Die letzte Etappe von Lea (Eine Reizwortgeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Vereinzelt ragten Bäume aus dem teils schlammigen Boden des Moores. Bedacht wählte der Elf seine Schritte, als er dieses durchquerte. Sein Name war Fineas und er war zum ersten Mal in der Welt der Menschen. Das aufflattern eines Vogels ließ ihn anhalten und seine blauen Augen über die weite Moorlandschaft schweifen. Größtenteils bedeckte Gras die Oberfläche und ließ es wie eine Steppe wirken. Doch das Bild war trügerisch. Jederzeit konnte ein Schritt in das Ungewisse den Tod bedeuten. Nur wenige Tiere lebten hier. Die meisten hielten sich in den umliegenden Wäldern auf, nur Vögel und kleinere Säugetiere waren hier draußen anzutreffen. Dennoch war es eine atemberaubende Gegend. In der Welt der Elfen gab es nichts Vergleichbares. Eine leichte Brise ließ das Gras sanft hin und her wippen. Fineas strich sich seine langen, glatten Haare nach hinten, welche golden im Sonnenlicht schimmerten, bevor sich erneut eine Wolke vor diese schob und die Landschaft in ein düsteres Zwielicht tauchte. Die Welt der Menschen faszinierte ihn. Rau und kalt, aber doch voller Leben und dass ohne jeglicher Magie. Langsam schritt der Elf weiter. Sein Ziel war nicht mehr weit entfernt. Die Hütte, welche mitten in dieser Einöde stand, war schon in sichtbare Nähe gerückt. Es war eine kleine Hütte, welche so aussah als würde sie jeden Augenblick zusammen brechen. Je kürzer die Entfernung wurde, desto unangenehmer wurde das Gefühl, welches sich in seiner Magengegend ausbreitete. Etwas war hier nicht normal. Es war nicht so wie in den restlichen Teilen dieses Landes, denn hier floss Magie. Obwohl diese nur schwach war, so drang sie doch unaufhörlich durch die Ritzen des alten Gebäudes. Fineas blickte an der Wand hoch, als er schließlich davor zum Stehen kam. Was würde dahinter auf ihn warten? Seine linke Hand legte sich auf den Griff seines Dolches, welcher an seinem Gürtel hing. Zögerlich umschloss seine andere die Klinke und drückte diese schließlich hinunter. Er öffnete die Tür und trat ein. „Ich habe Euch erwartet!“, erklang eine kratzende Stimme. Die blauen Kristalle des Elfen verengten sich als sie sich an die Dunkelheit gewöhnten, welche in der Hütte herrschte. Langsam schloss er die Tür hinter sich und sein Blick wanderte durch den Raum. Alles wirkte wie kurz vor dem Zerfall: Das kleine Bett in der Ecke zu seiner rechten, der Schrank zu seiner linken, Tisch und Stuhl vor ihm. Auf letzterem saß eine gebückte Gestalt. Lange weiße Haare fielen ihr vors Gesicht. Die langen dünnen Finger der Hände, welche auf der Tischplatte ruhten, sahen aus wie die eines Skeletts. Dennoch empfand Fineas weder Scheu noch Ekel. Langsam schritt er näher an sie heran. Staubpartikel wirbelten durch die Luft und leuchteten auf, wenn sie durch einen Lichtstrahl schwebten, welcher durch eine der Ritzen ins Innere drang. „Fineas, Hauptmann der königlichen Leibgarde. Ich habe nicht, wonach Ihr sucht… Königin Erielle wird von Tag zu Tag schwächer, doch Ihr seid Eurem Ziel nahe.“, sprach die Person und der Elf erkannte erst jetzt, wo er ihr so nah stand, dass es sich um eine alte Frau handelte. Schon lange hatte er nicht mehr den Namen seiner Herrscherin gehört, doch in diesem Zusammenhang wäre es ihm auch lieber gewesen, diesen nicht zu vernehmen. Eines Tages war er zu Erielle gerufen worden und sie hatte ihn mit einer Mission betraut, von der es hieß, dass nur er sie bewältigen könnte. Die Königin besaß ein Amulett, welches ihre Macht wieder spiegelte. Das Leuchten darin drohte zu erlischen und damit würde auch ihre Quelle der Magie versiegen. Das würde nicht nur ihr Ende, sondern auch das Ende der Elfenwelt bedeuten. Sechs der sieben gesuchten Fragmente hatte Fineas bereits in seinen Besitz gebracht. Immer mehr setzten sich die Teile des Puzzels zusammen. Das letzte verbliebene war irgendwo in der Welt der Menschen, doch bisher war seine Suche erfolglos gewesen. „Das was ihr sucht… Der Drache Calderon besitzt es.“, sprach die Alte. Zum ersten Mal ergriff Fineas das Wort und fragte: „Wo finde ich diesen Drachen?