Klaus oder Hans-Dieter von Bokyaku (Oder das mittelgroße Monster unter dem Bett) ================================================================================ Kapitel 1: Tasse Tee mit Klaus oder Hans-Dieter ----------------------------------------------- Wie kann man Einsamkeit am besten beschreiben? Man fühlt sich einsam, allein. Ist das ein positives oder ein negatives Gefühl? Empfinde ich es als positiv? Empfindest du es als positiv? Ja? Nein? Wie kann man Einsamkeit am besten beschreiben? Schwer zu sagen. Sie kann jedoch auf jeden Fall sagen, dass es… …auch in einem solch großen Bett einsam war. Warum hatte sie es sich eigentlich gekauft? Sie hätte sich doch einen Plasmabildschirm kaufen sollen. Immerhin war es faszinierender zu erkennen, wie blau die Augen des Schauspielers in der Werbung wirklich waren, als sich selbst zu beweisen, dass man sich zweimal nach links oder rechts drehen konnte, ohne aus dem Bett zu fallen. Nicht zweimal. Zwei Drehungen und eine halbe. Drei Drehungen und sie lag auf dem Boden. Auf dem arschkalten Boden. Also lag sie lieber in der Mitte und drehte sich einmal nach links, dann zweimal nach rechts und schließlich wieder nach links. Sie konnte sich natürlich auch einmal rechts, dann zweimal nach links und schließlich nach rechts drehen. In so einem Bett hatte man viele Möglichkeiten, sich zu drehen. Vor allem dann, wenn man nicht schlafen konnte. So wie sie jetzt. Also setzte sie sich auf und betrachtete den Boden, auf welchem sie heute schon ein paar Mal gelegen hatte. Wenn man nicht schlafen konnte, kam man eben auf dumme Ideen. So hatte sie also herausgefunden, wie oft man sich drehen konnte, ohne aus dem Bett zu fallen. Zwei Drehungen und eine halbe. Nun drehte sie sich jedoch nicht elegant ‘gen Bettkante, sondern kroch auf diese zu, um schläfrig und doch nicht müde die Beine auf den Boden zu stellen. Und bevor sie “Arschkalt” denken konnte, stand sie hastig auf und machte drei, vier große, eilige Schritte, um zum Lichtschalter zu kommen und innerhalb weniger Sekunden das Licht anzumachen. Und dann musste sie lachen. Sie fürchtete sich tatsächlich noch vor Monstern unter ihrem riesigen Bett. Abschätzend musterte sie das Doppelbett. Rein theoretisch würde dort ein Monster drunter passen. Sie hatte keine Ahnung, wie groß Monster im Durchschnitt wurden. Vielleicht handelte es sich bei ihrem Monster auch nur um ein mittelgroßes Monster? Ein Mittelgroßes Monster unter ihrem Bett. Wieder lachte sie auf und fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durch das zerzauste Haar und machte sich gar nicht erst die Mühe, sich davon abzuhalten, sich bäuchlings auf den Boden zu legen und nachzuschauen, ob dort unten tatsächlich ein Mittelgroßes Monster war. Wenn ja, würde sie es Klaus nennen. Oder Hans-Dieter. Das Monster und sie würden über die Namen lachen, dann würde sie dem Monster einen Tee anbieten und schon war das Mittelgroße Monster namens Klaus oder Hans-Dieter kein Monster mehr, sondern ein Freund. Allerdings war da nichts. Nur ein bisschen Staub, soweit sie das erkennen konnte. Oder? War da nicht noch etwas, etwas Dunkles? Vorsichtig und noch immer auf dem Bauch liegend, zog sie sich über den arschkalten, oder besser gesagt bauchkalten Boden und fragte sich unwillkürlich, was das wohl für ein Bild gab. Eine Jugendliche zog sich nachts um halb drei über den dreckigen Boden ihres Schlafzimmers, um einem seltsamen, dunklen Fleck unter ihrem Bett nachzugehen. Sie kicherte leise und hielt still, legte den Kopf schief, sodass ihre Wange auf dem Boden lag und kniff leicht die Augen zusammen. Ob sie es wagen konnte, die Hand nach dem Gegenstand auszustrecken? Er sah immerhin nicht lebendig aus. Was aber, wenn dann doch etwas nach ihrem Arm schnappte und sie unter das Bett zog um sie aufzufressen? Ihre Neugierde war jedoch stärker und so streckte sie vorsichtig die Hand nach dem geheimnisvollen Gegenstand aus und betastete ihn zuerst, bevor sie ihn zu sich ins Licht zog. Er war weich und es fühlte sich so an, als sei er aus Stoff. Außerdem war er ziemlich zugestaubt. Bäuchlings rutschte sie ein bisschen zurück und setzte sich auf, um den Gegenstand zu mustern. Es war eine Socke. Eine schwarze Socke. Eine schwarze, sehr, sehr staubige Socke. “Oh mein Gott! Eine Socke. Tatsächlich eine waschechte Socke, ohne Partner. Hat man dich verstoßen du armes Ding, hm?”. Ihre Lippen zierten ein ironisches Lächeln, dann erhob sie sich ächzend, warf die einsame Socke in ihren Wäschekorb und streichelte sich über die kalte Vorderseite. “Ich hab Hunger”, ließ sie ihr Bett, ihren Boden, ihren Wäschekorb, die einsame Socke, die Vorhänge, die Fenster und den Schrank mitsamt frischer Kleidung wissen. Nichts und niemand antwortete. “Dann muss ich mir wenigstens darum keine Sorgen machen!” Sie kicherte wieder und fuhr sich erneut durch das lange, braune Haar, verließ das Schlafzimmer ohne das Licht auszumachen und entschuldigte sich im Stillen beim Klimawandel. Dafür würde sie jetzt drei Tage den Fernseher auslassen, das sollte reichen. Im Flur wurde Licht gemacht und auch in der kleinen Küche. Was eigentlich nicht nötig gewesen wäre, schließlich erzeugte so ein Kühlschrank auch Licht. Aber wie gesagt: Für diese Energieverschwendung würde sie drei Tage den Fernseher nicht benutzen. Zwei Tage sollten auch reichen. Und in diesen durfte sie ja wohl noch die Doppelfolge ihrer Lieblingsserie ansehen. Auf was hatte sie Lust? Die Auswahl war leider nicht besonders prickelnd. Nachdenklich ließ sie ihren Zeigefinger über den oberen Rand der Kühlschranktür fahren, dann presste sie die Kühlschranktür schließlich wieder auf den Rest des Kühlschranks. Vielleicht war es doch klüger, sich einfach einen Tee zu machen. Nur weil es jetzt keinen Klaus oder Hans-Dieter gab, der mit ihr Tee trank, hieß das ja nicht, dass sie das nicht alleine durfte. Also machte sie sich Tee und genoss ihn schließlich hemmungslos. Vor sich hin summend und mit dem Fuß wippend saß sie auf ihrem Stuhl, die Augen geschlossen, selig lächelnd den Kopf in den Nacken gelegt. Würde man sie jetzt sehen, könnte man meinen, sie hätte Drogen genommen. “Drogen sin’ aber scheiße…”, teilte sie nun nuschelnd ihrer Küche mit. Müdigkeit war seltsam. So hatte sie doch gute drei Stunden wach in ihrem großen, bequemen Bett gelegen. Nun saß sie auf einem unbequemen Küchenstuhl und war müde, todmüde. Armer imaginärer Klaus oder Hans-Dieter. Musste er wohl die Nacht alleine im Schlafzimmer verbringen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)