Lover's duty 3 von cork-tip (Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?) ================================================================================ Kapitel 1: Will --------------- Guten Tag allerseits und herzlich willkommen zu Lover's duty 3, dem letzten Teil dieser Chaos-Trilogie. Man darf gespannt sein, was noch so alles passiert.^^ Vielen Dank auch für die vielen netten Kommis und Favos zum letzten Teil. Ich hoffe, einige alte Leser finden sich hier wieder. Uruha konnte nicht sagen, wie lange er nun schon ziellos durch die Stadt geirrt war, aber es war definitiv zu lange. Die Nacht war bereits hereingebrochen, doch er dachte nicht einmal daran, nach Hause zu gehen. Die Stille und Einsamkeit in seinen eigenen vier Wänden würde ihn wahnsinnig machen, dessen war er sich sicher. Er musste mit irgend jemandem sprechen. Alleine fühlte er sich nicht in der Lage, seine Entdeckung zu verdauen. Und was war in diesem Fall naheliegender, als zu Kai zu gehen? Der Drummer war der Erste und Einzige gewesen, der bisher mit Aoi über sein mysteriöses Problem gesprochen hatte. Er wusste Bescheid. Und er würde wohl am ehesten Verständnis für ihn haben. Er brauchte einige Sekunden, bis er sich orientiert hatte, und sich wieder im klaren darüber war, in welchem Teil der Stadt er sich befand, dann machte er sich auf den Weg zu Kais Wohnung. Glücklicherweise war er nicht einmal mehr besonders weit von seinem Ziel entfernt und würde spätestens in einer halben Stunde dort sein. Es hätte ihn schlimmer treffen können... Kai saß gerade mit einem Teller Curry-Nudeln vor dem Fernseher und versuchte, sich auf den amerikanischen Psycho-Thriller zu konzentrieren, der dort gerade lief, als es an der Türe klingelte. Verwundert setzte er sich auf und stellte den Teller beiseite. Wer konnte das sein? Er erwartete doch überhaupt niemanden... Und von neuen Aoi-Katastrophen hatte er in den letzten Tagen auch nichts gehört. Erst recht, da er beschlossen hatte, den Schwarzhaarigen vorerst in Ruhe zu lassen. Zumindest so lange, bis er seine Krankmeldung zurück zog, denn das schien genau das zu sein, was er sich wünschte. Er brauchte ein bisschen Zeit für sich selbst, um in aller Seelenruhe seine Gedanken ordnen zu können. Und um Uruha zu vergessen... Abermaliges, ungeduldiges Klingeln erinnerte Kai daran, dass vor seiner Türe noch immer irgendein ominöser Besucher stand und darauf wartete, eingelassen zu werden. Er sollte wirklich öffnen. Vielleicht war es wichtig. Seufzend erhob er sich und schlenderte langsam Richtung Türe. Er fühlte sich müde, ohne zu wissen, warum. Und so wirkte seine Bewegung fast schwerfällig, als er die Gegensprechanlage betätigte. „Ja?“, nuschelte er demotiviert. „Hey, Kai!“, tönte es blechern vom anderen Ende.“Ich bin's, Uruha. Lässt du mich rein?“ Uruha? Kai schüttelte verwundert den Kopf. Was konnte Uruha von ihm wollen? Einen unangekündigten Freundschaftsbesuch hielt er doch eher für unwahrscheinlich. Klar, sie waren befreundet. Sogar recht gut. Aber Uruha war nicht der Typ Mensch, der einfach so, aus heiterem Himmel, bei seinen Freunden vorbeischneite, wenn er nichts schwerwiegendes auf dem Herzen hatte. „Sicher“, erwiderte er nach einer unnatürlich langen Weile und öffnete. Uruhas Schritte hallten seltsam hastig im Treppenhaus wieder, und als der Leadgitarrist schließlich durch die Tür trat und die Schuhe abstreifte, sah Kai seine Vermutung bestätigt. Uruha war blass und wirkte abwesend. Seine Hände zitterten kaum merklich. Irgendetwas musste passiert sein... „Hey!“, grüßte Kai behutsam, als er sich sicher war, dass Uruha nichts sagen würde, wenn er nicht selbst ein Gespräch began. „Komm rein und setz' dich. Willst du einen Tee?“ Uruha nickte dankbar. „Ja, ich denke, das tut mir jetzt ganz gut“, meinte er und tätschelte sich geistesabwesend den schlanken Bauch. Kais Tee würde seinen Magen schon wieder beruhigen. „Ich fühl mich grade nicht so gut.“ „Hm“, machte Kai, um seinem Gast zu signalisieren, dass er verstanden hatte. Dann wuselte er geschäftig in die Küche und füllte den Wasserkocher, vergaß jedoch aus lauter Neugier auf das, was Uruha ihm zu sagen hatte, ihn einzustecken. Der Leadgitarrist hatte sich unterdessen ins Wohnzimmer begeben und auf Kais altes, abgenutztes Sofa fallen lassen. Sein Blick streifte den Teller mit Curry-Nudeln, den Kai kurzerhand auf einem Stapel alter Zeitungen neben seinem total zugemüllten Couchtisch platziert hatte. Augenscheinlich hatte er den Drummer beim Essen gestört. Doch es gab etwas, das ihn weit mehr beunruhigte... Das leise Quietschen der Wohnzimmertüre verriet Uruha, dass Kai sich zu ihm gesellt hatte. Er verzichtete darauf, zu warten, bis er sich zu ihm gesetzt hatte, zu sehr brannte ihm seine Beobachtung auf dem Herzen. „Du, Kai?“, begann er und fixierte skeptisch die Curry-Nudeln mit dem Blick. „Ist alles okay bei dir? Hast du Besuch?“ „Hä?“, fragte der Drummer verständnislos. Er verstand nicht so recht, worauf Uruha anspielte. Wenn bei irgendjemand etwas nicht okay war, dann doch wohl bei ihm. Oder? „Auf deinem Couchtisch liegt so viel Zeug, dass ich ihn nicht mal mehr sehen kann. Unordnung sieht dir gar nicht ähnlich.