Das Licht in der Dunkelheit von night-blue-dragon ================================================================================ Kapitel 24: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Die Ruhe vor dem Sturm Barnabas lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. Alles lief nach Plan, der Bann war endlich gebrochen und er konnte sich frei bewegen. Das ihn das Blut des ‘Daywalkers‘ dazu verhalf auch am Tage agieren zu können, war ein Glücksfall. Wie gut das Estrada jenes Manuskript fand, sonst wäre ihnen diese Möglichkeit entgangen. Diese alte Militäranlage war ein hervorragendes Versteck. Wie Estrada heraus fand, reichte die Kanalisation bis in die Stadt. Aber diese Wege brauchte er bald nicht mehr gehen, dann konnte er auch die oberen Wege nutzen. Eine ansehnliche Schar Vampire hatte sich hier eingefunden, die Sache mit dem Tagwandler hatte sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Jeder hoffte auf ein bisschen Blut von ihm. ‚Dummköpfe‘, dachte der Fürst, er hatte nicht die Absicht auch nur einen Tropfen zu verschwenden. Natürlich bekam Bakura seinen Anteil, das konnte und wollte Barnabas ihm nicht verweigern. Der Weißhaarige hatte ihm sehr gute Dienste geleistet - das musste belohnt werden. Sein Blick fiel auf den Grünäugigen, es war ein großes Glück für Barnabas gewesen, das es Estrada war, der ihn wieder erweckte. In seinem langen Leben hatte er schon viele Menschen zu seinen Handlangern gemacht. Der Blonde diente ihm freiwillig, überhaupt war mit Dominique alles anders. Das Interesse des Fürsten lag erst wirklich nur in der Befriedigung seiner Bedürfnisse, da kam ihm der Grünäugige gerade recht. Doch mittlerweile lag dem Vampir das Wohl Estradas am Herzen. Wenn ihre Position erst mal gefestigt, das hieß der Jäger ausgeschaltet war, dann würde er Dominique Estrada zu seinem Gefährten machen. Bakura saß in einem Sessel, sein rechtes Bein hing lässig über der Armlehne, in seiner linken Hand hatte er das Katana, spielte damit etwas herum. Scheinbar gelangweilt ging sein Blick hin und her. Eine kleine Gruppe Kämpfer hatte er schon ausgebildet, diese hatten sie auch hier her beordert. Irgendwie hatte es sich aber herumgesprochen, wen sie hier hatten und was dessen Blut bewirken konnte... wie Schmeißfliegen hatten sie sich hier einfach versammelt. Der Schwertkämpfer war gespannt wie lange diese unfähigen Vampire überleben würden. In Gedanken erstellte er eine Liste darüber, wer wohl als erstes zu Asche wurde. Das konnte durchaus durch seine Hand geschehen... Weicheier hatten bei ihm keine Chance. Sein Auftrag war eine Art Elitetruppe von Vampiren aufzubauen, da konnte er nicht jeden gebrauchen. Wenn sie ihren Gefangenen freigaben wurde es interessant, dann zeigte sich wer seinen Ansprüchen genügte. Seine braunen Augen musterten ihren Gefangenen, dieser hing schlaff zwischen den Pfählen, an die sie ihn gefesselt hatten. Der hatte das Zeug zu einem Elitekrieger, aber leider stand er auf der falschen Seite. Insgeheim bewunderte Bakura dessen Durchhaltevermögen, Barnabas hatte sich in den letzten Stunden ausgiebig an dem Blondschopf vergangen. Der Weißhaarige grinste dreckig, er hatte auch genug Zeit gehabt sich an dem Gefangenen auszutoben. Und dessen Blut war richtig lecker, es wurde immer besser je länger Wheeler in der Sonne schmorte. Eine Stunde etwa noch, dann war es endgültig vorbei mit dem ‘Daywalker‘, sofern er bis Sonnenuntergang durch hielt. Estrada tauchte in seinem Blickfeld auf... Blondchen war etwas besonderes, das hatte Bakura schnell gemerkt. Das was der Blonde für Barnabas machte, tat er ohne Zwang. Der Fürst musste