Ein Jahr von Jahna (Atobe X Sanada) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du mit dem Zug fährst.“ „Und ich kann es immer noch nicht fassen, dass du mir das jeden Tag aufs neue sagst. Morgen Dear.“ „Guten Morgen Keigo.“ So lief das jeden Tag aufs Neue zwischen den beiden ab, auch wenn Atobe nicht nachfühlen konnte warum Sanada immer noch so reagierte. Sie gingen jetzt schon fast ein ganzes Jahr auf die gleiche Uni, und er seit dem ersten Tag an mit dem Zug fuhr, wobei der Schwarzhaarige zwei Stationen vor ihm einstieg. Wirklich übel nehmen konnte er es dem Älteren allerdings nicht, dazu kam ihm selbst viel zu oft der Gedanke, dass ausgerechnet er in einem Zug irgendwie falsch wirkte. Allerdings fuhren sie nicht seit dem ersten Tag zusammen Zug, wie sich Atobe leicht gequält erinnerte. Doch da es jetzt der Fall war und auch weiterhin so bleiben würde gab es gar keinen Grund weiter darüber nachzudenken. Wenn er etwas in diesem Jahr, das sie beide miteinander – anfangs zwar zwangsweise – verbrachten, gelernt hatte war das es sich nicht lohnte sich an unangenehmen Erinnerungen aus der Vergangenheit festzukrallen. Stur auf eine Zukunft hinarbeiten die man sich nicht selbst gewünscht hat, keine Chance dem Ganzen zu entkommen und dieses Wissen jeden Tag aufs Neue zu spüren bekommen. Es machte sehr schnell blind. Wenn man nicht mehr sehen konnte, störte es einen nicht sonderlich. Es war zwar immer die dumpfe Vermutung da, dass etwas Schönes, etwas Eigenes, genau dort vor deinen Füßen liegen konnte, aber solange man keinen Beweis hatte das es wirklich so war, das der eigenen Traum funktionieren würde, griff man nicht danach. Atobe allerdings hatte durch diesen Umriss und die veränderten Eindrücke, und höchstwahrscheinlich auch wegen Sanada, gelernt wieder zu sehen. Er wusste nicht was der Schwarzhaarige durchmachen musste damit seine Augen aufgerissen wurden, er wusste nur das es einige Zeit vor ihm passiert war, doch das war nebensächlich. Das es überhaupt passiert war, das ist das Einzige was zählt. -- Atobes erste Woche an der Uni oder besser seine erste Woche in der er nicht mehr zu Hause wohnte, war ein Desaster gewesen. Ein Chauffeur hatte ihn zu seiner neuen Wohnung in Osaka gefahren und ihn mit einer Beschreibung, wie er am besten zur Uni kam, allein gelassen. Zugegeben die Wohnung war für ein zwei Zimmer Apartment doch recht... annehmbar. Seine Sachen hatte bereits irgendjemand eingeräumt, und auf dem Tisch lag ein kleiner Umschlag mit 15 000 Yen (ungefähr 100 Euro, glaub ich ><) und einer kurzen Nachricht seines Vaters: 'Gib darauf Acht, du bekommst nicht mehr monatlich.' Er hatte zwar darum gebeten das einfache Leben kennen zu lernen, aber doch nicht auf solch radikale Weiße! Auf der Wegbeschreibung stand, dass er mit dem Zug fahren musste, würde dann überhaupt noch Geld übrig bleiben? Und was sollte er essen, der Kühlschrank war LEER! Sein Vater beliebte wohl zu scherzen. Von so wenig Geld konnte doch niemand einen Monat leben! Das alles hatte er sich ganz anders vorgestellt. Seiner Meinung nach war das unverantwortlich was hier mit ihm gemacht wurde. Jemand sollte ihm erklären wie das einfache Leben funktionierte, und ihn nicht ins kalte Wasser schubsen! Zu Hause anrufen würde wohl nichts bringen. Im Gegenteil, wahrscheinlich hatte sein Vater diese Nummer und die seines Handy für die nächsten Wochen sperren lassen. Es wäre besser schlafen zu gehen. Es widerstrebte ihm zwar bei diesem Szenario mitzumachen, allerdings widerstrebte es ihm ebenfalls zu spät zur Uni zu kommen. Er hatte nichts dagegen zur Uni zu gehen, er hatte etwas gegen die Umstände in denen das passieren sollte. Am darauf folgenden Tag stand er um einiges früher auf als nötig. Zum einen weil er keinesfalls zu spät zum ersten Tag kommen wollte, zum andern weil er einfach nicht richtig schlafen konnte. Dieser Witz von einem Bett war dermaßen unbequem und klein, wie konnten Menschen in so etwas täglich schlafen? Also macht er sich früher als üblich fertig, was ihn einiges an Nerven kostete. Die Dusche brauchte eine halbe Ewigkeit bis sie endlich warmes Wasser hervorbrachte, und als er in der Wohnung endlich fertig war und sich auf den Weg zur Zughaltestelle machte musste er auf halben weg wieder umdrehen, weil er vergessen hatte abzuschließen. In seinem eigentlichen zu Hause war das NIE nötig gewesen, es waren immer irgendwelche Angestellte dort. Nachdem er den Schlüssel endlich gefunden – wieso hätte er sich merken sollen wo er ihn vergangene Nacht hingelegt hatte? In der Villa wurde ihm so etwas hinterher geräumt! - und sich mehrfach versichert hatte das die Tür ohne Schlüssel nicht mehr zu öffnen war, begab er sich wieder zu dem Bahnhof in der Nähe. Wenigstens war jener schwer zu übersehen, es schien einer der etwas größeren in der Gegend zu sein. Er brauchte ziemlich lang bevor er die Tafel fand auf der die Züge, die für ihn interessant waren, standen. Bis er dann endlich herausbekommen hatte wie viel ihn das monatlich kosten würde und an welchem Gleis er zu warten hatte war wieder einiges an Zeit verstrichen. In dieser Halle kam er sich so fehl am Platz vor, und er gestand sich, wenn auch ungern, ein das er nervös war und sich etwas davor fürchtete mit einem Zug zu fahren. Der Vorfall am Fahrkartenautomat war schon peinlich genug gewesen. Er hatte sich von einem Mädchen, dass wahrscheinlich gerade mal halb so alt war wie er, erklären lassen müssen wie diese Dinger funktionierten, bis sie ihn entnervt zur Seite drängte und die Daten selbst eingab. Das ihre Größe in etwa einem Gartenzwerg entsprach war nicht der einzige Grund weshalb er sie dafür nicht runter gemacht hatte. Er brauchte in diesem Moment ihre Hilfe. Als ihm das klar wurde verschlechterte sich seine Laune noch einmal um ein nicht gerade unerhebliches Stück. Es konnte doch nicht wahr sein, dass Atobe Keigo auf die Hilfe eines kleinen Kindes angewiesen war! Der Gedanke verstärkte zwar ein wenig dieses hilflose Gefühl, weckte andererseits seinen Ehrgeiz. Er brauchte keine Hilfe, er würde das selbst hin bekommen! Wenn er die Karte im Zug richtig interpretierte, müsste er bei der vierten Station wieder aussteigen, und laut der Beschreibung dürfte die Uni nicht weiter als drei Minuten entfernt liegen. Wenigstens etwas Tröstliches. Endlich an seinem Zielort angekommen zwang er sich dazu sein übliches überhebliches Lächeln aufzusetzen. Nur weil ihn hier niemand kannte hieß das nicht, dass er sich auf einen Durchschnittsstudent reduzieren ließ. Hier war es deutlich einfach herauszufinden in welchen Räumlichkeiten seine Kurse stattfinden würden. Er begab sich ohne weitere Umwege dorthin und setzte sich grazil auf den nächstbesten Stuhl. Entweder er hatte deutlich weniger geschlafen