“ „Oh!“ Jetzt, wo Uruha es erwähnte, war Kai über den unmöglichen Zustand seines Couchtischchens selbst erstaunt. Wann war es geschehen, dass er die Ordnung, sein höchstes Prinzip, über Bord geworfen hatte? Hatte er sich verändert? Zu seinem Glück wechselte Uruha das Thema, bevor er damit beginnen konnte, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen. Das hatte später noch Zeit. „Deshalb bin ich aber nicht gekommen“, bemerkte der Gitarrist erstaunlich ruhig. „Es geht um Aoi. Ich war vorhin bei ihm. Ich weiß jetzt Bescheid.“ Im ersten Moment gefror Kai das Blut in den Adern. Aoi hatte es ihm gesagt? Nein, das durfte doch nicht wahr sein! Er hatte nie den Mund aufbekommen, als Kai ihm noch hatte helfen wollen, und jetzt, da er es nicht mehr wollte... Was sollte er denn jetzt tun? Das heißt... Einen Augenblick! Irgendetwas stimmte hier nicht. Wenn Aoi Uruha wirklich seine Liebe gestanden hatte, warum war er dann hier? So, wie er den Leadgitarristen kannte, war er zu einfühlsam und zu sehr darauf bedacht, ja nichts falsch zu machen, um in so einem Fall gleich wieder das Feld zu räumen. Nein, dass Aoi geredet hatte, war wirklich mehr als unwahrscheinlich. Aber was glaubte Uruha dann zu wissen? „Aoi hat mit dir gesprochen?“, hakte Kai nach und versuchte, so zu klingen, als wüsste er genau, worum es ging. Zu seinem Erstaunen schüttelte Uruha den Kopf. „Er... er wollte mit mir sprechen“, erzählte er stockend. „Er hat mich zum Essen eingeladen. Aber zum reden sind wir nicht mehr gekommen..“ „Was ist denn passiert?“ Uruha stieß geräuschvoll die Luft aus. Jetzt, da er versuchte, darüber zu sprechen, erschienen die Bilder des Abends so klar vor seine inneren Auge, dass sie beinahe greifbar real wirkten. Und wieder wurde ihm schlecht. Hatte Kai ihm nicht einen Tee versprochen? Er glaubte, sich dunkel an so etwas erinnern zu können... „Uruha?“ Die sanfte Stimme des Drummers riss ihn aus seinen Überlegungen. „Was ist passiert?“ Der Angesprochene seufzte tief. „Reita war da“, erklärte er. „Reita?“ Kai verstand überhaupt nichts mehr. Was zum Teufel hatte Reita bei Aoi zu suchen, solange nicht die Gefahr bestand, dass dieser mit Uruha sprach? Oder hatte er am Ende von der Verabredung gewusst? Und wenn es so war – warum war Ruki dann nicht bei ihm gewesen? Bisher hatte sich der Sänger schließlich an jeder einzelnen Störaktion beteiligt... Kai konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen.. „Das überrascht dich?“, wollte Uruha verwundert wissen, und Kai hielt es für das beste, wortlos den Kopf zu schütteln. Uruha durfte nicht wissen, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, was hier vor sich ging. Er musste vorsichtig sein... „Ja, klar“, fuhr der Gitarrist fort und Kai atmete erleichtert auf. „Du weißt ja alles... Jedenfalls habe ich gesehen, wie sie... wie sie sich geküsst haben. Und das hat mich, gelinde gesagt, ziemlich umgehauen.“ Das konnte Kai nun doch recht gut nachvollziehen. Zu behaupten, dass ihn Uruhas Worte nicht umgehauen hätten, wäre eine glatte Lüge gewesen. Das verstand er nicht. Er hatte angenommen, dass Ruki in Aoi verliebt war, nicht Reita. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, glaubte er immer noch daran. Was also sollte diese bescheuerte Aktion? Wobei... Eigentlich sollte er Aoi dankbar dafür sein, dass er es wieder versaut hatte... „Stört es dich?“, fragte er vollkommen unvermittelt. Uruha sah ihn fragend an. „Stört dich das mit Reita und Aoi?“ Uruha zögerte. Dann wandte er den Blick ab und senkte seufzend den Kopf, was Kai prompt Bauchschmerzen bereitete. Diese Reaktion war ihm mehr als suspekt. Allein deshalb, weil sie ihm unangenehm bekannt vorkam... „Nein...“, meinte der Gitarrist zögerlich, schüttelte dann aber den Kopf. „Ja, doch... Ja, es hat mich gestört. Ich habe es gesehen und plötzlich, plötzlich war mir nur noch kotzübel. Ich... musste mich sogar übergeben... Kai, ich versteh das nicht!“ Bei diesen Worten krampfte sich Kais Inneres so schmerzhaft zusammen, dass er am liebsten selbst über den Teppich gekotzt hätte. Natürlich verstand Uruha nicht, was mit ihm und seiner Umwelt los war. Er wusste nichts, er hatte sich vermutlich nicht ein einziges Mal genauer mit den zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Band beschäftigt. Kai hingegen dachte seit Tagen über nichts anderes mehr nach. Und langsam aber sicher wurde es ihm zu bunt. Ruki war ihn Aoi verliebt, Reita wollte was von Aoi, Uruha war in Aoi verliebt, und er selbst... war auch in Aoi verliebt. War das noch normal? Na, jedenfalls war es anstrengend. Kai beschloss, Uruha vorerst nicht darüber aufzuklären, dass seine Magenbeschwerden dem Obergriff 'Liebeskrankheit' unterzuordnen waren und sich somit ein weiteres drohendes Problem zu ersparen. „Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich das auch nicht“, log Kai und tätschelte Uruha beruhigend die Schulter. „Aber wir müssen es wohl akzeptieren. Wir werden ja sehen, wie ernst es den beiden ist... Am besten, du gehst jetzt nach Hause und schläfst dich aus. Morgen ist wieder ein neuer Tag. Hm?