ihn nicht erst zu einem Diener machen, der sich dann unterwürfig um die Wünsche des Fürsten kümmern würde. Furchtlos gab Estrada kontra, sagte seine Meinung und fand auch für scheinbar ausweglose Situationen Lösungen. Der Grünäugige war gut aussehend, klug, mutig, loyal und man konnte verdammt guten Sex mit ihm haben. Leider musste sich der Schwertkämpfer mit der einen Nacht zufrieden geben - wirklich schade. Wiederholt begab sich Dominique Estrada zu dem Gefangen und nahm diesen über die Kanüle in dessen Halsvene das begehrte Blut ab. Es schien zu schmecken und bekömmlich zu sein, so deutete er jedenfalls die Gesichter der beiden Vampire denen er im Moment diente. Er selbst konnte so äußerlich keinen Unterschied zwischen seinem eigenen oder dem des ‘Daywalkers‘ erkennen. Er mochte diesen Vampir nicht, am liebsten würde er ihm den Kopf von den Schultern schlagen. Estrada hatte mit angesehen wie sich Barnabas mit dem Kerl vergnügte, auch wenn dieser nicht freiwillig mitmachte … das war egal. Es gab Estrada einen Stich ins Herz. So ungewöhnlich das Verhältnis zwischen ihm und dem Fürsten am Anfang auch war. Inzwischen hatte es sich geändert, nach der Nacht mit Bakura war es ihm bewusst geworden, er ging sogar soweit zu sagen, das er Barnabas liebte. Innerlich schüttelte er den Kopf, wie konnte er sich nur in diesen rauen, unbeherrschten Vampir verlieben? Er war sich sogar sicher selbst ein Vampir werden zu wollen, sollte Barnabas ihn fragen. Jetzt musste aber erst mal diese leidige Sache mit dem blonden Blutsauger erledigt werden. Estrada erreichte in der Zwischenzeit den Vampirfürsten und hielt ihm die blutgefüllte Spritze hin, dieser schüttelte den Kopf und deutete auf Bakura. Sogleich wandte sich Dominique dem Weißhaarigen zu und reichte diesem das Blut. Der Schwertkämpfer nahm die kostbare Flüssigkeit entgegen, nicht ohne seine Finger über den Handrücken des Grünäugigen gleiten zu lassen. Estrada knurrte unwillig, sicher wusste er dass es den Weißhaarigen amüsierte, wenn er so reagierte, aber auf solche Spielchen hatte er wahrlich keinen Nerv. Frische Luft würde ihm jetzt gut tun... er ging hinaus auf die kleine Plattform vor dem Eingang. Tief atmete er die salzige Meeresluft ein. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? In der Anlage hinter ihm befanden sich dutzendweise Vampire, er war der einzige Mensch. Nicht auszudenken was mit ihm geschehen würde, wenn er ohne den Schutz von Barnabas wäre. Eine Stunde noch dann ging die Sonne unter … wer weiß, was dann geschah. Die Sonne ging gleich unter und der Gefangene war immer noch nicht zu Asche geworden, wirklich bedauerlich das dieser auf der falschen Seite stand. „Hey Blondchen, schneid ihn ab, danach können sich die anderen an ihm vergnügen.“, befahl Bakura. Estrada warf einen fragenden Blick auf Barnabas, dieser nickte zustimmend und so nahm sich der Grünäugige ein Schwert und ging auf ihren Gefangenen zu. In diesem Augenblick brach ein Tumult vor dem großen Innentor aus. Verwundert sahen Barnabas und Bakura in diese Richtung, Estrada blieb stehen und wartete ab. Die anderen Vampire wurden nervös. Da sprang die Tür auf und gleichzeitig kam ein schwarzer Schatten von oben, der vor dem Gefangenen landete und, noch während sich er aufrichtete, um sich schoss. Bewegung kam in die Untoten, Barnabas pfiff Estrada zurück, zusammen mit Bakura verschwanden sie in einem der vielen Gängen. An dessen Eingang sah der Weißhaarige noch mal zurück... für einen winzigen Augenblick sah er in die Augen des Mannes der wild um sich feuerte. Ihm wurde klar das sie einen Fehler machten in dem sie den Jäger reizten. Gnadenlose Kälte und erbarmungslose Härte strahlte dieser aus. Präzise traf jede Kugel ihr Ziel... es wurde Zeit hier zu verschwinden. Bakura hastete hinter Estrada und Barnabas her und holte sie auch schon bald ein. „Wir haben den Jäger unterschätzt. Mit tödlicher Präzision machte er einen nach dem Anderen nieder. Unser Plan ist nicht aufgegangen.