Zucker von novembermond (LxLight) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- 1. #1 Isolation, zuckerfrei Light war von oben bis unten verkrampft. Ein Polster wäre zumindest nett gewesen. Er zog die Beine an. Oder eine Decke. Er hatte keine Ahnung, wie lange er jetzt schon hier war. Das Zeitgefühl kam einem in diesem immer gleichmäßig beleuchteten Raum sehr schnell abhanden. Vereinzelt bekam er zu Trinken, mit Strohhalm, wegen der Handschellen. Die Fesseln waren überhaupt sehr lästig. Anfangs hatte Light gedacht, er würde sich schon daran gewöhnen, aber sie wurden immer unangenehmer. Unachtsame Bewegungen taten weh. Wenn auch nicht so sehr wie sein sehr leerer Magen. Schlaf war nicht möglich, obwohl er meistens die Augen geschlossen hielt, damit er Ryuk nicht sah. Wie lange noch? L ließ sich wahrscheinlich nicht so schnell von der Unschuld seines einzigen Verdächtigen überzeugen. Light versuchte, Pläne zu schmieden, aber über Phase zwei kam er nie hinaus - Konzentrationsschwäche, ausgelöst durch Schlafmangel und Hunger. Sein Körper beschwerte sich an allen Ecken und Enden, doch am Allerschlimmsten war die Langeweile. #2 Isolation, Sugar High Zwischen den Papierstapeln, die ziemlich windschief dastanden und Gefahr liefen einzustürzen, lugte ein einsamer Schokoriegel hervor. L beschloss, ein Einsehen zu haben und die Süßigkeit vor dem Sicheren Papiertod zu retten. Er schälte den Riegel gerade langsam aus der Verpackung, als Yagami hereinkam. „Wie sieht’s aus?“ Yagami selbst sah schlimmer aus denn je. L deutete auf einen der Stapel. „Am wahrscheinlichsten war eine Störung des Sozialverhaltens oder APS, bei näherem Betrachten greift keins davon.“ Er vertilgte genüsslich die obere Schokoladenschicht. Yagami reagierte nicht. „Das bedeutet, ihr Sohn ist geistig absolut gesund“, erläuterte L. „Er wird also nicht mehr verdächtigt?“ Die Hoffnung getraute sich kaum mehr, sich auf dem Gesicht von Lights Vater zu zeigen. „Iwo, das heißt nur, er ist voll schuldfähig .“ Der Schokoriegel verschmolz in L’s Mund zu einer Glückseligkeit verheißenden Masse, das jetzt traurig leere Plastikstückchen, in dem er gekommen war, landete auf dem Boden. #3 Brich für mich Wenn man lange genug hinsah, konnte man Light dabei ertappen, wie er schlecht gelaunt einen Punkt mitten in der Luft anstarrte. L beugte sich weiter vor, dann neigte er den Kopf. Ja, der Fokus lag etwa einen Meter vor der Wand, und das war kein ins-Leere-schauen Blick. Doch einen Herzschlag später blinzelte Light und was es auch war, es war fort. L zog die Vergrößerung auf den Bildschirm. Lights überlebensgroße Augen starrten ihn an, jetzt unfokussiert und leicht glasig. Er sollte doch langsam mürbe werden. Allerdings half L ein kranker Gefangener auch nicht weiter. Ein Tastenklick erhöhte die Temperatur in der Zelle. Light war jedenfalls zäher als gedacht. Eigentlich hätten ihn die Fesseln allein schon fertig machen sollen. Für einen achtzehnjährigen Jungen war er übermäßig ordentlich, was vermutlich dem Bedürfnis nach Kontrolle über seine Umgebung entsprang. Kira wollte außerdem nicht nur die nähere Umgebung kontrollieren, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Ihm jegliche Kontrolle über seinen Körper zu nehmen, sollte doch Reaktionen bringen, aber im Gegensatz zu Misa hatte Light sich nicht einmal beschwert. Oder waren die Hand- und Fußfesseln noch zu wenig? Er presste seinen Daumen gegen die Unterlippe, ließ den Atem darüber streichen. Ein neuer Plan nahm Gestalt an. Vielleicht hatte er nicht alle Zeit der Welt, aber dann musste er sie sich einfach nehmen. #4 Stockholm – nur eine Stadt in Schweden… Light sah gezielt nicht hin, als Ryuk den Kopf aus der Zelle steckte. Ein Todesgott auf Apfelentzug war nervig bis zum Umfallen und darüber hinaus eine Gefahr für Light. Zu oft hatte er sich nur knapp eine spitze Bemerkung verkneifen können. Halluzinationen wären ein gefundenes Fressen für L. Gleichzeitig musste er sich hier drinnen auch Gedanken stellen, die er draußen leicht verdrängte. Was, wenn Ryuk die Geduld mit ihm verlor und Light in sein Notizbuch eintrug? Das wäre zwar ein netter Beweis dafür, dass Light Yagami nicht Kira war, doch Light wollte einen Beweis, den er auch überlebte. Aber je länger es dauerte, umso mehr stand er auf Messers Schneide. Falls man Misa nicht bald freiließ, brauchte Light sich keine Sorgen mehr über Ryuk (oder L) zu machen, denn dann würde sich ein anderer Todesgott seinen Kopf holen. „Dein ganz besonderer Freund kommt!“ Na, wenigstens wirkte Ryuk gut unterhalten, auch wenn er im Handstand durch die Zelle hüpfte. Light schloss die Augen. Seit das quälende Hungergefühl verschwunden war, war ihm schlecht und er zitterte, als ob er auf Drogenentzug wäre. Wenn er doch nur einmal länger als ein paar Stunden schlafen könnte… aber er wurde immer wieder von Geräuschen geweckt, von denen er kaum dass er wach war nicht sagen konnte, ob sie überhaupt erklungen waren oder er sie sich einbildete. Ganz besonderer Freund, eh? Wie viele Freunde wollten schon einander umbringen? Light blickte auf, als die Sicherung an der Tür klackte. Die Zellentür öffnete und da stand Ryuzaki, mit seiner glorios schlechten Haltung, mit seiner katastrophal wilden Frisur und dem grandios starren Blick. Er hielt einen bestrohhalmten Becher in der Hand. Light ließ den Kopf wieder sinken, die Schieflage war unangenehm, schließlich lag er seitlich auf seinem Lager. Anstatt den Becher nur hinzustellen und wieder zu verschwinden, wie es seine Bewacher bisher immer gemacht hatten, setzte sich L zu ihm. Weil Light keine Anstalten machte, sich aufzusetzen, zog ihn Ryuzaki in eine halb aufrechte Position und schob sich hinter Light, so dass Light gegen seine Brust lehnte. Nach so vielen Tagen kompletter Abschottung war menschlicher Kontakt überraschend. Eine andere Taktik oder nur der zweite Schritt der ursprünglichen? Erst Peitsche, dann Zuckerbrot? Der Strohhalm wurde an seine Lippen gesetzt. Kurz dachte Light daran, zu verweigern und davor zurückzuweichen, aber das würde keinerlei Vorteil bringen, also trank er. Nur um gleich darauf trotzdem zurückzuschrecken, was seinen Kopf mit Ls Schulter kollidieren ließ. Kein Wasser dieses Mal. „Zu süß.“ „Du brauchst die Nährstoffe.“ Also trank er das Zeug, was auch immer es war. Hoffentlich war es nicht mit Drogen versetzt. Andererseits, falls L ihn unter Drogen wollte, hätte er ihm schon längst eine Nadel in den Hals gejagt. Nein, diese Droge war viel perfider – menschliche Nähe. Auch das können zwei spielen. Denkst du, du bist besser als ich? Light ließ seinen Körper merklich entspannen. „Weißt du? Du bist nicht wirklich L und ich bin nicht Kira, also können wir auch Tennis spielen gehen.“ Das brachte Ryuzaki zu Lachen. Light spürte es in seiner Brust vibrieren. Es kitzelte. „Du könntest momentan einen Schläger nicht einmal halten, geschweige denn benutzen.“ „Das wünscht du dir höchstes!“ Ryuzakis Hand ruhte auf Lights Schulter, vermutlich um ihn daran zu hindern, sich weg zu bewegen. Es kostete Light nicht viel Überwindung, sich weiter in die Umarmung hinein zu drehen. „Warum fragst du nie nach deiner Freundin?“ „Wenn es ihr nicht gut geht, will ich das gar nicht wissen, und geht es ihr gut, brauche ich es nicht zu wissen. Habt ihr sie gehen lassen?“ „Du bist also wirklich mit Misa zusammen?“ „Ist kompliziert.“ „Verstehe.“ Die nächste Frage – wie habt ihr euch kennen gelernt? – dürfte interessant werden. Light bereitete seine Antwort vor, aber die Frage kam nicht. Ryuzaki schüttelte kurz den Becher, stellte fest, dass er leer war, lehnte Light gegen die Wand und stand auf. „Bis dann.“ Light sah seinem dunkelhaarigen Gegenspieler zu, wie er ging und tat sein Bestes, um Ryuk zu ignorieren, der ihn breit angrinste. Die Wand war kalt. Light unterdrückte ein Zittern. #5 Über die Schwierigkeit, sich selbst zu überlisten Light war gut darin geworden, Stimmen zu überhören, egal, ob es körperlose Stimmen aus dem Lautsprecher waren oder Ryuk. („Äpfel, Äpfel, Äpfel!“) „Verdammt, Yagami, ich weiß genau, dass du mich hören kannst! Wie tötest du?“ Die Stimme, die nicht Ryuzaki gehörte, interessierte Light nicht. Der konnte sich heiser schreien, so viel er wollte. Viel wichtiger, wenn Ryuzaki nicht im Überwachungsraum war, und das war er sicher nicht, sonst würde man bessere Fragen stellen, wo war er dann? Durchsuchte er Lights Zimmer? Befragte er Misa? Schlief er einfach? Zum hundertsten Mal fragte sich Light, ob er wirklich alles bedacht hatte. L war ihm immer so dicht auf den Fersen. Aber ohne Death Note konnten sie machen, was sie wollten, existierte kein Beweis. Light entspannte sich. Wenn der Typ hinter dem Mikro nur die Klappe hielte, Light könnte jetzt gut und gerne ein paar Stunden schlafen, bis L wieder da war und die nächste Runde los ging. Es schien schon eine Ewigkeit, seit er hier war, doch es konnte kaum mehr als – eine Woche? Etwas mehr? – sein. Fragt sich nur, wieso quäle ich mich überhaupt ab? Je früher er das Death Note aufgab, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit, sich unabsichtlich zu verraten. L habe ich ganz gut eingeschätzt, es gibt nur noch eine Unbekannte – mich. #6 Voyeur Seit Light inhaftiert war, gab es keine Kira-Morde mehr. Fakt. Light selbst hatte darum gebeten, dass man ihn isolierte. Fakt. Um zu beweisen, dass er nicht Kira war. Aussage des Verdächtigen, kein Fakt. Light hatte sich einsperren lassen, weil er Kira war und einen Plan hatte. Spekulation. Der Kira Fall stellte sich als die härteste Nuss da, die L je geknackt hatte. Alleine dieser Gedankengang verlangte nach einer kompletten Packung Erdbeer- Pocky. Ein Indiz, dass Light Yagami Kira sein könnte. Zufall. Zwei Indizien, drei, vier fünf? L warf die leere Packung in die Luft, fing sie wieder auf. In fast jedem anderen Fall reichte das schon für eine Verurteilung. Aber nicht bei einer so schwammigen Sache. L griff zum fünften Mal nach der Tageszeitung auf dem Tisch. „Unsere wöchentliche Umfrage, dieses Mal fragten wir: Glauben sie an Kira? 35% nein, 33% ja.“ Er konnte den Fall unmöglich abschließen, bevor er nicht a) ein Geständnis von Light hatte und b) dieser ihm gezeigt hatte, wie er es getan hatte. Und selbst dann blieb noch Kira 2. Ein Geständnis von Misa Amane bekommen, die standhaft behauptete, nicht zu wissen, warum sie festgehalten wurde, obwohl man es ihr bei der Festnahme gesagt hatte? Kira konnte das Verhalten seiner Opfer vor dem Tod beeinflussen. Fakt. Kira musste Amane zum Schweigen bringen, bevor sie sich selbst und Kira verraten konnte. Fakt? Doch sie lebte noch. Fakt. L fischte eine weitere Packung Pocky heran und holte nochmals die Aufnahmen der Überwachung des Hauses von Yagami hervor. Im Schnelldurchlauf wirkte alles absolut normal. Zu normal? Für jemand, der behauptete, den Kira Fall selbst lösen zu wollen, beschäftigte Light sich verdächtig wenig damit. Und er sah kaum Nachrichten oder las die Zeitung. Es war eine gezielte Demonstration: sieh her, ich kann nicht Kira sein, weil ich von den Getöteten gar nichts wusste. Und genau das wollte er jetzt noch einmal zeigen, mit dem delikaten kleinen Unterschied, dass die Morde aufgehört hatten, sobald Light in Gewahrsam genommen worden war. Soweit war ich schon. Eine Aufnahme erregte Ls Aufmerksamkeit. So, 22:43h. Light lag im Bett. Er warf sich hin und her. Er streckte die Arme über den Kopf, umarmte quasi die Polster, er drückte die Wirbelsäule durch. Dann seufzte er und lag still wie ein Gummischlauch, aus dem man die Luft gelassen hatte. Eine weitere Kameraperspektive zeigte dasselbe Geschehen von der anderen Seite, konzentriert auf sein Gesicht. Er zog die Augenbrauen zusammen, als wäre ihm etwas unangenehm, als er aufhörte, sich zu bewegen, entspannte auch die Augenpartie. Resignation? Es wurde schnell klar, was den Schüler vom Schlafen abhielt - die rechte Hand bewegte sich nach unten. L schaltete die Tonspur hinzu. Heftiges, aber nicht zu lautes Atmen. Seine Schwester schläft im Nebenzimmer. Light bewegte den Kopf mit geschlossenen Augen von links nach rechts und zurück, während seine Bewegung schneller wurde. L griff nach dem nächsten Pocky und war erstaunt, als er nur die leere Schachtel erspürte. Und jetzt kam die Stelle, die Ls Interesse weckte: ein Laut kam aus Lights Kehle, ein halbes Stöhnen, er öffnete die Augen und blickte direkt in die Kamera, die in der Klimaanlage versteckt war! Die ruckartigen Bewegungen der Hüften zeigten den Höhepunkt an, währenddessen Light die ganze Zeit über den Bildschirm Blickkontakt mit L hielt. Ein kleiner Seufzer folgte, darauf noch eine Art Welle über seinen gesamten Körper, bevor Light endlich wegsah auf der Suche nach einem Taschentuch zum Abwischen. Du selbstgerechtes Arschloch wusstest ganz genau, dass ich dir zusehe! L zerknüllte die Packung in seiner Hand und warf sie quer durch das Zimmer seiner Hotelsuite. #7 Wenn ein Böser sündigt, verstrickt er sich selbst; aber ein Gerechter geht seinen Weg und ist fröhlich (Sprüche Salomos 29, 6) Light, tu dir selbst einen Gefallen und gestehe. Nein. L lehnte sich vor und drückte den Knopf. „Kira!“ Die dunkel gekleidete Gestalt rührte sich nicht. Schon seit Tagen saß er zusammengesunken auf dem Fußboden. Die Haare fielen ihm über das Gesicht, das einzige, was L sah, war die weiße Haut, die sich über die Nackenwirbel spannte. L befand sich in einer seltsamen Stimmung. Irgendwann war der Fall persönlich geworden. Kira war von Anfang an kein normaler Gegner gewesen, und er hatte seit dem Tag der Fernsehübertragung, bei der L ihn überlistet hatte, mit L gespielt. Von einem naiven, idealistischen Teenager an der Nase herumgeführt – nein, das kann es nicht gewesen sein. „Komm schon, Kira, hör mit dem Leugnen auf, du machst dich nur selbst lächerlich.“ Endlich eine Reaktion: „Ich bin nicht Kira.“ Lights Stimme war schwach und leise, fast weinerlich. Er blickte nicht mehr auf. „Was glaubst du, wie lange du das noch durchhältst, Kira?“ #8 K’so L hatte sich da in etwas verrannt und wie ein Hund sein Spielzeug wollte er einfach nicht loslassen. Dabei war es doch Lights einzige Hoffnung, dass der Meisterdetektiv herausfand, wer Light hereingelegt hatte. Aber wenn es wahr war, was Ryuzaki sagte und nur die Leute von der Ermittlungsbehörde von seiner Isolationshaft wussten… So viele Menschen kamen dann nicht in Frage und Light traute das keinem zu. Nur einer hätte die Beweise so auslegen können, dass Light sich darin verstrickte und das wollte Light nicht einmal in Betracht ziehen. Denn falls L auch Kira war und sich nur selbst verfolgte, um der Verfolgung zu entgehen – dann konnte Light auch gleich aufgeben und sterben. Aber weshalb hatten dann die Morde aufgehört, genau, als Light sich in Ls Hände begeben hatte? Kurz hatte er ja wirklich geglaubt, selbst Kira zu sein. Das war jedoch Unsinn, ganz klar. Es gab mittlerweile genügend Beweise, dass er nicht im Schlaf handelte oder sonst irgendwie. Light ballte seine Fäuste. Sie waren eisig kalt. Wer immer Kira war, Light würde es ihm heimzahlen. #9 Zucker schmeckt nach Grausamkeit Als der Mann gekommen war und Light die Fußfesseln abnahm, glaubte Light im ersten, triumphierenden Moment, dass man ihn jetzt freilassen würde. L hatte endlich den Schuldigen gefunden, oder zumindest eine Spur, die von Light Yagami wegführte. Stattdessen zog man ihn auf die Beine und legte ihm wieder die Augenbinde und die falschen Kopfhörer an. Obwohl er noch still stand, fühlte Light sich sofort desorientiert. Es war weniger die Augenbinde, die ihm Probleme machte, als die Tatsache, dass er nur noch seinen Atem und das Blut in seinen Ohren rauschen hören konnte. Dann wurde er am Oberarm gepackt und barfuss aus der Zelle geführt. Light wusste schon fast nicht mehr, wie sich Schuhe anfühlten. L ist auch immer barfuss. Nanu, wo kam das denn her? Sein Bewacher kam zum Stillstand, Light stieß sich die große Zehe an der Wand direkt vor ihm. Der Boden bewegte sich plötzlich nach oben. Lift. Das ganze Psychospiel hilft euch einen Dreck, wo ich doch nichts zu gestehen habe. Light war zu müde, um das laut zu sagen, schließlich würde er die Reaktionen ja doch nicht mitbekommen. Da bekam er es zum ersten Mal mit der Angst zu tun. Würde man ihn so lange festhalten und bearbeiten, bis er sagte, was man von ihm hören wollte? Hatte man die Suche nach Kira aufgegeben und suchte nur noch nach einem Sündenbock? Falls die Morde nicht mehr einsetzten, würde es niemanden interessieren, dass Light unschuldig war. Er wurde aus dem Aufzug geleitet, einen Gang entlang. Nicht mehr kalter Betonboden, sondern glatt – Parkett? Wenn man ihn orientierungslos wollte, warum zog man ihm dann keine Schuhe an? Sie kamen wieder kurz zum Stehen – das Öffnen einer Tür? Danach wurde Light noch ein Stück vorwärts geführt, bevor man ihn losließ. Light wartete, aber es passierte nichts. Er wusste nicht, ob der Mann noch hinter ihm stand, oder schon längst den Raum verlassen hatte. Ok, die Einschüchterungstaktik funktionierte durchaus. Wie lange würde man ihn hier stehen lassen? Light tastete mit dem Fuß vor und zurück. Er spürte etwas weich-hartes, von Stoff umhüllt. Couch oder Bett. Vorsichtig setzte er seinen Fuß darauf, dann den anderen, so dass er auf der weichen Oberfläche hockte. Mit hinten gefesselten Händen war es schwierig, das Gleichgewicht zu halten, daher ließ er sich auf die Knie fallen, in der Hoffnung, nicht eine Ecke erwischt zu haben und gleich auf der anderen Seite wieder herunter zu fallen. Zumindest dieses Mal war das Glück auf Lights Seite. Er entspannte sich. In letzter Zeit hatte er ziemlich starke Schmerzen in den Schulter- und Rückenmuskeln. Ganz zu Schweigen von seinem Nacken, der die Heimat von tausenden heißen Schmerzteufeln geworden war. Da war es aber auch egal, ob man ihn auf dem Boden schlafen ließ oder in einem Bett, solange seine Arme nach hinten gezwungen waren. Light verschluckte ein leises Seufzen. Nein, darum ging es hier nicht. Man beobachtete ihn bestimmt, aber was sollte das Ganze? Light drehte den Kopf zu Seite. „Ryuzaki.