“ Der Gitarrist nickte langsam und erhob sich. Er verabschiedete sich nicht von Kai, bevor er die Wohnung verließ, doch dem Drummer fiel es nicht einmal auf. Zu versunken war er in düsteren Abwägungen. Doch kaum war die Türe hinter Uruha ins Schloss gefallen, da meldete sich auch schon das Telefon zu Wort. Genervt nahm Kai den Hörer ab. „Ja?“, knurrte er widerwillig, bereute sein abweisendes Verhalten jedoch sofort, als sich sein Gesprächspartner meldete. „Kai? Hier ist Aoi. Bitte... Kann ich zu dir kommen? Mir ist was furchtbares passiert.“ Kapitel 2: you -------------- Sodele, hier kommt Kapitel 2. Es ist ein bisschen kurz geraten, aber ich hoffe, ihr könnt mir das nachsehen. Das nächste wird wieder gewohnte Länge haben. Vielen Dank auch für die lieben Kommis und Favos. Ich hab mich wie immer sehr gefreut! Mit Kai hatte ich bisher allerdings kaum Mitleid, immerhin geht er nicht gerade vorbildlich mit Aois Gefühlen um... Auch wenn's durchaus verständlich ist, eine noble Geste ist es nicht gerade. Aber wie dem auch sei - ich wünsche allseits viel Spaß beim Lesen!^^ Kai hörte nicht auf das, was Aoi ihm erzählte. Er musste überhaupt nicht zuhören. Schließlich wusste er nur allzu gut, was ihm der Schwarzhaarige zu sagen hatte, Uruha hatte es ihm ja kaum zehn Minuten zuvor brühwarm erzählt. Was für ein Chaos! Alle liebten Aoi. Alle bis auf denjenigen, der ihn letztendlich bekommen hatte. Und das absurdeste war, dass nicht einmal Aoi selbst unter diesen Umständen glücklich sein konnte. Kai konnte nicht verstehen, warum er sich das antat, aber er konnte auch nicht behaupten, dass es ihm durch und durch unrecht war. Immerhin hatte Aoi es sich vorerst gründlich mit Uruha verdorben. Unter den gegebenen Umständen würde er es kaum mehr wagen, etwas zu sagen, selbst wenn Kai ihm notgedrungen dazu riet, um zu verhindern, dass seine eigenen, wenig heroischen Vorhaben aufflogen. Kai war der einzige, der wusste, dass die beiden Gitarristen ineinander verliebt waren, und er würde den Teufel tun, irgendjemandem davon zu erzählen. Das war seine Chance. Vielleicht seine einzige. Und bei Gott – er würde sie nützen! Es kostete den Drummer einige Überwindung, wieder aus den Untiefen seiner Gedanken aufzutauchen und Aoi anzusehen, sodass er nicht glauben musste, Kai höre ihm nicht zu, denn das wäre mehr als nur kontraproduktiv gewesen. Wie sollte er den hübschen Gitarristen jemals für sich gewinnen, wenn er sich nicht für seine Probleme interessierte? Er musste sich als 'vertrauenswürdig' erweisen... „...weiß wirklich nicht, was mich geritten hat. Warum hab ich das bloß getan?“, fragte Aoi verzweifelt und kaute auf seiner Unterlippe herum, augenscheinlich verärgert über sich selbst. „Kai, ich war so nah dran, es ihm endlich zu sagen! Ich versteh's einfach nicht! Ich hab gar nicht mitbekommen, dass Uruha schon da war, bis die Türe wieder zugefallen ist. Kai, was soll ich denn jetzt tun?!“ Der Drummer seufzte. „Ich weiß es nicht“, hätte er am liebsten gesagt, aber er riss sich im letzten Moment zusammen und schluckte die Worte ungesagt herunter. Wenn er nicht wollte, dass Aoi in einem lichten Moment misstrauisch wurde, musste er ihm einen vernünftigen Rat geben. Den einzigen, den es gab. „Du solltest vorsichtig sein“, meinte er widerwillig. „Ich muss dir nicht sagen, dass du Scheiße gebaut hast, das weißt du selbst.“ Aoi nickte mechanisch. „Gut“, lobte Kai. „ Dann muss ich dir wohl auch nicht sagen, dass deine Chancen nicht mehr besonders gut stehen... Ich hab vorher mit Uruha gesprochen.“ Er untermalte seine Worte mit einer sorgfältig gewählten Kunstpause und erzielte prompt die gewünschte Wirkung. Fast glaubte er, Aoi niemals zuvor so erschrocken gesehen zu haben. Er achtete sorgsam darauf, einen deutlich sanfteren Ton anzuschlagen, als er weitersprach: „Er glaubt, dass du mit Reita zusammen bist. Es wird schwer sein, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.“ „Was... Was hat er dazu gesagt?“, wollte Aoi wissen. Es kostete ihn sichtlich Überwindung, die Frage zu stellen und er sah aus, als würde er sich vor lauter Angst und Nervosität jeden Augenblick die Zunge abbeißen. Kai hätte ihn gerne in den Arm genommen. Er tat es nicht. „Nicht viel“, erwiderte er und tat so, als müsste er überlegen. „Er war... überrascht.“ „Ja... Und?“ „Naja, nicht viel. Er hat geglaubt, dass es das war, was du ihm sagen wolltest.“ Der Schreck verschlang Aois dunkle Augen wie ein riesiges schwarzes Loch. Er wirkte verloren, wie er dort auf Kais edlem Ledersofa saß und hilfesuchend den Blick durch den Raum schweifen ließ. Und Kai wusste, dass er so gut wie gewonnen hatte. Wieder unterdrückte er den Drang, Aoi in eine tröstende Umarmung zu ziehen und verschoss den letzten, tödlichen Pfeil. „Aoi, ich weiß, das willst du nicht hören“, sagte er hart, aber bestimmt. „Und ich weiß, dass es dir weh tun wird, aber ich muss das jetzt sagen. Ich glaube nicht, dass Uruha deine Gefühle erwidert. Das heißt: nein, ich weiß es. Ich denke, es ist das beste für dich, wenn du aufgibst. Du machst dich sonst nur kaputt. Aoi? Vergiss ihn!