“, informierte der Weißhaarige die Anderen. „Um den kümmern wir uns später, wir verschwinden hier erst einmal.“, entgegnete der Fürst nüchtern. „Warum der uns wohl so schnell gefunden hat?... Schade, das hier war ein guter Unterschlupf.“, bedauerte der Schwertkämpfer, „Wo geht es jetzt hin?“ „Zu mir.“, erklärte Estrada knapp, öffnete eine kleine unscheinbare Tür und schlüpfte hinaus, dann steckte er den Kopf wieder zur Tür rein. „Los kommt schon, oder wollt ihr euch gleich mit dem Jäger befassen?“ forderte er die beiden Vampire auf ihm zu folgen. „Wenn du ihn nicht zum Vampir machst, dann tu ich das.“, raunte Bakura dem Fürsten ins Ohr, als sie dem Blonden folgten. „Lass deine Finger und Zähne von ihm.“, drohte Barnabas offen. Überrascht blieb der Schwertkämpfer stehen, starrte den Rotäugigen verblüfft an, doch dann grinste er anzüglich. „Okay, dich hat es erwischt. Keine Sorge, ich rühr ihn nicht mehr an.“, lachte der Weißhaarige amüsiert. Einige Zeit später erreichten sie die Villa Estradas, die drei Männer betraten das Gebäude. „Ich seh mich in der Stadt noch mal um, mal sehen wie viele von uns entkommen sind.“, verabschiedete sich Bakura sogleich und verschwand auch schon. Neugierig sah sich der Fürst in der Villa um, im Wohnzimmer ließ er sich zufrieden auf das Sofa fallen. „Du wohnst sehr geschmackvoll.“, bemerkte er und sah den Grünäugigen an. Dieser stand noch an der Wohnzimmertür und beobachtete Barnabas bei seinem Rundgang. „Danke.“, gab er nun einsilbig zurück. „Hast du ein Problem?“ fragte der Vampir, ihm war aufgefallen, das Estrada in den letzten Tagen sehr ruhig geworden war. „Und wenn ich eins hätte? Es interessiert dich doch nicht wirklich.“, erwiderte der Blonde gereizt, „Ich geh mich umziehen.“ Keine Antwort abwartend drehte er sich um... nur um dem Fürsten gegenüber zu stehen. Überrascht zuckte er zusammen, er wusste dass der Vampir schnell war - nur nicht wie schnell. „Also hast du ein Problem.“, stellte der Untote fest. Dominique schwieg, es hätte ja doch keinen Zweck etwas zu sagen. Die roten Augen des Fürsten sahen ihn zwingend an, doch er hielt stand. Barnabas hob die Hand um Estradas Gesicht zu berühren, doch dieser wich zurück und seine Augen fingen an vor Wut zu Funkeln. „Lass mich... ich will das nicht.“, knurrte er unwillig und wollte an Barnabas vorbeigehen. Der Untote hielt ihn am Arm fest und drehte ihn zu sich um. „So einfach kommst du mir nicht davon. Du sagst mir jetzt was mit dir los ist.“, bestand der Vampir auf einer Antwort. Estrada war immer beherrscht gewesen, hatte seine Furcht unterdrückt, hatte sich mutig gegen den Fürsten gestellt. Doch jetzt konnte er nicht mehr. „Wozu sollte ich das tun? Es ist dir doch so wie so egal, was ich denke oder fühle. Das hat dich doch nie interessiert. Sonst hättest du mir nicht Bakura auf den Hals gehetzt. Ich dachte wirklich ich bedeute dir ein bisschen, aber das war ein Irrtum. Verdammt... ich war ja so dumm. Vampire haben keine Gefühle, ergo sind ihnen die Gefühle anderer egal... ich bin dir egal. Geh doch zu diesem Tagwandler oder besser noch nimm dir Bakura... aber lass mich in Ruhe.“, schrie Estrada den Vampir an und befreite sich aus seinem Griff. Verblüfft starrte Barnabas den Blonden an, so ein Ausbruch war mehr als ungewöhnlich, sollte dieser etwa...? „Bist du Eifersüchtig?