Freestyle von Rebell (           X) ================================================================================ Kapitel 2: “The feeling is…“[1] ------------------------------- “The feeling is…“ Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen. Und das ist deshalb so schwer, weil wir die anderen für glücklicher halten, als sie sind. Müde saß ich auf meinem gepunkteten Schreibtischstuhl und drehte mich ständig umher, da mir keine konkreten Antworten, gar ein klitzekleiner Ansatz, auf die mir vorliegende Matheaufgabe einfiel. Schon seit exakt dreißig Minuten saß ich hier rum und starrte wie ein Geier auf diese eine Gleichung. Egal wie ich es anstellte, aber das weiße Blatt füllte sich nicht von alleine und dessen Farbe brachte mich langsam um den Verstand. Seit ich in der ersten Klasse vier plus vier rechnen sollte, so wusste ich, dass das Fach Mathe nicht gewillt war, mit mir eine Freundschaft einzugehen. Stattdessen wurden wir zu erbitterten Feinden, aber die ständigen Kämpfe der Intelligenz, die wir ausführten, verlor ich immer. Die Erkenntnis, dass ich mein Ziel nach sehr langem und anstrengendem Nachdenken, diese eine verdammte Gleichung zu lösen, nicht erfüllen konnte war… erniedrigend. Sehr sogar, denn mein Großhirn nahm keinen einzigen Stoff mehr wahr, denn wenn es dies machen würde, so würde mein Gehirn auf Error umschalten und mich zu einer dummen Ganz mutieren lassen. Da ich die Welt, wie vor solchen Fällen wie mir schützen wollte, schnappte ich mir das Blatt und knüllte es in meinen Händen zu einem Knoll zusammen. Die allzu bekannte Langeweile suchte mich heim und verleitete mich dazu, den Knoll immer wieder in die Luft zu werfen und auf zu fangen. Wie hypnotisiert senkte und hob sich mein Blick. Senkte und hob sich. Senkte und hob sich… Dabei bemerkte ich nicht, wie ich immer mehr mit dem Stuhl nach hinten rutsche und wie sich die Sessellehne langsam zurück bog. Zu sehr war ich auf diesen faszinierenden Papierknoll fixiert. Ein Rucken ging durch meinen Körper und im nächsten Augenblick sah ich mich in der Luft schweben. Ich war am Fallen und sah wie der Schreibtisch vor mir immer kleiner und kleiner wurde, bis ich mit dem Stuhl den Boden küssten und mein Kopf etwas härter als gedacht auf dem Linoleumboden aufschlug. Soviel zu der Tatsache, dass ich nie mehr den Boden küssen wollte, als mich Freddy in der ersten Klasse zu Boden warf. Mit schmerzverzerrter Fratze erhob ich mich vom Boden und fasste mir an den Kopf. Mir war so, als ob dieser Schmerz sich in meinem ganzen Körper verbreiten wollte. Nur sehr schwer konnte ich die aufkommenden Tränen des heftigen Schmerzes unterdrücken und völlige Ruhe bewahren. Etwas taumelnd stand ich vom Boden auf und besah mir den riesigen Riss auf dem Linoleum Boden. Der Riss zog sich von dem Schreibtisch bis zu meinen Füßen hin und war mehr als nur auffällig. Den Plan den Riss des Bodens vor meiner Mutter zu vertuschen, war ab dem Moment, als ich den Riss sah, ein weit entferntes Hirngespinst. Wahrscheinlich wurde es durch das kaputte Gestell, meines heißgeliebten Stuhls verursacht. Ich seufzte und wandte mich um, als meine Mutter ohne Vorwarnung die Tür fast aus den Angeln riss und wie ein verschrecktes Reh zu erst mich, dann den Boden und wieder mich ansah. Meine Mutter war schon immer zu hübsch gewesen. Sie sah jeden Tag perfekt aus, dass es mir immer im Magen graute, wenn ich daran dachte, wie sie wohl zu aussehen vermochte, wenn sie nicht Morgens um halb sechs aufstand um sich hübsch zu machen. Sie hatte einen schönen bräunlichen Teint, perfekt gelockte nussbraune Haare und obwohl sie viel zu viele üppige Kurven besaß, wusste sie wie man sich anzog, um diese zu verbergen. Heute trug sie ein rotes Kostüm, hochhackige Sandaletten und hielt eine cremefarbene Perlenkette in ihrer Hand. Mit verwirrter Miene starrte sie mich an und kräuselte die Stirn, als sie endlich den langen Riss des Linoleum Bodens bemerkte. Mir schauderte es und mir wurde