“ Der Gitarrist senkte den Kopf. Seine Schultern zitterten und Kai fühlte sich schlecht. Der Drummer musste sich auf die Zunge beißen, um seine Lüge nicht sofort wieder zurückzunehmen. Er musste jetzt stark sein. Er musste dafür sorgen, dass Aoi von Uruha Abstand nahm... und sich ihm zuwandte. Ruki war selbst schuld, wenn er sein Schicksal so klaglos hinnahm. Er würde das ganz sicher nicht tun. Diesmal nahm er Aoi wirklich in den Arm und streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Es fühlte sich gut an, ihm so nahe zu sein und seinen Duft zu riechen. Besser als je zuvor. Und es war bei Gott nicht das erste Mal, dass er Aoi tröstete. Es war nur das erste Mal, dass er sich seiner eigenen Gefühle so bewusst war... „Shh...“, wisperte er. „Es ist gut... Alles wird gut...“ Kapitel 3: ever --------------- Hallöchen allerseits! Alle die noch daran geglaubt haben, dass ich mal wieder was von mir hören lasse, dürfen sich jetzt freuen! Sie hatten recht! Ich bin nur vor zwei Wochen umgezogen, weil ich jetzt studiere^^ und hatte Ewigkeiten kein Internet. Hier also ein neues Kapitel. Uruha und die (Un-)tiefen seiner Gedanken... Das kennen wir ja! Ich wünsche jedenfalls viel Spaß beim Lesen! Entnervt zappte Uruha durch die Programme. Er hatte gedacht, dass es ihn vielleicht ablenken würde, wenn er sich ein, zwei blöde Sendungen im Fernsehen ansah, aber da hatte er sich wohl geirrt. Er bekam ja nicht einmal mit, was überhaupt lief. Krimi, Comedy, Horrorfilm oder Schnulze – das war doch alles mehr oder weniger dasselbe. Egal, was er versuchte – er wurde diese Bilder nicht los. Er musste nicht einmal die Augen schließen, um sie so deutlich vor sich zu sehen, als wären sie real. Aoi und Reita. Wenn er etwas nicht erwartet hatte, dann das. Und es wollte und wollte einfach nicht in seinen Kopf. Seufzend klickte er einen Cartoon weg und landete bei einer Kochsendung, in der ein paar kostümierte Irre Ananasbratlinge mit Schokoladensauce zubereiteten. Angewidert verzog Uruha das Gesicht. Wie konnte man so etwas nur essen? Und das, wo ihm doch sowieso schon schlecht war. Er hatte alles versucht, wirklich alles. Kamillentee, Wärmfläschchen, Magentropfen... Aber nichts wollte helfen. Und da Uruha nicht auf den Kopf gefallen war, drängte sich ihm langsam aber sicher der Verdacht auf, dass er Magenbeschwerden psychischen Ursprungs schlecht mit herkömmlichen Heilmittelchen aus der Hausapotheke bekämpfen konnte. Probleme musste man an der Wurzel packen. Aber was war die Wurzel seines Problems? Er konnte es nicht sagen. Sein einziger Trost war, dass Kai die ganze Sache seiner eigenen Aussage nach ebenso wenig verstand wie er. Aber... irgendwie kam ihm das ganze spanisch vor. Es kostete Uruha einige Mühe, seine Gedanken wieder in klare Bahnen zu lenken, und seine eigenen, unbegreiflichen Gefühle wenigstens einen Augenblick lang auszublenden, doch als er es schlussendlich geschafft hatte und wieder einen einigermaßen klaren Kopf hatte, begriff er, dass auch mit Kai irgendetwas nicht in Ordnung war. Vielleicht konnte man soweit gehen, das – für Kais Begriffe geradezu infernalische - Chaos in seinem sonst so sauberen Wohnzimmer als Indizienbeweis für eine plötzliche Persönlichkeitsstörung zu nehmen, aber so sehr wollte sich Uruha dann doch nicht aus dem Fenster lehnen. Nein, er glaubte zu wissen – oder vielmehr zu spüren, dass etwas an der Sache mit Aoi faul war. Oder besser gesagt an der Sache mit Aoi und Reita. Kai hatte überhaupt nicht Kai-like reagiert, als er ihm davon erzählt hatte. Er hatte nicht liebevoll gelächelt, ihm aufmunternd auf die Schulter geklopft und Ratschläge erteilt, die so weise waren, dass Konfuzius vor Neid erblasst wäre. Im Gegenteil. Sein Verhalten war rückblickend mehr konfus, als Konfuzius. Aber warum? Kai war der erste, der mit Aoi über sein Problem gesprochen hatte. Er hätte folglich nicht halb so überrascht aussehen dürfen, als Uruha ihm davon erzählt hatte. Und hätte er schon länger von dieser Beziehung – oder was auch immer es war – gewusst, hätte er sich doch bestimmt schon einige Gedanken dazu gemacht und Uruha nicht erbarmungslos in seinem zerebralen Elend ertrinken lassen. Das sähe ihm nun überhaupt nicht ähnlich... Soweit so gut. Und was ließ sich daraus schließen? So oft Uruha die Angelegenheit auch überdachte, er kam zu keinem anderen Schluss, als dass Reita nicht Aois Problem sein konnte. Alle anderen Eventualitäten waren bar jeder Logik. Warum hätte Aoi ihn zum Essen einladen sollen, wenn er doch nur vorhatte, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen, die ihn im Grunde überhaupt nichts angingen? Warum hätte er so aufgelöst und verzweifelt klingen sollen? Und viel wichtiger: warum hatte er Reita die ganze Zeit über nichts anmerken können? Reita war vielleicht ein schweigsamer und bisweilen etwas zynischer