“ hakte der Untote ungläubig nach. „Ja... verdammt. Was solls... es ändert doch nichts. Offenbar langweile ich dich. Was wirst du tun, wenn du mich nicht mehr brauchst? Wirfst du mich dann deinen Untergebenen zum Fraß vor?“ antwortete der Grünäugige unvermindert heftig. „Oder darf sich Bakura an mir austoben, bis ich auch ihn langweile?“ „Bakura hat gesagt, das es dir gefallen hat.“, kam die schwache Verteidigung vom Fürsten. „Gefallen... ha... das ist was anderes. Ich hatte doch gar keine andere Wahl als mitzumachen. Sag, hast du dir einen runtergeholt, als Bakura es mir besorgt hat?“ giftete Dominique außer sich vor Zorn. Klatsch... Estrada taumelte einige Schritte zurück und hielt seine brennende Wange, ungläubig sah er den Mann vor sich an. „Das reicht.“, sagte dieser ruhig. „Du hast doch keine Ahnung wie es in mir aussieht. Du hast doch nicht in dieser elenden Gruft festgesessen und musstest darauf warten, das dir jemand großzügiger Weise Gesellschaft leistet. Trotzdem waren die Stunden in denen du da warst der Höhepunkt meiner ‘Gefangenschaft‘. Zu schnell sind sie vorüber gegangen, sie haben mich die Misere vergessen lassen...“ „Ach... und darum durfte sich dein Schwertkämpfer an mir austoben?“ unterbrach ihn Estrada bitter. „Nein... so habe ich das nicht gewollt. Er sollte dich zu mir bringen und sich nicht mit dir Vergnügen.“, beantwortete der Vampir die Frage. Er schritt auf den Grünäugigen zu legte seine Hände um dessen Gesicht. „Als er es mir erzählte und mir auch sagte das es dir gefallen hat... am liebsten hätte ich ihn umgebracht und auch dich, weil ich glaubte du hättest mich hintergangen. Es schmerzte mich der Gedanke, dass du Bakura mir vorziehen würdest...“ „Du hast mir nie vertraut, nicht wahr?“ erneut unterbrach Dominique Barnabas. „Das habe ich zuerst nicht... das kann ich nicht abstreiten. Aber das musst du verstehen. Ich war es gewohnt mir Menschen zu willenlosen Dienern zu machen, bei dir war es anders. Du hast mir immer freiwillig gedient, hast mir die Stirn geboten. Zuerst war ich wütend darüber, doch mit der Zeit lernte ich dich schätzen und...“, der Vampir verstummte. „Und was?“ hakte Estrada nach. „Mir ist klar geworden das ich dich liebe. Und wenn die ganze Sache mit dem Jäger aus der Welt geschafft ist, möchte ich dich zu meinem Gefährten machen. Ich möchte immer mit dir zusammen sein... natürlich nur, wenn du es auch möchtest.“, erklärte der Fürst schließlich. „Das klingt nach einem Heiratsantrag.“, stellte der Blonde verblüfft fest. „Wenn du so willst ist es auch einer.“, bestätigte der Untote. Estrada befreite sich aus dem Griff des Fürsten, entfernte sich einige Schritte, blieb stehen, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Kehrte wieder zu dem Vampir zurück, der ihn abwartend musterte. „Ist das dein Ernst? Du willst mich zu deinen Gefährten machen?“ fragte er nach. „Ja, das will ich.“, nickte Barnabas. Wieder entfernte sich Dominique, das hatte er sich doch noch vor ein paar Stunden gewünscht. Jetzt wurde es tatsächlich wahr, Barnabas wollte ihn zu seinem Gefährten machen. Der Grünäugige drehte sich zu dem Fürsten um, zuckte erneut zusammen, da dieser wieder direkt vor ihm stand. „Ja... ich will dein Gefährte werden. Nichts wünsche ich mir sehnlicher als das.“, nahm Estrada den Antrag an. Erleichtert seufzte der Fürst auf, nach dieser ganzen Geschichte war er sich nicht sicher ob der Blonde seinem Wunsch entsprechen würde. „Das ist gut.