“ Lights Stimme klang ganz dumpf in seinem Kopf. Warme Finger nahmen die „Ohrenschützer“ ab. Light hörte, wie sich jemand bewegte und etwas leise klackte – Ryuzaki hatte die Dinger irgendwo schräg hinter Light abgelegt. „Nicht schlecht. Woher wusstest du…?“ „Roch nach Schokolade.“ #10 Zucker schmeckt nach deiner Haut Light war abgemagert, was ihn älter wirken ließ. Draußen transportierte er eine Aura der Perfektion, die bei seinen exzellenten Noten nicht Halt machte. L wäre wenig überrascht zu erfahren, dass Light sogar Unterwäsche bügelte. Momentan war Light zwar etwas verwahrlost, doch das tat seiner Erscheinung keinen Abbruch. Die Fesseln und Augenbinde machten ihn verletzlich, die leicht geöffneten Lippen und der gesenkte Kopf noch viel mehr. Wie viel davon war kalkuliert? In der Zeit, in der Light beschattet worden war, hatte er einige Mädchen getroffen, von denen ihm keine einzige etwas zu bedeuten schien. Es war der eine dunkle Punkt auf seinem Image des perfekten jungen Mannes. Er spielte mit den Herzen der Menschen, um zu bekommen, was er wollte. Weshalb hätte er bei L eine Ausnahme machen sollen? L war derjenige, der gerade eben die Fäden in der Hand hielt. L griff nach der Pralinenschachtel, die Lights Nase entdeckt hatte, nahm eine Praline heraus und steckte sie in den Mund. In Lights Mund. Als Zugabe ließ L seinen Zeigefinger den Bruchteil einer Sekunde länger an Lights Unterlippe, als unbedingt nötig. Light wirkte ganz kurz überrascht, bevor er das kleine Stück zerbiss und schluckte. Die Bewegung des Adamsapfels faszinierte L. „Nun, das ist mal eine Methode der Befragung, an die ich mich gewöhnen könnte.“ Light deutete ein leichtes Lächeln an. Das machte L, der eigentlich kaum heftige Gefühlsregungen verspürte, rasend wütend. Der gesamte Zorn, der sich während der frustrierenden Jagd nach Kira monatelang aufgestaut hatte, versuchte sich zu entladen. Er warf Light auf den Rücken und hielt ihn mit einer Hand nieder. „Ist es das, was du willst?“ Ein Knie presste zwischen Lights Beine, worauf Light scharf einatmete. L beugte sich vor und berührte vorsichtig Lights Lippen mit seinen, nur leicht, denn L an seiner Stelle würde zubeißen, und zwar fest. Kira dagegen würde den Kuss vertiefen, um L zu überraschen und um den Finger zu wickeln. Natürlich nur solange, bis er L töten konnte. Light tat gar nichts. Er lag einfach passiv da. Das war nicht vorgesehen, L brauchte eine Reaktion in irgendeine Richtung, um Erkenntnisse zu erzielen. Also nahm er seine Hand zu Hilfe. Eigentlich trug Light enge Kleidung, mittlerweile saß sie aber so locker, dass es kein Problem war. L schob das Sweatshirt ein Stück nach oben, zog die Fingernägel über Lights Bauch und schob die Hand in Lights Hose. „Ist es nicht das, woran du gedacht hast, als du die Show für die Überwachungskamera abgezogen hast?“ Endlich eine Reaktion, wenn auch keine vorhergesehene. Light schluckte mehrmals, die Bewegung geradezu hypnotisch, bevor er würgte. Er versuchte sich zur Seite zu drehen. L ließ ihn sofort los und rückte ein Stück zur Seite. Die Möglichkeiten rasten durch seinen Kopf. Kira, der ihn durchschaut hatte? Oder tatsächlich nicht Kira? Oder passten nur die Umstände nicht, musste Light die Kontrolle haben, wenn er andere manipulieren wollte? Light hatte die Beine angezogen und einen leichten Schweißfilm auf seiner Haut. Wie gut konnte jemand schauspielern? Verdammte, vertrackte Sache. Alles deutete auf Light Yagami. Er war es und er war es auch nicht? Eigentlich hatte L schizioide Störungen ausgeschlossen, was blieb da noch? Fest stand, dass Kira mittlerweile wieder aktiv war. Ein Kira. Nachdem schon zwei Kira aufgetreten waren, war es nicht abwegig, dass es noch mehr gab. Fest stand, dass Light eine Veränderung durchlaufen hatte, die L nicht greifen konnte. In der ersten Woche hatte er immer wieder Aufmerksamkeit an ein Stück leere Luft verschenkt, während er gleichzeitig versucht hatte, es nicht zu tun oder nicht zu zeigen. Halluzinationen hätten ihm aber nicht bewusst sein dürfen, somit hätte er seine Reaktionen darauf nicht unterdrückt. Wenn man nun die Möglichkeit eines unsichtbaren Kira ausschloss, und das würde L lieber nicht in Betracht ziehen, blieb noch so etwas wie Entzugserscheinungen. Was, wenn Kira Light unter Kontrolle gehabt hatte und in der Isolation die Konditionierung gebrochen worden war? Hatte sich Light einsperren lassen, nicht, weil er sich für Kira hielt, sondern, weil er Kira entkommen wollte? Dann konnte L ihn aber gar nicht aus den Augen lassen, weil die Gefahr bestand, dass es wieder von vorne losging. So oder so, eine weitere Haft brachte nichts mehr. L griff zum Telefon. „Sie können anfangen.“ Dann nahm er Light die Augenbinde ab. Light hatte riesige Augen, wenn er sie so aufriss. L wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was. Entschuldige? L war kein Freund von Entschuldigungen, die waren nichts als Ausreden. Es wird nicht wieder vorkommen? L versprach nichts, was er nicht hundertprozentig halten konnte. Er tat alles, was notwendig war um Kira zu kriegen. Alles. Daher drehte er sich weg und machte sich auf die Suche nach den Schlüsseln für die Handschellen. Die mussten doch irgendwo da sein. Light hatte sich inzwischen aufgesetzt und drehte sich bereitwillig um, als er die Schlüssel sah. „Du kannst mich ruhig anschreien und beschimpfen, wenn dir danach ist. Es macht mir nichts aus“, erklärte L, während er Lights Hände befreite. „Wieso sollte ich?“ Light klang bitter. „An deiner Stelle würde ich mich auch für Kira halten, und ich kann mir nicht erklären, wie es zu den vielen Zusammenhängen kam. Au!“ Lights Arme spielten noch nicht mit, als er sie bewegen wollte. L griff nach Lights Schultern und massierte sie ein wenig. „Heißes Wasser wird hier helfen. Im Bad findest du auch frische Kleidung.“ Light drehte sich um und sah ihm durchdringend in die Augen. „Dann wusstest du also schon, dass ich diesen ‚Test’ bestehe?“ „Nein. Ich rechne immer mit allem.“ „Wie geht es jetzt weiter?“ „Asahi holt dich ab.“ Light wirkte, als ob ihm ein Stein vom Herzen gefallen wäre. „Dann gehe ich jetzt duschen, in Ordnung?“ „Lass die Tür offen, reine Vorsichtsmaßnahme.“ Light reagierte nicht, ließ die Tür zum Badezimmer jedoch offen. Nach sechs Wochen vor der Kamera aufs Klo gehen war das wohl kein Thema mehr, das ihn aufregte. L knabberte an seinem Daumen. Natürlich hatte Light gewusst, dass er getestet wurde. Das wiederum machte alle Ergebnisse nichtig. L bekämpfte die Frustration mit Ceasar’s Salad. #11 Japan’s Next Topmodel Als Model erlebte man so einiges, wer sich von Schikanen unterkriegen ließ, machte es nicht lange. Misa Amane, bekannt als Misa Misa, hatte vor, bis an die Spitze zu kommen. Sie war schön, zart und niedlich. Und sie hatte Nerven wie Drahtseile. Sowohl Stalker als auch Mörder waren ihr nicht fremd. Sie hatte in den letzten Wochen Schreckliches durchgemacht, doch kaum, dass das Schlimmste vorbei war, fragte sie sich schon, ob und wie sie das verwerten konnte. Misa wurde wie viele hübsche, falsch blonde Mädchen für dumm und oberflächlich gehalten, aber sie hatte auf die harte Tour gelernt, dass nur das Hier und Jetzt zählte. In der Vergangenheit zu weilen, machte einen kaputt, an die Zukunft zu denken, hatte keinen Sinn, wenn man morgen schon tot sein konnte. Also ging Misa unerschütterlich einen Schritt nach dem anderen. Nachdem man ihr endlich erlaubt hatte, zu baden und ihr Klamotten gegeben hatte, die, wenn auch alles andere als stylish, doch zumindest frisch gewaschen waren, brachte man sie zu einem Auto. Der Fahrer war ihr unsympathisch, aber Misa ließ sich nichts anmerken. Der Versuch, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, scheiterte, aber als sie anhielten, war ihr das egal. Light war hier! Er sah dünner aus und hatte Ringe unter den Augen, die bald denen von Ryuga-kun Konkurrenz machten, hielt sich jedoch aufrecht und stolz. Wie Misa hatte er die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Ein angenehmes Prickeln machte sich in Misas Bauch breit. Als man angefangen hatte, sie nach Light zu fragen, hatte sie sich Sorgen gemacht, aber er schien so weit in Ordnung zu sein. Sie fuhren wieder los, Misa achtete nicht auf das Wohin, solange sie nur mit Light zusammen war, würde alles gut werden. Light nannte ihren Fahrer ‚Vater’. Misa war überrascht. Der alte Kerl hatte so gar keine Ähnlichkeit mit ihrem wunderschönen Light, an der Stelle des Mannes würde Misa sich fragen, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen war. Aber vielleicht war Light ja adoptiert? Diese Überlegungen waren schnell aus ihren Gedanken verschwunden. Was faselte der Fahrer da von Exekution? Waren die alle irre? Es fiel Misa immer noch schwer, zu glauben, dass sie Kira 2 sein sollte, noch schwerer, dass man ihren perfekten Light für Kira hielt (auch wenn Misa selbst damit kein Problem hätte). Aber seit wann legte man Leute einfach um, wenn man sie nicht überführen konnte? Gab’s da nicht Gesetze dagegen? Misa konnte Lights Angst fast körperlich wahrnehmen, ihr selbst ging es nicht besser. Trotzdem argumentierten beide so gut wie möglich, Light natürlich viel besser als sie, er war ja auch bestimmt der klügste Mensch auf der Welt, aber sie stießen beide auf taube Ohren. Was war das bitte für ein Vater? Misa war niemand, der aufgab. Als Das Auto mitten im Niemandsland stoppte, schöpfte sie neue Hoffnung. Natürlich würde Herr Yagami nicht seinen Sohn töten, er würde sie beide laufen lassen, richtig? Die Hoffnung war schnell zunichte, als Yagami erklärte, dass er erst Light und dann sich töten würde. Misa wurde panisch. Sie wusste nicht, ob es schlimmer war, Light zu verlieren oder selbst zu sterben, aber sie wusste, dass sie es bei aller Zähigkeit nicht ertragen konnte, nach ihren Eltern auch noch Light sterben zu sehen. Sie verdrängte nur mit Mühe die Erinnerung an das Gefühl, neben den Leichen ihrer Eltern zu sitzen. Kira, du hast den Mörder meiner Eltern gerichtet. Lass nicht zu, dass man Light tötet. Ich bitte dich! Die Tränen rollten heiß über ihre Wangen. Light versuchte immer noch, die Vernunft in seinem Vater wieder zu erwecken, aber der Revolver in Yagamis Hand zeigte genau auf Lights Gesicht, was ihn auch etwas ablenkte. Verständlicherweise. Und wenn ich wirklich Kira 2 bin und Menschen töten kann, indem ich sie nur sehe? Misa konzentrierte sich fest auf Lights Vater. Fall tot um. Stirb. Fall tot um. Der Lauf war immer noch nur wenige Zentimeter von Lights Stirn entfernt. Misa hörte sich selbst betteln, flehen und kreischen. Was brachte denn Kiras Kraft überhaupt, wenn er die Mörder immer erst hinterher tötete, wenn es schon zu spät war? Misa wollte sich dazwischen werfen, aber sie war zu weit weg, um den Schuss noch rechtzeitig abzulenken, so fand sie sich starr mit weit aufgerissenen Augen, als der Schuss ohrenbetäubend durch das Fahrzeug hallte. Kapitel 2: ----------- 2. #12 Rache ist „Hierher, Misa Misa!“ Misa drehte sich zur Kamera, zwinkerte und winkte. Seit sie wieder aufgetaucht war, konnte sie auf der Straße keinen Schritt mehr machen, ohne fotografiert zu werden. Obwohl sie nur zwei Monate von der Bildfläche verschwunden gewesen war, gratulierte man ihr bereits zum Comeback. Die Klatschspalten erzählten in aufgeregtem Tonfall davon, wie sie von der Polizei wegen Drogenbesitzes festgenommen worden war und man die Anklage fallen gelassen hatte, da sie sich sofort in eine super diskrete Entzugsklinik eingeschrieben hatte. Misa hatte mit der Geschichte nicht einmal ein Problem, einen Entzug in nur sieben Wochen erfolgreich durchzuziehen, musste man ihr erst mal nachmachen. Ihr Bekannheitsgrad war enorm gestiegen, und ihr persönlich war egal, warum man über sie schrieb, solange man es tat. Eigentlich sollte Misa Misa zufrieden sein. Sie bewohnte ein eigenes Stockwerk in einem schicken, riesigen Gebäude, sie hatte die Hauptrolle im neuen Film von Nishinaka, sie konnte Light viel öfter sehen als vorher. Misa war nicht zufrieden, sie war stinkwütend. Dieser Ryuga, L, wie auch immer, brachte sie durch seine bloße Existenz zur Weißglut. So etwas von Anmaßung, sich nach allem, was er Light angetan hatte, auch noch an ihn zu ketten! Zum hundertsten Mal bedauerte sie, nicht Kira 2 zu sein. L hatte nicht gesehen, wie rasend schnell Lights Puls gegangen war, aber Misa war direkt dabei gewesen, als sein eigener Vater auf ihn schoss. Platzpatrone. Nur ein Test um zu sehen, ob ihr Überlebensinstinkt sie nicht doch als die beiden Kira auswies. Ha! L sah sich wohl als der Gute, aber er war um kein Stück besser als der, den er fangen wollte. Kira ließ keine Unschuldigen leiden, und selbst die Schuldigen tötete er (Misa wusste nicht, warum, aber sie war sich sicher, dass es sich bei Kira 1 um einen ‚er’ handelte) relativ schnell und schmerzlos. L. Misa setzte ihr süßestes Lächeln für die Kamera auf. Ich muss nur deinen Namen erfahren, dann in die Medien bringen und alles weitere Kira überlassen. #13 Eine Nacht im Juli Light hatte das definitive Gefühl des zu früh, als er die Augen öffnete. Er war doch gerade eben erst eingeschlafen, oder nicht? Eines der Dinge, von denen man nicht unbedingt erwartet, sie morgens als Erstes zu sehen, zumindest, wenn man Single ist und männlich noch dazu, begrüßte ihn und zwar in Nahaufnahme. Lights linkes Auge – das rechte war noch zu – blickte direkt in Ls rechtes, mit nur wenigen Zentimetern Abstand. Light rückte vorsichtig zurück, während er versuchte, so auszusehen, als täte er das nicht. L schaute ihm interessiert zu. „Du oder ich zuerst?“ Ob es wohl möglich war, sich unbemerkt unter dem Kopfpolster zu verkriechen? „Zuerst was?“ „Baden?“ Light rasselte mit der Kette, die die beiden verband. „Haben wir denn da überhaupt eine Wahl?“ L setzte sich auf in seine typische, unnachahmliche Position und wippte auf den Fußballen. „Mogi wird uns aufschließen.“ „Jeden Tag?“ „Jeden Tag.“ L zuckte die Achseln. „Ist doch besser als eine Zelle, oder nicht?“ Widerwillig richtete Light sich auf. Das Hemd, in dem er die Nacht verbracht hatte, war hoffnungslos zerknittert. „Nur geringfügig.“ In Wirklichkeit war Light heilfroh, nicht mehr da drin zu sitzen. Aber der Gedanke, die nächste Ewigkeit mit verknautschten Hemden an L gekettet zu verbringen, war auch nicht unbedingt rosig. Es war ihre erste Nacht im selben Bett gewesen und es würden noch viele mehr werden. Er musste seinen Vater heute noch um seine Sachen bitten, dachte Light, als er sich nach einem Kamm umsah. Seine feinen Haare waren völlig zerzaust. Dann fiel ihm Ryuzakis extravaganter Haarstil ein und er gab die Suche auf. Soviel dazu. „Wie hoch sind meine Chancen, in den nächsten Minuten eine Tasse Kaffee zu kriegen?“ L sah an die Decke, dann zu Light. „80%, plusminus 2.“ Drei Stunden vorher Etwas zog an seinen Haaren. L war nicht begeistert. Noch im Halbschlaf analysierte sein Gehirn die Situation. Es war finster, er lag in der Horizontalen. Wie ungewohnt, die meiste Zeit schlief er in seinem Polstersessel, vor dem Computer. Nicht ganz eine Armlänge entfernt schlief Light. Das war es auch, was L aufgeweckt hatte. Die Kette, die von seinem Handgelenk zu Lights führte, hatte sich in seinen Haaren verfangen. Für tagsüber war eine Länge von zweieinhalb Metern unerlässlich, aber im Bett recht unpraktisch. Auch Light schien irgendwie eingewickelt zu sein. Zuerst befreite L seine Haarsträhne, dann fing er an, die Kette zu entwirren. Dabei krabbelte er über Light hinweg und trat ihn leicht in die weiche Stelle unter den Rippen. „Light, wach auf. Du musst auf die andere Seite.“ Der Angesprochene brummte und drückte sein Gesicht tiefer in die Polster. „Light, wenn wir beide Bauchschläfer sind, liegen wir genau falsch herum.