Zeitgenosse, aber ein begnadeter Schauspieler war er nicht. Und das, was dem ersten Eindruck nach zwischen ihm und dem Schwarzhaarigen Gitarristen lief, hätte er niemals so lange geheimhalten können. Schon gar nicht, wenn es sich auf Aois sonderbaren Gemütszustand bezog. Und trotzdem war da irgendetwas, auch wenn Uruha es nicht so recht einordnen konnte. Verdammter Aoi! Er bekam langsam Kopfschmerzen wegen ihm und seinem dämlichen Problem, über das anscheinend keiner außer Kai bescheid wusste. Und Kai... Der schien sich mysteriöserweise davon mitreißen zu lassen. Vielleicht war das der unheilvolle Einfluss des Aoi-Problems? Je intensiver man sich damit beschäftigte, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass man eines Tages den Verstand verlor.. Uruha verbannte die absurde Verschwörungstheorie sofort in den hintersten Winkel seines überlasteten Gehirns. Wenn er irgendwann hinter Aois Geheimnis kommen wollte, durfte er nicht so einen Unsinn zusammendenken. Er durfte sich nicht so gehen lassen... Schließlich schien das eine ernste Angelegenheit zu sein. Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass es von elementarer Wichtigkeit für sein inneres Gleichgewicht war, herauszufinden, was seinen Freund und Bandkollegen so beschäftigte... Es war weit nach Mitternacht, als Uruha es aufgab, sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die er am Ende ja doch nicht verstand. Er schaltete den Fernseher nicht aus, obwohl er sich nicht recht für die Sendung über modernen Gemüseanbau erwärmen konnte, die gerade über den Bildschirm flimmerte. Alles war besser, als jetzt die Stille seiner Singlebude ertragen zu müssen. Müde rollte er sich auf seinem Sofa zusammen und kuschelte sich an die Rückenlehne. Seine Magenschmerzen waren noch immer nicht besser geworden. Mit einem leisen, unwilligen Murren griff er sich ein Kissen und drückte es auf seinen Bauch, um ihn ein bisschen zu wärmen. Dann verdrängte er erfolgreich das Verlangen nach einer letzten Gute-Nacht-Zigarette und schloss die Augen, um bald darauf in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen und all seine erschreckenden Erkenntnisse wenigstens für ein paar Stunden zu vergessen. Vielleicht würde der nächste Tag ja endlich Licht in die Sache bringen... Kapitel 4: know --------------- Hallöchen alle zusammen!^^ Wie versprochen mal wieder ein längeres Kapitel. Ab dem nächsten passiert dann wahrscheinlich auch was interessantes, aber vorerst müsst ihr noch ein bisschen Geschwafel ertragen. Vielen dank an alle treuen Leser und Kommi-Schreiber... Die nächsten Tage flogen wie im Zeitraffer an Aoi vorbei. Er bekam kaum mit, dass er lebte, wenn er auch brav seine Genesung vortäuschte, sich wieder bei den meisten Bandproben sehen ließ und auch abends des öfteren das Haus verließ, um Kai zu besuchen oder mit ihm wegzugehen. Überhaupt verbrachte er viel Zeit mit Kai. Er hatte das Gefühl, dass der Drummer der einzige war, der ihn wirklich verstand, und der ihm den Halt geben konnte, den er jetzt brauchte. Es gab Tage, da würde er ihn am liebsten überhaupt nicht mehr gehen lassen, aus Angst vor der drückenden Einsamkeit, die ihn zu ersticken drohte, wann immer er abends alleine in seiner Wohnung saß. An solchen Tagen – das wusste er – hatte er nicht einmal genügend Kraft, um aufzustehen und den Fernseher einzuschalten. Dinge wie Kochen, Essen oder ans Telefon gehen waren da von vornherein ausgeschlossen. Von anziehen ganz zu schweigen. Da tat es ihm gut, wenn Kai an seiner Seite war und ihn dazu zwang, das Haus zu verlassen. Und sei es nur, um sich an die nächstbeste Hauswand zu lehnen und gemeinsam eine zu rauchen. Es war ein Angst einflößender Gedanke, doch Aoi kam nicht umhin, sich einzugestehen, dass er abhängig geworden war. Abhängig von Kai. Andere hätten in seiner Situation angefangen zu trinken, zu kiffen oder vielleicht auch Goldfische zu züchten. Er hatte sich eine andere Droge gesucht. Kai. Ohne Kai war er kaum mehr lebensfähig. Es war viel eher so, dass der Drummer sein Leben für ihn lebte. Aoi fragte sich, warum Kai das mit sich machen ließ. Sicher, der dauergrinsende Sonnenschein war schon immer besorgter um das Wohl seiner Mitmenschen gewesen, als 99,9% der restlichen Weltbevölkerung, aber das war fast schon zu viel Nächstenliebe. Nicht, dass Aoi etwas dagegen gehabt hätte, aber es wunderte ihn doch, dass er es zuließ, dass er sich ganz und gar seiner Apathie und Lustlosigkeit hingab, obwohl er ihm geraten hatte, sich nicht aufzugeben und zu versuchen, möglichst schnell über Uruha hinwegzukommen. Uruha. Aoi seufzte schwer. Er lehnte an der Türe ihres Proberaums und starrte desinteressiert die gegenüberliegende Wand an. Uruha benahm sich seltsam, seit... seit diesem Abend. Nicht, dass er etwas anderes erwartet hätte, aber es schmerzte ihn doch, zu sehen, wie ihm der hübsche Gitarrist aus dem Weg ging, wie er ihm seltsame, bisweilen auch irritierte Blicke zuwarf. Manchmal hatte er das Gefühl, sterben zu müssen, wenn das noch lange so weiterging. Aber immer, wenn er