als gedacht, oder Zug fahren machte ihn müde. Er wollte seinen eigenen Ehrgeiz nicht bremsen, aber wenn der Rest des Tages und alle darauf folgenden ebenfalls so werden würden, gab er doch lieber auf. Die Zeit in der Uni war durchaus beruhigend, er tat nicht sonderlich viel außer dem Unterricht folgen und sich über das Essen in der Mensa aufregen, dennoch hatte sich, wie das immer der Fall war wenn er irgendwo neu erschien, eine beachtliche Schar an Fans um ihn gebildet. Er kümmerte sich nicht sonderlich um sie, nur das übliche Programm: Lächeln, äußerst knapp banaler Fragen beantworten und noch ein wenig mit seinem üblichen Grinsen die Leute blenden. Es hatte sich zwar nicht geändert, dass er gern im Mittelpunkt stand, aber er hatte im Moment wirklich andere Sorgen. Nach dem Tag fuhr er wieder zurück zu der Haltestelle die seiner Wohnung am nächsten lag und ging auf dem Weg nach Hause noch einkaufen. Sein Vater musste ihn umbringen wollen. Wie sollte er mit diesem Witz von Taschengeld einen Monat lang überleben können? Er hatte sich Essen für schätzungsweise eine Woche gekauft und schon so gut wie nichts mehr übrig! Als er mit den Einkäufen wieder in dem Wohnblock ankam, in dem er nun für Jahre so ein erbärmliches Leben führen sollte, sank seine Stimmung auf einen derartigen Tiefpunkt wie er ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatte. Er hatte die Einkäufe noch in den Armen und versuchte die Tür auf zumachen, hatte allerdings vergessen, dass sie abgeschlossen war. Unsanft knallte er dagegen, wobei seine Besorgungen auf dem Boden verteilt wurden. Hart biss er sich auf die Lippe um vor Wut nicht einfach los zu schreien. Am liebsten hätte er es einfach getan, aber nur weil er nicht mehr zu Hause wohnte, hieß das nicht, dass er sofort die Erziehung und alle Angewohnheiten abfallen ließ. Ein Teil der Lebensmittel war jetzt hinüber. Wie sollte er das nur die komplette Unizeit überleben wenn er schon in der ersten Woche solche Probleme bekam? Bevor er am Donnerstagmorgen die Wohnung verließ, rief er bei seinen Vater an, was allerdings nicht sonderlich viel brachte. Alles was er bei der lautstarken Diskussion raus schlagen konnte war, dass seine Kleidung regelmäßig in die Reinigung gebracht wurde. Die meisten Lebensmittel hatte er entweder schon aufgegessen oder sie waren schlecht geworden. Woher sollte er auch wissen was in den Kühlschrank musste und was nicht? Jeden Tag wurde er aufs Neue belehrt, dass seine Laune immer noch ein Stück tiefer sinken konnte, obwohl er bereits am ersten Tag meinte den schlimmsten Tiefpunkt aller Zeiten erlebt zu haben. Als er jedoch in der Uni saß und die erste Stunde gerade erst angebrochen war schlich sich in widerliches Gefühl von Entsetzen in sein Nervenkostüm und er war sich sicher, dass die Welt ihn hasste. Wieso auf einmal? Sie hatte ihn bisher immer geliebt! Der Grund für dieses Gefühl war das ihr Lehrer meinte, dass endlich ihr letzter Mitschüler eingetroffen war. Angeblich hatte er mit dem Umzug Probleme und konnte deswegen die ersten Tage nicht kommen. Genervt das der Unterricht wegen so einem Trottel unterbrochen wurde sah er von seinen Notizen auf, und bereute diese Tat sofort wieder. Vor der Klasse stand Sanada Genichirou und sah ihn ebenso irritiert an wie er zurückschaute. Wie lange war es her, dass er ihn das letzte Mal gesehen hatte? Das musste jetzt fast drei Jahre sein. Er sah den Älteren ungern wieder, denn das erinnerte ihn an diesen einen Tag an dem Shishido und Oshitari meinten ihn mit zu den Nationals nehmen zu müssen. Dort hatte er Echizen wieder gesehen, der seinen Ex-Senpais zusah. Dieser Giftzwerg hatte ihn frech von der Seite angegrinst und irgendetwas von wegen 'Es war nicht seine Absicht ihm dem Spaß an Tennis zu verderben'. Was wusste der Knirps schon? Nur weil er nach dem Match mit ihm nie wieder einen Tennisschläger angefasst hatte hieß das nicht. dass ER dafür verantwortlich war. Sobald seine Freunde ihr, zugegeben ziemlich gutes, Doppelmatch zu Ende gebracht hatten verabschiedete er sich und ging. Gerade als er meinte die Courts verlassen zu können, ohne noch Irgendjemandem zu begegnen ,der ihm dumme Fragen stellen konnte, sah er das ehemalige Rikkai Team, von denen nur noch die drei Dämonen eine Uniform trugen. Yanagi hatte ihn als erster entdeckt und wollte schon auf ihn zukommen, als er hastig die andere Richtung einschlug. Er nahm einen Umweg zu seiner Limousine gern in Kauf, wenn das diese sinnlosen Kommentare vermeiden würde. Das Ganze war schon ziemlich lang her, aber Sanada sah immer noch genauso aus wie früher: Groß, kräftig, sonnengebräunt, mit der gleichen unpassenden Frisur zu dem gleichen unsympathischen Gesichtsausdruck. Atobe war sich nicht ganz sicher ob er das erschreckend oder beruhigend finden sollte. Sogar er selbst hatte sich verändert. Seine Haut war zwar immer noch blass, aber seine Haare trug er mittlerweile deutlich erkennbar abgestuft. Sanada war der erste, der den Blick abwand, denn der Lehrer hatte ihn gebeten sich zu dem letzten freien Sitz zu begeben. Na großartig, da wurde er schon auf brutale Art und Weiße in ein neues Leben gesetzt und musste nun auch mit diesem Freak in eine Klasse gehen! -- Anfangs mag Atobe es schlecht gefunden haben, dass sie so viele Kurse zusammen hatten. Er konnte einfach nicht nachfühlen das der Ältere sich für ähnliche Dinge wie er interessierte, aber im Laufe der Zeit war er sehr froh darüber gewesen. Es hatte ihm mehr Gründe gegeben Zeit mit Sanada zu verbringen, oder mit ihm zu reden, auch wenn er die heute nicht mehr brauchte. Mittlerweile waren sie so gut befreundet, dass er sich zwischen den Stunden einfach auf dessen Tisch setzten konnte ohne in anzusehen beziehungsweise anzusprechen. Sanada würde es mit sich machen lassen, allerdings nur wen ER es war, was an diesem Vormittag wieder einmal bewiesen wurde. Einer seiner etwas aufdringlicheren Fans - dass Sanada an dieser Uni, so wie er, ebenfalls ziemlich beliebt war schob er darauf, dass sie beide so viel Zeit miteinander verbrachten - hatte sich auf seine Unterlagen gestützt und wollte ein Gespräch mit ihm anfangen. Der Größere sah sie bloß missbilligend an, fragte weshalb sie ihn störte und ob sie nichts anderes zu tun hätte. Als er das mitbekam konnte er es sich einfach nicht nehmen lassen das Mädchen zu ärgern. Sobald sie weg war stütze er sich auf genau die gleiche Stelle wie sie eben. „Schönes Wetter, findest du nicht auch Darling?“ Sanada sah ihn nur mit diesem üblichen Blick an der soviel sagte wie 'Du wirst nie aufhören mir Spitznamen zu geben, oder?', sah dann aus dem Fenster und meinte knapp „Ich mag diese Jahreszeit nicht.“ Kurz lachte Atobe auf. „Es hat heute doch bereits aufgehört zu schneien, was willst du mehr?