“ L bugsierte seinen vielleicht unschuldigen Verdächtigen auf die rechte Seite des Doppelbetts. Dann drehte er die Kette zwischen ihren Händen ein und legte sie nach oben, damit sie sich nicht wieder darin verfangen konnten. Light blinzelte ihn aus verquollenen Augen an. „Schon gut, du kannst wieder einschlafen.“ „Jetzt bin ich aber wach.“ Die beiden sahen sich noch einige Zeit im Dunklen an. Noch einmal drei stunden vorher Die Zeilen am Computerbildschirm waren zwar noch scharf, aber wenn Light woandershin sah, war alles irgendwie falsch und flach. Er rieb sich die trockenen Augen. Man hatte ihm endlich Zugang zu allen Informationen gegeben, quasi als Entschädigung für die Strapazen der Gefangenschaft und die falsche Hinrichtung. Light konnte gar nicht glauben, dass das erst heute Morgen gewesen war. Es kam ihm vor wie letzten Monat. Das war vermutlich eine Schutzreaktion seiner Psyche, Stress war in der Vergangenheit am Besten aufgehoben. Die Uhr in der unteren Bildschirmecke zeigte 04:17 an. Light war so müde, dass er sich kaum auf seinem Sessel halten konnte. „Ryuzaki, gehen wir schlafen?“ „Schlafen?“ „Ja, schlafen. Es könnte Wunder für deine Augenringe tun.“ L starrte auf seine Zehen, die sich in die Polsterung seines Sitzes drückten, bevor er die Füße auf den Boden stellte und aufstand. Light folgte ihm ins Schlafzimmer der Suite. Dort angekommen, fiel Light erst das nächste Problem auf. Kein Umziehen möglich. Aber er war so müde, dass ihn das auch nicht mehr kümmerte. Er schlüpfte nur noch aus den Jeans, die er zusammenlegte und auf einem Stuhl platzierte, während L seine einfach auf den Boden fallen ließ. Danach ging Light auf die andere Seite des Doppelbetts, was die Kette fast straff spannte, und kroch unter die Decke. L tat es ihm auf seiner Seite gleich, insgesamt ließen sie so viel Abstand, dass sie fast wieder aus dem Bett fielen. Binnen weniger Sekunden war Light eingeschlafen. #14 beim Essen hört sich der Spaß auf Der süßliche Geruch von Erdebeerparfait stieg in Lights Nase. Es lenkte ab. Light scrollte den Bildschirm hinunter, ein Tod reihte sich an den nächsten, bis alle miteinander in Einförmigkeit versanken. Er schloss die Akte. Es brachte nichts, weiter bei den bisherigen Opfern, die durch Herzversagen ums Leben gekommen waren, nach Spuren zu suchen. Da waren keine. Er überlegte, welche Datei er als nächstes aufrufen oder erstellen sollte, als er einatmete und wieder den falschen Erdbeergeruch in der Nase hatte. L verschlang wirklich Unmengen an Nahrung, die aber nicht ansetzte. Dabei machte er kaum Bewegung, wie Light mittlerweile wusste. Es war ein erstaunlicher Metabolismus. Andererseits hatte Light im letzten Jahr fast zehn Kilo verloren, das meiste davon natürlich in den letzten beiden Monaten. Trotzdem lag es nicht nur an der Haft, es war der Fall insgesamt, der auf den Appetit schlug. Wenn L ständig an solchen Fällen saß, war es verständlich, dass er soviel Essen in sich hineinstopfen musste, um auch nur das Gewicht zu halten. Light bemerkte, dass L ihn von der Seite her anstarrte, der Löffel mitten der Bewegung zum Mund erstarrt. Scheinbar unberührt öffnete er ein Programm, und warf L während der Ladezeit nur einen kurzen Blick zu. „Woran denkst du?“ fragte L, nachdem er den Löffel abgeschleckt hatte. Light fragte sich, ob sein Atem nach Erdbeeren roch. Er saß zu weit weg, um das festzustellen. „Dass ich auch anfangen sollte, mehr zu essen.“ Ls Arm legte sich schützend um den Nachspeisenteller, er warf Light einen misstrauischen Blick zu. Das brachte Light zum Lachen. So ganz grün war er mit L ja noch nicht, nach allen Verdächtigungen, die er von dem Meisterdetektiv schon an den Kopf geworfen bekommen hatte, aber manchmal fiel es schwer, ihn nicht zu mögen. Er war Marke „liebenswerter Chaot“, allerdings nicht nur bei alltäglichen Sachen, was bei Genies ja öfter einmal vorkam, sondern auch bei den Nachforschungen. L merkte sich alle Fakten problemlos, und hatte daher ein System nicht nötig. Light dagegen bevorzugte Struktur. Er hatte Problemlösungsschemata, die es ihm ermöglichten, Probleme und Aufgaben beinahe im Vorbeigehen zu lösen, indem er einfach den Schritten folgte. Light wollte auch alle Informationen in zusammenpassenden Ordnern, die anständig beschriftet waren, so dass er oder jeder andere sofort fand, wonach er suchte. L dagegen speicherte seine Statistiken unter „Brombeersirup“ ab, warum auch immer. „Keine Sorge, ich nehme doch niemandem seine Süßigkeiten weg.“ Schon gar nicht L, Light hatte das Gefühl, dass ein L in der Situation weitaus gefährlicher wäre als Kira und alle anderen Massenmörder zusammen. Tatsächlich entspannte sich L erst, nachdem er sowohl das Parfait als auch den Kuchen auf dem Teller verputzt hatte. Danach schob er den Teller zur Seite, wobei die Handschelle gegen die Tischkante klinkte, und griff nach Light. Light erstarrte. Nur zu gut erinnerte er sich an das letzte Mal, an dem L seine flache Hand über seinen Bauch hatte gleiten lassen. Dieses Mal jedoch tastete L nur über dem Shirt auf und ab. Er erspürte Lights Rippen. Offensichtlich gefiel ihm das Ergebnis nicht, denn gleich darauf griff er nach dem Telefon und bestellte zwei Riesenpizzen. Light war der Hunger allerdings vergangen. #15 auch eine Art, den Tag zu beginnen Light bestand darauf, regelmäßig zu Schlafen. Das viele Herumliegen machte L ganz träge. Nächstes Mal sollte er darauf bestehen, dass Light auf der Couch übernachtete, damit er weiterarbeiten konnte. Andererseits, wem wollte er etwas vormachen? Der Fall war an einem toten Punkt angelangt, bevor L nicht frische Informationen oder einen ganz anderen Ansatz hatte, konnte er genauso gut liegen bleiben. Light war trotz der sechs bis sieben Stunden Schlaf, die er brauchte, deutlich fleißiger bei der Sache. Er ging immer wieder die Daten durch und filterte. Wonach, wusste L nicht, und eigentlich war es ihm egal. L zählte schnell die Anzeichen einer Depression, drei Tage Antriebslosigkeit waren allerdings doch etwas wenig. Light bewegte sich. Er sollte bald aufwachen, wenn er sich an das Schema der letzten Tage hielt. Da drehte sich Light – und landete genau auf L. Sie hatten in den letzten Nächten herausgefunden, dass es weniger metallische Komplikationen gab, wenn sie nahe beieinander schliefen und die Kette zusammenrollten. Es hatte jedoch den Nachteil, dass sie dadurch ständig aufeinander landeten, weil sie sich beide gern im Schlaf bewegten. Hoffentlich sabberte Light ihm nicht die Schulter voll, L hatte gehofft, das Shirt noch einen Tag anziehen zu können… Das war ganz bestimmt nicht Lights Hüftknochen an seinem Oberschenkel. Ach, verdammt. „Hey, ich bin nicht Misa!“ L schüttelte Light, „Falscher Film, Light-kun!“ Light brummte und hatte Ls Handgelenk schneller eingefangen, als der es ihm zugetraut hätte. Schnelle Reflexe hatte Light zwar schon bei ihrer Prügelei am Vortag bewiesen, aber im Halbschlaf waren die meisten Menschen träger. L wehrte sich nicht, schließlich hatte er sein Zeil erreicht, Light war wach. Außerdem wollte er wissen, wie Light jetzt reagierte. War es ihm peinlich? Offenbar nicht. Er ließ Ls Hand los, sobald er keinen Widerstand mehr spürte und legte seinen Kopf wieder an Ls Schulter. „Einfach nicht nachdenken“, flüsterte er. „Es tut uns beiden einmal gut.“ Daraufhin drückte Light vorne gegen Ls Boxershorts. Hm, fühlte sich wirklich nicht schlecht an. #16 Computerspiele Solitär langweilte L. Gut, alle Spiele langweilten ihn, aber er brauchte etwas, um geschäftig auszusehen. Light klickte sich nebenan durch ein Programm, dass er in den letzten Tagen erstellt und mit Fakten gefüttert hatte. Im Grunde war das auch nichts anderes als Spielerei. Sinnlose Betätigung, um sich nicht ganz so hilflos zu fühlen. L wäre es lieber, wenn Light sich stattdessen mit Misa beschäftigen würde, um Informationen zu beschaffen. Sie war so hoffnungslos verliebt, dass sie ihm sicher alles sagen würde. Light tat aber sein Bestes, sich hinter L zu verstecken, wenn sie mit im Zimmer war. Und wie alles, was Light machte, war es gleichzeitig ein Indiz dafür, dass er Kira war, wie dafür, dass er es nicht war, je nachdem, was man als Motiv annahm. Das Objekt von Ls Gedanken hörte kurz auf zu klicken, dann kam ein Geräusch aus seiner Kehle, das man nur als Knurren bezeichnen konnte, bevor Light die Computermaus angewidert von sich stieß. „Wenn etwas kaputt geht, ziehe ich es dir vom Gehalt ab.“ L beugte sich zur Seite, um zu sehen, was den Ausbruch ausgelöst hatte. Light dagegen wurde durch die Bemerkung aus der Fassung gebracht. „Ich bekomme ein Gehalt?“ „Das überlege ich mir noch“, erwiderte L abwesend. Auf dem Bildschirm stand: Kira Light Yagami „Light, das hätte ich dir auch sagen können, dazu brauchst du kein Programm.“ Gut, das war vielleicht gemein, aber wahr. Light warf ihm einen Blick zu, unter dem man Spiegeleier hätte braten können. Daraufhin holte er sich die Maus zurück und klickte noch einmal. Unter seinem Namen erschien die Frage: „Wer kann Fakten so beeinflussen, dass dieses Ergebnis entsteht?“ und darunter „L“. „Pattsituation“, bemerkte Light. L war sich anhand seiner Stimme nicht sicher, ob das sarkastisch gemeint war oder nicht. „Das bringt doch alles nichts. Machen wir Pause. Ich frage Misa, ob wir ihr Fitnessstudio benützen dürfen.“ In Wirklichkeit wollte L Light eine Chance geben, Misa zu Kira 2 zu befragen, aber eine Stunde auf dem Laufband war sicher auch hilfreich, um den Kopf freizubekommen. (Am nächsten Tag, als sich der Muskelkater bemerkbar machte, bereute L diese Entscheidung.) #17 Wenn du nicht schreist, hört dich keiner Kira! Kira Kirakirakirakira. Light konnte nicht aufhören, das Wort zu wiederholen. Da war etwas, irgendwas, aber er konnte es nicht greifen, nicht verstehen. Er schaukelte mit seinen Knien hin und her, und dachte fortwährend „Kira, Kira,…“. Jetzt war er sogar froh über die Fesseln, sie bedeuteten, dass er sich nichts antun konnte. Obwohl es ein verlockender Gedanke war, seinen Kopf wiederholt gegen den Boden zu schlagen. Da würde L schön blöd schauen, allerdings konnte Light das ohnehin nicht sehen. Nein, Light musste überleben und Kira finden! „Weil ich nicht Kira bin, verdammt.“ Aber da war etwas, nein es… fehlte? „…missbraucht Menschen für seine Zwecke und nimmt ihnen das Gedächtnis, sobald sie geschnappt werden“, sagte Ryuzaki. Ich war der Letzte, der Penber lebend gesehen hat. „Sayounara, Raye Penber.“ -- „Ich bin Kira?“ „Ich weiß“, antwortete Ryuzaki sanft. Light blickte auf, direkt in die Mündung der Schusswaffe. Aber dieses Mal war es nicht sein Vater, sondern L, der sie ihm ins Gesicht drückte. Als Light geschockt Luft holte, rutschte sie ihm zwischen die Zähne. „Und wenn du dich entspannst, tut es auch gar nicht weh.“ Der Lauf stieß hinten gegen seinen Gaumen, gleich musste er brechen. Light war schon halb aus dem Bett geflüchtet, noch bevor ihm bewusst wurde, dass er wach war. Er sank neben dem Bett zu Boden. Sobald die Kette spannte, würde L aufwachen und Light wollte nicht so gesehen werden. Sein Puls raste, er war verschwitzt und völlig von der Rolle. Was er geträumt hatte, wusste er schon gar nicht mehr, und das war wahrscheinlich besser so. In der Haft hatte er genauso oft geträumt, dass L ihn befreite und von allen Verdächtigungen reinwusch, wie er geträumt hatte, dass L ihn folterte. „Light. Light!“ Eine Ohrfeige schleuderte seinen Kopf zur Seite. Light blinzelte. L hockte vor ihm und starrte ihn an, genauer gesagt Lights linken Arm. Erst als L die Nachttischlampe aufdrehte, sah Light es auch. Blut. „Du hast immer wieder versucht, sie abzustreifen“, erklärte L mit Blick auf die Handschelle. „Es tut gar nicht weh.“ Light wollte fest klingen, es kam jedoch ganz leise und verwundert heraus. „Schmerz oder nicht, ich desinfiziere das lieber.“ L stand auf und ging drei Schritte weg, bevor er leise fluchte und zurück kam. Light verstand. „Schließ sie auf, bitte. Ich bleibe auch weiter bei dir, das ist doch völlig unnötig.“ Der andere reagierte nicht einmal darauf, sondern zog Light am heilen Handgelenk hoch und führte ihn ins Badezimmer. Das Licht dort war grell, verglichen mit der gedämpften Lampe im Schlafzimmer. Light drehte sich in den Schatten. Nachdem L die Wunde gereinigt und verbunden hatte, griff er nach Lights Kinn. Die Berührung war so sanft und vorsichtig, und gerade das versetzte Light in Panik, dabei wusste er nicht einmal, wovor er Angst hatte. Der Druck war ganz leicht, kam aber mit dem unausgesprochenen Hinweis, dass es nötigenfalls auch mit Gewalt ging. Light gab nach und ließ L sein Gesicht ins Licht drehen. Die großen, dunkeln Augen blickten ihn starr an. „Ich nehme keine Drogen!“ erklärte Light verärgert. „Es war nur ein Albtraum.“ Kurz taxierte L dennoch seine Pupillen, dann nickte er und räumte den kleinen Erste Hilfe Koffer wieder weg. „Schade, das hätte dein verändertes Verhalten erklärt.“ „Ich bin nicht verändert, ich habe nur seltsam geträumt, vielleicht schlafgewandelt“, presste Light hervor. „Nein, nicht das gerade eben, sondern sonst… wenn das dein normales Verhalten ist, warst du vorher verändert, etwa in der Zeit vom Anfang der Morde bis zu deiner Isolation.“ Ls Schultern sanken noch etwas tiefer als sonst. „Verstehst du, deshalb muss das sein.“ Er rasselte mit der Kette. Light war von dieser Logik nicht überzeugt, aber er wusste ja mittlerweile, dass L niemals locker ließ. „Mir ist kalt, lass uns wieder ins Bett gehen.“ Auch unter der Bettdecke fror er noch, sodass er immer näher an L rückte. Der legte zuerst noch die verfluchte Kette aus dem Weg, und warf dann einen Arm über Light. Seine Finger lagen nur Millimeter von Lights verbundener Hand entfernt. Längere Finger als meine, dachte Light, während er darauf wartete, dass das Zittern aufhörte. #18 Weltenretter I. Light Er hatte schon eine Art Radar für Ls stechende Augen entwickelt. Es war dieser kalkulierende Blick, der einen aufspießte wie einen seltenen Schmetterling, analysierte und wieder fallen ließ, mit nicht mehr Gefühl dahinter, als ein Biologe den Mikroben unter seinem Mikroskop entgegenbrachte. Es trug nicht unbedingt dazu bei, Lights Laune zu verbessern, die ohnehin schon im Keller war, seit er am Morgen erwacht war. Umarmt von L. In Löffelchenstellung. „Deine Zähne knirschen, Light.“ Am liebsten würde Light ihm den Monitor um die Ohren hauen. Stattdessen zwang er seine Zähne auseinander, seinen Mund zu einem Lächeln und entschuldigte sich. L, der falsche Hund, erwiderte mit einer Stimme so zuckersüß wie der kalorienträchtige Snack, den er vor sich hatte: „Kein Problem.“ Matsuda, der gerade über den aktuellen Zeitungsberichten saß, fragte plötzlich: „Was heißt noch mal de facto?“ „Das Gegenteil von de iure“, erwiderte Light trocken. L fiel vor Lachen vom Sessel. Light half ihm wieder auf, denn wenn L sich noch weiter weg bewegte, würde es auch Light zu Boden ziehen, und seine Hose war frisch gebügelt. „Das war überhaupt nicht witzig, Ryuzaki.“ „D… doch, das war es.“ Er lachte immer noch. Light kämpfte mit seinen Mundwinkeln, die sich nach oben bewegen wollten. L sah auf die Uhr. Auf Lights Uhr, denn er selbst trug ja keine. „Oh, so spät? Misa wird schon auf uns warten.“ Light seufzte. L war nicht gerade unauffällig bei seinen Kuppelversuchen. Davon abgesehen dass L sowieso jede aufkeimende Romantik durch seine eigene Taktlosigkeit im Keim erstickte, Light war absolut dagegen, Misa etwas vorzumachen. Misa andererseits bestand auf regelmäßigen Dates und bestach L mit Süßigkeiten, damit er pünktlich einmal die Woche dafür sorgte, dass Light auch erschien. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich der Übermacht zu beugen. II. L L roch schon das Popcorn, bevor er die Tür zu Misas Wohnzimmer öffnete. Das Mädchen dachte wirklich an alles. Wenn Dates mit Light nur mit L als Anhängsel funktionierten, beschäftigte sie ihn eben mit Essen. Ls Magen stellte zufrieden fest, dass er sie mochte. Zu schade, dass Misa ausgerechnet auf Light fixiert war, sonst könnte er sich den Umweg über ihn vielleicht sparen. Andererseits war L bewusst, dass er weder mit Lights Aussehen, noch mit seinem Charme konkurrieren konnte. Zu schade für Misa, dass Light schwuler war als Freddie Mercury, auch wenn Light zu verklemmt war, um das zuzugeben. Immerhin gab Light sich Mühe, das Gespräch immer wieder einmal auf Kira oder Kira 2 zu bringen. Bisher hatte das ihre Ermittlungen zwar noch nicht weitergebracht, dennoch war Misa Amane immer noch ihre beste Spur. L hockte sich auf die Couch und schnappte sich die Schüssel mit den Snacks. Nachdem er nicht willens war, Light loszuketten und Misa nicht willens war, mit zwei aneinander Geketteten nach draußen zu gehen, lautete der Kompromiss: Fernsehen statt Kino. Daher trafen sich Misa, Light und L einmal wöchentlich zum Smallville Date. Misa hatte, wenig überraschend, eine Schwäche für Lex Luthor entwickelt. L hoffte immer noch, dass ihr eine Bemerkung herausrutschte, die zu Kira führte. Light setzte sich neben L und sein leidendes Gesicht auf, als Misa sich an ihn kuschelte. In trauter Dreisamkeit schauten sie: Misa die Serie, Light ins Leere und L auf die Beiden. Clark war gerade dabei, Lex zu konfrontieren, als Light sich aufrichtete und „Kira“ sagte. „Das ist Lex“, berichtigte L ihn. „Habt ihr nicht aufgepasst?