“, murmelte er und besiegelte ihr Versprechen mit einem Kuss. Einige Stunden später war Dominique Estrada mit zwei Vampiren auf dem Weg zu diesem van Helsing. Da sie ihre Unterlagen alle zurücklassen mussten, wollten sie sich die Informationen von dem Professor holen. Bakura hatte auf seinem Streifzug zwei seiner schon ausgebildeten Vampire aufgegabelt und sie mit zu Estrada genommen. Erst wollten der Weißhaarige und der Fürst den Blonden begleiten, doch dieser meinte er könne mit einem alten Mann auch allein fertig werden. So blieben sie zurück, aber Barnabas bestand darauf, dass ihn die beiden Vampire begleiteten. Der Grünäugige parkte den Wagen und stieg aus, wachsam ließ er seinen Blick über die geparkten Autos gleiten, konnte aber nichts Auffälliges feststellen. Seine Begleiter stiegen ebenfalls aus, zu dritt machten sie sich auf den Weg zu van Helsings Haus. Ihnen fiel nicht die große Katze auf, die sich in das Gebäude schlich. Sie rechneten nicht mit einer Gegenwehr, so dass sie von der aus dem Nichts auftauchenden Frau völlig überrascht wurden. Blitzschnell hatte diese die beiden Untoten erledigt und wandte sich jetzt dem Menschen zu. Den kurzen Kampf nutzend war dieser zu dem Haus gespurtet, stieß dort mit einem jungen Mann zusammen, der den Professor am Arm hatte. Den Mann kannte er doch... „Sieh an, wen haben wir denn da? Du bist Mokuba Grant, nicht wahr?!“ Stellte der Grünäugige fest. Überrascht sah der Schwarzhaarige genauer hin, da er überhaupt nicht auf die Umgebung geachtet hatte. Wirklich... der Kerl, der ihn damals in dem Club so sehr in seinen Bann gezogen hatte stand direkt vor ihm. „Wir sollten unser Gespräch von damals fortsetzen.“, meinte dieser gerade und strich Mokuba durch das Gesicht. Der Schwarzhaarige konnte seinen Blick nicht von den unwahrscheinlich grünen Augen abwenden. Wie unter Zwang ließ er den Professor los und wandte sich ganz dem Grünäugigen zu, der inzwischen ein Messer in der Hand hielt. „Ich habe deine Küsse nicht vergessen können.“, raunte Estrada heiser, näherte sich Grant immer mehr. Mokuba konnte sich nicht rühren, wie hypnotisiert starrte er den Blonden an. „Estrada!“ erklang es scharf im Rücken des Grünäugigen. Blitzschnell drehte sich der Angesprochene um - die Frau hatte er ganz vergessen. „Lass die Finger von meinem Freund.“, sagte sie kalt und rammte dem Handlanger des Fürsten einen Pflock in den Brustkorb. Sprang an diesem vorbei, packte Grant am Arm und zog ihn mit zum Auto, der Professor stand schon dort. Hastig stiegen die drei Personen in den Wagen und fuhren mit quietschenden Reifen davon. Doch das registrierte Estrada gar nicht, er stand immer noch am selben Fleck, die Augen vor Verwunderung weit aufgerissen. Das Messer fiel ihm aus der Hand, klirrend polterte es die Stufen herunter und blieb leicht zitternd auf dem Bürgersteig liegen. Langsam hob er seine Hände zu seiner Brust, da war kein Schmerz - nur ein unangenehmer Druck. Seine zitternden Finger tasteten ein rundes Holzstück, nun senkte er den Kopf, in dem Augenblick in dem er das Stück Holz aus seiner Brust ragen sah, gaben seine Beine nach. Instinktiv wollte er sich den Fremdkörper aus der Brust ziehen, doch hielt ihn etwas zurück. Es war kaum Blut zu sehen, er hatte noch eine Chance, er wollte um Hilfe rufen, bekam aber nicht genug Luft in die Lungen. Eine Hand an dem Pflock rappelte er sich wieder auf die Beine. Er musste ins Krankenhaus fahren, dort konnte ihm geholfen werden. Schwankend erreichte er seinen Wagen, keuchend lehnte er sich dagegen, sammelte Kraft um die Tür öffnen zu können. Vorsichtig stieg er ein und fuhr los, welchen Weg er fuhr nahm er gar nicht richtig wahr. Er stierte auf die Straße, bemühte sich nicht von dieser ab