“ „Dass es aufhört Winter zu sein.“ -- Nach zwei Wochen hatte er weder Geld übrig noch irgendetwas Essbares in der Wohnung. Er würde mehr dafür geben als er jemals erwartet hatte, wenn er dafür ein Stück von diesem... Essen das sie in der Mensa verkauften bekommen würde. Es war nicht so das ihm kein Mädchen aus der Klasse Essen anbieten würde, aber nach dem was vor etwas über einem Jahr passiert war, hatte er sich geschworen nichts mehr von seinen Fans anzunehmen. Dennoch, wenn sich sein Vater weiterhin so stur gab müsste er etwas annehmen. Verhungern, betteln oder klauen war keine Option für jemanden wie IHN. Mittags ging er schon gar nicht mehr in die Mensa. Sein Hunger machte es nicht mit den ganzen Menschen beim essen zuzusehen. Nur leider gab es da jemand äußerst nervigen, dem es anscheinend Spaß macht ihm sein Leid vorzuhalten. Sanada brachte sich jeden Tag ein Bento mit und dachte nicht daran zum Essen den Klassenraum zu verlassen. Atobe hielt es irgendwann einfach nicht mehr aus. „Musst du das tun?!“ „Mach ich was falsch?“ Was hatte der Kerl doch für Nerven! Sah ihn an als ob er nicht verstünde was er eben damit gemeint hatte. „Du ISST, im Klassenraum.“ Er durfte nicht zulassen, dass Sanada den Eindruck bekam er würde sich sehr für ihn interessieren, deswegen hatte er seine Stimme so gut es ging gedämpft, tat so als würde er sich mit seinen Mitschriften beschäftigen. „Gehst du nicht sonst in die Mensa?“ Für Atobe klang das mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage. Was ihn zugegeben verwirrte, seit wann war Sanada fähig so direkt zu werden? Er konnte diesem Baumstumpf unmöglich sagen, dass er pleite war und sich die Mensa nicht mehr leisten konnte. Wo gerade er doch der einzige war der wusste wie reich seine Familie war. (Als er auf den Namen angesprochen würde hatte er nur kurz gelacht und seitdem nahmen alle an das er NICHT zur Familie gehörte. Widersprechen hätte nicht viel gebracht, er hatte momentan kein Geld, also keine Beweise und als Lügner wollte er ebenfalls nicht dastehen. Was die Schar seiner Fans allerdings nicht einschränkte.) „Ore-sama hat heute keinen Appetit.“ Doch sein Magen spielte gegen ihn. Er fing nämlich genau in dem Moment an zu knurren als er Sanada dabei zusah wie er sich einen kleinen Klumpen Reis in den Mund schob. „Du solltest doch besser gehen.“ „Ore-sama kann nicht!“ Oh nein. Ohnein, ohneinneinnein. Es konnte doch nicht sein das er das gesagt hatte?! Es konnte doch nicht sein, dass Sanada einmal in seinem Leben den Wink mit dem Zaunpfahl sofort verstanden hatte! Das durfte nicht wahr sein! Oder hatte Sanada sich in diesen drei Jahren doch mehr verändert als anfänglich gedacht? Wenn er näher darüber nachdachte musste er sich eingestehen, dass er eigentlich nie sonderlich viel über den Älteren gewusst hatte, aber bei so einem Klotz hat das sicher JEDER angenommen! Atobe war sich ziemlich sicher das sein Gesicht pures Entsetzen und Scham ausdrückte. Zumindest ließ es das stark vermuten, wieso sonst hätte der Größere ihm gerade sein Essen angeboten? Er brachte allerdings nicht mehr als ein scharfes „Nein“ hervor, wandte sich ab und ging zum vierten Mal an diesem Tag seine Unterlagen durch. Am nächsten Tag war Atobe mehr als nur schlecht gelaunt. Er hatte wegen diesem nagendem Hungergefühl so gut wie gar nicht geschlafen, dazu kam das er sich absolut nicht konzentrieren konnte. Seine sonst so schöne Handschrift erinnerte mehr an das Gekrackel eines Vorschülers, wenn er es am Nachmittag noch entziffern konnte musste er es dringen noch einmal neu schreiben. Er drohte jede Minute einzunicken, sein Magen knurrte immer mal wieder, aber durch den Drill in seiner Erziehung schaffte er es dennoch nicht total bescheuert und übermüdet zu wirken. Das alles hielt Sanada aber nicht davon ab in der Mittagspause einen Stuhl an Atobes Tisch zu ziehen und sich zu ihm zu setzen. Gerade wollte jener schon anfangen sich zu beschweren, als der schwarzhaarige aus einer Plastiktasche ein, ziemlich großes, Bento hervor zog. Er hatte gar nicht gemerkt, dass Sanadas Tasche heute größer war als sonst. Sie begegneten sich fast jeden Morgen im Zug, Atobe hatte die unangenehme Eigenschaft entwickelt meist in dem Abteil einzusteigen in dem sich auch der Größere befand. Wenn er jetzt zu dem eigentlichen Sitzplatz des anderen sah hatte jener tatsächlich eine größere Tasche mitgebracht. Warum war ihm das am morgen nicht aufgefallen? „Ore-sama braucht dein Mitleid nicht.“ zischte er ihn an, als er von Sanada türkis leuchtende Essstäbchen vor die Nase gelegt bekam. „Mein Mitleid ganz sicher nicht, aber Essen.“ Mit diesen Worten fing er selbst, mit blendend roten Stäbchen, an zu essen, und wie Atobe feststellte deutlich langsamer als gestern, wollte ihm wahrscheinlich nicht alles weg essen. Was bei dieser Portion aber schwer geworden wäre. „Wie kommst du darauf das Ore-sama das nötig hätte?“ Mit einem verachtenden Blick schob er die Plastikstäbchen weg und verschränkte die Arme. Nach diesem Satz fing er sich einen abschätzenden Blick des ehemaligen Rikkai-Spielers ein. „Glaubst du wirklich, dass keiner merkt wie schlecht es dir geht?“ Der Grauhaarige erwiderte Sanadas gerunzelte Stirn mit einem ungläubigen Blick. „Atobe, ich weiß nicht was los ist, aber du machst nicht den Eindruck als könntest du es dir leisten Mitleid auszuschlagen.“ Ohne ein weiteres Wort aß der Ältere einfach weiter, immer noch so langsam wie bereits vorhin. Als sein Magen plötzlich wieder knurrte, fühlte sich Atobes Gesicht äußerst heiß an und da er sich damit sowieso schon lächerlich gemacht hatte, konnte er auch mit essen. Als Sanada mitbekam, was für große Portionen der Jüngere nahm hörte er auf selbst etwas zu essen. Zwar bekam Atobe immer wieder so seltsame Blick zugeworfen, wurde aber weder vom Essen abgehalten, noch musste er sich irgendeine dumme Frage anhören. Er war sehr dankbar dafür, für die Stille und für das Essen. Von diesem Tag an brachte Sanada jeden weiteren Tag genug Essen für sie beide mit, die grelle Farbe der Essstäbchen tat kurz vor Ende des Monats schon fast gar nicht mehr in seinen Augen weh. „Was sind das für... seltsame Farben?“ Meinte er, während er mit die türkisen Stäbchen leicht wedelte. Es war zwar sehr angenehm nicht mit Fragen überschüttet zu werden, aber aus irgendeinem Grund störte es ihn auf lange Sicht. Außerdem war er sich sicher, dass Sanada das hier alles nicht zulassen würde, wenn er so wenig von Atobes Gesellschaft halten würde. „Sind von meinem Bruder. Das sind noch die erträglichsten.“ nuschelte er, behielt die Stäbchen bei der Frage ein kleines Stück im Mund. Atobe wusste nicht ob er das mit Absicht machte oder es ihm gar nicht auffiel, auf jeden Falle sah es – dafür, dass es sich um Sanada handelte – äußerst niedlich aus. Und da sprudelte es plötzlich aus ihm heraus. „Mein Vater hat mir das Geld abgedreht.