“ warf Misa ein. „Das ist Zod!“ III. Misa „Würdet ihr mich ausreden lassen? Kira – General- oder Spezialprävention?“ „Generalprävention“, erwiderte L sofort. Misa seufzte. Wieso mussten die beiden immer bei den Kampfszenen anfangen zu Tratschen? „Ja, das dachte ich auch. Aber es ergibt keinen Sinn.“ Misa drehte die Lautstärke höher. „Sprich weiter.“ L klang sehr nachdenklich. „Ich meine, wir nehmen doch an, dass Kira sehr intelligent ist. Jedem, der schon einmal Kriminalstatistiken verglichen hat, müsste doch klar sein, dass die Höhe der angedrohten Strafe genau null zu tun hat mit der Anzahl der begangenen Delikte. Generalprävention funktioniert einfach nicht, egal, ob mit Gefängnisstrafe oder dem Tod gedroht wird.“ Light holte tief Luft. Misa musste feststellen, dass ihr der Schlagabtausch zwischen Lex und Clark entgangen war und es ihr gar nichts ausmachte. Obwohl sie nicht alles verstand, was Light erklärte, hörte sie interessiert zu. „Welches Ziel sollte Kira dann verfolgen, wenn es ihm nicht um die Bestrafung der Täter geht, wenn er dadurch nicht die Welt verändern will?“ „Er will die Welt verändern, nur ist sein Gedankengang ein anderer als ich bisher angenommen habe.“ Light deutete auf den Bildschirm. „Er hält sich für den Superheld der Geschichte. Tatsache ist doch, Kira erwischt ohnehin nur die, die bereits als Täter ausgeforscht wurden, womit deren Bestrafung durch die Justiz zumindest wahrscheinlich ist. Wozu sie töten? Was aber, wenn er sie nicht tötet? Sie werden zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, in der Haft werden sie höchstens noch asozialer, Therapie kann kaum die psychischen Schäden beseitigen, die durch die Haft überhaupt erst entstehen. Wenn sie es nur halbwegs klug anstellen, kommen sie nach ein paar Jahren wieder raus, haben keine Arbeit, keine Freunde und landen wieder in einem schlechten Umfeld. Wie hoch ist die Rückfallswahrscheinlichkeit? Sechzig Prozent, oder fünfzig? Selbst, wenn es nur ein Prozent wäre, wie kann man das verantworten? Kira bestraft sie nicht wegen der Taten, die sie schon begangen haben. Er will die zukünftigen Opfer retten.“ „Eine ganz spezielle Art von Spezialprävention“, meinte L sarkastisch. „Ich hoffe, dir ist der kleine Fehler klar, der Kira dabei unterlaufen ist.“ Light überlegte kurz. „Hypothetische Kausalität ist eben genau das – hypothetisch. Wenn du Menschen einsperrst oder umbringst wegen der Gefahr, dass sie in Zukunft etwas tun könnten, musst du jeden einzelnen einsperren oder töten.“ Plötzlich schauderte Misa. Konnte das Kiras Ziel sein, alle zu beseitigen? Sie persönlich war der Meinung, dass dem Mörder ihrer Eltern die absolut gerechte Strafe widerfahren war, aber bei dem Gedanken, dass Kira Light töten könnte, wurde ihr schwindlig. Und nach Lights Rede erschien es ihr, als ob niemand mehr sicher war. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu, doch so ganz konnte sie die Handlung nicht mehr fesseln. Vielleicht sollte sie ihre Sympathien noch einmal überdenken? Aber, nein, auch Lights neue Theorie änderte nichts an der Tatsache, dass Kira nur die ganz Schlechten tötete. Aus welchem Grund, war doch letztlich egal. Solange nur Light nichts passierte, war alles in Ordnung. Kapitel 3: ----------- hab ich das echt geschrieben? kommt mir so weit weg vor. #19 Zwei Arten von Frustrationsbewältigung Light atmete tief durch. Es war geradezu unglaublich, wie sehr das ständige Zusammensein mit L sein Nervenkostüm belastete und das, obwohl er sich schon an die meisten Macken gewöhnt hatte. Sein Leben drehte sich Tag und Nacht nur noch um L. Und Kira, natürlich, aber hauptsächlich Ryuzaki. L. Ryuga. Was auch immer. „Bist du’s bald? Mir ist etwas langweilig hier draußen.“ Oh ja, manchmal könnte er L mit Freuden erwürgen. Es war schon schlimm genug, dass der einzige Moment, in dem er nicht unter direkter Beobachtung stand, auf dem Klo war. Beim Baden ließ L zwar die Handschellen weg, war aber trotzdem immer im selben Raum anwesend. Eigentlich war es schon verwunderlich, dass er nicht darauf bestand, gleichzeitig mit Light zu duschen. Nicht, dass es einen Unterschied machte. Die Duschwand war völlig durchsichtig. Light betrachtete die Kette, die von seinem Handgelenk zur Tür verlief, welche daher einen Spalt offen war. Ob L ihn mithilfe eines Spiegels betrachtete? Light wollte das gar nicht wissen. Die ganze Situation war so wahnsinnig krank und Light konnte sich kaum noch erinnern, wie ein normales Leben verlief. Er bemühte sich, einen leicht gelangweilten Gesichtsausdruck aufzusetzen, als er die Tür öffnete. Schließlich musste der andere nicht unbedingt wissen, wie sehr er Light störte. Andererseits kannten sie einander inzwischen gut genug, um jede Fassade zu durchschauen. Light wusste, dass es L auch nervte, ständig an ihn gekettet zu sein, das trug jedoch nicht dazu bei, Lights Stimmung zu heben. Immerhin hätte L es in der Macht, die Kette wegzulassen, während Light keine Wahl hatte. Vielleicht machte es L auf verdrehte Weise Spaß, sie beide an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Light sah in Ls große, beinahe kugelrunde Augen, war auf der Suche nach einer Gefühlsregung. L blinzelte ausdruckslos. Er sah aus wie ein kleines Äffchen. Abrupt riss Light an der Kette. Gleichzeitig versetzte er L einen Schlag ins Gesicht. Nach drei Wochen an der Leine hatten sie den dazu passenden Kampfstil entwickelt, bei dem sie durch die Kette nicht mehr behindert wurden, sondern sie als Waffe einzusetzen vermochten. Nur einen Sekundenbruchteil später krümmte sich Light über Ls Faust in seinem Magen. Beim Aufrichten erwischte er Ls Kinn, kassierte dafür jedoch einen Tritt, der ihn an die nächste Wand schleuderte. Keuchend starrten sie einander an. Light konnte im Gesicht seines Gegner das sehen, was wohl auch in seinem eigenen geschrieben stand: Frustration, Ungeduld, Gewaltbereitschaft. Noch in den ersten sieben Tagen ihrer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft hatten sie festgestellt, dass weder Laufband noch Ego Shooter ein wirksames Ventil darstellten. In den letzten paar Tagen war die Zahl ihrer Kämpfe allerdings in die Höhe geschnellt. Wenn sie nicht bald eine neue Spur zu Kira fanden, würden sie sich wahrscheinlich gegenseitig erdrosseln. Light versuchte einen geraden Tritt, der nicht traf und folgte sogleich mit einem Schwinger, dem L nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Daher ließ er ihn einfach kommen und sorgte dafür, dass Light Bekanntschaft mit seinem Knie machte. Light schätzte sich glücklich, dass es nur seinen Oberschenkel traf, obwohl das schon weh genug tat. Das Adrenalin pumpte nur so durch seinen Körper. Ohne näher zu überlegen, drückte er L mit beiden Händen an die Wand und biss ihn in den Hals. Der schwarzhaarige Junge zuckte und blieb dann still. Er atmete flacher, schneller. Light verstärkte ganz kurz den Druck, bevor er seine Zähne löste und die Stelle mit seinen Lippen bearbeitete. Anstatt ihn wegzustoßen, zogen Ls Arme ihn näher heran, bis zwischen ihnen kein Platz mehr war, nicht einmal für Sauerstoffmoleküle. Er gab einen Laut von sich, der sowohl Schmerz als auch Lust bedeuten könnte und wahrscheinlich beides war. „Was denn nun, Prügeln oder Ficken?“ fragte L amüsiert. Light ließ schwer atmend von ihm ab. „Die sozialadäquatere Version“, antwortete er. „Wie, Prügeln?“ „Sex!“ grollte Light. L grinste und beugte sich vor, um Light zu küssen. Der öffnete bereitwillig den Mund. Eigentlich war es eine eklige Angelegenheit, viel Körperflüssigkeit und unbeholfene Bewegungen. Lights Köper beschloss dennoch, dass er das mochte. Er versuchte, gleichzeitig zu dieser Aktivität den Weg in Richtung Schlafzimmer einzuschlagen, was sich als gar nicht einfach herausstellte. Als sie endlich dort ankamen, waren sie dreimal gegen die Wand gelaufen, Ls Shirt baumelte nur noch an der Kette zwischen ihnen und Lights Hose saß bloß noch an seinen Hüften, weil sie so eng war. Gut, dass es so spät war und niemand mehr anwesend in ihrer Suite. L verschloss trotzdem die Tür, sicher war schließlich sicher. Danach machte er kurzen Prozess mit seinen restlichen Kleidungsstücken. Light konnte kaum die Finger von ihm lassen, er strich über weiße Haut und rosa Brustwarzen, während L ungeduldig an Lights Hemd zerrte. Ein Teil von Lights Gehirn fragte sich, was er da bitte gerade machte, schließlich war L eindeutig dem männlichen Geschlecht zuzuordnen, ein anderer Teil erklärte kühl, dass es sich um angestaute Aggression handelte und es nichts zu bedeuten hatte. Der Großteil von Lights Bewusstsein hatte sich aber zwischen seinen Beinen angesammelt und verlangte verzweifelt nach Aufmerksamkeit. Light wollte Ls Hand genau hier haben, weshalb war sie woanders? Er strampelte aus seiner Hose bevor er L aufs Bett zog. Der erhörte endlich sein unausgesprochenes Flehen und umschloss Lights Schwanz mit einer Hand, aber viel zu locker. Light leckte an den Bissspuren, die er an Ls Hals hinterlassen hatte. „Komm schon Ryuzaki“, wisperte er rau. „Was willst du?“ „Mehr. Mehr!“ L, dieser Sadist, hörte an dieser Stelle auf, ihn zu berühren und setzte sich zurück. Light überlegte fieberhaft, ob es seinem Ziel, nämlich Ls Hand sofort wieder dahin zurück zu haben, dienlich war, wenn er ihm eine knallte. „Ist… ist das wirklich in Ordnung für dich?“ „Wie bitte? Du wirst es dir doch nicht jetzt noch anders überlegen?“ Lights Haut brannte. Er wickelte die Kette um seinen linken Arm und zerrte L damit näher zu sich heran. „Ich brauche… ich muss…“ Wortlosigkeit war neu für Light, aber als L ihn umwarf und mit seinem Körper in die Laken drückte, war ihm das herzlich egal. Ryuzakis Finger waren angenehm kühl auf seiner Haut. „Gut, ich nämlich auch.“ Light zog Ls Kopf zu einem weiteren Kuss nach unten. L war kein guter Küsser, er war ungeschickt und unerfahren. Gerade das gefiel Light, der Gedanke, mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit der erste zu sein, mit dem L intim wurde. Dafür war L aber alles andere als schüchtern. Seine Bewegungen waren fahrig, aber zielsicher. Er machte Stellen von Lights Körper erogen, von denen er gar nicht gewusst hatte, dass sie das sein konnten. Light drängte sich an den Körper über ihm und es war noch immer nicht genug. Nicht genug. „Bleib so, nur einen Moment“, sagte L, bevor Light plötzlich nur noch kalte Luft auf seiner Haut spürte. „Ich schwöre, Ryuzaki, wenn du jetzt eine Kamera holst, bring ich dich um, Kira oder nicht.“ L reagierte nicht, sondern kramte weiter in der Kommode neben dem Bett, in die er kaum fassen konnte, weil ein Gutteil der Kette immer noch um Lights Arm gewickelt war. Er fand, was er suchte und drehte sich zu Light um, die Augen groß und unschuldig. „Ich habe doch gesagt, keine Bilder von uns, nicht, bevor Kira gefasst ist.“ Die Gegenstände – ein Kondom und ein Spenderfläschchen, wo er das wohl herhatte? – landeten auf dem Kopfpolster. L selbst streckte sich neben Light aus und bedeutete ihm, sich zur Seite zu drehen. Da flatterten ihm doch ein wenig die Nerven, aber er war auch so erregt, dass er tat, was L wollte. Der küsste sanft Lights Nacken, während er seine Hand über Lights Bauch gleiten ließ. Es war ganz anders als damals im Hotelzimmer, Light konnte es kaum erwarten, dass L unten anlangte. Er stöhnte, laut und ungeniert. Nichts existierte außer seiner Lust. Die erste feuchtkalte Berührung an seinem Anus brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Das ist eine blöde Idee. Sehr blöd sogar. Dennoch setzte er sich nicht zur Wehr. Es war befreiend, sich L einfach zu ergeben. Sie kämpften genug. Das war nicht diese Art von Nahkampf. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, obwohl Ls Finger, die in ihn eindrangen und dehnten, sich unangenehm anfühlten. Gleichzeitig war es wahnsinnig erregend. „Es tut mir Leid, ich kann nicht mehr warten.“ Bevor Light etwas sagen oder tun konnte, glitten die Finger aus seinem Körper und wurden durch etwas Größeres ersetzt. Schmerz. Zu viel, zu schnell. Light stockte der Atem. Ryuzaki atmete schwer hinter ihm, zitterte mit der Anstrengung, still zu halten. „Ah!“ Lights Finger verkrallten sich in der Bettwäsche, sein Rücken bog sich durch im Versuch, dem Eindringling zu entkommen – und plötzlich wurde es erträglich. L streichelte ihn beruhigend, drückte leichte Küsse auf seine Schulter. „Mach weiter!“ verlangte Light. Das ließ sich der Detektiv nicht zweimal sagen. Seine Bewegungen waren schnell und seicht, die Küsse wurden zu Bissen. Es dauerte nicht allzu lange, bis Light in Ryuzakis Hand kam, dicht gefolgt von L, der dabei etwas seufzte, was vielleicht Lights Name war oder auch nicht. Ein paar Herzschläge lagen sie noch reglos da, dann löste sich Ryuzaki von dem brünetten Jungen und beseitigte das gebrauchte Kondom, indem er es abnahm, verknotete und quer durch den Raum warf. Light war sogar zu entspannt, um ihm Vorhaltungen über Müllentsorgung zu machen. #20 Family Business Der Duft von frischen Schnittblumen begrüßte Soichiro Yagami, als er nach einem langen Arbeitstag nach Hause kam. Doch war zu Hause nicht mehr, wie es einmal gewesen war. Es war anders, seit Ryuzaki die Kameras hatte installieren lassen, es war anders, seit Light fort war. Soichiro vermied es, mit seiner eigenen Familie zu sprechen, damit er sie nicht anlügen musste. Frau und Tochter dachten ja, er hätte sich mit Light zerstritten, weil er mit dessen Freundin nicht einverstanden war. Wenn es nur so einfach wäre. Wenn sich Light doch nie in den Kira Fall verstrickt hätte, wenn er doch nur ein ganz normales, wildes Studentenleben führte. Der Polizeiinspektor schüttelte den Kopf. Wenns brachten niemanden weiter. Seit über zwei Monaten war Lights Platz am Esstisch leer. Soichiro war selbst selten da, Lights Abwesenheit klaffte jedoch wie eine unschöne Zahnlücke in der Familie. Sayu bemühte sich redlich, die Lücke durch Lebhaftigkeit auszugleichen, aber sie schaffte es nicht. Bald entschuldigte sie sich vom Tisch und ging auf ihr Zimmer, was Soichiro mit seiner Frau alleine ließ. „Light hat angerufen“, sagte sie. „Es geht ihm gut.“ Ich weiß, ich sehe ihn jeden Tag. Aber das konnte er nicht sagen, also brummte er nur. „Hm.“ „Ich weiß, du denkst, diese Misa ist nicht die Richtige für ihn und ein schlechter Einfluss. Ich bin auch nicht glücklich, dass er sein Studium nicht so ernst nimmt, wie ich es von ihm erwartet hatte, aber ich habe nachgedacht. Ich bin seine Mutter, ich will, dass er glücklich ist. In diesen zwei Monaten, wo er sich nicht gemeldet hat, da stand er doch Misa bei ihrem Entzug bei. Siehst du nicht, er tut genau das, was wir ihm beigebracht haben. Er tut das Richtige.“ Sachiko sah erschrocken drein, als wüsste sie nicht, was über sie gekommen war, so viel zu sagen. Soichiro nahm sie in den Arm. „Es tut mir Leid, Sachiko. Alles.“ Sie wusste ja gar nicht, wofür er sich entschuldigte. „Dann wirst du dich mit ihm versöhnen?“ „Ja, das werde ich“, antwortete Soichiro und wünschte, dass es nichts zu vergeben gab. #21 Zuckerherzen L und Light lagen noch eine Weile nebeneinander, berührten immer wieder den nackten, verschwitzen Körper des anderen, als könnten sie nicht glauben, was gerade geschehen war. Man hätte so einschlafen können, so locker und verträumt. Aber sie lagen immer noch auf der Decke statt darunter, und langsam wurde L kühl. Außerdem würde Light wohl gerne die Spuren ihrer Lust beseitigen wollen, bevor sie eintrockneten. Also strich L dem Studenten sanft die Haare aus dem Gesicht, damit er ihm in die Augen sehen konnte und fragte: „Kannst du aufstehen?“ Light lehnte seine Wange in Ls Berührung, bevor er ihn neckisch in den Daumen biss. „Klar kann ich das.“ Zum Beweis rutschte Light an den Bettrand und setzte sich langsam auf. Dann streckte er sich ausgiebig. Die Kette vollführte einen silbernen Bogen, bevor sie wieder zwischen den beiden zum Liegen kam. L beachtete sie kaum, sein Blick ruhte auf Lights Rücken, dem leichten Muskelspiel und den dadurch hervorgerufenen tanzenden Schatten. Es war zweifellos ein sehr ästhetischer Rücken. Light stand auf und musste sofort nach der Kommode greifen, weil ihm die Beine wegknickten. „Scheiße!“ Er warf L einen bitterbösen Blick zu. Daraufhin krabbelte auch der vom Bett und stellte sich hinter Light. Er drückte ihm einen entschuldigenden Kuss auf diese verführerische Wirbelsäule. Seine Hände kamen auf Lights Rippen zum Ruhen. Light drückte sie weg. „Ich kann alleine gehen.“ Abrupt richtete L sich auf. Wenn er gerade stand, was er eigentlich niemals tat, weil es sich unangenehm anfühlte, war er ein ganz klein wenig größer als Light. „Gut, weil ich dich nicht trage.