zukommen. Jegliches Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen. Er bemerkte kaum, dass er einige parkende Fahrzeuge rammte. Panisch spürte er sein warmes Blut auf seiner Haut herunter laufen. Immer wieder wurde es ihm schwarz vor Augen, hart kam sein Wagen zum stehen. Seine Kraft zusammen nehmend stieß er die Wagentür auf und fiel aus dem Gefährt. Dabei lockerte sich der Pflock, der die Wunde noch immer verschloss. Noch einmal raffte er sich auf, sah sich nach Hilfe um... doch war nicht vor der Klinik zum stehen gekommen, er war... zu Hause. Sein Unterbewusstsein hat ihn nach Hause geleitet, resigniert brach er zusammen – der Pflock lockerte sich noch mehr. Er konnte fühlen wie sein Blut nach draußen drängte. Auf allen Vieren kroch er die Stufen zu seinem Haus hoch. Estrada wollte nicht allein und im Dreck sterben. Endlich erreichte er die Haustür wollte sich an ihr hochziehen, aber seine Kraft reichte nicht mehr. Der Pflock rutschte ganz aus der Wunde, sofort schoss das Blut ungehindert heraus, Estrada drückte seine Hände auf die Blutung, doch der rote Saft quoll zwischen seinen Fingern hervor. Barnabas hörte wie ein Wagen vorfuhr und abrupt stoppte. Dann tat sich gar nichts mehr, unruhig erhob er sich. Warum kam Estrada nicht rein … war doch etwas schief gelaufen? Bakura kam von oben herunter. „Wo bleibt er denn? Will er den roten Teppich ausgerollt haben?“ murrte er. Wollte das Blondchen sie auf die Folter spannen? Ein leises Röcheln, kaum wahrzunehmen, drang an das Ohr des Fürsten, mit wenigen Sätzen war dieser an der Tür und riss sie auf. Gerade so eben konnte er noch verhindern, dass der Grünäugige auf den Boden schlug. „Dominique!“, entfuhr es dem Fürsten entsetzt, dann roch und sah er das viele Blut das Estrada inzwischen verloren hatte. Behutsam hob er den Blonden hoch und trug ihn ins Wohnzimmer und legte ihn dort auf das Sofa. Bakura schloss die Haustür, nachdenklich sah er auf den Holzpflock den er auf der Außentreppe fand. Eilig begab er sich in den Wohnraum, der Fürst sah ihn an, der Weißhaarige schüttelte leicht den Kopf. Es war zu spät für Estrada, er hatte zu viel Blut verloren. Das bisschen was jetzt noch in seinem Körper kreiste, war zu wenig um ihn noch zu einem Vampir machen zu können. Verzweiflung trat in den Blick des Rotäugigen, sanft streichelte er das Gesicht des Blonden. Endlich hatte er jemanden gefunden dem er vertrauen konnte, den er sich als vollwertigen Partner an seiner Seite wünschte. Und nun riss ihn der Tod von ihm fort. Estrada schlug seine Augen auf, er brauchte einige Augenblick um Barnabas zu erkennen. „Tut mir... leid... ich... habe versagt... Grant und... seine Freundin... waren schon... da.“, flüsterte er gebrochen. „Scht... du hast nicht versagt. Ich hätte dich begleiten müssen.“, widersprach der Fürst sanft. Ein Hustenanfall schüttelte den Blonden durch, dieser verzog schmerzverzerrt sein Gesicht. Der Schock, der ihn vor den Schmerzen bewahrte, war lange schon vorbei. Mit jedem Atemzug verstärkte sich seine Pein. „Ich kann dich nicht mehr retten. Ich...“, würgte der Fürst förmlich hervor. Zu gern hätte er seinen Geliebten gerettet. Dieser nickte verstehend, hier und jetzt endete also alles. „Halt mich... mir ist... kalt.“, bat der Todgeweihte schwach. Der Vampir erfüllte ihm diesen Wunsch und hielt ihn so fest, wie es Estradas Schmerzen erlaubten. Die Atmung des Blonden wurde immer schwächer und stockender, Barnabas küsste dessen Stirn, „Ich liebe dich“ flüsterte er immer wieder. Ein Lächeln stahl sich auf Estradas Gesicht, „Das wollte... ich... immer von... dir... hören.