Ich kann nicht lieben ... von Armaterasu (... nicht nachdem, was passiert ist.) ================================================================================ Kapitel 2: .:2:. ---------------- Während der Autofahrt schaute ich die ganze Zeit aus dem Fenster, sagte kein Wort. Zu vertieft war ich in meine Gedanken über das Heim, was mein neues Zuhause werden wird. Schlimmer als bei meinen Eltern konnte es nicht werden, hoffte ich. Doch was gab es Schlimmeres als tagtäglich Schläge zu bekommen und sogar vergewaltigt zu werden?! Mir fällt nichts ein und diese Tatsache zauberte ein kleines, wenn auch ironisches, Lächeln auf meine Lippen, was auch Dr. Kawashima sofort bemerkte. „An was hast du gedacht, Yutaka, das du sogar lächeln musst?“ Ich überlegte, ob ich es ihm sagen sollte, entschied mich schließlich dafür: „Daran, dass es im Heim kaum schlimmer als bei meinen Eltern sein kann.“, sagte ich leise, was ihm nachdenklich stimmte. Ich wusste, dass er zu gern wissen würde, was passiert war, aber ich konnte es ihm nicht sagen, irgendwas hinderte mich daran. Wir kamen im Heim an und mich überkam ein plötzliches Gefühl der Angst. Das Haus war alt, die Fassade bröckelt schon etwas, und in einem grauen Ton gehalten. An den Fenstern der ersten zwei Stockwerke waren Gitterstäbe angebracht, sodass man sich bestimmt wie in einem Gefängnis vorkam. „Tut mir leid, mein Junge, aber ein anderes gibt es nicht und ich kann dich leider nicht bei mir aufnehmen und Herr Hayakawa auch nicht.“, meinte er traurig, doch ich sagte, dass dies nicht schlimm sei, ich es doch nicht erwarten könne, dass mich fremde Leute bei sich zu Hause aufnahmen. Wir klingelten an der Tür und eine ältere Dame machte uns auf. „Bist du der Junge aus dem Krankenhaus?“, fragte sie mich in einem sehr unfreundlichen Ton, doch Dr. Kawashima antwortete freundlich: „Schönen guten Tag. Das ist Yutaka Uke und wird ab heute hier wohnen. Mein Name ist Dr. Kawashima und wir beide hatten telefoniert.“ Ihre Gesichtszüge wurden weicher und sie stellte sich als Frau Shimizu vor, bat uns hinein, damit wir noch den Papierkram erledigen und mir mein Zimmer zeigen konnten. Wie zu erwarten, gab es Doppelzimmer, doch das störte mich nicht. Vielleicht war es so leichter Kontakte zu knüpfen, aber auch leichter wieder misshandelt zu werden. Ich war aber sehr froh, dass mein Zimmer im dritten Stock lag und ich somit keine Gefängnisfenster hatte. „So, Yutaka, ich muss dann auch wieder los. Meine Frau wartet auf mich zu Hause. Melde dich bei mir, wenn etwas ist.“ Er umarmte mich zum Abschied und ich bedankte mich vom ganzen Herzen für seine Hilfe bei ihm. Nun war ich also wieder alleine, denn mein Zimmergenosse war nicht da und wenn ich ehrlich war, wollte ich ihn auch nicht so schnell kennen lernen. Wer wusste schon, was das für ein Typ war? Meine neuen Sachen packte ich ordentlich in den Schrank und legte mich danach ins Bett, versuchte einfach die letzten Wochen zu verdrängen und zu realisieren wo ich jetzt war. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn ich wurde von grellem Licht geweckt. Verschlafen drehte ich mich rum und erblickte wahrscheinlich meinen neuen Zimmergenossen, der mich auch sofort begrüßte. „Wer bist du und wie alt?“ Es klang mehr nach einem Befehl als nach einer Frage ... das konnte echt noch heiter werden. „Yutaka Uke, zwölf Jahre.“, stellte ich mich leise vor, erwartete nicht, dass er mir seinen Namen verriet, doch er tat es. „Kouyou Takashima, auch zwölf. Freut mich.“ „Mich auch.“ Ja, es freute mich ungemein ... das war Ironie. Auf jemanden der die pure Arroganz schon ausstrahlte, hatte ich gar keine Lust, aber wie so oft kann man sich im Äußeren täuschen, was mir später bewusst wurde. Das war es auch schon an Unterhaltung die wir führten. Er verließ wieder das Zimmer und ich blieb liegen und schlief weiter. Doch meine Ruhe wurde von der Heimleiterin erneut unterbrochen. „Essen. Sofort in die Mensa!