Hoffnung zu Asche von matvo (Schatten und Licht, Band 2) ================================================================================ Kapitel 35: Böse Überraschung ----------------------------- Van schloss den Gürtel um sein königsblaues Gewand, das bis auf seine breiten Schultern nur wenig von seinem gestählten Körper erahnen lies. Er hatte sich in der Zeit, in der Hitomi auf dem Mond der Illusionen gelebt hatte, gut entwickelt, wie ein Blick im Spiegel ihm nochmals bestätigte. Da flog ihm aus dem Nichts ein amüsanter Gedanke zu. Seine Frau, die sich weit entfernt im Herzogtum Fraid auf einen Tag voll von festgefahrenen Verhandlungen vorbereitete, zog ihn neckisch über die ständige Gedankenverbindung der beiden auf. Van zahlte es ihr mit gleicher Münze zurück. Lächelnd ließ eine ihrer letzten Bettgeschichten Revue passieren und versah seine bildhaften Erinnerungen mit dem Kommentar, dass sie seine angeblich so selbstherrliche Meinung über ihn durchaus teilte. Dann spürte er, wie sie zum Gegenschlag ausholte, doch etwas erweckte ihre Aufmerksamkeit und sie wandte sich ab. Der König Farnelias seufzte enttäuscht und konzentrierte sich wieder auf seine Umgebung. Auf den Arbeitstisch in seinen Gemächern lagen ausnahmsweise keine Stapel von Berichten und Briefen, sondern nur ein paar Teller, ein Leib Brot und verschiedene Sorten Käse und Wurst. Der Höhepunkt von diesem recht bescheidenen Frühstück war da noch der dampfende Tee und das Glas Honig, dass er in der Speisekammer hatte auftreiben können. Obwohl er sich nicht viel aus Prunk machte, aß er dennoch im meisten Fall besser. Doch normalerweise servierte auch eine Dienerin das Essen frisch aus der Küche. In der ganzen Herrscherhaus war jedoch nicht ein einziger Bediensteter mehr. Sie alle waren bei ihren Familien. Niemand der zivilen Bevölkerung sollte beim Ansturm der Sklaven der Gezeichneten noch in der Stadt sein, daher wurden sie evakuiert. Diese Regel schloss auch seinen Hofstaat mit ein. Nur zweihundert tapfere Seelen, die aber meist noch viel zu jung waren, befanden sich noch in der Stadt. Sie bezogen nach und nach auf der Stadtmauer Stellung. Mehr Männer im wehrfähigen Alter gab es zur Zeit nicht in seiner Stadt, da fast alle bei der Magdeburgisierung Farnelias durch die Zaibacher vor drei Jahren gestorben waren. An seiner Tür klopfte es und so wurde Van aus seinen trüben Gedanken herausgerissen. Der König wollte den erwarteten Besuch schon hereinbitten, da ermahnt ihn Hitomi, die noch immer aus der Ferne ein Auge auf ihn warf. Ein Mann hatte seine Verabredung zuvorkommend zu behandeln, predigte sie ihm. Also ging er fromm selbst zur Tür und öffnete sie. Nur einem Augenblick später fiel ihm die Kinnlage runter. Vor ihm stand Merle, in einem dunkelblauen, fast schwarzen, eng anliegenden Kleid, das eines ihrer muskulösen Beine bis zum Oberschenkel hinauf seinem begierigen Blick preisgab. Dagegen war ihr Ausschnitt regelrecht züchtig, doch wurde der Stoff dort nur einem breiten Träger gehalten. Ihre andere Schulter war frei und weckte somit ebenfalls das Verlangen nach mehr. „Gefall ich dir?“, fragte Merle schelmisch. Da Van nicht antwortete, betrat sie mit aufreizendem Schritten seine Privaträume, ohne auf eine Einladung von ihm zu warten. „Du siehst gut aus.