das Gefühl hatte, beim besten Willen nicht mehr weiteratmen zu können, kam Kai und riss ihn aus seiner Depression soweit es eben möglich war. Aoi hatte keine Lust mehr, zu proben. Und er ahnte, dass Kai ihm in seiner Funktion als Bandleader den Gefallen tun würde, die Probe abzubrechen und alle nach Hause zu schicken, wenn er ihn nur darum bat. Gedankenverloren zündete er sich eine Zigarette an. Bestimmt die zehnte an diesem Tag, obwohl es noch nicht einmal Mittag war. Zu viel für seine Maßstäbe. Aber er hatte keine Lust, es sich abzugewöhnen. Er erschrak ein bisschen, als sich die Türe plötzlich öffnete und er unsanft zur Seite geschoben wurde und für den Bruchteil einer Sekunde fiel seine endlose Trägheit von ihm ab wie ein abgetragener Bademantel. Dann jedoch versank er ebenso schnell wieder in trübsinnigen Gedanken, registrierte kaum, wer sich zu ihm gesellt hatte. „Du stehst ja immer noch hier rum wie bestellt und nicht abgeholt“, stellte Reita sachlich fest. Aoi hob unnatürlich langsam den Kopf und musterte ihn ohne irgendeine Form von Interesse. Er hielt es nicht für notwendig, zu antworten. „Du weißt schon, dass einem dein ewig gleicher, unmotivierter Gesichtsausdruck mit der Zeit auf die Nerven geht? Manchmal würd ich dir am liebsten eine in die Fresse schlagen, wenn du mich so anschaust. Gerade eben zum Beispiel.“ Aoi zuckte mit den Schultern und ignorierte Reitas frustriertes Seufzen. Vielleicht wäre es ihm sogar recht gewesen, wenn ihm der Bassist tatsächlich eine reingehauen hätte, aber zu seiner Enttäuschung unternahm er nichts dergleichen. Statt dessen kramte er ebenfalls eine Schachtel Kippen aus seiner Manteltasche, klemmte sich eine zwischen die Lippen und suchte ungefragt in Aois Hosentaschen nach seinem Feuerzeug, um sie anzünden zu können. „Ruki dreht fast durch“, bemerkte Reita nach einer Weile. Aoi hörte ihm kaum zu. „Er kann es nicht ertragen, dich so zu sehen.“ Aoi zuckte abermals mit den Schultern. Ruki sollte sich um seinen eigenen Kram kümmern. Was ging es ihn an, wie er sich fühlte? Reita ließ sich von Aois sichtlichem Desinteresse nicht beirren. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass du dich daran erinnerst, dass du nicht der Einzige hier bist, der Gefühle hat. Nur weil du dein Leben nicht in den Griff bekommst, leidet inzwischen die ganze Band. Uruha kommt mit der Situation auch nicht klar. Er versteht überhaupt nicht, was vor sich geht. Und mir langt's auch so langsam!“ Reita unterstrich seine Worte mit einem leisen Knurren, um Aoi zu demonstrieren, dass er es durchaus ernst meinte, aber er drang überhaupt nicht zu dem schwarzhaarigen Gitarristen durch. Entnervt fuhr er sich durch die ausnahmsweise ungestylten Haare. Er hatte gehofft, Aoi irgendwie erreichen zu können, doch anscheinend befand er sich mental noch immer auf einem anderen Stern. Dennoch: So konnte es einfach nicht weitergehen! Seit Aoi in Uruha verliebt war, neigte er dazu, sein eigenes Unglück unnötig zu dramatisieren, das war nichts neues. Aber in letzter Zeit hatten seine hausgemachten Depressionen eine Dimension erreicht, die weder begreiflich, noch in irgendeiner Form akzeptabel war. Es gab Tage, da reagierte der Gitarrist nicht einmal, wenn man ihn direkt ansprach. Reita war fest davon überzeugt, ihn an den Füßen aufhängen und auspeitschen zu können, ohne auch nur den geringsten Protest zu hören zu bekommen. Aoi schien zu versuchen, jede noch so kleine Gefühlsregung im Keim zu ersticken. Vielleicht, um sein Innerstes davor zu bewahren, noch mehr Schaden zu nehmen. Und irgendwie hatte Reita das dumme Gefühl, dass Kai nicht ganz unschuldig daran war... Schon seit er Uruha völlig unvermittelt Ramen über den Kopf geschüttet hatte, um eine Aussprache zwischen den beiden Gitarristen zu verhindern, glaubte er nicht mehr, dass Kai Aoi tatsächlich helfen wollte, auch wenn er sich allem Anschein nach um ihn kümmerte. Schließlich hatte er ihn nicht einmal auf sein „Verhältnis“ zu und mit Aoi angesprochen, wenn er auch aller Wahrscheinlichkeit nach bescheid wusste. Reita musste sich eingestehen, dass er nicht mehr begriff, was vor sich ging. Er war alles andere, als auf dem neuesten Stand, und das musste sich unbedingt ändern! Mit einem leisen Grummeln drückte er seine Zigarette aus, drückte Aoi einen kurzen, unspektakulären Kuss auf den Mund und ließ ihn stehen. Er musste mit Ruki sprechen. Allein schon, weil er nicht zulassen konnte, dass der Sänger weiterhin so sehr unter der Situation litt. Aoi betrat den Proberaum an diesem Tag nicht mehr. Er stand bestimmt eine halbe Stunde vor der Türe und rauchte eine Zigarette nach der anderen, bis nach und nach der Rest von Gazette an ihm vorbei aus dem Gebäude strömte. Er registrierte kaum, dass sie sich von ihm verabschiedeten und reagierte auch nicht auf ihre lieben Worte. Er war viel zu beschäftigt damit, geistig abwesend zu sein. Nicht einmal Uruhas Abschiedsgruß, der ihn wohl unendlich viel Überwindung gekostet haben musste, drang zu ihm durch. Kai kam als letzter und blieb bei ihm stehen. Er legte sanft eine Hand auf seinen Oberarm, wie er es in letzter Zeit oft tat, wenn er sich Aois Aufmerksamkeit sichern wollte. Und tatsächlich wandte er ihm den Kopf zu und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Gehen wir nach Hause?