“ Irgendwie fühlte sich das komisch an, er hatte noch nie das Bedürfnis gehabt mit jemandem über seine Probleme zu sprechen, also warum jetzt? Und warum gerade mit diesem Baumstumpf? „Nicht ganz versteht sich.“ Er konnte immer noch nicht richtig glauben, dass er das wirklich aussprechen wollte, beziehungsweise schon größtenteils getan hatte. Er fühlte wie sein Gesicht rot anlief und hielt seinen Blick auf dem Tisch. „Aber nicht viel. Ich kann nicht mit Geld umgehen.“ Sich selbst und seinem Gegenüber das einzugestehen verdarb ihm den Magen. Er hatte zwar seit fast zwei Wochen nichts anderes gegessen als das was ihm Sanada mitbrachte, und er hatte durchaus immer noch Hunger, aber sein Magen zog sich auf widerliche Art zusammen. „Warum nimmst du eigentlich nichts von den Mädchen an die dir immer etwas anbieten?“ Wenn der Ältere das fragte, klang das irgendwie selbstverständlich, dass er Geschenke annahm. Aber übel konnte er es ihm nicht nehmen, er wusste ja nicht was vorgefallen war. Atobe seufzte einmal auf bevor er das erklärte „Ein Mädchen hat einem anderem Mädchen, von dem ich etwas angenommen hatte, wortwörtlich ein Auge ausgekratzt. Kein sonderlich schöner Anblick. Ore-sama möchte vermeiden, dass so etwas noch einmal passiert.“ Bei der nächsten Frage zögerte Sanada einen Moment, wusste scheinbar nicht wie er sich ausdrücken sollte. „Darf ich fragen warum du mit Tennis aufgehört hast?“ Der grauhaarige seufzte erneut, hatte aber nicht die Energie einen Streit anzufangen. „Der Traum hat sich einfach ausgeträumt.“ „Du meinst deine Vater hat ihn für dich ausgeträumt.“ Blankes Entsetzen kroch ihm bei diesem Satz dem Rücken runter. Das schlimme daran war, dass er Recht hatte. Er konnte sich nicht einmal verteidigen um dieses Gefühl loszuwerden! „Soll ich dir helfen?“ Nachdem er das gefragt hatte, schob sich Sanada ein Stück Karotte in den Mund. Darauf warf ihm Atobe nur einen verwirrten und genervten Blick zu. Das Letzte was er vorhatte war mit diesem Holzklotz Tennis zu spielen! Sanada musste schnell kauen und schlucken, damit er spezifischer werden konnte, verschluckte sich allerdings dabei. Als er kurz hustete ging es allerdings gleich wieder. „Soll ich dir zeigen wie man mit Geld umgeht?“ -- Es passierte selten, dass Atobe vor Sanada in der Mensa war. Schade eigentlich, er genoss den Anblick der sich ihm dann bot jedes Mal aufs Neue. Immer wieder sah er von seinem Essen auf, wollte es auf gar keinen Fall verpassen wenn der Ältere die Mensa betrat. Als es dann endlich so weit war konnte er ein breites Lächeln nicht mehr unterdrücken. Es lief aber auch immer gleich ab. Sanada kam ein paar Schritte in die Halle, sein Bento hielt er in einer kleinen Plastiktasche schlaff neben sich. Er lies seinen Blick durch die ganze Mensa wandern, übersah dabei die ganzen Mädchen oder anderen Mitglieder aus dem Tennisteam, die ihn dazu aufforderten sich zu ihnen zu setzen. Dann ging er ein paar Schritte weiter einen der Gänge zwischen den Tischreihen entlang, bekam es nicht einmal richtig mit wenn ihn jemand äußerst Aufdringliches am Ärmel zog. Sobald er ihn dann in der Masse entdeckt hatte waren seine Schritte nicht mehr unkoordiniert, sonder bewegten sich zielsicher auf ihn zu. Er nahm den Platz ihm gegenüber, der immer frei war. Schon viele hatten versucht sich zu ihnen zu setzen wenn der jeweils Andere nicht anwesend war, aber sie reagierten nicht einmal verbal darauf, sonder setzten sich immer nur wo anders hin. Es hatte lang gedauert, aber die gesamte Uni hatte endlich verstanden, dass dort einfach niemand anderes zu sitzen hatte. Zu Beginn der Pause redeten sie nicht viel, erst wenn Sanada sein Bento, und Atobe eines der Mensa-Menüs fast ganz aufgegessen hatten, fingen sie an sich zu unterhalten. „Kommst du übermorgen mit einkaufen?“, Atobe wusste zwar schon seit Ewigkeiten wo es die günstigen aber dennoch guten Sachen gab, allerdings war es ziemlich langweilig den ganzen, weiten Weg allein zu gehen. Auf die Frage schüttelte der Ältere angedeutet den Kopf. „Ich hab noch genug und muss lernen.“ „Ach komm schon Honey, so schwer ist der Stoff nun wirklich nicht.“ Er grinste sein Gegenüber breit an, wusste ganz genau was jetzt für eine Antwort kommen würde. „Nicht jeder ist so talentiert wie du.“ Atobe konnte sehen wie er den Drang zum Augenrollen unterdrückte. „Auch wieder wahr.“ Das feine Zucken in Sanadas Augenwinkeln wurde noch ein Tick stärker. Jemand der nicht soviel Zeit mit ihm verbrachte wie er, würde diese kleine Regung wohl kaum bemerken. Sanada Genichirou war kein gefühlloser Klotz, er war auch niemand der seine Gefühle nicht zeigen konnte, er tat es eben nur sehr, sehr dezent. In Atobes Brust machte sich immer eine diebische Freude breit, wenn er daran dachte der Einzige zu sein der das sehen konnte. „Ist dir eigentlich bewusst, dass auf dieser Uni mehr Mensch als wir beide und die Lehrer existieren?“ fragte er neckend und legte dabei seinen Kopf ein klein wenig schief. „Es ist mir so sehr bewusst wie es mir egal ist.“ -- Atobe bezweifelte, dass er jemals den Tag vergessen konnte an dem er sich in Sanada verliebt hatte. Es war gegen Ende des dritten Monates seit dem Beginn der Uni. Der schwarzhaarige hatte ihm wirklich sehr geholfen was seine finanzielle Lage anging, auch wenn ihm dessen Argumentationen nicht immer gefielen: 'Wenn du wenig Geld hast, musst du auf westliches Essen verzichten.' oder 'Dieser Laden ist verhältnismäßig billig. Er ist ein weiter Umweg dort hin, aber es lohnt sich.' Nach den ersten drei Wochen meinte Atobe nie wieder Reis ansehen zu können, dennoch hatte er es irgendwie geschafft sich an das weiße Zeug zu gewöhnen, auch wenn er nicht nachfühlen konnte wie das in Asien zu einem Grundnahrungsmittel werden konnte. Dank Sanadas Hilfe bekam er es aber hin, dass sein Geld immer bis zum Ende des Monats reichte. Zumindest theoretisch und wenn er sich nichts anderes als Essen kaufte, denn wenn er im Bahnhof ein paar Kleinigkeiten entdeckte, konnte es schon passieren, dass sein letztes Geld verschwand obwohl der Monat noch ein paar Tage übrig hatte. Sanada nahm ihm das nicht sonderlich übel, sonder wiederholte einfach den Mittagsessensprozess vom Ende des ersten Monats. Atobes Haut war nicht mehr so aschfahl wie zu der Zeit, aber sein ursprüngliches Gewicht hatte er noch nicht zurück. Das würde er auch nicht so schnell wiederbekommen, er war sich nicht ganz sicher wie er das gemacht hatte, aber die Hungerphase im ersten Uni-Monat hatte ihn ganze sechs Kilogramm gekostet. Auf jeden Fall hatte er in der Mitte des dritten Monat in einem der Bahnhofsläden eine schlichte, aber dennoch hübsche Cap entdeckt, und konnte dem Drang sie Sanada zu kaufen einfach nicht widerstehen. Als er sie ihm allerdings überreicht hatte, hielt sich dessen Freude sehr in Grenzen. „Du solltest das Geld das du hast besser für dich ausgeben.