“ Sein Körper erschlaffte, Barnabas drückte dessen Körper noch fester an sich. Er wollte mit diesem Mann viele Jahrhunderte zusammen sein… kalter Hass trat in seinen Blick. „Dafür werden sie bezahlen, das schwöre ich dir. Die ganze Brut wird mit ihrem Leben für diese Tat bezahlen.“ Kinderlachen drang an sein Ohr... Kinder? Neugierig öffnete er seine Augen und sah im ersten Moment... nichts. Blendend weiß war es um ihn herum – Wo war er hier? Nun richtete er sich auf und sah sich um. Soweit er feststellen konnte befand er sich in einem weißen Raum, der allerdings keine Türen oder Fenster besaß. Offenbar war er Tod, aber an welchen Ort befand er sich nun? Jetzt stand er vollends auf um sich umzusehen. Er wusste, dass er zuletzt mit J.J. zusammen war. Seto fasste sich an den Hals, konnte aber keine Narben tasten. Hatte er das alles nur geträumt? „Papa“ „Papa“ riefen zwei fröhliche Kinderstimmen. Der Blauäugige fuhr überrascht herum, da kamen ihm seine Kinder entgegen gestürmt. Die Beine versagtem ihm den Dienst und er fiel auf die Knie, schon hingen ihm sein Sohn und seine Tochter am Hals. „Schön dass du da bist. Wir haben dich ganz doll vermisst.“, freute sich Yukio und drückte seinen Vater ganz fest. „Ich hab dich auch ganz doll vermisst.“, krähte Nyoko in Setos Ohr. Auch sie umarmte ihren Vater so fest sie konnte. „Ich hab euch auch so sehr vermisst.“, sagte Seto mit tränenerstickter Stimme und schloss seine Kinder fest in seine Arme. Tränen rannen ihm herunter … ja, er hatte seine Kinder in all den Jahren schmerzlich vermisst. Seine Kinder und seine – Frau. „Du weinst ja.“, stellte das Mädchen erstaunt fest. Ihren Vater hatte sie noch nie weinen sehen. „Ja... das tue ich.“, lächelte der Brünette ließ seine Kinder los und wischte sich über seine Augen. „Aber warum?“ wollte jetzt Yukio wissen, der seinen Vater ebenfalls überrascht ansah. „Weil ihr mir so gefehlt habt und ich euch jetzt wiederhabe. Es sind Freudentränen.“, erklärte Seto seinen Kindern. „Musst du nicht mehr gehen?“ hakte Nyoko nach und ergänzte. „Mama hat gesagt du bist nur zu Besuch hier.“ „Wo ist Mama?“ die Worte seiner Tochter gaben ihm einen Stich. „Ich bin hier.“ Der Brünette fuhr hoch. Im nächsten Augenblick lagen sich Miharu und Seto in den Armen. Stürmisch küssten sie sich, konnten sich kaum voneinander lösen. „Du hast mir gefehlt - so unendlich gefehlt. Es tut unwahrscheinlich gut, dich wieder in den Armen zu halten.“, flüsterte er und überhäufte das Gesicht seiner Frau mit kleinen Küssen. Seto war einfach nur glücklich, ungläubig wanderten seine Hände über den Körper Miharus. Zärtlich fuhren seine Finger durch das schwarze Haar seiner Frau, sein liebevoller Blick streichelte ihr Gesicht, sehnsüchtig näherte er sich ihrem wunderbaren Mund. Doch sie legte ihren Finger auf seine Lippen und hielt ihn von diesem Kuss ab. Bedauernd sah sie ihn an. „Diesen Kuss kann ich dir nicht gestatten.“, flüsterte sie. „Warum nicht?“ fragte er verwundert. „Wenn du mich jetzt so küsst, wie du mich angesehen hast, wirst du bleiben… Seto, so schwer es mir auch fällt, du musst zurück.“, erklärte sie leise. „Wieso?... Ich verstehe dich nicht.“, verständnislos sah er seine Frau an, warum wollte sie ihn wieder wegschicken? „Ich hab dir doch immer gesagt, dass es für jedes Lebewesen ein bestimmtes Schicksal gibt. Meines war es dich zu lieben, dir zu zeigen, wie du dein dämonisches Erbe am besten einsetzt. Natürlich wäre ich sehr gern mit dir alt geworden, hätte gern mit unseren Enkelkindern gespielt. Aber es sollte nicht so sein... Dein Schicksal liegt darin die Menschen vor den dunklen Mächten zu schützen und diese Aufgabe hast du noch nicht vollbracht.