Luv von abgemeldet (one day) ================================================================================ Kapitel 11: Ashling ------------------- Nachdem sie sichergestellt hatte, dass sich außer ihr selbst und den beiden schlafenden Männern, Leon und Raphael, niemand mehr im Haus befand, setzte sich Phoebe mit einer Tasse Kaffee an den Küchentisch und blickte die Wand an. In ihrem Kopf arbeitete es rege, äußerlich schien sie gefasst. Das Wohnzimmer war verwüstet, die Fenster zerstört, die Vermieterin wusste wahrscheinlich noch nichts von alledem. Zwei ihrer besten Freunde lagen Arm in Arm in ihrem Bett, von Ashling fehlte noch immer jede Spur, was Ludovika und Shinya anstellten wusste der Geier. Die junge Frau strich sich genervt das Haar zurück und schnaufte, als es an der Tür klingelte. Sie zuckte zusammen und sprang auf, rannte fast zur Tür. „Ludovika. Shinya?“ Da standen sie, sahen sie an wie Lämmer, sie sahen grässlich aus. „Wie seht ihr denn aus? Kommt rein“, sagte sie und machte Platz. Sie schloss die Tür hinter ihnen. „Wo kommt ihr her, dass ihr dermaßen abgewetzt ausseht?“ Ludovika grinste hämisch. „Du meinst: beschissen?“ „Wenn Du es schon weißt, ja. Kommt in die Küche, ich hab Kaffe gekocht. Wisst ihr, wo Ashling ist?“ „Nein“, antwortete Ludovika, „müsstest Du das nicht wissen? Sie is’ deine Flamme.“ Entrüstet wollte Phoebe antworten, da erschien, leicht torkelnd und sichtbar schlaftrunken, Leonce in der Küchentür. „Morgen“, nuschelte er und kratzte sich am Kopf. „Morgen“, sagte Ludovika und setzte sich auf die Eckbank. „Was ist mit Ashling?“, fragte Leonce. „Gar nichts ist mit ihr“, sagte Phoebe hastig und beendete damit das Thema. „Sag mir lieber mal, was mit unserem Wohnzimmer passiert ist!“ „Wir sind überfallen worden“, sagte Leonce. „Die hätten uns um ein Haar kalt gemacht“, platzte Ludovika dazwischen und erntete einen mürrischen Blick von Phoebe. Leon sah sie dankbar an, schwieg jedoch. Sie verstand und dankte ihm im Geiste für seine Kameradschaft. „Wer sind ‚Die’“, wollte Phoebe wissen. „Kein Plan“, antwortete der Punk gelassen. „’n Mann und ne Frau, eigentlich hübsch, beide.“ „Hübsch? Sag mal, bist Du irre? Wo kamen die her, wo sind sie jetzt?“ „Keinen Dunst. Der Typ ist tot.“ „Woher weißt Du das?“ „Ich weiß es.“ „Okay, und was ist mit der Frau?“ „Weg.“ „Sagt mal, Leute, was ist denn das für ein Krach?“ Raphael, scheinbar durch ihre Unterhaltung geweckt, war neben Leon im Türrahmen erschienen. Auch er sah müde und ausgelaugt aus. „Ich hab mir nur gerade den Werdegang unserer neuen Wohnzimmer-Deko schildern lassen“, blaffte Phoebe. Sie leerte ihre Kaffeetasse, doch Raphael meinte sie hinter ihrem Pott leicht erröten zu sehen. Er zog die Brauen hoch. Dann erst fiel ihm auf, wie erbärmlich Ludovika Und Shinya aussahen. Besonders der Junge wirkte eher tot, als lebendig: asch-fahl, die Haut trüb, die Lippen rissig, das Haar strähnig und wirr, verdreckt. Raphael schnüffelte kurz in die Küche. Er und Ludovika rochen furchtbar. Zusammen ergaben sie einen Note aus Blut, Dreck, Staub und Hund. Welcher Duft von jeweils welcher Person ausging war schwer zu sagen. Er erinnerte sich an das, was Leonce ihm über Ludovika erzählt hatte und verzichtete daher auf die Frage nach ihrer Herkunft, doch konnte er auch Shinya nicht fragen, ohne das Thema auf Ludovika zu bringen. Er tapste müde in die Küche und nahm sich einen Becher aus dem Schrank. Während er sich die Kaffeekanne reichen ließ, beschrieb Ludovika der noch immer fahrig wirkenden Phoebe das Aussehen der geflohenen Fremden. „Sie war schlank, europäische Bauart, lange Haare, geile Stiefel, parfümiert. Keine Ahnung, wie die in den Gamaschen rennen konnte, aber als ich hinterher war, war die Alte über alle Berge – nichts.