“ Nach diesem Satz hatte er sein Gehör abgestellt. Stattdessen stocherte er halb schuldbewusst, halb verärgert in seinem Mensaessen herum. Er wollte nur nett sein und sich auf diese Art und Weiße dankbar für seine Hilfe zeigen! Warum wurde er dafür auch noch an gemeckert? Es fiel ihm schon schwer genug überhaupt etwas in diese Richtung zu tun. „Atobe... hörst du mir zu?“ „Selbstverständlich.“ Nicht. Aber das musste der ja nicht wissen. Er hatte sich schon oft von seinem Vater Standpauken anhören müssen, da musste er sich nicht auch noch welche von Sanada anhören. Allerdings schien jener etwas Wichtiges gesagt zu haben, denn er nickte kurz und meinte nur knapp „Ich warte im Bahnhof auf dich.“ Zugegeben, das verwirrte ihn dann doch. Weshalb sollte er auf ihn warten? Wo dieser Tag doch der einzige war an dem Sanada deutlich früher aus hatte als er. „Wieso?“ fragte er dann doch nach, nicht das er noch einem Trip nach Hokkaido zugestimmt hatte. Der schwarzhaarige hatte bereits sein Bento zusammen geräumt und war aufgestanden um zu seinem nächsten Kurs, einen der wenigen ohne Atobe, zu gehen. „Würdest du allein zu meiner Wohnung finden?“ Als Atobe den Bahnhof betrat schlich sich plötzlich ein entsetzliches Gefühl von Panik in seinen Körper. Während seines letzten Kurses musste er die ganze Zeit darüber nachdenken was er nicht gehört hatte. Sobald Sanada nach dem Mittag aufgestanden und einem Besuch in seiner Wohnung geredet hatte, bereute er es sehr nicht zugehört zu haben. Wenn er daran dachte wie genervt und verspannt Sanada gewirkt hatte als er die Mensa verließ entspannte ihn das nicht gerade, und er verlangsamte seine Schritte, als er auf den Cap tragenden Jungen zuging. Er hatte zwar die Cap aufgesetzt die er ihm heute Mittag erst geschenkt hatte, aber ob das wirklich eine positive Geste war? Trug er sie, weil sie ihm doch gefiel und Atobe damit einen Gefallen zu tun oder weil er ihm vorhalten wollte was für Geldverschwendung das gewesen war? Seit etwas mehr als einer Stunde konnte er keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen, und es machte ihn halb wahnsinnig. Wenn er den Älteren, Größeren, Stärkeren dort an der Wand lehnen sah, traute er sich nicht einmal mehr nachzufragen um was es jetzt ging. Warum überfielen ihn diese unguten Gefühle? Warum machten sich solche Horrorszenarien in seinen konfusen Gedanken breit? Was wenn Sanada doch nicht so ein netter Kerl war wie er in diesen knapp drei Monaten angenommen hatte? Was wenn er ihn bewusstlos schlagen und irgendwohin verkaufen wollte, oder eine Art Perverser war. Bestimmt war es etwas äußerst harmloses, zumindest hoffte er das. Aber so richtig überzeugen konnte er sich nicht davon, nicht wenn er während der stillen Zugfahrt und dem stummen Weg durch dieses heruntergekommene Viertel immer wieder einen Blick zu dem Anderen warf und dort diesen angespannten Gesichtsausdruck sah. Er hatte doch sonst nie so von Jemandem einschüchtern lassen, der ihn belästigt hatte. Schließlich war das früher des Öfteren passiert. Also warum fühlte er sich gerade jetzt, in diesem Alter, so furchtbar hilflos? Wenn er recht nachdachte war dies hier sogar schlimmer als die Zeit wo er dachte verhungern zu müssen. Als Sanada die Wohnung in einem äußerst Schäbigen Block aufschloss und ihn als erstes eintreten ließ, spannten sich alle Muskeln in seinem Körper an und Atobe macht sich auf das schlimmste gefasst. Zwar wurde er nicht von hinten angefallen, gegen die nächstbeste Wand gedrückt und / oder KO geschlagen, sah aber dennoch angespannt dabei zu wie der Ältere seelenruhig seine Tasche abstellte und die Tür hinter ihnen wieder zu machte. Als Sanada an ihm vorbei ging und in einer der zwei Türen verschwand traute er sich den Blick schweifen zu lassen. Die Wohnung war klein, sehr klein um genau zu sein. In dem Raum in dem er stand befand sich eigentlich so gut wie alles was man brauchte: ein kleines Sofa mit einem noch kleineren Tisch davor, ein schmales Bett, ein Regal mit allem möglichen verschiedenen Kleinkram darin und einem Kleiderschrank. Hieß das hinter den Türen waren nur Bad und Küche? Lebte der Kerl in einem einzigen kleinen Raum? Gerade als er meinte sich etwas entspannen zu können schaute Sanada nach ihm und stutze. „Geht es dir nicht gut?“ Der hatte vielleicht Nerven! Atobe hatte absolut keine Ahnung was als nächstes mit ihm angestellt wurde und absolut keinen Fluchtweg, beziehungsweise Erfolgschancen in Selbstverteidigung, da konnte man wohl davon ausgehen, dass es ihm NICHT gut ging. Da er es sich aber nicht zutraute im Moment etwas zu sagen, schüttelte er nur leicht den Kopf, ging wenige Schritte auf die Tür zu. Das war eindeutig die Küche und Sanada räumte gerade ziemlich viel Essen auf dem Tisch. Auf seinen verwirrten Blick hin runzelte Sanada leicht die Stirn. „Verstehst du jetzt warum ich nicht alles mit in die Uni nehmen wollte?“ meinte er und räumte noch eine Kleinigkeit aus. „Meine Eltern waren zu Besuch. Meine Mutter kocht immer zu viel.“ Essen...? Hatte Sanada ihn her geholt damit er sich ESSEN mit nach Hause nahm? Und er hatte...! Oh nein, die ganze Panik von eben wandelte sich in Sekundenschnelle in Scham um Entsetzen über sich selbst um. Vor ihm stand der einzige Mensch der jemals nett zu ihm war ohne dafür bezahlt zu werden, und er hatte das Schlimmste von ihm gedacht! Ihm war schon immer durchaus bewusst gewesen, dass er rücksichtsloser und auch etwas kaltherziger war als die anderen Menschen um ihn – was blieb ihm bei dieser Erziehung auch anderes übrig? - aber SO ETWAS hatte er dann doch nicht von sich erwartet. Schnell ging er einen Schritt rückwärts, drehte sich um und verschwand in der anderen Tür in dieser Wohnung. Er schloss das Bad ab und setzte sich auf den Miniaturteppich der dort auf dem Boden lag. Ungern gab Atobe es zu, aber er war total überfordert. Er konnte wunderbar damit umgehen wenn Leute so taten als wären sie nette Menschen, aber eigentlich nur ihren eigenen Vorteil in der ganzen Sache sahen oder wenn sie dafür bezahlt wurden. Aber Sanada tat das alles komplett ohne Grund. Für jemanden wie IHN. Der ihn selbst als er seine Hilfe bekam und auf diese Angewiesen war anfangs noch wie einen Aussätzigen mit extrem schlechtem Geschmack, behandelt hatte. Er griff nach dem Toilettenpapier und riss ein paar Stücke ab, drückte sich diese vor sein Gesicht. Sanada brauchte nicht mitbekommen, dass er in seinem Bad anfing zu heulen wie ein kleines Kind, und das wegen ihm! Bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte musste er noch ein paar Mal nach neuem Papier greifen. Dennoch, als er endlich aufgehört hatte zu weinen, weigerte er sich aufzustehen. Hier hing bestimmt irgendwo ein Spiegel, und ihm war durchaus ohne solchen bewusst, dass er schrecklich aussehen musste. Sanada durfte ihn so auf gar keinen Fall sehen! Jeder Andere ja, aber nicht er. Gerade bei ihm wollte er nicht das er ihn für ein verzogenes Gör hielt das sofort heulte wenn ihm etwas nicht passte. Die letzten drei Monat hatte er sich nicht sonderlich darum bemüht was der Ältere von ihm hielt, aber gerade jetzt war es ihm irgendwie wichtig. Er würde sich doch nicht...? Oh nein, hatte er sich etwas schon in ihn verknallt? Für eine kleine Weile hielt er die Luft an, wollte in sich hören und versuchen herauszufinden ob an diesem Verdacht etwas dran war. Als dann plötzlich sachte an der Tür geklopft wurde und Sanada ihm leise mitteilte er könne hier übernachten wenn es ihm nicht gut ging, lief er, zusätzlich zu der verheulten roten Nase, auch noch auf den Wangen rot an und erneut stiegen im Tränen in die Augen. Das war alles seine Schuld! Bloß weil dieser Baumstumpf meinte plötzlich so freundlich zu ihm seine zu müssen war das passiert. Warum tat Sanada ihm so etwas an? Ah, seine Gedanken fuhren immer noch Karussell, der andere konnte schlecht Einfluss darauf nehmen in wen sich Atobe verliebte oder nicht. Wenn Atobes Zeitgefühl ihn nicht ganz täuschte saß er noch mindestens eine Stunde auf dem Badboden. Er wollte wirklich sicher gehen, dass seine Augen nicht mehr rot unterlaufen waren. Dazu kam, dass er seit längerer Zeit keine Geräusche mehr in der Wohnung vernommen hatte. Vielleicht hatte er ja Glück und der Ältere schlief bereits? Möglichst leise schloss er die Tür auf, trat langsamen Schrittes in den Hauptraum dieser winzigen Wohnung. Da sein Kurs heute sehr lang ging musste Sanada im Bahnhof eine halbe Ewigkeit auf ihn gewartet haben. Kein Wunder, dass er bereits die Vorhänge an dem einzigen Fenster zugezogen hatte, obwohl es gerade erst anfing draußen dunkel zu werden. Schnell warf er einen Blick in die Küche, dort hatte der schwarzhaarige das ganze Zeug wieder in den Kühlschrank geräumt, wusste wahrscheinlich das Atobe nicht vorhatte so schnell wieder aus dem Bad zu kommen. Den Besitzer der Wohnung selbst fand er auf dem kleinen Sofa liegend, sah wie die Beine, die darüber hinaushingen, schon wieder fast den Boden berührten. Die Decke vom Bett hatte sich kein Stück bewegt, also musste er eine Art Ersatzdecke verwendet haben. Schon fast auf Zehnspitzen schlich er das kleine Stück durch den Raum, setzte sich zwischen Sofa und Tisch auf den Boden. Bevor das allerdings ging musste er einen verschollenen Arm von Sanada zurück auf die Couch zu ihm legen. Ein einer Stelle war etwas Platz, und man konnte gut das Blau des Sitzbezuges sehen. Atobe ließ seine Stirn auf diese Stelle sinken und kniff seine Augen fest zusammen. Er konnte es sich nicht leisten schon wieder damit anzufangen, wann sollte er denn dann aufhören? Er musste eingeschlafen und Sanada aufgewacht sein. Zumindest wäre das die Einzig logische Erklärung dafür, dass er sich in dem schmalen Bett, bis unter die Nase zugedeckt, widerfand. Schneller als gedacht setzte er sich auf und musste sich deswegen den Kopf halten. Schon lange hatte er nicht mehr geweint, er hatte total verdrängt, dass es neben seelischen Schmerzen auch körperliche mit sich brachte. Nachdem er sich etwas an dieses eklige Gefühl im Kopf gewöhnt hatte, wandt er den Blick zum Sofa. Das Licht war angeschaltet, draußen war es bereits - oder noch? - dunkel. Sanada befand sich immer noch dort, saß jetzt allerdings und laß in einem Buch. Als er jedoch hörte wie die Decke leise raschelte, wandt er den Blick zu Atobe und sah ihn, wie dieser nur allzu gern feststellte, mit etwas Besorgnis an. Von dem kleinen Tisch nahm er ein Glas Wasser, das er bereits vorsorglich dort hin gestellt haben musste, legte das Buch weg, stand dann auf und ging neben dem Bett wieder in die Hocke. Atobe nahm das Glas schnell, mit einem leichten Nicken, entgegen und trank erst etwas, bevor er es wagte ihn anzusprechen. Schließlich wusste er nicht ob seine Stimme schon wieder richtig funktionieren würde. „Ich.. danke... sehr.“ Sanada blieb dort eine ganze Weile sitzen, nahm ihm wieder das Glas ab nachdem er es äußerst langsam ausgetrunken hatte. „Kein -sama?“ fragte er langsam. Auf diese zwei Worte sah er ihn kurz abschätzenden an, bemerkte dann aber, dass der Baumstumpf tatsächlich irritiert aussah. „Ich verwende kein -sama gegenüber Menschen in deren Wohnungen ich geweint habe.“ „Heimweh?“ kam als nächste knappe Frage, wobei er sich allerdings wieder ziemlich lang Zeit dafür gelassen hatte. „Nicht direkt.“ Der grauhaarige wusste nicht wieso, aber bei dieser Frage und seiner Antwort musste er anfangen zu lächeln. -- Heute war ein Donnerstag. Früher mochte Atobe Donnerstage nicht besonders, die SMV hatte an diesem Tag ihre Hauptsitzungen und das Tennistraining war morgens wie am Nachmittag immer eines der längeren. Natürlich übernahm er die Verantwortung für alles, was aber nicht automatisch hieß, dass es ihm auch immer gefiel. Doch jetzt zu Uni-Zeiten war es wohl sein Lieblingstag. Sanada und er hatten zur gleichen Zeit aus, fuhren also zusammen mit dem Zug, sie mussten nicht arbeiten und am nächsten Morgen begann der Tag für sie erst verhältnismäßig spät. Sprich: die perfekten Voraussetzungen um Sanada etwas von seiner Zeit zu stehlen. Allerdings würde es nichts bringen ihm diesen Vorschlag bereits jetzt zu unterbreiten. Bei dem Älteren war es immer am besten solche Vorschläge so kurzfristig wie möglich mitzuteilen. Was auch nur daran lag, dass jener sich dann aufgrund des Zeitmangels nicht dagegen entscheiden konnte. Höflichkeit war eben nicht immer vorteilhaft. Sie hatten noch einen Kurs an diesem Tag vor sich und vier Stationen Zugfahrt, für jemanden wie Sanada war das noch nicht kurzfristig genug. Da er aber absolut keine Lust hatte für weitere Minuten sinnlos auf seinem Stuhl zu sitzen stand er auf, ging zum Platz des schwarzhaarigen und brachte dessen Unterlagen durcheinander. „Wo sind deine Aufzeichnungen von Nakaji-sensei?“ Es war mehr als unnötig Sanadas Sachen so durch zu wühlen, aber es lohnte sich jedes Mal. Der Größere wurde nie wirklich sauer, stattdessen nahm er ihn sanft am Handgelenk und zwang – nein, wohl eher bat - ihn durch einen leichten Druck darauf die Blätter oder Hefte los zulassen. „Schreibst du wenigstens einmal selbst mit?“ irgendwie war es niedlich wenn dieser Klotz versuchte verärgert zu wirken. Die Blätter bekam er erst nachdem Sanada sie wieder einigermaßen geordnet hatte. „Ich schreibe selbst mit. Es interessiert mich lediglich was DU in ihrem Unterricht für wichtig erachtest.