abwechselnd warm und kalt. Ein seltsames Gefühl, denn ich wusste nicht, welche Reaktion, bezüglich des teuren Linoleumbodens ich erwarten sollte. Ich wusste nicht, ob sie es nur mit einem belanglosen Kopfnicken quittieren und aus meinem Zimmer verschwinden würde. Ich wusste nie, was in ihr vorging, wenn sie ihre verhasste Tochter sah, die sich dem Tanz hingab, anstatt die restliche Zeit ihres Daseins mit lernen zu verbringen. Ich wusste es nicht und genau so wenig wusste ich, was mich erwartete als sie auf mich zukam und mich mit einem Blick beglückte, welcher ihre blauen Augen einnahm und verachtend und wütend auf mich wirkte. Ich wusste es nicht. „Was zur Hölle hast du gemacht, dass der teure Linoleum Boden davon Schaden nehmen musste?“, sagte sie mir mit bebender Stimme entgegen. Ob sie ihre Wurt unterdrückte, mir eine zu scheuern? Nur schwer gebot es mir meine Stimme, nicht ängstlich zu erklingen und darauf bedacht nichts falsches zu sagen. „Ich bin mit dem Stuhl ausgerutscht und dabei ist es wohl passiert…“, sagte ich zögernd und deutete auf den Stuhl. Ich spürte immer noch ihren Blick auf mir ruhen und was in mir ein leichtes Unbehagen auslöste war die Tatsache, dass er mir Angst machte und mir ein bisschen verriet, wie wohl die danach folgende Reaktion enden könnte. Enden sollte… Einen Wimpernschlag später, spürte ich ihre zierliche an Hand an meiner Wange kleben, die einen roten Abdruck hinterließ. Ich spannte meine Muskeln an und versuchte gefasst zu wirken. Ich durfte einfach nicht vor ihr Zittern. Nicht jetzt wo sie vor mir stand und jede kleine Regung wahrnehmen könnte. Um wenigstens den Schmerz etwas zu dämpfen, hob ich meine kalte Hand an, um sie auf meine Wange legen zu können, aber das Hochschnellen ihrer Hand hielt mich davon ab. Dem Blick, den sie mir schenkte, entgegnend blickend, wartete ich ab, was als nächstes passieren könnte. „Das, junges Fräulein“, während sie sprach, deutete sie auf den Riss. „Wird von deinen Taschengeld abgezogen, denn schließlich werfen wir unser schwer verdientes Geld nicht zum Fenster heraus“. Welches Taschengeld…?, fügte ich ihn Gedanken hinzu und belächelte tief im Inneren meiner selbst das Gesicht meiner Mutter. Sie sagte, das Geld nicht aus dem Fenster werfen? Dabei war es doch sie, die immer zur Highsociety gehören wollte, um mit ihren reichen Freundinnen protzen zu können. Protzen, um der unteren Schicht der Bevölkerung ihre Attitüde und Eleganz präsentieren zu können. Nur im Endeffekt zu verbergen, dass sie auch eine von ihnen war. Von den Menschen, die hart arbeiten mussten. Menschen, die für sinnvolle Dinge ihr Geld aus dem Fenster rauswarfen und nicht wie sie, für überteuerte Kleider oder Kosmetikprodukte. Meine Gedanken lösten sich in tausend Scherben auf, als wir beide bemerkten, dass mein Vater eingetreten war und meine Mutter aufforderte, sie solle nun endlich zum Schluss kommen. Heute wurden sie von ihren Freunden zu einem überaus wichtigen Essen eingeladen und das war die Chance für meine Mutter gewesen, ihr neues Kostüm samt der neuen Perlen Kette zu tragen. Mein Vater hingegen trug einen schlichten schwarzen Anzug. Die Haare anliegend nach hinten zu frisieren war wohl eher fehlgeschlagen, als ich sah wie er mit der Hand genervt durch seine schwarze Pracht fuhr. Als er meinen Blick bemerkte und meine errötete Wange darauf, kam er etwas besorgt auf mich zu. Dabei riss ich die Hand von meiner Mutter los und sie bedachte mich mit einem Blick, der wohl sagen sollte, dass nichts aus meinem Mund in Bezug auf ihre Gewallt entweichen sollte. Es war für mich schon längst zur Routine geworden, meinem Vater die schlechte Beziehung zwischen meiner Mutter und mir zu verheimlichen. Meine Mutter hatte alles in diesem Haushalt unter Kontrolle. Selbst mich und meinen Vater, nur bemerkte mein Vater nichts davon und fing sich langsam an, nichts wissend, ihr zu fügen. Ich musste es auch. Gegen meinen Willen. Was konnte ich schon gegen sie ausrichten? Im Endeffekt war sie meine Mutter und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Ich wusste, dass mein Wunsch, eine andere, nettere Mutter zu haben, nie in Erfüllung gehen würde. Es war nur ein Wunsch und das sagt doch schon alles, oder? „Was ist denn da passiert?