“ „Aber den Kerl habt ihr umgelegt?“, wollte Phoebe wissen. „Nich’ direkt.“, zögerte Ludovika, „Ich war es.“ Sie hatte einen Entschluss gefasst. Während ihrer Predigt für Shinya schon hatte sie gewusst, dass sie mit dem, was sie über ihn sagte, eigentlich über sich selbst sprach. Es war an der Zeit ihren eigenen Rat zu befolgen. Sie sah die Tischplatte an. „Ich möchte, dass ihr mir jetzt alle mal zuhört. Leonce weiß es schon, ihr anderen sperrt die Ohren auf. Wir kennen uns schon verdammt lange, auch wenn wir zwischendrin immer mal wieder abgekratzt sind, aber wenn wir nur die Stunden zusammenrechnen, die wir tatsächlich hier gewohnt haben in all den Leben, kommen wir auf ne hübsche Summe. Uhm..ich war nich’ ganz offen zu euch, oder sagen wir, ich hab euch was verschwiegen, weil ich Angst hatte, ihr würdet mich hängen lassen, wenn ich’s euch sage...“ Ein Klingeln and er Tür unterbrach sie. Unschlüssig warteten sie alle einen Moment ab, ehe es erneut klingelte und Leonce, der noch immer im Türrahmen lehnte, öffnete. Sie hörten Ashling hereinkommen und ihre Jacke ablegen. Still warteten sie alle in der Küche, einige Worte wurden im Flur gewechselt, Leonce schien ihr etwas zu sagen, doch auf die Entfernung konnte dies außer Ludovika niemand verstehen. Wortlos kamen sie zu zweit in die Küche zurück, Ashling nickte in die Runde und Leonce bedeutete seiner Freundin mit einer Handbewegung, fortzufahren. „Vor einigen Jahren bin ich von den Alten abgehauen, hab angefangen mich mit Punks zu treffen. Wir sind in der Stadt rumgegammelt, am Bahnhof Geld schnorren, Sprüche klopfen, Bier saufen und rauchen. Einfach so. Irgendwann wurd’s denen zu Hause zu bunt und sie haben mich ganz rausgeschmissen. War nich’ schade, ein paar Kumpels hatten ne Bruchbude am Stadtrand, da bin ich untergekommen. Heizen war nich’ und die Martratze haste teilen müssen, aber ich fand’s eigentlich geil - damals. Naja, irgendwann musst’ ich nachts noch mal raus – Kippen Hol’n. Und da isses dann passiert. Ich bin die Abkürzung über den Ostbahnhof, weil ‚n Automat gleich dahinter war und bin in ne Schlägerei reingelaufen. Da war’n mehrere schräge Typen, die hatten einen eingekreist und der hat geschrieen. Dass die alle komisch ausgesehen haben und gestunken haben is’ mir leider zu spät aufgefallen, sonst wär’ ich wohl gleich weggelaufen, aber als ich geschnallt hab was geht war’s schon zu spät. Zwei von denen ha’m sich auf den Männe geworfen und den gerissen – ge ris sen. Nich’ vermöbelt oder zusammengetreten, die haben sich auf den gestürzt, der hat geschrieen – aber nich’ lange. Ich bin dann auch sofort losgerannt, aber die waren gleich da. Ich will’s nich’ ausschmücken, also sag ich’s frei raus: ich bin ein Monster. Wenn ich aufgeregt bin oder angegriffen werde kann ich’s nich’ mehr zurückhalten und ich dreh’ durch. Wenn ich so drauf bin, kann es sein, ich greif euch an. Deshalb hab ich nich’ viele Freunde, ich hab Angst, ich tu’ euch was.