“, erwiderte Van schließlich perplex, nachdem er sich diesen Satz ein dutzend Mal zurecht gelegt hatte. „Wie komme ich zu dem Vergnügen mit einer so reizenden, kleinen Schwester speisen zu dürfen?“ „Hitomi war der Meinung, ich brauche ein bisschen mehr Auslauf. Und da ich dir schon lange zeigen wollte, was du dank Hitomi verpasst, packe ich die Gelegenheit beim Schopf.“ Da riss eine Hand an seinem Kragen und plötzlich schaute er direkt in die Augen einer anderen jungen Frau, die er zuvor nicht einmal bemerkt hatte. „Nur gucken, nicht anfassen!“, mahnte sie mit rauer Stimme. Ehe er sich darauf eine Antwort zusammen reimen konnte, war die Unbekannte auch schon auf und davon. Gekleidet war sie wie eine der Dienerinnen, aber... „Wer war das?“, fragte er Merle ratlos. „Serena, Allens Schwester.“, antwortete sie, als verstünde sie den Grund seiner Frage nicht. „Er hat sie hier nach der Hochzeit zurückgelassen. Erinnerst du dich?“ „Schon, aber...sie ist ganz anders, als ich sie in Erinnerung habe.“ „Während sie im Koma lag, ist wohl etwas passiert.“, spekulierte Merle. „Sie scheint sich sowohl mit der alten Serena als auch mit Dilando zu identifizieren.“ „Dilando?“, fragte Van scharf. „Ja, aber bitte halte dich zurück.“, bat Merle aufrichtig. „Ich habe sie kennen gelernt und sie ist jetzt ein anderer Mensch. Sie sollte nicht für Dilandos Fehler büßen.“ „Ist sie auch ein besserer Mensch?“ „Ich weiß es nicht. Im Moment scheint Allen alles zu sein, was ihr wichtig ist. Sie betrachtet mich sogar als sein Eigentum.“ Von der Vorstellung, dass ein weiblicher Dilando eifersüchtig im Namen ihres Bruders über seine Schwester wachte, behagte dem König gar nicht. Doch er zwang sich auf das gemeinsame Frühstück zu konzentrieren. Schließlich hatte Merle sich für Serena eingesetzt und er vertraute ihrem Urteil. Voller Vorfreude schloss er die Tür, doch er wurde wieder überrascht. Seine Schwester war von hinten unbemerkt an ihn heran getreten und umarmte ihn über seine Schulter, was angesichts der Höhenunterschiede zwischen den beiden für sie nicht leicht sein konnte. „Hey Merle! Was ist?“, fragte er positiv überrascht. Statt zu antworten schob sie eine ihrer Hände über seine Stirn, während die andere nach seinem Kinn tastete. Van erstarrte. Verführte sie... Wehr dich! Der Befehl seiner Frau, die ihn noch immer ihn aus der Ferne beobachtete, war wie ein Bad im kalten Wasser. Merles kleine Hände packten schon seinen Kopf, da riss er an ihren Armen und schleuderte sie an seinem Körper vorbei brachial gegen die Tür. Das Mädchen schien für einen Moment das Bewusstsein zu verlieren, sie fing sich jedoch wieder und stemmte sich gegen das stabile Holz. „Merle, was ist mit dir?“, rief Van besorgt, dann erstarrte er fassungslos angesichts des Biests, dass sich auf ihrem Gesicht zeigte und ihm drohte. Begleitet von einem Fauchen schossen ihre Krallen auf seinen Hals zu. Er fing ihre Hände mit seinen ab, doch Merle warf sich ihm unerbittlich entgegen. Der König verlor seinen Stand, traf auf den Boden auf und versuchte verzweifelt das Katzenmädchen von sich wegzudrücken, während ihr Maul nach seiner Kehle schnappte. Ihr Kleid war während des Sturzes nach oben gerutscht. So nahm Van die Gelegenheit wahr und drosch sein Knie in ihren offenen Schritt. Es folgte ein gellender Schrei, dann war er frei. Van versuchte sie zu