“ Seit Stunden die ersten Worte, die über seine Lippen kamen. Doch wider Erwarten erhielt er nicht die gewünschte Antwort. „Du solltest damit aufhören“, sagte Kai, vollkommen aus dem Kontext gegriffen. Aoi sah ihn verständnislos an. „Du solltest dich nicht mehr mit Reita treffen“, präzisierte er seine Aussage. „Es tut dir nicht gut.“ Es dauerte, bis Aoi sich zu einem als „Ja“ interpretierbaren Nicken durchringen konnte. Er hatte noch zwei, drei Mal mit Reita geschlafen, ohne wirklich zu wissen, warum. Er war es leid, nach Gründen zu fragen. Aber wenn Kai sagte, dass er es besser bleiben lassen sollte, hatte er wohl recht. Wie immer. Er würde damit aufhören... „Gut“, meinte Kai und strahlte ihn zufrieden an. Dann legte er behutsam einen Arm um seine Schultern und schob ihn Richtung Ausgang. „Dann gehen wir jetzt nach Hause.“ Kapitel 5: I ------------ So, und weiter geht's! Hab diesmal nicht viel zu sagen, außer natürlich: danke für eure Kommis! Wer mir eine Freude machen will, darf gerne einen dalassen, auch wenn wir uns so langsam dem Ende der Geschichte nähern. Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen!^^ „Rei, was soll das?“, beschwerte Ruki sich merklich unmotiviert. Er begriff nicht, warum der Bassist plötzlich und aus heiterem Himmel das Bedürfnis hatte, ihn wortlos durch die halbe Stadt zu zerren und schließlich in eine drittklassige Sushi-Bar zu verfrachten, und es passte ihm überhaupt nicht. Er war müde, wollte eigentlich nur noch nach Hause, sich die Decke über den Kopf ziehen und vor der nächsten Bandprobe das Bett nicht mehr verlassen. Hunger hatte er auch keinen, wie so oft in den letzten Tagen, und er war sich ziemlich sicher, dass Reita das wusste. Warum also weigerte er sich so stur, ein bisschen Rücksicht auf ihn zu nehmen? „So kann das verdammt nochmal nicht weitergehen!“, knurrte Reita säuerlich, ohne wirklich auf die Frage des Sängers einzugehen, und griff sich ein paar Kokosröllchen, die gerade vorbeigefahren kamen. Ruki sah ihn aus treuherzigen Dackelaugen verständnislos an. „Mit uns“, präzisierte der Bassist seine nebulöse Aussage, während er abwesend mit seinen Stäbchen in den vormals noch höchst appetitlichen Kokosröllchen herumstocherte. „Das ist doch nicht mehr normal! Uruha ist sauer, Kai undurchschaubar, Aoi depressiver denn je und mit dir ist auch nichts mehr anzufangen!“ Resigniert seufzend ließ der Sänger den Kopf auf die Tischplatte sinken, doch Reita ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. „Ich weiß, dass es dich fertig macht, Aoi so leiden zu sehen“, fuhr er fort und betrachtete sein Gegenüber besorgt. Als Ruki keine Regung zeigte, sprach er weiter: „Wenn wir wollen, dass es mit dieser Band wieder aufwärts geht, müssen wir höchstwahrscheinlich dafür sorgen, dass es Aoi besser geht. Das ist schließlich die Wurzel allen Übels. Aber dafür... Müssen wir erst einmal Kai aus dem Weg räumen.“ Schweigen. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung stopfte Reita sich die zermatschten Kokosröllchen in den Mund und kaute unnötig lange darauf herum, stets den kleinen, blonden Sänger im Blick, an dessen Körperhaltung sich allerdings nicht spektakulär viel geändert hatte. Dennoch war er sich sicher, dass Ruki ihm aufmerksam zugehört hatte. Ruki war nicht der Typ Mensch, der sich so tief in seinem eigenen Leid vergrub, dass er blind für die Probleme anderer wurde. Und hier ging es immerhin um nichts geringeres als The GazettE. Oder zumindest den Frieden innerhalb der Band... Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, in der Reita genügend Zeit hatte, noch sechs weitere Kokosröllchen zu verdrücken, bis Ruki endlich den Kopf hob und ihn mit einem Ausdruck blanken Erstaunens in den dunklen Augen ansah. „Kai?“, fragte er perplex. „Warum Kai?“ „Bist du so naiv oder tust du nur so?“, fragte Reita ungnädig zurück und ließ Ruki kurz zusammenzucken. „Es ist doch offensichtlich, dass Kai alles tut, um zu verhindern, dass Aoi ernsthaft mit Uruha redet. Er lässt ihn ja keine Sekunde mehr aus den Augen!“ „Oh!“, war alles, was Ruki dazu einfiel. So hatte er die Angelegenheit noch nie betrachtet, aber er musste zugeben: das warf ein ganz neues Licht auf die Sache. Es war tatsächlich eine ganze Weile her, dass er Aoi das letzte Mal alleine angetroffen hatte. Dennoch fiel es ihm schwer zu glauben, dass Kai auf einmal so wenig selbstlos handelte. Das war eigentlich gar nicht seine Art. „Na? Hast du's auch endlich begriffen?“ Angesichts Rukis dümmlichen Gesichtsausdrucks hätte Reita bestimmt laut losgelacht, wenn, ja, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre. Langsam aber sicher ging ihm das bandeigene Melodram doch gewaltig auf die Nerven. Und deshalb hatte er sich vorgenommen, dem ganzen so bald wie möglich ein Ende bereiten. Mit Rukis Hilfe. „Ich kann also mit deiner Unterstützung rechnen, falls ich beschließen sollte, endlich ein bisschen Ordnung in dieses heillose Durcheinander zu bringen?