“ Er schlug den Weg Richtung Badezimmer ein. Light folgte ihm, ohne Zögern, ohne Humpeln. Der Junge war ihm nicht nur intellektuell ebenbürtig, sondern auch in seiner Sturheit. Das gefiel L. Der Meisterdetektiv verabscheute Kira, aber Light konnte er respektieren. Im Grunde hätte er es lieber, wenn Light Kira wäre, als irgendein Unbekannter. Es tat weniger weh, gegen Light zu verlieren. Allerdings, falls Light Kira war, war L gerade dabei, zu gewinnen, schließlich hatte er Light dazu gebracht, sich in Ryuzaki zu verlieben. Das konnte er in dessen Augen sehen, während er ein Vollbad einließ und Light schnell das Gröbste abwusch, bevor er in die Wanne stieg. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel und Light lächelte leicht. Es war nicht Misas glühende Verehrung, aber es war eine neue Weichheit in seiner streng kontrollierten Fassade. Nur etwas Verliebtheit, aber genug, um Lights messerscharfe Rationalität ein bisschen zu trüben. Der winzige Vorteil, den L nutzen musste, um Kira zu bekommen. In der Wanne breitete L seine Arme aus. Light lehnte sich an ihn und schloss die Augen. Der Detektiv streichelte abwesend Lights Haut. Nur ein bisschen. #22 Schokoschock „Ryuzaki.“ L schleckte genüsslich den Löffel ab. „Hmmmmmmmmm?“ „Mir ist mittlerweile klar, dass dir niemand je Manieren beigebracht hat, aber die Nachspeise heißt so, weil man sie nach der Hauptspeise isst.“ „Tatsächlich?“ Der Schwarzhaarige betrachtete den Teller voller Tiramisu auf seinen Knien. Er saß auf der Couch direkt gegenüber von Light, auf dem Couchtisch zwischen ihnen eine Masse an Kartons mit bestelltem Essen. Die für und wider Diskussion über Italienisch vs. Chinesisch hatte mit Gleichstand geendet, was L dazu veranlasst hatte, einfach beides zu bestellen. Jetzt aß Light in vollendeter Eleganz mit Stäbchen sein Gemüse und betrachtete missbilligend die Ansammlung von Zucker und Fett auf Ryuzakis Teller. „Du hast nicht vor, was anderes als die Süßigkeiten zu essen“, stellte Light desillusioniert fest. „Wozu haben wir’s dann bestellt?“ „Light-kun hat darauf bestanden. Ich hätte noch genug Schokolade für drei Tage gehabt.“ „Light-kun mich nicht! Außerdem kann man nicht nur von Schokolade leben.“ „Kann ich wohl.“ Light stoppte sich, bevor er widersprach. Das war ja wie in der ersten Klasse. Er stand auf und setzte sich neben L auf die Couch, begleitet von leisem Kettengeklirr. L bewegte sich leicht, anderen wäre es gar nicht aufgefallen, aber Light, der schließlich nichts anderes zu tun hatte, als den Detektiv den ganzen Tag zu beobachten, bemerkte sehr wohl, dass L jetzt bei der geringfügigsten Bedrohung seines Tiramisu aufspringen und flüchten konnte. Innerlich lachte sich Light kaputt, äußerlich wirkte er völlig ungerührt, als er mit den Stäbchen ein Stück Broccoli aufnahm und verspeiste. L bemühte sich auch um Gelassenheit, aber er war verwirrt, das erkannte Light in den großen, dunklen Augen, die ihn anstarrten. Warum, fragte L sich, hatte Light seinen Sitzplatz gewechselt, wenn nicht, um L seines Essens zu berauben? Für L gab es nichts Wichtigeres als Kira zu stellen. Light fragte sich allerdings ernsthaft, ob L sich von Kira nicht vielleicht durch lebenslangen Naschvorrat bestechen lassen würde. Anstatt das nächste Broccolistückchen seinem Mund zuzuführen, tunkte er es blitzschnell in die Tiramisumasse, bevor er es L an die Lippen drückte. Der warf Light einen skeptischen Blick zu, aß es aber dennoch. „Schmeckt seltsam“, bemerkte L, nachdem er hinuntergeschluckt hatte. Er leckte seine Lippen, wodurch er den Kakao darauf eher verschmierte als entfernte. „Dann passt es doch zu dir.“ Light konnte sich nicht mehr zurückhalten und fing an zu lachen. L und Essen, das war einfach zu drollig. Kapitel 4: ----------- danke für den einen kommi. ._. 4. #23 Zur Abwechslung eine kleine Rückblende L saß auf dem Boden vor seinem Computer. Er war in der Phase der Stagnation, hatte alle Informationen gesammelt und wartete nur noch darauf, dass sein Gehirn die Verbindungen herstellte. Ls Denkprozess war nichts bewusstes, es passierte einfach, im Grunde ohne sein Zutun. Bei anderen Menschen erweckte er oft den Eindruck, aus dem Bauch heraus ohne zu überlegen zu entscheiden oder einfach zu raten, aber was dagegen sprach: Er lag nie falsch. Niemals. Er knabberte ein wenig an seinem Daumen, eine dieser Angewohnheiten, die man fast unmöglich loswurde. Da sah er eine Bewegung aus dem Augenwinkel – die Tür öffnete sich. L saß immer so, dass er alle Ausgänge im Blickfeld hatte. „Hier bist du. Ich habe dich gesucht.“ L antwortete nicht. Es war doch so offensichtlich, dass er bei seiner Arbeit saß. Der andere kam näher und stellte sich hinter L. „Ein Fall? Wie, schon wieder ein Serienmörder? Du bist echt so morbid.“ L stellte den Bildschirm ab, damit der andere Junge nicht noch mehr las. „Das sind eben die schwersten Nüsse. So langweilige Sachen wie Diebstahl oder einfache Körperverletzungen kann auch die Polizei lösen.“ Der andere Teenager ließ sich grinsend neben L nieder. „Und ich dachte schon, du stehst auf Blut und Gedärm.“ „Ich bin ja nicht du“, gab L postwendend zurück. „Was willst du, Ryuzaki?“ fügte er an, als klar wurde, dass der andere nicht so schnell wieder gehen würde. Der schwarzhaarige Jugendliche umging die Antwort, indem er einen Müsliriegel vor Ls Gesicht schwenkte. „Mit ganz viel Zucker drin, wie du sie magst.“ Eine Bestechung? L nahm ihn trotzdem und begann ihn zu verzehren. B – Ryuzaki – beobachtete ihn dabei. Er hatte schon wieder das gleiche an wie L. L selbst achtete nicht darauf, was er trug, solange es nur weit und bequem war, aber warum jemand seinen Stil beziehungsweise das Fehlen eines Stils kopieren wollte, war ihm völlig unklar. Ohne Informationen konnte L keine Schlüsse ziehen. Ihm fehlten fast alle Informationen über soziales Handeln, Dinge, die andere Kinder von selbst lernten, er aber nicht. In letzter Zeit jedoch hatte ihm der Junge, der ihm so ähnlich sah, einige interessante Sachen beigebracht. L verstand vielleicht nicht die emotionalen Hintergründe, doch die Mechanik davor sehr wohl. Die Dinge, von denen die anderen nichts wissen durften, die L nur mit B machte, sie würden ihm noch sehr nützlich werden. L schluckte den letzten Bissen und leckte sich die klebrigen Finger ab, als B etwas näher rückte und das Kinn vorreckte. Ein Signal, das L jetzt endlich verstand, nach vielen erfolglosen Versuchen von B, die L nur mit blankem Starren beantwortet hatte. Küssen. Er kam der Aufforderung nach. Es war wild und hungrig. Bs Zunge erforschte seinen Mund, als ob er nach dem verschwundenen Müsliriegel suchte. Nach einigen atemlosen Sekunden landeten sie flach auf dem Boden, parallel zum Keyboard, darauf achtete L noch, bevor er den Faden verlor, abgelenkt von Bs cleveren Fingern. So würde das mit dem Fall nichts werden, wenn Ls ganzes Blut sich weiterhin in seinem Schoß sammelte. Er drückte B wg. „Am helllichten Tag, du Perversling, kannst du nicht warten?“ Allerdings hatte L nicht wirklich ein Problem damit, das zeigte sein verräterisches Bein, das sich um Bs Hüfte schlang und ihn näher heranzog. B reagierte nicht einmal auf Ls halbherzige Anschuldigung und griff statt dessen beherzt in Ls Kleidung. Die Schlabberjeans waren so schnell unten, dass L es nicht einmal mitbekam. Der Holzboden war hart und die Luft kalt, aber der heiße Mund auf seinem Glied ließ ihn das alles vergessen. Leider ließ B zu früh ab, Ls analytische Fähigkeiten allerdings, die nicht einmal bei all den herumschwirrenden Hormonen aufhörten zu arbeiten, sagten ihm, dass Ryuzaki natürlich nicht nur hier war, um ihm einen zu blasen. A-nal-sex, dachte L, während lange, geschickte Finger ihn vorbereiteten, hatte einen schönen Klang, einfach nur die Silben allein. Wie klang es in anderen Sprachen? Noch bevor der Gedanke zu Ende war, übersetzte er parallel dazu in alle Sprachen, die er kannte. „Hey. Hey!“ Er wurde so fest in die Unterlippe gebissen, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von 47% bluten würde. „Verschwinde nicht einfach, wenn ich da bin.“ L blickte auf in das Gesicht, das ihm so ähnlich war. Nur die Augen, die Augen waren es, die verrieten, dass es sich nicht um sein Spiegelbild handelte, sondern um B. Sie sahen hinaus in die Welt mit einer Intensität, die L nie aufbringen konnte. L verstand nicht, welche Gefühle sich in den Pupillen verbargen. Er versuchte die Geräusche zu unterdrücken, die seiner Kehle entkommen wollten als der andere in ihn eindrang. Was, wenn sie jemand hörte? Es war mitten am Vormittag. Der Gedanke machte es überraschenderweise noch aufregender, L konnte sich kaum halten und fing an, mit den Hüften zu schaukeln um B noch tiefer aufnehmen zu können. Das war definitiv eine Information, die er sich merken musste. B fand immer großen Gefallen daran, seinen Hals zu küssen, dieses Mal war keine Ausnahme. Er wurde dabei rauer, je verzweifelter ihrer beider Bewegungen wurden. Er fühlte seinen Höhepunkt herankommen, erstaunlich schnell und heftig und L krallte seine Finger fest in das T-Shirt des Jungen, der dieses unverständliche Interesse an L entwickelt hatte, und er kam in einer Fontäne über seinen eigenen Bauch. Dann fiel er entspannt zurück und genoss das angenehme Kribbeln. B brauchte länger, um fertig zu werden, L beobachtete interessiert sein Gesicht, das sich beim Orgasmus auf witzige Art und Weise zusammenzog. Sex war eine gar seltsame Sache, so kompliziert und anstrengend und doch wollte man es immer wieder machen. L umarmte den Köper, der auf ihm zu liegen kam und hoffte, dass es noch mehr zu diesem Thema zu lernen gab. #24 Einlochen mal anders Schon den ganzen Vormittag trug Light sein „Ich bin ein Märtyrer und werde grausam gefoltert“ Gesicht zur Schau, nur um es schnell in ein freundliches Lächeln zu verwandeln, sobald Misa ihn ansah. Es war wieder einer ihrer Tage, und auch wenn L mittlerweile die Hoffnung aufgegeben hatte, dabei etwas über Kira 2 zu erfahren, so hatte er doch seine diebische Freude daran, den beiden zuzusehen. Es kam ja nie auch nur annähernd zu Romantik, schließlich war Ryuzaki immer an Light gefesselt, aber alleine Misas Annäherungsversuche gekoppelt mit Lights Fluchtblick waren besser als jede Fernsehunterhaltung. L hatte nie viel von Fernsehen gehalten. Heute spielten sie Golf. Da L nicht wollte, dass seine beiden Verdächtigen das Gebäude verließen, hatte er einen vergleichsweise winzigen Golfplatz am Dach errichten lassen, rund um die Hubschrauberlandeplätze herum. Light war erwartungsgemäß ein ausgezeichneter Golfer, mit dem eleganten Schwung eines Profis. Ls Schlag dagegen hatte eher den Charme eines Unfalls, was mit seiner gebückten Haltung und seiner Art, den Schläger anzufassen, zusammenhing. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, gleich mit einem Hole-in-one loszulegen, was zwar in Wirklichkeit absoluter Zufall war, doch das ließ er sich nicht anmerken. Ab da wurde das lockere Spiel zu einem erbitterten Punktekampf zwischen ihm und Light. Misa konnte damit nicht mithalten, was sie aber gar nicht störte. Schließlich war sie hier, um in Lights Nähe zu sein und nicht, um irgendwelche kleinen weißen Dinger in der Gegend herumzuschlagen. Nach zwei Drittel der Löcher führte L. Eigentlich hätte es Light möglich sein müssen, auf Gleich zu ziehen. Tat er es absichtlich nicht, weil er meinte, um jeden Preis gewinnen zu wollen, würde ihn als Kira ausweisen? L betrachtete den Teenager beim Einlochen, während er gedankenverloren seine Unterlippe mit dem Zeigefingernagel nachzog, da platzte Matsuda durch die Tür zum Treppenhaus. Der junge Polizeibeamte hatte so eine Angewohnheit, ihre Dates zu stören. L konnte noch nicht mit Sicherheit sagen, ob es deshalb war, weil er in Amane verliebt war, oder in Light. „Misa Misa! Wir haben in einer Stunde einen PR Termin!“ Misa schien kurz hin und her gerissen – sie mochte PR, aber Light noch mehr – dann folgte sie Matsuda, nachdem sie Light zum Abschied stürmisch umarmt hatte. Und schon waren sie nur noch zu zweit auf dem Dach. „Tja“, sagte L. „Zahlt es sich überhaupt aus, weiterzumachen?“ Light starrte ihn böse an. Jetzt aufzuhören, hieße, L den Sieg überlassen. „Wir spielen weiter!“ antwortete er verbissen. „Jetzt werden wir auch weniger Bälle verlieren. Kaum zu glauben, dass sie es geschafft hat, ständig durch den Zaun zu schießen. Hoffentlich kamen keine Passanten zu Schaden.“ L lächelte, immer noch den Finger auf der Lippe. „Abneigung gegen Verlieren ist typisch für Kira“, stellte er fest. Light ließ den Schläger sinken. Er drehte sich zu L. Dann zögerte er, als müsste er erst sichergehen, dass er sich beherrschen konnte, bevor er erwiderte: „Vielleicht geht es mir gar nicht uns Gewinnen. Vielleicht ist es nur ein schöner Tag, den ich gerne draußen verbringen möchte, mit einem Freund, bei etwas, dass uns beiden Spaß macht. Oder macht es Ryuzaki etwa keinen Spaß? Spielst du etwa nur, um zu Gewinnen?“ „Aber gewinnen ist doch der Sinn der Sache, Light. Leute wie wir verlieren nicht.“ „Jetzt könnte ich genauso sagen, dass du wie Kira bist.“ „Ah, aber der Unterschied ist, es gibt bei mir ausreichend Beweise, dass ich nicht Kira sein kann.“ ‚Im Gegensatz zu dir’ blieb unausgesprochen, hing jedoch schwer zwischen ihnen in der Luft. L erwartete eine Attacke, entweder verbal oder mit Fäusten, hoffentlich aber ohne Golfschläger. Light legte tatsächlich den Schläger weg und kam auf ihn zu, L verlagerte vorsichtig sein Gewicht, aber was dann kam, überraschte ihn völlig. Light sank vor ihm auf die Knie! Von da blickte der Junge auf und sagte: „Ich bin nicht Kira und eines Tages werde ich es dir felsenfest beweisen, Ryuzaki. Ich kann dich nicht bitten, mir bis dahin zu vertrauen, das würdest du nie tun, aber ich bitte dich, zumindest darauf zu warten.“ L konnte nicht verleugnen, dass es ihn anmachte, den Brünetten auf Knien zu sehen. Er war steinhart und Light konnte das von seiner Perspektive aus auch gut sehen. Anstatt sich angewidert wegzudrehen, was L von ihm erwartete, schließlich waren sie draußen wo sie jeder sehen konnte, beugte Light sich vor und rieb sein Gesicht an dem groben Jeansstoff. L blieb starr und reagierte nicht, als Light seine Hose öffnete und anfing, sein Glied zu liebkosen. „Light…“ „Es wird dir gefallen.“ Das Lächeln des Teenagers war geradezu diabolisch. Und Light ließ diesen Worten den besten Blowjob folgen, den L je gehabt hatte. Das lag weit weniger an der Technik, als vielmehr an der Situation. Es war Light! Mitten am Tag, auf dem Dach. Irgendwas daran kam L bekannt vor. „Light, ah, für den Fall, dass du das nur machst, um zu gewinnen, muss ich darauf hinweisen, dass das die Wahrscheinlich – ungh, genau so…“ Light lehnte sich zurück, bis L nur noch den Hauch seines Atems an sich fühlen konnte. „Worauf hinweisen?“ fragte Light nebenbei, während seine Zunge zwischen den Worten interessante, ablenkende Sachen machte. „… dass die Wahrscheinlichkeit, dass du Kira bist, um neun Komma vier Prozent ansteigt.“ „Tatsächlich?“ Light zog sich zurück, um das durchzudenken. „Auf wie viel?“ wollte er schließlich wissen. L zitterte, er war schon zu nahe gewesen. „Einundzwanzig Komma sechs“, murmelte er. Lights Augen weiteten sich. „So viel?“ Man konnte deutlich sehen, wie sich die Rädchen in seinem Kopf drehten. Schließlich beugte er sich plötzlich wieder vor und fing von vorne an. Was hatte ihn dazu bewogen? Aber dann dachte L nicht mehr, das ganze Blut sammelte sich erneut weiter unten. Nicht viel später stand Light auf, wischte sich sorgfältig den Mund ab und griff wieder zum Golfschläger, während L seinen weichen Knien nachgab und sich nieder hockte. Der Brünette drehte sich zu L, als wollte er sagen, sieh gut her, nein, das wollte er sogar bestimmt sagen, vollzog einen eleganten Schwung und entschied das Spiel auf einen Schlag punktemäßig für sich. „Erstens habe ich es nicht nötig, zu irgendwelchen miesen Taktiken zu greifen, um zu gewinnen, zweitens brauche ich mich vor keiner Prozentzahl der Welt zu fürchten, weil ich nicht Kira bin, und drittens tut es wahnsinnig weh, dass Ryuzaki in mir den Feind sieht, wenn ich Ryuzaki einfach nur eine Freude machen wollte.“ Kapitel 5: ----------- vielen dank an meinen einzigen kommischreiber! *L plüschie schenk* #25 Schon gesehen… Die Nachrichten waren deprimierend wie immer. Bombenanschläge da, Erdbeben hier. Ein Massenmörder in Frankreich. Ls Gedanken drehten sich darum, ob in diesem Moment irgendwo in Kanto Kira vor dem Fernseher saß und den gleichen Bericht sah, oder ob er sich Name und Gesicht der Person anderswo holte. So oder so, der französische Mörder würde die nächste Woche nicht mehr erleben. Light saß auf dem Sofa neben ihm und beobachtete ebenso die Nachrichten, aber im Gegensatz zu L dachte er nicht an Kira. Er dachte an L. „Hättest du den Fall in Frankreich übernommen?“ „Wie?“ L war für einen Moment aus dem Konzept gebracht. Wieder einmal. Wie konnte es sein, dass Light ihn nach all diesen Wochen immer noch überraschte? „Wenn du nicht gerade mit einem Fall beschäftigt wärst, meine ich.