“, sagte sie barsch zu mir und knallte die Tür lautstark wieder zu. Ich zeigte keine Reaktion und blieb einfach liegen, hatte ich doch sowieso keinen Hunger. Am nächsten Tag musste ich wieder in die Schule gehen, zum Glück konnte ich meine alte Klasse weiterhin besuchen, obwohl es somit ein leichtes Spiel für meine Eltern war mich zu finden und mir erneut die Hölle zu zeigen. Doch auch meine Klassenkameraden wendeten sich von mir ab, als sie erfuhren, dass ich in einem Heim lebte und somit sprach ich mit keinem Menschen mehr, mit Ausnahme von Dr. Kawashima der mich ab und zu mal besuchte. Mit den Jahren wurden seine Besuche allerdings auch immer seltener, was ich sehr bedauerte, traute ich mich doch nicht ihn anzurufen und ihn somit zur Last zu fallen. Ich ließ es bleiben und gab mich einfach dem Gefühl hin, dass mich wirklich keiner mehr brauchte, mich keiner wollte. Mein Zimmergenosse und ich verstanden uns zwar, aber wir redeten nie sonderlich viel miteinander, bis zu einem gewissen Tag, als bei uns im Heim verschiedene Musikinstrumente angeboten wurden mit dem dazugehörigen Unterricht. Er erzählte mir stolz, dass er unbedingt Gitarre lernen wollte. Seine Augen funkelten regelrecht und er schwärmte mir vor, dass er unbedingt in einer Band spielen will. „Ich kann Gitarre spielen, mich würde ja eher Schlagzeug reizen.“, sagte ich und meldete mich für den entsprechenden Kurs an. Seit diesem Tag redeten wir häufiger über Musik miteinander, trotzdem blieb unser Verhältnis eher oberflächlich. Meine neue Hölle begann mit 16, als einige Jungen des Heims „arbeiten“ mussten. Die Heimleiterin suchte sich diejenigen aus, die erwachsen genug aussahen, sodass sie auch durchaus für 21 durchgingen. Leider gehörten Kouyou und ich auch dazu und wir „durften“ in Shibuya in einer Schwulenbar tanzen, natürlich mit der Möglichkeit in einem der zahlreichen Hinterzimmer zu verschwinden und dort intimer zu werden, wenn man es wollte bzw. die Gäste es verlangten. Irgendwie waren er und ich die zwei Gefragtesten – leider. Die ganze Erinnerung, die ich die ganze Zeit versuchte über die Jahre zu verdrängen, kam wieder hoch. Doch ich konnte dem Martyrium nicht entfliehen, wohin sollte ich gehen? Mein Glück war es wahrscheinlich echt gewesen, dass an einem Freitagabend Gäste kamen, die mich wieder erkannten. Ich zog meine Show mit Kouyou durch, doch als plötzlich die drei Männer uns die restliche Nacht kaufen wollten, hatten wir beide ziemliche Angst. Durch diese „Arbeit“ sind Kouyou und ich etwas zusammen gewachsen, haben uns mehr erzählt als vorher und haben einfach versucht den anderen wieder aufzubauen. Es wären ja nur zwei Jahre, hatten wir dem anderen immer wieder gesagt. Zwei Jahre leiden, aber danach könnten wir einfach verschwinden aus dem Heim und uns ein neues Leben aufbauen und wir hatten auch schon Pläne geschmiedet, wollten zusammen abhauen, uns gemeinsam ein neues Leben beginnen. Die drei Männer, Kouyou und ich gingen in eines der geräumigsten Hinterzimmer und wir beide begannen mit der Arbeit, indem wir unsere Gäste erneut einheizten. Wir küssten uns innig und streichelten uns gegenseitig, bis wir mit unserer Show unterbrochen wurden. „Warum macht ihr das, Kinder?“, fragte uns einer der Herren. „Wir ... wir sind 21.“, log Kouyou, denn wir waren ja erst 16. „Also, du bist erst 16.“, sagte er wieder und zeigte dabei auf mich. „Woher ... woher wissen Sie das?“, fragte ich geschockt. „Yutaka, erkennst du mich etwa nicht mehr?“ „Dr. Kawashima?“, fragte ich leise, war mir nicht sicher, denn ich hatte ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen und er hatte sich auch etwas verändert. „Genau der.“, grinste er mich an und ich begann hemmungslos zu weinen, krallte mich in sein Hemd fest, erzählte ihm alles. „Was machen Sie eigentlich hier, wenn ich fragen darf?