich friere. Die Überlegung erfasst mich. Soll ich es tun? Neben mir steht eine Frau. Sie hat keine Arme. Ich greife nach ihrer Hand, halte sie in meiner und werfe sie dann fort. Sie ist mir nicht unbekannt. Und sie erinnert mich an Seu. Die Fremde sieht mich an und lächelt nicht. Ich sollte gehen. Noch einmal starre ich in die Tiefe. Das Dunkel scheint nach mir zu rufen. Ich widersetze mich und wende mich ab. Stahl an Stahl. Überall. Grau. Mein Schädel fühlt sich an, als wolle er bersten. Was ist nur geschehen? Die fehlende Erinnerung schmerzt. In wandelnden Rotachsen. Als hätte er es erwartet, dreht sich Seu um. Sein halber Körper wird aufgeschlitzt. Obwohl er von einer Sekunde auf die andere tot ist, bleibt er für einen Moment stehen. Dann fällt er. Seu!, rufe ich. Das darf nicht sein. Ich kannte ihn genauso wenig wie mich selbst. Ich war gefangen in meinen Gedanken, doch wenigstens nicht allein. Jetzt bin ich allein. Allein mit dem Unbekannten, der ich selbst bin. Instinktiv greife ich nach meiner Waffe. Sie ist noch immer da, wo sie immer gewesen ist. Ich schieße. Mein Körper wird durch die Wucht zurückgeschleudert. Der Gegner ist eliminiert. In wandelnden Rotachsen. Ich stehe in der Leere. Und denke an den weißen Horizont, an rotes und blaues Wasser. Der Tod ist wirklich weiß. Die Waffe in meiner Hand ist mir als einzige nicht unbekannt. Ich hebe sie an meinen Kopf. Kurz bevor ich abdrücke, erinnere ich mich. Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)