“ „In diesem französischen Fall weiß man doch schon, wer der Mörder war.“ Light seufzte. „Vergiss es.“ Eine unsichere Pause. „Ich dachte nur, weil es eine so schreckliche Mordserie war. Würdest du diesen Mann nicht der Gerechtigkeit zuführen wollen?“ Daraufhin sahen sie beide vom Bildschirm weg, Light zu Boden und L zu Light, um sein Gesicht zu studieren. Der brünette Junge unterbrach ihn jedoch, bevor L auch nur den Mund öffnete. „Spar dir deine Anschuldigungen. Was ich meinte ist, dass ich diesen Mörder aus dem Verkehr ziehen wollte, aber, nein, ich befürworte nicht, was Kira tut. Das ist auch schrecklich.“ Wenn er jetzt nicht Kira ist, dachte L langsam, aber wenn er es war, dann kann er sich nicht erinnern. Dann wäre er jetzt wie er davor war, bevor er diese Kraft oder was auch immer bekam? Als L den Faden spann, drehten sich die Gedanken immer schneller, bis er die einzelnen kaum noch ausmachen konnte. Es ist dieser untrügliche Sinn für Gerechtigkeit, der ihn erdrückt, weil er ständig gegen die Wände der Wirklichkeit läuft. Er ist nicht Kira, er wird es sein! Alle Eindrücke, die L jemals von dem Studenten gesammelt hatte, versammelten sich zu einem. Er versucht ganz verzweifelt, das Richtige zu tun. Wird daran zerbrechen. Instabil. Er will es nicht, aber er wird wieder morden. Zum ersten Mal empfand er wirklich Mitleid mit diesen weichen braunen Augen, die ihn besorgt ansahen. „Ryuzaki? Alles klar?“ Wie lange hatte er so dagesessen und Light angestarrt? Die Nachrichten waren vorbei. Ein paar Minuten. Worüber hatten sie gesprochen? „Du willst wissen, wie ich meine Fälle aussuche, richtig? Ich habe Kira nicht gewählt, weil er so viele Menschen auf dem Gewissen hat, obwohl mir die Frechheit, mit der er mordet, auf die Nerven ging. Nein, mir war langweilig und es versprach, spannend zu werden.“ Seine Stimme war rauer als sonst, er bekam die Worte kaum heraus. Es war doch zu schade, mit einem weniger rigiden Moralkodex hätte Light solches Potential. „Mir auch. Mir war auch langweilig“, kam es von Light, bevor er blinzelte. „Hatten wir dieses Gespräch nicht schon einmal?“ Stumm schüttelte L den Kopf. „Déjà-vu…“ #26 Kuss der Python Abrupt öffnete L die Augen. Im selben Moment wusste er auch schon wieder nicht mehr, was er geträumt hatte, aber das beengte Gefühl verging dennoch nicht. Er atmete schwer durch und drehte sich dann vom Bauch auf die Seite. Die Decke warf er von sich zu Light, der sie ihm mitten in der Nacht ohnehin immer stahl, wenn L sie nicht mit aller Kraft festhielt. Ich schlafe zu viel in letzter Zeit, da bekommt man nur Albträume davon, dachte er, während er im Dunklen die Gestalt neben ihm betrachtete. Light lag auf dem Bauch, das Gesicht L zugewandt, eine Hand unterm Kinn hielt die Decke. Den Gesichtsausdruck konnte man nicht erkennen. Dabei wüsste ich nur zu gerne, wovon du träumst. Dann seufzte L kaum hörbar und drehte sich weg. Das lief alles ganz falsch. Niemals hätte er damit gerechnet, so lange mit Kira beschäftigt zu sein, bald ein Jahr. Und mit dem Hauptverdächtigen im Bett zu landen war purer Wahnsinn. Er war gewohnt, Menschen als Schachfiguren zu benutzen, aber Light war so viel mehr als das. Wie beunruhigend. Es wurde Zeit, den Fall abzuschließen, bevor er noch den Verstand verlor. Doch der aktuelle Kira war nicht ‚sein’ Kira, soviel war klar. Wie so oft, wenn er in Gedanken war, knabberte L an seinem Daumen. Als sich von hinten plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte, biss er ihn vor Schreck beinahe blutig. Aber er ließ sich nichts anmerken, nahm seine Hand langsam herunter und sagte: „Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken.“ Light antwortete nicht, rückte aber näher heran und legte einen Arm um L. „Nicht, mir ist heiß“, wehrte der ab und versuchte, sich aus der Umarmung zu befreien. „Im Gegenteil, dir ist kalt.“ Jetzt, da Light es sagte, merkte er es auch. Er hatte verschwitzt die Decke abgeworfen und war ausgekühlt, zumal die beiden mittlerweile ja nackt schliefen. Also gab er auf und ließ sich von Lights Körperwärme einlullen. #27 Puppentanz Etwas an den Statistiken irritierte Light, aber er wusste – noch – nicht, was. Es war wie vor einem Rätsel zu sitzen und die Regeln zur Lösung nicht zu wissen. Aber Light wusste, dass er noch darauf kommen würde. Es gab kein Puzzle, das er nicht lösen konnte, auch wenn er normalerweise nicht besonders viel Geduld dafür aufbringen musste, weil er es sofort löste. Die ganze Sache mit Ryuzaki war jedoch eine Übung in Geduld, und Light lernte. Er lernte, sich in Geduld zu üben, aber auch, sich an Ryuzaki anzupassen und er lernte, Probleme alternativ anzugehen. L dachte genauso schnell wie Light und genauso genial, aber völlig anders. Es war absolut faszinierend, dass sie trotzdem in den meisten Fällen zum selben Ergebnis kamen. Seit sie das Bett nicht nur zum Schlafen teilten, war die Spannung zwischen ihnen außerdem zurückgegangen, was erstmals echte, konstruktive Zusammenarbeit ermöglichte. Sobald er und L lernten, am selben Strang zu ziehen, konnte Kira sich warm anziehen. Allerdings zeigte Ryuzaki noch immer kein Interesse daran, wieder tiefer in den Fall einzutauchen. Er verfolgte und dokumentierte lediglich alle Nachrichten, die mit Kira in Zusammenhang stehen könnten. Inzwischen versuchte Light sich an einem neuen Analyseprogramm. Im Unterschied zu den bisherigen ging es dabei überhaupt nicht um Kira, nach dem Motto, ‚wenn es direkt nicht geht, nimm die Hintertür’ hoffte er, irgendetwas zu finden, das außerhalb der Norm war, und zwar bei allen Toten der letzten Monate, nicht nur Kiras Opfern. Im Grunde war es blindes Hoffen, allein in Japan gab es zu viele Todesfälle, um sich alle anzusehen. Aber wozu war Light denn ein Genie? Und ein paar Tage später war dieses unwahrscheinliche, kleine Ding außerhalb der Norm gefunden – Yotsuba. #28 Umarmung Der Detektiv war wie ausgewechselt. Anfangs war Light verblüfft, dann wurde ihm klar, dass der L, den er in den letzten Wochen gekannt hatte, nicht der echte L gewesen war. Das war nur L-der-nichts-besseres-zu-tun-hatte-als-Light-zu-observieren gewesen. Seit 72 Stunden machte er nun schon nichts anderes als arbeiten. Mit Sicherheit wusste Light das allerdings nicht, denn irgendwann zwischen Stunde dreißig und vierzig hatte er Watari um einen Futon gebeten und sich zu Ls Füßen auf dem Boden schlafen gelegt. Wie ein Hund. Etwas anderes als Computer sah Light nur noch bei ihren seltenen Trips ins Badezimmer, und die waren so kurz, dass sie ihm fast nicht real erschienen. Fast wünschte er sich, den Durchbruch nie gehabt zu haben. Aber nur fast, denn am meisten wünschte er sich natürlich, endlich von allen Verdächtigungen reingewaschen zu sein. „Noch zwei Profile, dann höre ich auf“, dachte Light. Noch zwei und dann hatte er die gesamte Führungsriege der Firma durch. Und dann würde er seinen protestierenden Körper von diesen Folterinstrumenten von Bürostühlen wegbewegen und Ryuzaki mitschleppen, ob der nun wollte oder nicht. Und so geschah es. Light beendete die Arbeit, schaltete den Computer sorgfältig aus, stand auf und wickelte die Kette, die inzwischen schon beinahe ein Teil seines Körpers geworden war, um L und die Sessellehne mehrfach herum. So konnte er den protestierenden, aber völlig bewegungsunfähigen Detektiv – das kam davon, wenn man mit angezogenen Beinen saß – elegant aus dem Raum rollen. Watari kam ihnen am Gang mit skeptischem Blick entgegen, wurde von Light freundlich, mit offenem Lächeln gegrüßt, hielt die beiden aber auf dem Weg zum Lift nicht auf. Ryuzaki schien, zumindest für den Moment, aufgegeben zu haben. In ihrem Schlafzimmer angekommen, stellte der junge Student L mitten im Raum ab und bewegte sich langsam um ihn herum, wobei er den Detektiv wieder auswickelte. „Wir feiern heute“ sagte er. „Wir feiern, dass wir Yotsuba gefunden haben. Wir feiern, dass Matsuda, auch wenn er sich kreuzdämlich angestellt hat, noch lebt. Und wir feiern, dass du bald den Beweis meiner Unschuld erlangst.“ „Aber zu einer Feier gehört eine Torte!“ L schmollte. Er war so niedlich, wenn er das tat. „Du hast doch schon mindestens zwei verputzt.“ „Ohne Kuchen keine Feier!“ Light beendete seinen Rundgang, drückte Ls Knie nach unten – in die normale Sitzposition – und setzte sich rittlings auf ihn. „Vielleicht kann ich ja etwas anderes finden, um deinen Mund zu füllen.“ Er grinste. L knabberte an seinem Zeigefinger. Man konnte direkt sehen, wie sich die Rädchen hinter seinen Augen drehten. Dann stand er auf, wobei er Light mit voller Absicht auf den Boden warf, und schlurfte zu einem Schrank. Als er sich wieder zu Light drehte, wurden dessen Augen groß. Sein Atem beschleunigte sich, die Finger krallten sich in den weichen Teppich. Von Ls Daumen und Zeigefinger baumelten eine Augenbinde und Handschellen. Nicht irgendwelche, sondern die, die Light getragen hatte. Als L ihn fast vergewaltigt hätte, kurz, bevor ihn sein Vater fast erschossen hätte. Nicht die besten Erinnerungen an diese beiden Stücke. „Zieh dich aus, und wir können darüber reden, was ich in meinen Mund nehme.“ Ausmanövriert. Light hatte die Kontrolle über die Situation verloren, schon wieder einmal. Er tat etwas, das L nicht wollte und bekam es fünffach zurück. „Du hast zehn Sekunden, bevor ich durch diese Tür gehe und dich mitziehe.“ Light schluckte. Die Stimmung war verdorben, dennoch war das Ziehen in seinem Unterkörper noch da, signalisierte schwache, doch vorhandene Erregung. Das Hemd war in Rekordzeit aufgeknöpft, baumelte traurig an der Kette, während er sich seiner restlichen Kleidung entledigte. „Eins um eins“, murmelte L, während er mit dem Hemd Lights Ellbogen und Oberarme aneinander fesselte. „Du schlägst mich, ich schlage dich.“ Die Handschellen schnappten eisig um Lights Handgelenke, die schon vorhandene, angewärmte, nach oben geschoben. „Du fesselst mich, ich fessele dich.“ Dunkelheit schlang sich um Lights Augen. „Und den Blowjob von letztens bin ich dir noch schuldig, nicht wahr?“ Er zitterte. Vor Erregung, aber auch Anspannung. Außer ihnen und Watari war niemand im Gebäude. L konnte mit ihm machen, was er wollte und niemand würde ihn daran hindern. „Ah.“ L schien den Laut als Zustimmung zu werten, er steuerte Lights Körper ein paar Schritte nach rechts und bedeutete ihm dann durch Druck auf die Schultern, nach unten zu sinken. Der Brünette erwartete, auf die Knie zu müssen und war dementsprechend überrascht, als seine nackten Oberschenkel auf halbem Wege mit Holz kollidierten. L musste den Sessel festgehalten haben, da er nicht davon rollte. Light setzte sich unsicher. „R… Ryuzaki?“ Aber Light wusste gar nicht, was er eigentlich fragen wollte. Er schrak zusammen, als er plötzlich etwas Weiches und Feuchtes an seinem Knie spürte. Ls Zunge. Kühle Finger drückten seine Beine auseinander, ließen Light völlig entblößt zurück. „Wenn du das Wort sagst, mache ich dich los.“ Ein kurzer, aber heftiger Biss in Lights Innenschenkel ließ ihn zucken. „Das Wort ist Kira.“ „Das finde ich nicht besonders witzig, Ryuzaki“, protestierte Light, „Du weißt genau, dass ich nicht…“ Ein weiterer Biss, diesmal gefährlich nahe an Lights Hoden, ließ ihn verstummen. „Ich habe nicht gesagt, dass du irgendetwas zugeben sollst, oder doch?“ Lippen wanderten sanft seinen Schenkel hoch, bis sie – seine Erektion völlig ignorierend – wieder an der anderen Seite hinunter küssten. Seufzend lehnte Light sich zurück und ließ den Detektiv gewähren. Stimmte etwas nicht mit ihm, dass ihn das hier anmachte? Er war so hart wie Stahl, allen Protesten zum Trotz. War es L, der ihn dazu brachte, oder seine Perversitäten? Er kam auf keine vernünftige Antwort, weil L seinen Penis mit einem Eisschlecker zu verwechseln schien. Er leckte den kleinen Tropfen Flüssigkeit auf, der sich an der Spitze gebildet hatte, und dann die Vene an der Unterseite hinunter und hinauf. „Ryuzaki…“ „L“, besserte L ihn aus, sein Atem strich über Light und ließ ihn schaudern. Da war ihm klar, welches Spiel L spielte. L und Kira. L, der Kira gefangen hatte. Das musste die Fantasie sein, die L am meisten anregte. Sollte Light mitspielen, oder sich entsetzt abwenden? Was auch immer er tat, L konnte es nicht als Schuldeingeständnis werten. Es war schließlich nur Sex. Sein Herz klopfte wie wild. Was L auch mit ihm machte, er würde diesen Namen nicht sagen. Aber diesen einen Gefallen konnte er seinem Liebhaber schon tun. „L…“ seufzte er, in der japanischen Aussprache, obwohl er sich sonst um englische bemühte, aber Kira war doch Japaner? „Eru, Eru…“ Sie kamen gleichzeitig. Light konnte es nicht sehen, aber er wusste es. Wusste es in dem Augenblick, als er sich nicht mehr halten konnte und Ls Finger sich verkrampften, ein beinahe unmenschliches Stöhnen aus seiner Kehle brach. Dem Teenager wurde schwarz vor Augen, nicht dass es mit der Augenbinde einen Unterschied machte, und er sank auf dem Sessel in sich zusammen. Es war noch nie so intensiv gewesen, so verwirrend und glasklar zur selben Zeit. Als er seine Sinne wieder unter Kontrolle hatte, konnte er sehen. L hatte ihn auf den Boden gezogen und machte nach dem schwarzen Stoff auch das weiße Hemd los. Danach wurde Light von hinten umarmt, ein flüchtiger Kuss auf seinen Nacken gedrückt. Eine Zeit lang wartete er geduldig, aber da nichts weiter geschah, fragte er nach den Handschellen. Der Detektiv hielt ihn noch fester und murmelte etwas in Lights Haare. Die Wärme war angenehm, doch Light wäre nicht Light, ließe er sich so einfach einlullen. „Wie war das, Ryuzaki?“ Seine Stimme war vielleicht das kleinste bisschen scharf. „Schlüssel verlegt…“, nuschelte L nochmals. „Wie bitte?“ Er drehte sich um und funkelte die abgrundtief schwarzen Augen an. Die starrten regungslos zurück. Light setzte zu einer lautstarken Tirade an, als er Ls hochgezogene Mundwinkel bemerkte. „Kleiner Scherz“, meinte L, bevor er Light losließ und nach den Schlüsseln angelte. „Ich bring dich um!“ „In diesem Fall sollte ich es wohl doch lieber lassen…“ Mit hinten gefesselten Händen war es etwas schwer, sich zu balgen, aber Light kam auch mit Kopf und Beinen als alleinige Waffen gut zurecht. Er stieß den anderen wieder zu Boden und attackierte spielerisch. Leider war L nicht der Typ, der einem ein Handicap gab. In kürzester Zeit war Light am Boden; mit einem Knie im unteren Rücken und einer Hand in den Kniekehlen bewegungsunfähig gemacht. „Kann es sein, dass du noch nicht genug hast?“ Light blieb stumm und regungslos, bis ihm L endlich die Hände befreite. Daraufhin warf er seinen Freund und Rivalen von sich und drückte ihn seinerseits nieder. „Sagen wir einfach, es könnte nicht das letzte Mal gewesen sein.“ Light lächelte, allerdings nur innerlich, denn seine Lippen waren zu sehr damit beschäftigt, L zu küssen. Kapitel 6: ----------- #29 Pläne Zugegeben, Misas ursprünglicher Plan, Ls Namen herauszubekommen, wies einige Schwächen auf. Mal ganz davon abgesehen, dass sie es nach Monaten nicht geschafft hatte, Ls Vertrauen zu erringen, obwohl sie ihn mit Süßigkeiten überschüttet hatte, jetzt wollte Light auch noch, dass Kira gefasst wurde. Alles ganz verkehrt herum! Aber wenn Light sagte, wir fassen Kira, dann war es das, worauf sie ihre Energie richtete, und Energie hatte Misa eine Menge. Das hieß natürlich nicht, dass Lights Wort Gesetz war. Nur beinahe. Das kleine Model grinste, als sie aus ihrem Adressbuch eine ihrer Freundinnen heraussuchte. Das Ziel lautete also „Kira fangen“ und dank der weißen Kreatur, die sich als Todesgott bezeichnete, wusste Misa ja, um wen es ging. Bevor sie mit Matsuda zum Dreh ging, überprüfte sie noch schnell den Akku ihres Mobiltelefons, wäre doch recht dämlich, wenn Higuchi gestand und sie es nicht aufnehmen konnte. Es war der schönste Moment ihres Lebens, oder doch zumindest der letzten Monate gewesen, als klar wurde, dass Light um sie besorgt war. Aber Misa war kein Zuckerpüppchen, auch wenn sie manchmal so aussah, und sie würde ihm zeigen, wozu sie fähig war. Higuchi, der eklige Typ, konnte sich warm anziehen! #30 Erinnerung Je näher sie Kira kamen, desto unruhiger wurde Light. Er konnte es nicht beschreiben, dieses Gefühl. Als hätte er Angst vor etwas, worauf er sich doch so freute. L und Light (und der Rest) würden Kira fassen und alles würde gut werden. Nicht? Nicht? Im Gegensatz zu L, der nur aus solchen Angewohnheiten zu bestehen schien, hatte Light nichts, das ihm half, mit Nervosität umzugehen. Kein Nägelbeißen, kein gedankenverlorenes Spiel mit den Fingern, gar nichts. Light, der bei allem, was er anpackte, brillierte, hatte niemals Grund zur Nervosität gehabt. Also starrte er ins Leere und hoffte, dass die Zeit schneller verging. Es gab einfach nichts mehr zu tun, der Fall war praktisch gelöst, Higuchi musste nur noch gefasst werden, fertig. Wieso war ihm so unwohl dabei? Sie hatten ganz bestimmt nicht den Falschen erwischt, warum also dann? L verdächtigte Light immer noch. Er hatte es zugegeben, laut und deutlich, vor allen. Womöglich war Light selbst dann nicht frei, wenn Kira gefasst war? Wenn es mehrere Kiras gab? Wenn Light tatsächlich ein Werkzeug gewesen war? Der Gedanke schmerzte, so missbraucht worden zu sein. Doch tief im Inneren konnte Light nicht leugnen, dass er Erinnerungslücken hatte. Besonders was Raye Penber und seine Verlobte betraf. Seit zehn Minuten wandte L schon den „Panda auf Beruhigungsmittel“ Blick an. Eigentlich sah er immer so aus. Mittlerweile hatte Light sich schon völlig daran gewohnt, Objekt ständiger Beobachtung zu sein. Es belustigte ihn höchstens noch. „Ist alles in Ordnung, Ryuzaki?