packen, doch sie trat ihn mit dem Spann ihres freien Fußes aus der Drehung vom Boden aus in die Rippen und katapultierte ihren Bruder so seitlich über sie hinweg. Dabei riss ihr Kleid bis zur Hüfte auf. Beide Kontrahenten rappelten sich mühsam hoch. Sofort ging Merle wieder auf ihn los, dieses Mal jedoch eleganter. Sie schmetterte einen Kreisstritt gegen seine Schulter, dann einen weiteren aus der Körperdrehung heraus gegen den erhobenen Arm vor seinem Gesicht, ehe Van von seiner Reichweite und Kraft Gebrauch machen konnte. Mit vollem Einsatz rammte er seine Faust in ihren Magen, noch bevor sie den dritten Tritt ansetzten konnte. Sie fiel ungebremst nach hinten und schlug hart auf. Während Merle sich noch vor Schmerzen auf den Boden drehte und versuchte aufzustehen, stürmte der König auf ihren Rücken und verschränkte ihre Arme über ihren Kreuz. Die wild gewordene Katze unter ihm schrie, wandte sich und fauchte, doch Van hielt sie unerbittlich fest. So laut er konnte rief er nach Hilfe. Die Tür zu seinen Gemächern wurde fast aus den Angeln gehoben, als zwei Mitglieder seiner Leibwache herein stürmten. „Majestät, was ist passiert?“, erkundigte sich einer der Soldaten fassungslos, während er die Szene erfasste. „Merle ist außer sich!“, informierte sein Herr ihn panisch. „Holt Eisenketten und Handschellen! Wir müssen sie fesseln.“ „Was hat sie?“ „Weiß ich nicht. Tut, was ich sage!“ Die Soldaten liefen hastig wieder hinaus, um seinen Anweisungen Folge zu leisten. Als sie wieder kamen, trat Merle noch immer um sich und versuchte sich störrisch zu befreien. Dabei stieß unmenschliche Laute aus, wie Van sie noch nie bei ihr zuvor gehört hatte. Er konnte sie kaum bändigen. Sein Herz raste wie verrückt. Nur zu zweit gelang es den Soldaten die Füße seiner Schwester zu packen und aneinander zu ketten. Da Merle mit diesen nur noch hilflos hoch und runter wedeln konnte, kamen die beiden zu ihr nach vorn und fädelten die Ketten an Vans Händen vorbei um ihre kräftigen Arme. Erst als diese ebenfalls unter Kontrolle waren, richteten die Männer das Mädchen auf und umwickelten ihren Oberkörper mit einer weiteren Kette. Doch auch diese hinderte Vans Schwester daran weiter zu schreien und sich zu winden. In der Hoffnung, dass nicht ganz Farnelia von diesem Vorfall erfahren würde, band Van ihr seinen Gürtel um den Kopf in ihren Mund hinein und zog ihn fest. Ihr Stimme war jetzt gedämmt und doch sie konnte weiter durch ihre Nasen atmen. Jedenfalls hoffte er das. „Was sollen wir mit ihr anstellen, Majestät?“, fragte einer der Soldaten ratlos. „Bringt sie auf dem schnellsten Wege nach unten in eine vollkommen leere Zelle und bewacht sie!“, befahl Van und grübelte. „Ihr werdet mit niemanden über das eben Geschehene reden und auch niemanden zu den Zellen lassen. Falls euch jemand auf den Weg dorthin sieht, gebietet ihm ebenfalls zu schwiegen! Niemand darf von diesem Vorfall etwas erfahren.“ Seine Leibwache bestätigte seine Befehle in diskreter Lautstärke, dann schleppten sie die verzweifelt zappelnde Merle hinter sich her aus den Gemächern. Van indes setzte sich gegen die Wand und vergrub das Gesicht in seinen Schoß. Dieser Morgen hätte eigentlich ein versöhnliches Frühstück mit seiner Schwester sein sollen. Was war passiert? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)