“ Eine Sekunde verstich lautlos. „Du bist kein Monster“, sagte Leonce. „Du hast schärfere Sinne als wir, Du bist impulsiv, Du bist sehr stark und vielleicht ein bisschen instabil. Aber Du bist kein Monster. Wir mussten kämpfen und wir wurden fast getötet und wenn Du nicht gewesen wärst, dann wären Raphael und ich jetzt kalt. Du hast uns gerettet. Und Du hast unterschieden zwischen Freund und Feind.“ „Oh, bitte, Leon. Ihr lagt am Boden und die beiden anderen haben mich angegriffen, klar bin ich auf sie los. Den Typen hab ich erwischt, der ist Matsch, sieht bestimmt lecker aus..ich hab’ nicht mal ´ne Ahnung, wo er liegt.“ „Ich glaub auch, dass Du es beherrschen kannst“, warf Ashling ein und erntete dankbare Blicke. „Ja, genau, Du musst es eben trainieren.“, meinte auch Phoebe. „Und wir helfen Dir dabei.“ Das war Raphael. „Und so lange Du Dir noch nicht sicher bist müssen wir eben alle besser aufpassen. Jetzt, wo wir es wissen, ist das doch kein Problem mehr.“ „Genau.“ Shinya, der bisher als einziger geschwiegen hatte, neigte den Kopf, blickte Ludovika in die Augen. Was ist damals passiert, am Bahnhof?“ Ludovika sah aus dem Fenster, schien weit weg. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie antwortete. „Ich spürte, wie mir etwas Schweres von hinten in den Rücken fiel, knallte hin. Das ist alles sehr, sehr schnell gegangen. Ich wurde gebissen, es war überall Blut. Drei Männer...ich bin wohl sehr bald ohnmächtig geworden.“ „Und anschließend?“ Noch immer sah er sie an, Ludovika gab sich Mühe, an seinem Gesicht vorbei zu schauen. „Die Tage darauf waren ätzend. Ich bin ständig auf 180 gewesen und die Kumpels aus der Hütte haben mich bald an die Luft gesetzt, weil sie’s unheimlich fanden. Die Nägel wuchsen, die Stirnhöhlen traten hervor. Zahnschmerzen. Sah scheiße aus. Weil ich nix zum pennen hatte, bin ich jede Nacht zum Ostbahnhof. Na, wo es passiert ist eben. Ich dachte, jetzt, wo ich so bin wie sie..eine von denen.. ich dachte die nehmen mich auf. Aber ich hab sie nich’ wieder gesehen. Irgendwann wurde es besser, ich hab gelernt es zu unterdrücken und solange der Adrenalinwert nicht zu sehr ansteigt sieht man auch nichts mehr. Aber wenn, geht alles recht schnell. Ich hoff’ ihr müsst das nie sehen.“ „Hat es lange gedauert, bis du dich daran gewöhnt hast, dass Du so bist?“ Warum sah er sie so an? „Ja. Anfangs hatte ich kein Zeitgefühl. Ich bin sehr oft Bestie gewesen, an vieles, was während der Zeit passiert ist, kann ich mich nich’ richtig erinnern. Ist schon gut so. Ist hart, wenn Du nicht nachdenken kannst. Nur Triebe, Angst, Hunger, Lust. Ich weiß nich’ wie oft ich morgens inner fremden Stadt aufgewacht bin und ‚ne Beratungsstelle gesucht hab, weil mir Fetzen vom Vorabend im Kopf rum sind. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für Stunden sind, wenn man auf das Ergebnis von ´m Aidstest wartet.“ Ein Husten aus Ashlings Richtung. „Bitte?!“ Ludovika musste lachen. „Kannste Dir vorstellen, was ´nen Rudel Wölfe machen, wenn sie sich nachts am Stadtrand über den Weg laufen?“ Phoebe verzog den Mundwinkel zu einem Grinsen, nahm die Hand vor den Mund. Leonce schaute sich die Bodenfliesen an, Raphael zog seine rechte Augenbraue hoch und Ashling schwang die Faust nach Phoebe. „Sau!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)