“ „Das wollte ich dich gerade fragen, Light-kun.“ „Ich… frage mich nur, ob Higuchi uns etwas entgegensetzen kann, mit dem wir nicht rechnen.“ „Wenn er nicht ein ausgezeichneter Schauspieler ist, der verdächtigt werden will, dann nicht“, antwortete L trocken. #31 Vor dem Sturm „Light-kun“, sagte L nach einer Weile nochmals. „Möchtest du etwas anderes machen, als hier zu warten?“ Der Junge sah so… verloren aus. So hatte er nicht einmal in der Zelle gewirkt, nicht einmal gegen Ende der Isolationshaft. Ls Herz setzte einen Schlag aus. Light sollte nicht so aussehen, das war unnatürlich. „Ich möchte… es tun.“ Was „es“ war, war ja klar. Aber damit hätte L nicht gerechnet. Das Warten darauf, losschlagen zu können, war nicht gerade stimmungsvoll. Nun ja, aber wenn es nichts Konstruktives zu tun gab, war Spannungsabbau nicht schlecht. Das war es. Light wollte abgelenkt werden. Er wollte alles vergessen. Für diese Zeit würde er nur für L da sein. Der Detektiv lächelte innerlich. Nach außen war sein Gesicht unverändert, als er einfach aufstand und wartete, bis Light ihm folgte. Ein paar Stunden nur. Ein paar Stunden voll verzweifeltem Sex brachte L näher an Light heran als jede Ermittlung. Und dennoch wünschte L sich, dass Klischees Wirklichkeit waren. Oh, nicht wegen der Liebe. Doch dann könnte er in dem Moment, als Light kam (zum dritten Mal) und L dabei tief in die Augen sah, sein Herz erkennen und nicht nur zwei schwarze Pupillen, umrahmt von Karamell. Aber am Ende blieben sie zwei getrennte Körper mit getrennten Seelen, wie sehr sie sich auch annäherten und versuchten, im anderen aufzugehen. Am Ende waren sie ausgebrannt, erschöpft und frustriert, woran Orgasmen nichts ändern konnten. Am Ende hatten sie sich nichts zu sagen außer: „Es wird Zeit. Wir sollten uns fertig machen.“ #32 Rochade An sich sollte Light ja während der Verfolgungsjagd auf Higuchi achten, von außen sah er wohl auch so aus. In Wirklichkeit konnte er den ganzen Flug lang nichts anderes denken als: „Ryuzaki fliegt dieses Ding ohne Flugschein! Hilfe!“ Seiner pessimistischen Einstellung zum Trotz setzte der Hubschrauber so sanft auf wie auf Daunen. So sanft, wie L Light noch berührt hatte, bevor sie – nein nicht daran denken. Jetzt war nur Kira wichtig. Kira, der ihn in diese schreckliche Lage gebracht hatte. Kira, ohne den er L niemals kennen gelernt hätte. Nicht daran denken. Sein Vater holte Higuchi eben in diesem Moment aus dem Wagen. Sie würden Kira verhaften und Light von aller Schuld freisprechen und er würde nach Hause gehen zu seiner Mutter und Schwester, wo er schon Monate nicht gewesen war (ein halbes Jahr?) und Ryuzaki nie wieder sehen. Nicht schon wieder. Warum war immer nur Ryuzaki in seinen Gedanken? „Bringen Sie das Notizbuch bitte her.“ Ein Notizbuch? Das sollte alles sein? Und dann berührte er das Buch. -Schock- -unbändige Freude- -Abscheu- Das durfte nicht sein, Light war nicht Kira, er war hier doch das Opfer gewesen, er – hatte es sogar geschafft, sich selbst zu täuschen. Was für ein Meisterstück. Der Plan war so wundervoll gewesen, so perfekt, und er war aufgegangen wie eine formvollendete Orchidee. Kira konnte sich das Lachen kaum verkneifen, am liebsten würde er L alles ins Gesicht schreien, ihn damit verhöhnen. Aber noch nicht. Noch nicht, jedoch bald. Zu allererst kam einmal Higuchi dran. Mit kalter Präzision machte sich Light wieder daran, seine neue Weltordnung aufzubauen. #33 erste Male Seit sie Zeit gehabt hatten, das Death Note näher zu betrachten, würdigte der berühmte Detektiv Light keines Blickes mehr. Diese Regeln waren … enervierend. Wieso waren da überhaupt Regeln? Wieso solche? L war gefrustet und der Kuchen schmeckte nicht mehr. Er schob ihn weg. Aber auch der Kaffee und die Eiskrem und die heiße Schoko danach schmeckten nicht. Lights Präsenz füllte den ganzen Raum, auch wenn Ls kohlschwarze Augen den Jungen nicht ansahen, er fühlte ihn. An seinem Handgelenk fühlte L jede Bewegung, mit seinen Ohren hörte er jeden Atemzug, stellte sich das leichte Heben und Senken von Lights wohlgeformter Brust vor und wie das Licht die sanft modellierten Muskeln umspielte, Schatten warf und Tiefe erzeugte und irgendwie war L vom Thema abgekommen. Die Regeln. Die Regeln des Notizbuchs des Todes. Wahrscheinlich hatte Light sie manipuliert, nur um ihn zu ärgern. Wahrscheinlich hatte er auch nur mit L geschlafen, um ihm vom klaren Denken abzuhalten, ein Plan der bis eben nicht aufgegangen war. Aber jetzt… Was dachte er denn da, es war doch sein Plan gewesen, Light damit zu erweichen und nicht umgekehrt. Am liebsten würde L seinen Lieblingsverdächtigen sofort in das Gestell stecken, das Amane so lange unfreiwillig bewohnt hatte und seinem genialen Widersacher nicht mehr gegenübertreten bevor er nicht jede einzelne dieser dummen Regeln überprüft hatte. Es war so schrecklich nervig, Light schien unschuldiger als je zuvor zu sein und doch war L sich sicher, dass Higuchi nur die Strohpuppe war, die Light ihm entgegen warf, gemeinsam mit dem Notizbuch. Kira – ob es nun Light war oder nicht, aber jedenfalls der wahre Kira musste doch gewollt haben, dass L das Buch in die Finger bekam, ansonsten hätte er Higuchi beseitigt, während L und die anderen ihr Schauspiel auf Sakura TV abzogen und es nicht so weit kommen lassen. Aber Light war die ganze Zeit bei ihm gewesen, L hatte ihn völlig abgeschirmt und überwacht, wie war es ihm also gelungen? Oder drehte L nach all der Zeit als einsamer Detektiv langsam durch. Unter Leute zu gehen war ein Risiko gewesen, für seine körperliche Sicherheit, aber er hätte auch bedenken müssen, dass er, der kaum je echte menschliche Kontakte hatte, unter Umständen emotional angreifbar war. Nun war es zu spät, Light war ihm unter die Haut gekrochen und hörte nicht auf, L zu nerven. Zum ersten Mal in seinem gesamten Leben zog L in Betracht, jemand von Wammy’s House hinzuzuziehen. Wenn ihm mittlerweile der Abstand fehlte, wenn es nicht Light war, und er durch seine Fixierung Kira davonkommen ließ? Aber war es denn eine Fixierung? Wenn er Light ansah, schrie eine innere Stimme jedes Mal wieder „Kira“. Falls er für Light das empfand, was als Liebe bezeichnet wurde, würde er ihn nicht für unschuldig halten? Zum ersten Mal bereute L auch, noch nie geliebt zu haben. Light bedeutete für ihn offenbar viele erste Male, mit Ausnahme von Sex. Das hatte er Ryuzaki Rue überlassen. Nicht, dass es von Bedeutung für L gewesen wäre. Es war alles bedeutungslos, auch die Lüge von wegen „Light ist mein erster Freund.“ Auch wenn die Lüge wahr war. Aber sie war nur ein weiterer Einsatz in ihrem Spiel. Wie diese Regeln. Er ging im Kopf die Akten der möglichen Nachfolger durch, die Roger ihm übersandt hatte. Aber keins von den Kindern war emotional bereit für diesen Fall. Kira war zu gefährlich, zu verführerisch. L konnte sie in diesen Sumpf nicht hineinziehen. Er würde Kira alleine zu Fall bringen und dann nach England fahren, um einen Nachfolger auszuwählen und auszubilden. Als man ihn haushoch überstimmte bei der Entscheidung, ob Light freigelassen wurde oder nicht, starrte L die obere Decke an und malte sich aus, wie er Light strangulierte. Aus Rache, weil er L plötzlich nicht mehr egal war. Vielleicht war er ihm auch nie egal gewesen. Wortlos bedeutete er Mogi, die Handschellen zu lösen und würdigte das zweitgrößte Genie im Raum noch immer keines Blickes. #34 Anfang und Ende Die Gabel stieß mit der Wucht einer Naturgewalt auf den Kuchen nieder. Ls rechte Hand war zu ungestüm, zu frei ohne die metallene Verbindung zu Light. Lustlos stopfte er die Süßspeise in sich hinein, starrte blind auf den Monitor vor ihm. Es war elf Uhr abends, die Zeit, um die er normalerweise dem Brünetten dabei zusah, wie er anfing gegen die Müdigkeit anzukämpfen und verzweifelt versuchte zu verbergen, dass sein Gehirn Geschwindigkeit einbüßte. Normal hätte L noch zwei, drei Stunden mit Arbeit verbracht, bevor er Light erlaubte, sich in ihr gemeinsames Zimmer zurückzuziehen. Normalerweise… wie schnell ein paar Monate zur „Normalität“ werden konnten. Die Gabel killte erbarmungslos eine weitere Bananenschnitte. L war nicht nur der Verdächtige abhanden gekommen, sondern auch das Entertainmentprogramm. Wie hatte er früher seine spärlich gesäte Freizeit verbracht, als er noch keinen Light Yagami zum Ansehen gehabt hatte? Ein höfliches Klopfen drang von der offenen Tür der Suite an Ls Ohr. Nur ein Mensch auf Erden konnte so höflich und zugleich fordernd klopfen. „Verschwinde!“ Eigentlich hätte er ja sagen sollen: Du bist frei, also musst du hier nicht mehr herumlungern, du kannst zu deiner geliebten Misa gehen. Aber erstens war L viel zu sauer, um soviel auf einmal zu sagen und außerdem zog es bei dem Teil mit Misa seine Brust zusammen. Er konnte den Satz ja später einmal anbringen. „Ryuzaki“, sagte seine Stimme, so sanft und verführerisch wie immer, zugleich so gespielt unschuldig, dass einem davon schlecht wurde. „Ich konnte nicht schlafen…“ „Ist das so.“ Einen Moment lang war es still, dann störte Light wieder: „L hat mir doch erlaubt, hier zu bleiben, bis alles vorbei ist… ich habe auch keinen Ort mehr, an den ich gehen kann.“ Er atmete tief ein, um Schmerz in seiner Stimme zu verdecken, den er -wahrscheinlich- in Wirklichkeit nicht fühlte. „Im Haus meiner Eltern bin ich nur noch Gast.“ L reagierte nicht. Es hatte keinen Sinn, dass Offensichtliche zu sagen. Light würde mit Misa zusammen wohnen, nach seiner ach so bewegenden Erkenntnis, die er auch noch schön laut vor allen herausposaunt hatte . Zum Teufel mit Liebe und Aufopferung! Da wurde einem ja schlecht, wenn man nur daran dachte, wie Light so etwas daherfaselte und die anderen es auch noch glaubten. Die Gabel im Mund, drehte L den Kopf zur Seite. Das andere Genie war näher gekommen und hockte sich neben Ls Couch nieder. „Ich bin ganz unruhig, wenn ich allein bin. Ich liege im Bett, aber es ist das falsche. Ich atme, aber dein Atem fehlt. Da ist kein Herzschlag neben mir und es riecht nicht nach dir.“ Light sah zu Boden. Dramatisch, dramatisch. L hätte zu gern gewusst, ob er das im Spiegel geübt hatte oder es schon Teil von Lights Repertoire gewesen war. Aber leider hatten die Polizisten alle Kameras entfernt, zumindest alle, die sie gefunden hatten und so konnte L es nicht nachprüfen. Langsam, so langsam näherten sich Lights Fingerspitzen Ls Hand, die auf seinem Knie ruhte. Bevor es zur Berührung kam, nahm der Detektiv sie weg. „Ich weiß, es ist so wichtig, an der Sache dranzubleiben, weil Kira so gefährlich ist, aber ich kann an nichts anderes denken als…“ Light brach ab und benutzte stattdessen Lippen und Zunge, um Ls Ohr zu küssen. Der Schwarzhaarige schloss die Augen. Vielleicht war ja nicht alles davon gelogen. Immerhin hatte er genau darauf hingearbeitet in der Zeit ihrer erzwungenen Nähe. Light sollte tatsächlich von ihm abhängig sein. Ohne einen bewussten Entschluss darüber zu fassen, drehte L den Kopf und erwiderte die Liebkosungen. Nicht viel später drehten und wanden sie sich auf „ihrem“ Bett wie ein verwachsenes Fabelwesen, völlig nackt und doch so schamlos. Es war, als entdeckten sie einander neu, waren wieder überrascht und entzückt von bereits so bekannten Dingen. Light war kitzelig in der Kniekehle. Ls Wirbelsäule definierte „erogene Zone“ neu. Sie fochten einen eher trägen Kampf um Dominanz. Einerseits wollte L wirklich wirklich, dass Light ihm hilflos ausgeliefert war, mit gespreizten Gliedern ans Bett gefesselt, damit ihn höchstens Blicke angreifen konnten während er seine dunkelsten Fantasien auslebte. Andererseits war es so verlockend sich einfach nur einmal aufzugeben und Dinge geschehen zu lassen. Light schien es ähnlich zu gehen. „Nun ja“, meinte L mit rauer Stimme, „Wir haben alle Zeit der Welt.“ „In der Tat.“ Light stimmte ihm zu und griff unter die rechte Matratzenecke, wo sie seit den ersten paar Malen die Gleitcreme und Kondome aufbewahrten. „Sei so nett und zieh das Bein ein wenig an. Perfekt.“ Das geheime As von Interpol lag halb auf der Seite, halb auf dem Bauch, Kopf auf einen Unterarm gebettet und das andere Bein angezogen, der Verdächtige kniete hinter ihm und küsste Ls Nacken während er sanft mit den Fingerspitzen um die Rosette kreiste. L war nicht oft der passive Part und wenn, dann ging es schnell und wild. So langsam intensiv, dass es die Nervenenden fast zerriss, war er es nicht gewohnt. Eine Spur elektrischen Feuers zog sich über seinen Rücken, mündete in der Öffnung, die sich rhythmisch um Lights Mittelfinger zusammenzog. Die warme Hand entfernte sich und L hätte aufheulen können vor Frustration, brauchte er die Berührung doch so unbedingt. Da kamen die Finger wieder zurück, nassfeucht und kühl, dass es L schauderte. Aber nur kurz, dann waren sie wieder warm wie zuvor und diesmal wagten sich gleich mehrere in ihn hinein, fanden und massierten die Prostata, nur um sie dann zu meiden wie die Pest. L fluchte leise vor sich hin. Light lachte melodisch und fies. L stemmte die Zehen ins Bettlaken und erhob sich auf die Knie, zeigte Light, dass es vorbei war mit den Spielchen und er es sich anders überlegen würde, wenn man ihn noch lange warten ließ. Der andere bewies, dass er doch recht intelligent war und folgte. Der erste Stoß kam langsam und quälend, der zweite nicht viel schneller. Mit einer Hand schnappte L sich ein Polster, um damit notfalls nach hinten schlagen zu können falls der Junge nicht bald in die Gänge kam, die andere stützte ihrer beider Gewicht. Light gab einen tiefen, kurzen Laut von sich. Gleichzeitig wurden seine Bewegungen heftiger, fordernder und schneller und in kürzester Zeit fühlte es sich an, als würde L zerreißen. Er bog den Rücken durch und keuchte. Mit äußerster Präzision gepaart mit animalischer Brutalität traf Light mit jedem Stoß auf das empfindliche Nervenbündel der Prostatadrüse. Und plötzlich hielt er ganz still, fast ganz heraus, nur die Spitze noch umfangen von Ls Muskelmembran. „Ach ja“, murmelte er beiläufig von hinten in Ls Haar „Es gibt etwas, das ich dir sagen muss, Ryuzaki.“ Er küsste einen Nackenwirbel, der besonders hervorstand und legte dabei sein gesamtes Gewicht auf L, der sie beide immer noch mit nur einem Arm hielt. „Ich bin Kira.“ L blieb keine Zeit auf diese Äußerung wie auch immer zu reagieren, weil in diesem Augenblick Light sich wieder in ihm versenkte und zwar recht heftig, worauf Ls Arm einknickte und er auf dem Gesicht landete. Gleichzeitig wurde alles weiß, seine Nerven explodierten, als er seinen Samen über das Laken verspritzte. Kapitel 7: ----------- #35 Novembermorgen Kirchenglocken läuteten ohrenbetäubend. Nur in seinen Gedanken, aber das reichte auch schon. Watari drehte sich zu ihm um. * „Ist das so.“ Light hockte auf den Fersen, nackt, verschwitzt und mit weit aufgerissenen Augen. „Ich wusste es“, sagte er. * „Was wirst du tun?“ Eine Pause. „Ryuzaki.“ Selbst jetzt noch wurde stur der Deckname verwendet. Der Überwachungsraum war dunkel, nur erhellt von den unzähligen Monitoren. L starrte auf den Boden, er schaffte es nicht, Watari anzusehen. * „Das ist meine Zeile, Light-kun.“ „Findest du das nicht krank, Kira zu lieben?“ „Und nicht dich?“ beendete L den Gedanken. „An Light-kun war immer nur das Geheimnis interessant.“ * „Als Geständnis taugt das nicht viel, Ryuzaki.“ Das wusste er doch. Und Light Yagami wusste es auch. L zitterte vor Ohnmacht. „Ich werde sterben.“ * Der Student zuckte zurück, sichtlich gekränkt. „Das war es also mit uns?“ * Nackte Zehen kräuselten sich auf den Steinplatten. „Heute Abend.“ Aus der monotonen Stimme waren keine Gefühle herauszulesen. „Ryuzaki…“ * „Was für ein ‚uns’, Light-kun?“ Der Junge schluckte heftig. Ob es diesmal echte Tränen waren, die er unterdrückte? „Ich nehme an, du bist nicht bereit, dein Geständnis vor den anderen zu wiederholen?“ * Der junge Mann mit den schwarzen Haaren kam endlich in Bewegung, schnellte vorwärts an Watari vorbei und versteckte sich wie ein kleines Kind unter dem Schreibtisch. * Light lächelte kalt. „Was für ein Geständnis? Das war nur Sex.