“ Außerdem gingen ihm sonst die Vorwände aus ihn zwischen den Stunden anzusprechen. „Als ob du auf meine Meinung wert legen würdest.“ Das Tat er zwar durchaus, aber er brauchte Sanada das nicht unter die Nase zu reiben. Nicht dass jener noch aufgrund dessen versuchte sich einzumischen wenn Atobe ihre gemeinsamen Abende und Wochenenden gestaltete. Stattdessen fasste er sich mit der freien Hand ans Herz und ging einen kleinen Schritt rückwärts, grinste ihn breit an. „Falls das wehtun sollte, es hat nicht funktioniert.“ -- Es war vielleicht ein halbes Jahr vergangen seit Sanada das erste Mal mit ihm sein Bento geteilt hatte. Sie machten es gerade wieder, allerdings nicht weil er kein Geld mehr hatte sondern, weil das Mensaessen heute gnadenlos versalzen war. Atobe bekam zwar immer noch des öfteren Geld von dem Älteren, versuchte das aber so gut es ging zu meiden. Seitdem er gemerkt hatte, dass er sich wirklich in ihn verliebt hatte wurde sein schlechtes Gewissen bei einer solchen Aktion immer noch ein Stück größer. Die türkisen Essstäbchen, die ihm Sanada früher immer mitgebracht hatte, befanden sich mittlerweile in seinem Privatbesitz. Irgendwann hatte er sie ihm einfach nicht wieder zurück in die Plastiktasche zu seiner Bento-Schale getan. Da es keine Proteste, nicht einmal einen abschätzenden Blick gab, fühlte er sich nicht einmal schlecht dabei. Und selbst wenn, ein schlechtes Gefühl wegen Plastikstäbchen hätte sowieso nur höchstens 10 Sekunden angehalten. Jeden Tag nahm er sie mit in die Uni, eben falls so etwas jemals passieren sollte. Gerade schob er sich einen kleinen Klumpen Reis in den Mund, als Sanada ihn mit einem äußerst... merkwürdigen Blick bedachte. „Du bist nicht ausgelastet, Keigo.“ Oh, nicht DAS Thema schon wieder. Auch wenn 'schon wieder' übertrieben war. Der Größere hatte ihn in diesem halben Jahr zwar erst einmal darauf angesprochen, aber das reichte doch auch. „Ich spiele nicht wieder Tennis.“ Er warf ihm über dem Tisch einen seiner besten 'Ore-sama hat absolut keine Lust auf irgendeine Gala, werter Herr VATER!'- Blicke zu. Die hatten noch jeden unverschämten Vorschlag oder Bitte im Keim erstickt. Sanada dagegen schenkte ihm nur einen Blick von der Sorte 'Beeindruckt mich nicht'. „Das meinte ich nicht.“ Atobe musste zugeben, jetzt wurde er hellhörig. Das klang doch ein klein wenig interessant, zumindest kombiniert mit diesem - unsicheren? zurückhaltenden? - Gesichtsausdruck, der dem vorherigen folgte. Sein Gegenüber zögerte eine ganze Weile, was zur Folge hatte, dass alles auf einmal heraus zu platzen schien. „Hast du schon daran gedacht zu arbeiten?“ Es war schon irgendwie seltsam. Vor ein paar Monaten hätte er den Älteren noch zusammen gestaucht was dieser lächerliche Vorschlag sollte, doch jetzt – wie sollte er das am besten ausdrücken? - klang diese Idee.. GUT. Das würde zumindest bedeuten, dass er Sanada nicht mehr so zur Last fallen würde, vielleicht könnte er sogar alles zurückzahlen...? Ok, das würde nicht gehen. Nicht bei seinem Baumstumpf, der würde das niemals zulassen. Dennoch.. es würde sie beide stark entlasten, abends würde er sich nicht mehr so stark langweilen, er könnte sich eigene Sachen leisten die nichts mit Essen zu tun hatten und das komplett ohne schlechtes Gewissen! Er stütze beide Arme auf dem Tisch auf, lehnte sich nach vorn und lächelte ein milde aufreizendes Grinsen. „Was genau stellst du dir vor?“ DAS hatte er nun wirklich nicht erwartet. Sanada kochte. Er verdiente sich sein Essensgeld und das für die Miete in dem er in einem äußerst schicken, westlichen nobel Restaurant kochte. Er konnte immer noch nicht recht glauben, dass er hier kellnern sollte, auch wenn er bereits die rot/schwarz/weiße Arbeitskleidung trug und darauf wartete, dass die ersten Kunden eintrafen, selbstverständlich alle mit Reservierung. Sanadas Argumentationen von diesem einen Tag klangen allerdings immer noch recht überzeugend, sogar für ihn. Allein vom Äußeren würde es niemand wagen ihn zu kritisieren. Höflich und schmeichelnd zu reichen, verwöhnten Bastarden zu sein hatte er bereits mit fünf Jahren gelernt. Die Disziplin und das Durchhaltevermögen hatte er ebenfalls dem Drill seines Vater zu verdanken. Und was das servieren, Tische abräumen, Besteck und all das andere Anging – er saß oft genug an einem Tisch und den Kellnern bei ihrer Arbeit zuzusehen war immer um einiges Interessanter als die Gesprächsthemen seiner Eltern mit Geschäftspartnern gewesen. Er brachte alle Voraussetzungen mit, die Frage war nur ob er sie auch alle umsetzen konnte. Oh, er machte es und er machte es gut. Sehr gut. Er arbeitete an den gleichen Tagen wie Sanada, also von Montag bis Mittwoch und jedes zweite Wochenende, aber der Chef hatte ihm in diesem einen Monat schon des Öfteren darum gebeten doch als Vollzeitkraft anzufangen. Dass er wusste wie er besonders viel Trinkgeld aus den Gästen rauskitzeln konnte allein daran lag, dass er selbst oft genug umgarnt worden war, verschwieg er allerdings jedem hier. Die Meinung der Kellner und Köche über die gehobene Klasse war mehr als schlecht, aber die Arbeit gefiel ihm hier irgendwie. Und das lag nicht nur daran, dass er in seinen kleinen Pausen die Zeit in der Küche, also bei den Köchen, zubringen durfte. Sanada machte seine Arbeit allerdings auch ausgesprochen gut. An den Bentos zur Mittagszeit konnte man das nicht beurteilen, alles was er dort immer mitbrachte war Reis mit etwas klein geschnittenem Gemüse. Aber hier musste er westlich kochen und Atobe liebte es. Bei sich zu Hause gab es ausschließlich solches Essen und er hatte sein einem halben Jahr nichts dergleichen mehr zwischen den Zähnen gehabt. Wenn besonders wählerische Gäste etwas gegen das Essen hatten bevor sie es überhaupt probierten, teilten die Angestellten die zurückgegangenen Teller meist unter sich auf. Selbstverständlich sollten sie es eigentlich wegschmeißen, aber das störte hier Keinen, seltsamerweise auch den Chef nicht, die Köche fanden es sogar besser so. Er hätte nie gedacht, dass das Arbeiten in so einem... niederen Beruf solch einen Spaß machen konnte. Einmal hatte er zwei Damen bedient, wahrscheinlich Großmutter und Enkelin. Es war ein äußerst amüsanter Abend mit den Beiden, der Tag verlief verhältnismäßig ruhig und er unterhielt sich sogar ein wenig mit ihnen. Die Ältere der beiden stellte alle möglichen persönlichen Fragen, während die Jüngere viel zu schüchtern wirkte um mehr zu tun als zu nicken. Als er das Dessert für die beiden brachte, wurde er sogar nach seinem Alter uns einer Herkunft gefragt. Natürlich wusste er was das hieß: Die junge Lady hatte gefallen an ihm gefunden, obwohl man das unschwer übersehen konnte, ihr Gesicht ähnelte die meiste Zeit