“, erklärte sie ruhig. „Das Schicksal ist mir egal. Es hat uns grausam getrennt. Willst du etwa sagen, dass es Schicksal war, das ihr habt so leiden müssen?“ Ärger schwang in seiner Stimme mit. „Liebster, alles im Leben hat seinen Sinn…“, setzte sie zu einer Begründung an, der Brünette winkte ab, wollte davon nichts hören. „Du hast gesagt, wenn ich dich küsse würde ich bleiben, dann habe ich eine Wahl?“ wollte er wissen. Miharu nickte zustimmend. „Welche Wahl? Zum einen kann ich bei dir bleiben und zum anderen? Zwischen welchen Möglichkeiten kann ich wählen?“ fragte er pro Forma, es war klar das er bei seiner Familie bleiben wollte. „Das wird dir Marcel erklären.“, sagte seine Frau und deutete auf einen schwarzhaarigen, Mann mit stahlblauen Augen. Argwöhnisch musterte der Brünette Marcel. Dieser Name löste eine Empfindung in ihm aus, die er nicht zuordnen konnte. „Hallo Seto. Ich bin Marcel Dupont... Wir haben einen gemeinsamen Freund.“, stellte sich der Schwarzhaarige freundlich vor. „Haben wir das?“ Setos ganzes Misstrauen schwang in seiner Stimme mit. „Ja... er ist blond, braunäugig und ein Vampir.“, bestätigte Dupont. „Joseph.“, hauchte der Brünette. „Stimmt, Joseph Wheeler.“, bestätigte Marcel abermals. Die Erinnerungen an die letzten Stunden drängten sich in Kaibas Gedächtnis, die intensiven Gefühle die er mit dem Blondschopf erlebte. Die ihn ausfüllende Liebe zu dem Vampir wurde ihm mit Macht bewusst. Er sah seine Frau an, Seto liebte sie über alles, doch hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. „Ich habe mich nach all den Jahren wieder verliebt. Mit Joseph an meiner Seite kann ich die schrecklichen Bilder eures Todes vergessen und mich endlich an unsere glücklichen Zeiten erinnern. Miharu... ich liebe ihn genauso sehr wie ich dich liebe. Ich...“, rechtfertigte er sich fast schon. „Liebster ich weiß es. Kehre zu ihm zurück und werde glücklich... Mit ihm zusammen, wirst du die Herausforderung des Schicksals meistern.“, sagte sie schlicht. „Aber wieso habe ich eine Wahl? Ich dachte immer bei einem Vampirbiss würde man automatisch zu einen von ihnen.“, wandte sich der Brünette an Marcel. „Diese Variante gibt es auch, bei den – sagen wir mal – normalen Vampiren. Bei uns ‘Daywalkern‘ ist es ein bisschen anders. Bei J.J. und ihnen ist es ganz anders. Er hat zu viel von ihrem und sie zu wenig von seinem getrunken. Darum sind sie hier in dieser Zwischendimension und nur darum haben sie die Wahl. Sie können mit ihrer Familie gehen und auf ewig mit ihnen zusammen sein oder sie kehren als Vampir zu J.J. zurück. Auch mit ihm können sie auf ewig zusammen sein und nutzen all ihre Fähigkeiten um gegen die dunklen Mächte zu kämpfen. Es ist ihre Entscheidung.“, schloss Marcel seine Ausführungen. „Ich kann mich also zwischen dauernden Frieden oder ewigem Kampf entscheiden.“, brachte Kaiba es auf den Punkt. „So gesehen... Ja, so lautet die Wahl.“, stimmte Dupont zu. Vor einer Stunde wäre seine Antwort ganz klar gewesen, doch jetzt... Marcel und Miharu schwiegen, Seto musste seine Antwort allein finden. Miharu würde lügen, wenn sie behauptete leichten Herzens auf ihren Mann zu verzichten. Aber irgendwann würde sie ihn wiedersehen, dieser Gedanke tröstete sie ein wenig. Der Schwarzhaarige wollte seinen Joseph glücklich sehen, er wollte jemanden an dessen Seite der den Blondschopf mit ganzen Herzen liebte und auf ihn aufpasste. Seto war zu einem Entschluss gekommen, er wandte sich seiner Frau zu, nahm ihr Gesicht in seine Hände, liebevoll sah er sie an, sein Gesicht näherte sich ihren. „Ich habe mich entschieden.“, flüsterte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)