“, fragte er etwas besorgt und streichelte meine Wange. Ich deutete auf den Boden und meinte, dass ich hingefallen war. Dabei betrachtete er alles mit solch einem neutralen Blick, dass ich mich ein paar Schritte von ihm entfernte. Ich konnte diesen ahnungslosen Blick nicht mehr länger ertragen. Er wusste nicht, was in mir vorging. Welche Probleme ich mit meiner Mutter hatte. Er wusste gar nichts und war glücklich, weil meine Mutter nicht solch einen großen Druck auf ihn ausübte wie bei mir. Er bemerkte einfach meine Erbärmlichkeit nicht, aber gleichzeitig fragte ich mich, warum ich wollte, dass man meine Erbärmlichkeit sah. Wollte ich mich ihnen offenbaren, um meinen Schmerz zu zeigen um am Ende bemitleidet zu werden? Oder war es dieser unbändige Drang, wie alle anderen Kinder meines Alters, glücklich zu sein? Keine Hintergedanken zu hegen, dass einem dieses Glück durch ein Geschehen zerstört werden könnte. Und gleichzeitig entfachte dieser Drang ein kontinuierliches Herzklopfen der Wut in mir. Ich spürte wie meine Augen brannten und nur darauf warteten, dass sich die salzige Flüssigkeit aus meinen Augenwinkeln löste, nur um dann an meiner Wange hinab zu gleiten. Manchmal überraschten mich meine Gedanken selber, aber manchmal war es einfach dieses Wunschdenken, das ich nicht abschalten konnte… Als sich endlich die Haustür schloss und mir signalisierte, dass ich alleine Zuhause war, breitete ich meine Arme aus und ließ mich auf mein Bett fallen. Lange starrte ich die weiße Zimmerdecke an und fand keinen logischen Grund, wieso ich es tat. Vielleicht war es einfach das beruhigende Gefühl lange auf irgendetwas zu starren ohne einen Punkt zu finden, auf den ich meine Augen heften konnte. Oder weil ich einfach die Zeit totschlagen wollte, weil mir nichts Gescheites einfiel, was ich vielleicht hätte unternehmen können. Als ich wieder in meine ominöse Gedankenwelt abzudriften versuchte, vernahm ich ein leises vibrieren in meiner Hosentasche. Ein Anruf. „Ein Battle zwischen dir und Redmoon. Ich erwarte, dass du kommst. Haben wir uns verstanden?“ Manchmal hasste ich diesen befehlerischen Ton, welcher einen nur dazu verleiten wollte, dass man sich einem Befehl fügen würde. Manchmal hasste ich diese plötzlichen Anrufe, die mir nur signalisierten, dass ich für einen klitzekleinen Moment frei sein könnte, falls ich mich dem Befehl fügte. Manchmal hasste ich es, dass ich diese Befehle nicht abschlagen konnte, weil das Gefühl der Freiheit in mir ein unbändiges Kribbeln auslöste, weil ich mich der Sucht hingab. Der Sucht zu tanzen. Die Sucht, alle Blicke auf meinem Körper zu spüren. Die Sucht, das Dröhnen der Musik in meinen Ohren zu hören. Mich der Melodie hinzugeben, um mich am Ende einfach nur entfalten zu können. Alles um mich vergessen und nur noch für das Tanzen zu leben. Für den Moment, in dem ich alles um mich vergaß, nur um den Moment auskosten zu können. Vielleicht war es damals eine Regel, die ich nur brechen wollte, um meiner Mutter und vor allem mir selbst zu beweisen, dass ich durchaus im Stande war, glücklich zu sein. Es fühlte sich wie eine Sünde an, die mich zum Tanzen bewegte. Ich konnte es mir damals nur nicht eingestehen. Und das wurde mir zum Verhängnis. °°° Aus privaten Gründen habe ich mich dazu entschlossen, das Kapitel “The feeling is…“ in zwei zu teilen. Der zweite teil ist schon längst in Bearbeitung und falls ich euch mit diesem Kapitel enttäusche, so tut es mir aufrichtig leid. Deswegen will ich mich ganz lieb bei euch für das Interesse dieser FF bedanken:] PS: Falls Fehler bei der Gefühlsdarstellung oder sonstiges auftreten, könnt ihr mir gerne Bescheid geben:) Schokonase:] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)