“ „Die Raben wissen Bescheid… Sie wahren das Geheimnis…“ „Raben?“, entwich es den Elfen erstaunt. In seiner Welt waren diese Tiere überaus grausam und blutrünstig. Es war für ihn schwer vorstellbar, dass diese ihm helfen sollten. „Draußen werdet ihr einen an einen Baum gebunden finden... Lasst ihn frei und folgt ihm… Er wird euch den Weg weisen…“ Mit diesen Worten hob die Greise ihre knochige Hand und deutete zur Tür. Fineas war ihrem Fingerzeig mit den Augen gefolgt. Abermals wandte er sich zu ihr um und verneigte sich höflich. „Habt Dank. Sagt wie kann ich Euch für diesen Rat entlohnen?“ „Rettet die Königin!“, sprach sie müde und wiederholte ihre Geste. Daraufhin wandte sich der Elf von ihr ab und schritt hinaus. Als er die Tür hinter sich schloss, vernahm er ein Krächzen. Vor ihm stand großer alter Baum, an dessen knorrigen Ästen ein schwarzer Vogel gebunden war. Fineas konnte sich nicht erinnern, diesen zuvor gesehen zu haben, weder Baum noch Rabe. Langsam bewegte er sich auf diesen zu und streckte vorsichtig seine Hände nach dem Tier aus. „Ich werde dir nichts tun.“, sprach er sanft, als seine Finger den Strick erreichten und begannen die Knoten zu lösen. Zu seiner Verwunderung hielt der Vogel still und sah ihm regelrecht dabei zu wie er befreit wurde. Als auch der letzte Knoten geöffnet war und das Seil schlaff vom Ast herunter hang, flog der Rabe krächzend auf und schon im nächsten Augenblick setzte er sich auf Fineas Schulter. Zögerlich strich ihm dieser über die befiederte Brust und flüsterte: „Kannst du mich zu Calderon führen?“ Die Antwort war ein lautes Krächzen, was dem Elfen einen Schauer den Rücken hinab laufen ließ. Einen Augenblick später breitete der Vogel seine schwarzen Schwingen aus und stieß sich von der Schulter ab. Mit nur wenigen kräftigen Flügelschlägen gewann er schnell an Höhe und flog voraus. Fineas sah ihm einige Zeit hinter her, ehe er einen Windzauber wob und dem Tier hinter her eilte. Elegant und leicht lief über den morastigen Boden. Wie ein Geist bewegte er sich über das Wasser fort, als ob er leichter als Luft wäre. Als der Rabe merkte, dass sein Begleiter leicht mit ihm mithalten konnte, beschleunigte er sein Tempo und stieß dabei immer wieder ein Krächzen aus. Mit der Zeit gesellten sich weitere der schwarzen Vögel zu dem Anführer und stimmten in dessen Rufen ein. Ohne Rast eilten sie über das Land und hielten erst, als es zu dämmern begann. Fineas machte ein kleines Feuer, welches er mit seiner Magie bändigte, sodass es nicht um sich greifen konnte. Er teilte sein Essen mit den Raben, welche sich ohne Scheu über das Futter hermachten. Bei Sonnenaufgang ging die Reise weiter. Ohne Unterlass flogen sie bei Tag und ruhten bei Nacht. Zur Dämmerung des vierten Tages ließen sich die schwarzen Vögel auf einem Felsen nieder und verstummten als Fineas zu ihnen aufgeholt hatte. Langsam näherte sich der Elf dem Steinbrocken und strich über diesen. Gerade als er darüber nachdenken wollte, was dies zu bedeuten hatte, krächzte der Rabenführer. Fineas wandte seinen Blick zu diesem und deutete seine Kopfbewegung, als Aufforderung sich auf die andere Seite zu begeben. Dies tat er sogleich und schritt um den Fels herum. Auf dessen Rückseite war er glatt geschliffen und Runen waren darin eingemeißelt worden. Der Elf versuchte diese zu deuten, schaffte es jedoch nicht. Es war eine ihm unbekannte Sprache. Vorsichtig machte er einen Schritt rückwärts, um vielleicht so etwas zu entdecken was ihm vorher verwehrt geblieben war. Die Inschrift ließ den Fels wie einen Grabstein wirken. War er das vielleicht auch? Fineas kniete sich vor dem Stein nieder und fuhr die Runen mit seinen langen schlanken Fingern nach. Doch dann erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Am unteren Rand der Fläche waren weitere Schriftzeichen angebracht. Der Hauptmann beugte sich zu diesen hinunter und strich über die Einkerbungen. Dies waren elfische Buchstaben. Doch diese waren teilweise mit Gras bedeckt. Sogleich begann er sie frei zu legen. Als Fineas dies gelungen war, begann er die Inschrift zu lesen. Nur die Stimme der Magie vermag mich aus meinem Schlummer zu