einer Tomate. Die nette Großmutter versuchte doch tatsächlich und das in diesen reichen versnobten Kreisen, eine Beziehung aus Interesse und womöglich Liebe in die Gänge zu bringen. Er antwortete immer höflich, nicht unbedingt mit der Wahrheit, aber er hatte kein Interesse an einer Beziehung, zumindest nicht an solch Einer. Aber aus irgendeinem Grund machte ihn diese Begegnung sehr glücklich. Es zeigte ihm, dass es neben ihm durchaus Menschen aus seiner Klasse gab, die wussten wie schön es in einem freien Leben sein konnte. Nur er hatte gegenüber der jungen Lady einen Vorteil, er brauchte keine Hilfe mehr um es auskosten zu können. Dafür war er Sanada äußerst dankbar, auch wenn er es ihm unmöglich sagen konnte. Und ein kleines Present würde auch nicht ansatzweise das ausdrücken können was er ihm mitzuteilen hatte. Er hatte noch etwas äußerst schönes dieser Arbeit hier zu verdanken. Allerdings hatte das weniger etwas mit dem Restaurant selbst zu tun, sondern mehr mit der Zugfahrt hin und zurück. Auf der Heimfahrt, das Restaurant befand sich in der entgegengesetzten Richtung zur Uni - es war der gleiche Zug, nur ein paar Stationen weiter als seine beziehungsweise Sanadas Wohnung - des zweiten Arbeitstages war er äußerst müde geworden. Sonderlich viel hatte er sich nicht dabei gedacht als er sich nach hinten in Sitz drückte, erst als der Größere mal wieder eine seiner sehr knappen Fragen stellte. „Müde?“ „Ja ein wenig.“, gab er daraufhin leise zurück, wandte den Kopf etwas um den anderen ins Gesicht sehen zu können. Dort entdeckte er ein feines, mitfühlendes Lächeln das allein für ihn bestimmt war. Danach hatte er sich ohne Vorwarnung an Sanadas Seite gelehnt und die Augen geschlossen. Er ließ es einfach zu, meinte wahrscheinlich, dass er schlafen würde doch dazu schlug sein Herz um einiges zu schnell. Seitdem durfte er das immer. Und er kostete es auf jeder einzelnen der Fahrten voll und ganz aus. -- Die erste Station der vier an denen der Zug hielt bevor die Station für Atobe kam hatten sie bereits hinter sich. Langsam sollte er Sanada seine Pläne für heute Abend erzählen, sonst müsste er noch allein aussteigen. Er betrachtete den anderen schräg von der Seite, beschloss allerdings, dass er damit noch ein wenig warten konnte. Es hatte zwar nicht wieder angefangen zu schneien, dennoch war es ziemlich kalt draußen und er hatte keine Handschuhe dabei. Nicht weil er sie vergessen hatte, sondern weil sie etwas anderes unmöglich gemacht hätten: Er suchte mit einer Hand nach der des Größeren, verschränkte ihre Finger fest miteinander und wärmte seine kalte an Sanadas warmer Hand. „Wie bleiben deine Hände immer so warm, Honey?“ Alles was er darauf bekam war ein leichtes zucken mit den Schultern, was er nur allzu deutlich an seinem Arm spürte, schließlich hatten sie Sitzplätze ergattert und er sich wieder an ihn gelehnt. Er legte seinen Kopf auf die breite Schulter. Eine andere Reaktion konnte er nicht erwarten, diese Frage stellte er an fast jedem Tag an dem Schnee lag. Er konnte Sanada noch nicht sagen, dass er ihn liebte. Wahrscheinlich vermutete der Ältere das sogar schon eine ganze Weile, aber diese Worte aussprechen ging noch nicht. Es eilte nicht und er ließ dem Anderen gern die Zeit bis jener merkte, dass er genauso fühlte. Das mochte vielleicht eingebildet klingen, aber niemand konnte Atobe etwas vormachen. Was Sanada für ihn fühlte war weit mehr als Freundschaft. Ein Lächeln konnte er sich nicht verkneifen als er daran dachte was er unbewusst für den Anderen getan hatte. Am eigenen Leib hatte er zu spüren bekommen wie hart es war aus der täglichen Routine gerissen zu werden, plötzlich für nichts mehr verantwortlich zu sein, das krasse Gegenteil des früheren Lebens meistern zu müssen. Damit war er nicht klar gekommen, was zu dem Zusammenbruch in Sanadas Wohnung geführt hatte. Lang hatte er darüber nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass es Sanada ähnlich ergangen sein muss nur, da jener einen deutlich leichteren Übergang hatte. Atobe war komplett aus allen Angewohnheiten gerissen worden, wobei der Schwarzhaarige noch teilweise Verantwortung in dem Restaurant zu tragen hatte. Doch das was ihn wirklich vor einem Zusammenbruch bewahrt hatte war Atobes missliche Lage gewesen. Sanada hatte sich über mehrere Jahre jeden Tag um ein ganzes Team gekümmert, wenn er richtig informiert war hatte er damit auch nicht in den eigentlichen Winterpausen der Tennisclubs aufgehört. Das so kurz nachdem er nichts mehr tun musste jemand einzelnes erschien, der auf ihn angewiesen war hatte ihn vor besagtem Zusammenbruch oder zumindest einer langen Phase der Depression bewahrt. Sanada hatte sich stückchenweiße daran gewöhnt sich weniger um alles sorgen zu müssen, wogegen Atobe stückchenweiße dazugelernt hatte auf sich selbst auf zupassen. Der Grauhaarige wollte sich nicht ausmalen in was für einem Desaster beide gelandet wären, wenn sie sich nicht so zufällig begegneten wären. Das war die letzte Station, an der nächsten müssten sie aussteigen. „Kommst du noch mit einen Film schauen, Sweety?“ „Haben wir nicht erst neulich einen gesehen?“ Sanada blieb regungslos in dem Sitz, scheinbar wollte sein Körper noch nicht aufstehen, obwohl er wusste, dass wenn er zustimmen würde er gleich demnächst aufzustehen hatte. „Ich habe ja Einfluss auf vieles, aber nicht auf das Fernsehprogramm. Der Film kommt nun einmal heute.“ Der Körper des größeren verkrampfte sich etwas. „Meine Eltern wollen mir das Geld für die Unigebühren streichen.“ Automatisch schlossen sich seine Finger noch fester um die Hand des Anderen. „Bist du deswegen was Geldfragen angeht zur Zeit so abweisend?“ Darauf spürte Atobe ein leichtes Nicken. „Mach dir keine all zu großen Gedanken...“ Er lächelte mehr für sich selbst als er ihre Hände anhob, sie zu seinem Gesicht führte. Er würde unter keinen Umständen zulassen, dass sein Sanada ihm weggenommen wurde, nur weil seine Eltern verdammte Idioten waren, die ihn wieder in seinen Käfig packen wollten. Auch wenn er deswegen mal wieder mit seinem Vater sprechen müsste, er würde es einfach nicht geschehen lassen. Sanada war frei und es gefiel ihm frei zu sein. Und Atobe gefiel es ihm dabei zuzusehen wie er frei war. Kurz vor seinem Kopf machte er halt mit den Händen, drehte die des Anderen zu sich. Dann zog er sie ganz an sein Gesicht, gab ihr einen kurzen Kuss bevor er aufstand und den Größeren mit hochzog. Er hatte soviel für Atobe getan und endlich kam die Chance auf die er so lang gewartet hatte „... jetzt bin ich dran.“ Widmung, türlich -Yuya- die ja dafür verantwortlich is das ich das geschrieben hab! Ich hoffe ihr hattet Spaß und ich hoffe ich krieg Kommis von euch XD Jahna Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)