“, meldete sich Kouyou zu Wort. „Wir wollten uns einfach mal einen schönen Abend gönnen und da wir nicht in Versuchung kommen wollten unsere Frauen zu betrügen, sind wir halt hierher gekommen und Dr. Kawashima und ich haben Yutaka sofort erkannt. Da war uns klar, dass wir ihm, sowie auch dir helfen mussten.“, erklärte der andere Herr. Ich hatte mich mittlerweile wieder beruhigt und erkannte auch den anderen Mann. „Hayakawa – san.“, sagte ich mit tränenerstickter Stimme, verbeugte mich aber höflich vor ihm und seinem Sohn. „Hey, Yutaka. Ich bin Miyazaki.“ Stimmt, vor vier Jahren hatten wir uns gar nicht vorgestellt. Die ganze Nacht saßen wir in dem Zimmer und Kouyou und ich erzählten alles, was im Heim ablief. Mich wunderte nur, dass sich Hayakawa – san immer wieder Notizen machte, doch den Grund sollte ich schmerzhaft am nächsten Tag erfahren... Wir erzählten von den positiven Dingen wie z.B. die Musikkurse, aber meistens von den negativen, z.B. von Schlägen, die wir bekamen, wenn wir die Heimarbeit nicht ordnungsgemäß erledigten oder wenn unser Zimmer nicht aufgeräumt war. Mit „nicht aufgeräumt“ meinten wir auch nur einzelne Fussel auf dem Teppich oder dergleichen. „Wir werden euch helfen – irgendwie. Kenji, hast du dir alle Notizen gemacht?“ „Ja, habe ich, allerdings weiß ich noch nicht, was ich erreichen kann, aber das wird sich zeigen.“ „Was ... was haben Sie denn vor?“, fragte Kouyou unsicher nach. „Ich bin Kommissar bei der Polizei und ich werde Ermittlungen gegen das Heim einleiten wegen Verletzung von Schutzbefohlenen und Verletzung der Aufsichtspflicht sowie zur Anstiftung zum Missbrauch von Minderjährigen.“ „Bitte ... bitte unterlassen Sie das.“, sagte ich mit brüchiger Stimme. „Warum?“ Ungläubig fragte Hayakawa – san nach, wusste wahrscheinlich nicht, was uns erwarten würde, wenn die Heimleitung erfuhr, wer denn Anklage erhoben hatte. „Wir würden nicht mehr lange leben.“, sagte Kouyou und schaute den Kommissar mit wütenden Augen an. Nicht wütend auf den Kommissar, dass wusste ich, wahrscheinlich eher darüber, was die Heimleiterin mit uns machte. Ich klammerte die ganze Zeit am Hemd von Dr. Kawashima, weinte leise vor mich hin und schlief dann auch vor Erschöpfung ein. Doch friedlich schlafen konnte ich nicht, denn ich träumte erst von der Vergewaltigung und dann von den Geschehnissen, was passieren könnte, wenn Anklage erhoben würde. Schnell fand die Heimleitung heraus, dass Kouyou und ich die Ursache dafür sind. Damit brach für mich die zweite Hölle an, denn es folgten wieder Schläge ohne Ende und auch weitere Vergewaltigungen. Ich spürte den Traum fast so, als wäre es die Realität und schreckte schweißgebadet hoch. Doch wo war ich? Ich lag in einem mir unbekannten Zimmer, aber in einem weichen Bett. Die Wände waren farbig gestrichen, doch welche Farbe das war, konnte ich bei der Dunkelheit nicht sehen. Ich konnte lediglich die Umrisse von einem Kleiderschrank, einem Schreibtisch und der Tür ausfindig machen. Sollte ich rausgehen? Sollte ich das Zimmer verlassen? Was erwartete mich außerhalb des Zimmers? Vor allem, wo war ich eigentlich? Ich mache eine Pause in meiner Erzählung, zünde mir eine weitere Zigarette an und blicke zu den Jungs. „Das ... das ist ... ja schrecklich.“, meint Ruki mit Tränen in den Augen, wird aber von Aoi mit Streicheleinheiten über den Rücken getröstet. „Schon gut, Kleiner. Wie du siehst, leben Uruha und ich ja noch.“, sage ich lächelnd zu ihm. „Ja, aber es ist trotzdem krass, was ihr durchgemacht habt. Jetzt versteh ich auch, warum du am Anfang nie jemanden nah an dich ran gelassen hast, du kaum gelächelt hast und es einige Zeit dauerte, bis du uns vertraut hast.“, sagt Reita leise zu mir, streichelt meine Hand. Wir legen eine kurze Toilettenpause ein und nehmen uns anschließend noch etwas neues zu Trinken. Als alle wieder auf ihren Plätzen sitzen, hole ich tief Luft und erzähle weiter. „Du schaffst es, Kai.“, sagt Reita leise zu mir und streichelt meine Hand weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)