wecken. Ruft mich mit all Eurer Kraft und gebt mir etwas Wertvolles. Noch lange starrte er die Worte an, ehe er sich langsam erhob. Die Sonne versank hinter dem Rücken einer flachen Gebirgskette. Fineas musste etwas blinzeln, als er aufsah. Doch bald legte sich der Schatten, den die kleinen Berge warfen, über ihn und die Nacht begann herein zu brechen. Mit der rechten Hand zog der Elf seinen Dolch, dessen scharfe Klinge er auf die Fläche seiner Linken legte. Lautlos bewegten sich seine Lippen, als er seine Magie sammelte, um den Drachen zu rufen. Währenddessen glitt die Schneide durch sein Fleisch. Sogleich schloss er seine Hand zur Faust und drückte fest zu, sodass Blut heraus quoll. Plötzlich erzitterte der Erdboden und riss mit lautem Krachen auf. Eine Flammensäule stieg gen Himmel und beißender Rauch erfüllte die Luft. Der Gestank von Schwefel breitete sich aus. Fineas wich nicht von seiner Stelle und starrte wie gebannt auf das Geschehen vor sich. Immer wieder musste er blinzeln, da der Rauch ihm Tränen in die Augen trieb. Dann sah er es. Eine riesige Gestalt stieg aus dem Riss empor und erhob sich in den Himmel. Mächtige Flügel ließen die Luft unter ihrem Schlag vibrieren. Der Drache kreiste einmal über den lange verloschenen Krater, welcher einst von einem riesigen Vulkan geschaffen worden war. Der Caldera umfasste eine weite Hügellandschaft und wurde von einem Ring niederer Berge umrahmt. Schließlich ließ sich der Drache vor seinem Beschwörer nieder. Nach einer so langen Zeit des Schlafes, hatte es ihm gut getan seine Schwingen wieder zu spannen und den Wind zu spüren. „Was ist Euer Begehr?“, sprach er mit rauer Stimme. Calderons Augen glühten und leuchteten durch den immer noch andauernden Rauch hindurch, nur die schlitzförmige Pupille teilte die brennenden Rubine. Rotbraune Schuppen zogen sich über den gesamten Körper, dessen ganzes Ausmaß Fineas nur erahnen konnte. Der Drache war riesig. Der Elf hatte diese Geschöpfe schon zuvor gesehen, aber einer von dieser Größe erblickte er zum ersten Mal. „Ich brauche Eure Hilfe! Meine Königin liegt im Sterben. Ihre Macht erlischt.“, erklärte Fineas und verneigte sich höflich vor dem magischen Wesen. Dieses schwieg einen Moment nachdenklich. Doch dann wollte es wissen: „Bittet Ihr mich um Hilfe, weil Eure Königin es verlangt?“ Fineas schien förmlich das Herz aus der Brust zu springen. Er zögerte und senkte seinen Blick. Es kam einer Sünde gleich, wenn er den Drachen belügen würde. Doch konnte er die Wahrheit so einfach aussprechen? Bisher wusste niemand um sein Geheimnis. Immer hatte er seine Gefühle in den Hintergrund gedrängt, auf dass sie nie ans Tageslicht gelangen. Ja, er liebte seine Königin und das von ganzem Herzen. Alles würde er für sie tun, auch wenn seinen Tod bedeuten würde. Calderon hob seinen Kopf, senkte jedoch seinen Blick. Weisheit spiegelte sich in seinen Augen wieder, welche den Elfen eindringlich ansahen. Für ihn war es ein leichtes die Wahrheit zu erkennen, selbst wenn sie verborgen lag. „Ich werde Euch helfen, doch nur unter einer Bedingung.“, sprach der Drache. Fineas sah auf. „Was immer Ihr verlangt! Ihr bestimmt über mein Schicksaal. Mein Leben soll Euch gehören.“, sagte er mit fester Stimme. Daraufhin begann Calderon zu lachen. „Euer Leben gehört Euch nicht mehr. Ihr habt es bereits einer anderen Person versprochen. Doch über Euer Schicksaal will ich bestimmen, das soll meine Bedingung sein. Ich werde Euch helfen, dafür gesteht Ihr Eurer Königin Eure Gefühle!“, verlangte er. Erneut machte Fineas Herz einen Satz vorwärts und hämmerte wild in seiner Brust. Er hatte dem Drachen bereits sein Wort gegeben. Er konnte es nicht mehr zurück nehmen. Doch, würde er es wollen? Schon lange überlegte er, seiner Königin die Wahrheit zu sagen. Seine Gefühle für sie zu gestehen. Aus Angst und Respekt hatte er sich bisher zurück gehalten. Calderon verlangte nichts Unmögliches von ihm und doch schien es Fineas in einen Augenblick lang so. „So soll es sein!“, erwiderte der Elf und verneigte sich dankend. „SO soll es sein!“, antwortete der Drache. The End Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)