“ #36 Regen Light war noch nie so aufgewühlt gewesen. Alle Spielfiguren waren in Stellung gebracht und Light war kurz davor, den gegnerischen König matt zu legen. Das war’s L. Du bist tot, tot, tot! Aber es war nicht seine Art zu feiern bevor das Wild erlegt war. Trotzdem hatte er siegessicher hinausposaunen müssen, dass er Kira war. Es war wie ein innerer Zwang gewesen, er konnte nicht anders. Nicht, dass L jetzt noch etwas ändern konnte. Rem war schon auf ihn angesetzt, es war nur noch eine Frage des Auslösers. Und den würde Light noch heute betätigen. Dennoch, etwas nagte an ihm. Es war immerhin L. Würde er nicht noch irgendeinen Trumpf verstecken? Überhaupt, es tat Light im Herzen weh, diese schreckliche Verschwendung, L’s Intellekt hätte ihm von Nutzen sein können. Doch das Risiko war viel zu groß. Die Lippen des Jungen, der Kira war, pressten sich zu einer dünnen Linie zusammen. Trotzdem schade, der schwarzhaarige Chaot war gut im Bett. Und gut dabei, einen innerlich zu zermalmen. Light hatte geglaubt, er hatte geglaubt, dass… aber das war jetzt auch egal, denn in ein paar Stunden war dieser verdammte Ryuzaki schon kalt. Verwundert stellte Light fest, dass seine Füße ihn aufs Dach getragen hatten. Hier hatten sie zusammen Golf gespielt und auch anderweitig Spaß gehabt. Damals war es ein brütend heißer Tag gewesen. Heute schüttete es wie aus Eimern. Light ging hinaus, um frische Luft zu schnappen, er fühlte sich, als würde er drinnen ersticken. Und da, mitten im strömenden Regen, stand seine Nemesis, sein Geliebter, sein Opfer. „Was machst du denn da, Ryuzaki?“ Da war es auch schon heraußen und Light konnte es nicht mehr zurücknehmen und verschwinden, L wusste jetzt, dass er hier war. Er drehte sich Light zu und bedeutete ihm, lauter zu sprechen. Der wiederholte seine Frage, aber der prasselnde Regen übertönte alles. Vielleicht. Vielleicht tat L aber auch mit Absicht so, damit Light auch hinausgehen musste in die Sintflut da draußen. Ziemlich wahrscheinlich sogar, der Mistkerl. Aber irgendwie sah er auch süß aus im „begossener Pudel“ Look. Light wünschte diese Gefühle zum Teufel, denn da gehörten sie auch hin. Er näherte sich dem anderen, hielt aber dennoch einige Schritte Abstand. Immerhin waren die Zeiten der Kette ein für alle Mal vorbei. Sofort war er so nass, als ob er in einen Pool gesprungen wäre. War das Ryuzakis letzte Rache? Eine Erkältung? Oder aber er hatte einfach den Verstand verloren. Glocken? „Eine Hochzeit oder…“ „Red nicht solchen Unsinn! Lass uns hineingehen“, unterbrach ihn Light. Dennoch beendete sein Gehirn den Satz. Oder ein Begräbnis? Willst du mir damit etwas sagen, L? Weißt du, dass deine Zeit gekommen ist? „Entschuldige.“ L drehte sein Gesicht wieder in den Regen. „Du weißt, es fällt mir nicht leicht, Beziehungen zu anderen aufzubauen. Ich vertraue niemandem.“ Eine Pause. „Aber du bist genauso.“ „Wie meinen?“ „Hast du seit du auf der Welt bist überhaupt jemals die Wahrheit gesagt?“ #37 schmelzen Light saß auf der Treppe, die nackten Füße zwei Stufen unter ihm auf den kalten Stein gesetzt, und trocknete seine pitschnassen Haare mit einem flauschigen Handtuch. Ls Handtücher waren immer weiß und flauschig. Er war so ein kleines Kind. Kira hatte seinen Zorn hinuntergeschluckt und irgendetwas Belangloses über Lügen erzählt. Mit seinem charmanten Auftreten bekam er alle rum. Nur L nicht. Niemals L. Und Misora, das kleine Miststück. Sie hatte wohl von Ls Gift getrunken gehabt und war daher beinahe immun gegen Light gewesen. Aber eben nur beinahe. Und bald galt das auch für L. Bald war völlig bedeutungslos, ob L ihm jemals Glauben geschenkt hatte oder nicht. Der Puls des Jungen, der Gott war, beschleunigte sich. Er konnte es schon fühlen, wie L… „Was für ein schrecklicher Sturm!“ Light blickte nicht aus seinem Handtuch auf. „Das brauchst du mir nicht sagen, ich stand nicht freiwillig da draußen.“ „Das ist wahr. Entschuldige.“ Nun, das waren ja ganz neue Töne von Ryuzaki, der Personifikation der Unhöflichkeit. Was war los? Tat es ihm gar Leid, dass sie sich in den letzten Stunden nur gestritten hatten? Light zuckte zusammen. Eine eiskalte Hand hatte nach seinem Fuß gefasst. „Was tust du?“ Ryuzaki kniete ein paar Stufen unter ihm und blickte nach oben. Er sah aus wie ein ausgesetzter Welpe. „Ich dachte, ich helfe dir.“ „Danke, du musst mich nicht abtrocknen.“ Das kann ich schon selbst, dachte Light. Es war ihm irgendwie unangenehm, wie L da unter ihm kniete. Es war irgendwie einer seiner schönsten Fantasien wahr geworden, aber auch wieder nicht. Light verstand nicht, und das machte ihn kirre. In seinen Feuchtträumen kniete L vor ihm und sagte sinnvolle Sachen wie: „Ich verstehe jetzt meine Verbrechen und erwarte Kiras Urteil.“ Das hier sah aus wie eine Unterwerfungsgeste, aber vielleicht war es für L, der so verdorben, so unschuldig sein konnte, wirklich nur Hilfe beim Abtrocknen. „Ich massiere dich auch? Das ist das Mindeste, was ich tun kann, und ich bin auch wirklich gut darin.“ L hatte ihn bisher kein einziges Mal massiert. Er steckte noch immer so voller Überraschungen, und das so kurz vor seinem Ende. Und die Bedeutung des Ganzen war Light völlig unklar. Er wandte den Blick ab. Sein Feind, mit gesenktem Kopf kniend, in einer Hand Lights rechten Fuß, in der anderen ein Frotteetuch, der Anblick war zu viel. Er konnte spüren, wie ihm das Blut in tiefere Regionen schoss, und er wusste, dass es nur schlecht ausgehen konnte, aus der Situation etwas Sexuelles zu machen. „Tu, was du nicht lassen kannst.“ Nun, das hätte er sich denken können. L malträtierte Lights Fußreflexzonen, dass ihm Hören und Sehen und auch der Sinn nach Sex verging. Light sah ihn wieder an, gerade in dem Moment, als sich aus Ryuzakis triefnassen Haaren ein Tropfen löste und auf Lights Knöchel fiel. Er griff nach seinem Handtuch, das er in seiner Verwirrung neben sich hatte fallen lassen und tupfte damit Ls Haare ab. Langsam und vorsichtig, so sanft wie er konnte. Warum? Er wusste es nicht, außer dass sich sein Fuß wirklich gut anfühlte, nachdem L damit fertig war und nach dem anderen griff. Es sollte wohl eine Versöhnungsgeste sein und Light fühlte sich seltsam. Er wollte L noch einmal küssen, ein letztes Mal, lange und ausgiebig. In letzter Zeit hatten sie einander mehr genommen als gegeben, mehr Schmerzen zugefügt als Vergnügen. Oder war das immer schon so gewesen zwischen ihnen? „Entschuldige“, sagte L nochmals, aber warum entschuldigte er sich? Er sollte sich doch bedanken. Nein, er sprach von etwas ganz anderem. Man beachtete seine Füße nur selten, obwohl man den ganzen Tag auf ihnen stand. Light wurde sich ihrer plötzlich ganz bewusst, jeder Berührung von Ls schlanken, aber starken Fingern. Der Schwarzhaarige hob den Kopf und sah Light aus seinen rabenschwarzen Augen an. „Du wirst bald verstehen.“ Lights Herz klopfte noch viel schneller. Verstehen… und er wollte nicht verstehen, er wollte nur nach diesem Gesicht greifen und es näher heranziehen, so dass er weiter in diese unergründlichen Augen sehen konnte, während er sein Gesicht langsam auf ihn herabsenkte und – Ls Handy klingelte. Er stand sofort auf und antwortete einsilbig. Dann wandte er sich von Light ab. „Wir sollten zurückgehen.“ Eine kurze Pause. „Vielleicht geht es ja doch noch gut aus.“ Der träge Augenblick war völlig zerstört, Light stand auf und folgte dem anderen, nicht, ohne vorher seine nassfeuchten Schuhe anzuziehen. Er musste etwas schneller laufen um den barfüßigen Ryuzaki einzuholen, aber als er es tat, stieß er ihn mit aller Kraft zur Seite, so dass der dürre Detektiv gegen die Wand geschleudert wurde. Sofort folgte Light ihm nach und presste ihn mit seinem ganzen Gewicht an die Wand, bevor L die Chance hatte, auszuholen und zurückzuschlagen. „Ich wünschte, ich müsste es nicht so tun.“ Light wusste selbst nicht genau, was er damit meinte, womöglich alles, was je zwischen ihnen vorgefallen war. Er machte, was er gerade eben auch hatte machen wollen, aber die Situation war ganz anders und es war wie immer zwischen ihnen, brutal und dominant und heftig und L küsste genauso zurück. Nur eines von ihren Spielen. Alles war wie immer. #38 Zucker Der Geschmack von Kaffee war das, was ihm am stärksten auffiel. Kaffee vermischt mit spezifischem Light - Geschmack. Und sein Geruch. Sein Geruch klebte überall an L. Warum war es diese Begebenheit, die seine Aufmerksamkeit einfing, in dem Moment als sein Herz schon nicht mehr schlug und er den endlosen Weg zu Boden fiel? L hatte schreckliche Angst vor dem Tod. Zu wissen, dass er richtig gelegen hatte, war kein besonders großer Trost, als ihn Kiras Grimasse von oben verspottete. #39 Zucker Ein Zittern war durch Ls Körper gelaufen, bevor er in Lights Armen erschlaffte. Light konnte nicht aufhören, daran zu denken, auch nachdem seine Arme leer waren. Er hatte sich geweigert, L loszulassen, Soichiro hatte ihm den Leichnam mit Gewalt entrissen, um ihn den Sanitätern zu übergeben. Die Rolle hatte er perfekt gespielt, nicht wahr? Immerhin hatte er gerade seinen Freund verloren, zumindest für die Polizisten. Es war das natürlichste auf der Welt für Matsuda, Light zu halten damit der Junge an dessen Schulter sein Gesicht verbergen konnte. Er weinte nicht, aber er könnte es. Er lächelte nicht, aber er könnte es. Die Frustration war beinahe greifbar. Sumimasen, hörte er Ryuzaki in seiner Erinnerung sagen, Entschuldigung. L war tot und das Gefühl des Triumphs wollte einfach nicht kommen. Bastard. Was war das Feuchte auf seiner Wange? *** hat noch jemand lust den epilog zu lesen? Epilog: -------- ich hab mir bisher nie die mühe gemacht auch nur irgendwas zu diesem teil zu sagen, aber das ändere ich jetzt. ^^" also wenn wir rein hypothetisch annehmen, dass Zucker Death Note sei, wie es hätte sein sollen (und nur deshalb hab ich es geschrieben) dann ist dies der Schluss, der hätte sein sollen. wer ihn komisch findet, soll ihn doch einfach ignorieren. ^^ #XX In seiner Hosentasche war ein Bild. Ein digitales Foto, in guter Qualität auf Papier ausgedruckt, aber mittlerweile zerknittert und teils verblasst. Er musste es sich nicht ansehen, um zu wissen, was darauf war, in jedem kleinen Detail. Wenn er die Hose wechselte, nahm er es heraus und steckte es in die neue Hosentasche, immer darauf bedacht, es verkehrt herum zu halten. Er wollte es nicht ansehen, aber er wollte immer die Möglichkeit haben es zu sehen. Und manchmal nahm er es heraus, um zu sehen ob seine Erinnerung mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Das Bild zeigte einen jungen Mann im Bett, die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Dunkle Schatten unter den Augen, wie blaue Flecke, das Gesicht bleich. Am liebsten würde er es jetzt ansehen. Seine Hand zuckte. „Wir sind da.“ Die Stimme schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Schon da? Er hatte nie wieder hierher kommen wollen. Er antwortete dem Chauffeur nicht, wartete einfach, bis die Tür der Limousine geöffnet wurde. Dann bedeutete er ihm, hier zu warten und ging langsam auf das Gebäude zu. Das dauerte eine Weile, weil es von einer weitläufigen Parkanlage umgeben war. Es war ein schöner Frühlingstag. Die Vögel zwitscherten unter den Bäumen, Bänke luden zum Verweilen ein. Er wollte nur weg. Er meldete sich beim Portier an, dieser verwies ihn an die nächste Schwester. Sie war etwa fünfunddreißig, trug die schwarzen Haare zu einem schönen dicken Knoten im Nacken und lächelte ihn an. Ihr Namensschild lautete „Tanaka Minako“. „Ich weiß, zu wem sie wollen“, sagte sie ihm fröhlich. Er sah sie nur an, er war noch nie hier gewesen. Das Foto war hier aufgenommen worden, aber er war nur via Webcam dabei gewesen. Er hatte sich vorgestellt, dass es nach Krankenhaus roch, nach Antiseptikum und ähnlichem. Aber es roch nach Tannennadeln. Ätherisches Öl in den Schalen, die man in den Gängen aufgestellt hatte. „Oh, er wird sich so freuen!“ Schwester Tanaka war ganz aus dem Häuschen. „Das müssen Sie sich ansehen!“ Sie führte ihn durch labyrinthartige Gänge zu einer licht durchfluteten Galerie. An der Wand hingen Bilder, von sinnlosem Gekrakel zu Farbklecksen und regelrechten Kunstwerken. Sie deutete auf eine Kohlezeichnung. Schwarzes Haar stand wild in alle Richtungen, die Striche dafür waren sorgfältig ausgeführt. Das Gesicht war nur schemenhaft, dominiert von den übergroßen Augen, mit dicken Augenschatten darunter. Ein paar Bilder weiter hing ein Aquarell mit Cupcakes in zartem Rosa, eins davon gefangen zwischen schlanken, fast weißen Fingern. Und dann war da ein Acrylgemälde. Es zeigte zwei abstrakt verschlungene Körper, umrahmt von weißen und schwarzen Flügeln. Die Gestalt mit den weißen Flügeln hatte wirre schwarze Haare und starre schwarze Augen. Die andere Gestalt hatte ihre Augen geschlossen, aber er wusste, sie wären braun wie Karamellen. „Manchmal isst er seinen Nachtisch nicht. Sagt, der ist für Sie.“ Das sollte nicht so wehtun. „Wo ist er?“ Sie führte ihn in einen Innenhof, groß aber überschaubar. Eine zusammengesunkene Person saß in einem Rollstuhl, der untere Körper mit einer Decke verhüllt. Es war zwar Frühling und sonnig, aber dennoch kalt, wenn man nur saß. Als er langsam näher kam, sah er, dass die Handgelenke and die Stuhllehnen gekettet waren. Hinter dem Stuhl stand in einigem Abstand ein Wachmann. Er war nicht hier, um die Person von Flucht abzuhalten, sondern um ihn zu schützen. Das Foto zeigte diesen Mann im Krankenbett, mit blutigem Verband um den Hals, das Gesicht leichenbleich. „Er liegt im Sterben“, hatte die Nachricht des Arztes gelautet „ein Mitinsasse hat ihm ein Buttermesser durch den Hals gerammt.“ Und dann, etwas später, hatte man zu ihm gesagt, es sei besser so. Wozu sich noch abmühen für diese Person? „Rettet ihn um jeden Preis der Welt“ hatte er zurückgeschrieben. Ich konnte dich nie gehen lassen, dachte er, als er die rotbraunen Haare in der Sonne glänzen sah. In dem Moment bemerkte Light ihn und sah auf. Er lächelte, bewegte die rechte Hand als ob er ihn berühren wollte, überlegte es sich aber noch anders, bevor er den geringen Spielraum der Kette aufgebraucht hatte. „Hallo, Light-kun.“ „Hallo, Ryuzaki!“ grüßte der fröhlich zurück, dann beugte er sich konspirativ vor. „Ich glaube nicht, dass mein Arzt es befürwortet, wenn ich mit meinen Halluzinationen rede.“ L setzte sich in typischer Manier auf die nächste Bank. „Ich denke nicht, dass Light-kun Halluzinationen hat.“ Light dachte eine Weile nach. „Das wäre aber schade. Dann könnte ich Ryuzaki nicht sagen, dass es mir Leid tut, dass ich dich getötet habe.“ „Nun, das täte mir auch Leid. Wie gut, dass du mich nicht getötet hast.“ Nicht, dass es Lights Verdienst gewesen wäre. Und Watari würde er ihm nie verzeihen. Beim Gedanken an das letzte Mal, dass er mit Watari gesprochen hatte, schnürte sich seine Kehle zusammen. „Was wirst du tun? Ryuzaki.“ „Ich werde sterben. Heute Abend noch.“ Er kauerte unter Wataris großem Schreibtisch. „Ich weiß, wir wollten das nicht tun, und wahrscheinlich geht es schief, aber… es ist zu spät. Ich hätte mich nie zu erkennen geben dürfen.“ „Dann wärst du aber auch nie soweit gekommen.“ L lehnte sich vor, legte die Wange auf das Knie des Menschen, der die einzige Familie war, die kannte. Manchmal stellte er sich vor, dass Watari sein Großvater war. Sein richtiger Großvater. „Danke… f- für alles.“ Dann krabbelte er wieder unter den Schreibtisch um das zu holen wofür er gekommen war. Bis zuletzt hatte er gehofft, dass Light es nicht über sich bringen würde, aber vergebens. Es war Light und er war gnadenlos. „Du musst es Roger sagen. Sie sollen es gemeinsam machen, wenn ich nicht mehr da bin.“ Er öffnete das Etui, brachte ein Nadelset und eine Phiole klarer Flüssigkeit zu Tage. Sorgfältig zog er die Spritze auf. „Drei Stunden, etwas mehr? Es muss genau passen.“ L schlüpfte aus seinem weißen T-shirt. Watari nahm ihm die Spritze aus der Hand und injizierte sie in Ls Arm. Er sah traurig aus. „Es ist okay.“ In Wirklichkeit war es sich da nicht so sicher. Wenn sein Herz nicht schlug, konnte Kira es nicht anhalten, richtig? „Instruiere die Sanitäter. Am besten sie warten gleich auf der Straße und fangen alle Anrufe ab.“ L hatte keine Lust, unabsichtlich verbrannt zu werden. Er sah auf die Uhr. Zwei Stunden und vierzig Minuten. War die Dosis stark genug? Sollte er sich etwas schwächen? Ryuzaki ging aufs Dach, in den strömenden Regen. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass Light, beziehungsweise der Todesgott, auch Watari angreifen würde. „Du bist nicht tot?“ „Nein.“ „Schade. Ich hätte gern gewusst, ob es ein Danach gibt.“ Light seufzte. Ihn um jeden Preis der Welt zu behalten, hatte L beschlossen. Die Äpfel kosteten ein Vermögen, aber solange L den grinsenden Todesgott unterhielt, blieb Light am Leben. Zeit zu tun, wofür er gekommen war. Aus der Hosentasche, die nicht Lights Bild enthielt, zog er einen anderen Papierstreifen. Das ist meine Strafe für dich, Light-kun, dachte er, nicht sterben und nicht vergessen, so einfach lasse ich dich nicht davonkommen. Das Stück von Lights altem Death Note berührte Lights Handrücken und war sofort wieder in Ls Jeans verschwunden. „Wir sehen uns nächstes Jahr, Light-kun.“ Ls Finger strichen kurz über Lights, bevor er aufstand und ging. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)