“ Ruki nickte schwach. Irgendwie hatte der Bassist recht- so konnte das nicht weitergehen. Selbst wenn er die Misere von einem egoistischen und eigennützigen Standpunkt aus betrachtete, war es höchste Zeit, Klarheit zu schaffen. Er konnte sich bei Aoi keine Chancen ausrechnen, und das würde sich auch so bald nicht ändern. Aber wie sollte er jemals vergessen können, wenn seine große Liebe nicht vergeben, sondern todunglücklich war – genau wie er selbst? „Gut“, kommentierte Reita knapp und legte seine Stäbchen beiseite, um sich einer Tasse grünem Tee zuzuwenden. „Dann sei es hiermit beschlossen.“ Er lachte kurz und freudlos. „Weißt du, eigentlich ist es ganz einfach: Aoi und Uruha sind die einzigen, die keinen blassen Schimmer haben, was hier vorgeht. Aoi, weil er mit sich selbst nicht klarkommt, schon immer einen Hang zur Melodramatik hatte und lieber in Selbstmitleid ertrinkt, als tatsächlich was zu unternehmen.“ Ruki grummelte leise, musste jedoch einsehen, dass Reita recht hatte. „Und Uruha – naja, der war von Anfang an ahnungslos. Schließlich hat ihm nie jemand gesagt, was hier abgeht. Ihn scheint das wohl ziemlich anzufressen...“ „Und worauf“, unterbrach Rukis die etwas zu selbstüberzeugte Rede des Blonden beinahe schroff, „willst du hinaus?“ Reita hob beschwichtigend die Hände. „Immer mit der Ruhe! Ich denke, es ist am einfachsten, wenn wir Aoi ein Licht aufstecken. Dann sieht er vielleicht ein, dass Kai es doch nicht ganz so gut mit ihm meint und bekommt genau den Tritt in den Arsch, der nötig ist, um ihn dazu zu bewegen, Uruha endlich über die Situation aufzuklären.“ „Das hast du jetzt aber schön gesagt.“ „Nur nicht bissig werden, Ruki“, lachte der Bassist und winkte einer Bedienung, um sich Tee nachschenken zu lassen. „Das steht dir nicht. Ist immer noch mein Metier...“ Der Sänger seufzte ergeben, und prostete Reita zum Zwecke einer schnellen Versöhnung mit seiner Teetasse zu. Der Bassist erwiderte die Geste erfreut. „Also gut“, meinte Ruki und wirkte etwas wie ein geprügelter Hund. „Wenn du das sagst, wird’s wohl schon richtig sein... Und wie genau willst du das anstellen?“ „Also, ehrlich gesagt...“, begann Reita vorsichtig und setzte ein leibhaftiges Rattenfänger-Grinsen auf. „..werde ich gar nichts anstellen. Das musst du schon für mich übernehmen.“ „WAS?“, keuchte Ruki erschrocken und verschluckte sich prompt an einem hinterlistigen Schlückchen Tee. Er wollte Aoi eigentlich nicht unbedingt dazu überreden, Uruha seine Liebe zu gestehen. Das war doch irgendwie... wider die Natur, oder nicht? „Warum denn das?“ Reita wuschelte ihm entschuldigend durch die Haare. „Sorry, ich weiß, dass ich dir da viel abverlange“, erklärte er. „Aber es geht nicht anders. Ich komm nicht zu Aoi durch. Vorhin hab ich schonmal versucht, ihm ins Gewissen zu reden, aber er hat mir überhaupt nicht zugehört. Daher dachte ich, es wäre vielleicht besser, wenn du das übernimmst. Von dir erwartet er nichts böses...“ „Was sollte er denn von dir böses erwarten?“ Rasch winkte der Bassist ab. Er wollte Ruki nicht unbedingt... die ganze Geschichte auf die Nase binden. „Ach, nicht so wichtig“, bestimmte er. „Machst du's?“ „Ja“, erwiderte Ruki zögerlich, musterte sein Gegenüber dann aber doch etwas skeptisch. „Aber erst will ich wissen, was du dir davon versprichst? Warum tust du das?“ „Das hast du mich schon einmal gefragt“, sagte Reita und plötzlich glaubte Ruki, in seinem Lächeln etwas Reita-untypisch sanftes erkennen zu können. „Damals, als wir unsere kleinen Störaktionen geplant haben. Weißt du noch, was ich dir geantwortet habe?“ „Kannst du dir das denn nicht denken...“, flüsterte Ruki nachdenklich, konnte sich aber nach wie vor keinen Reim auf diese Worte machen. „Genau. Kluges Köpfchen!“, lobte Reita und schenkte ihm ein überlegenes Grinsen. „Und jetzt lass uns gehen.“ Kapitel 6: love --------------- Nervös trommelte Ruki auf dem Armaturenbrett von Reitas neuem Auto herum und lehnte sich zum ungefähr tausendsten Mal weit aus dem Fenster, um sich zu vergewissern, dass der Bassist noch immer nicht in Sichtweite war. Wie lange sollte das denn noch dauern. Vor etwa einer halben Stunde hatte Reita ihn zu Hause abgeholt, um mit ihm zur Bandprobe zu fahren und hatte nur kurz beim Supermarkt halten wollen, um irgendwas zu besorgen. Was dieses etwas war hatte er natürlich verschwiegen. Und wenn Ruki ehrlich war, interessierte es ihn auch überhaupt nicht. Viel schlimmer war, dass Reitas „kurz“ nun schon geschlagene 15 Minuten dauerte. Und er war gerade alles andere als in der Laune, unnötig lange auf ihn zu warten. Schließlich hatte er ihm am Tag zuvor in einem Anfall von geistiger Umnachtung versprochen, Aoi vor Kai „zu warnen“. Möglichst schnell, wie Reita gefordert hatte, was also soviel hieß wie heute. Lieber hätte Ruki einen Gastauftritt als Löwendompteur im Circus Krone oder nackt ein Konzert gegeben, als mit Aoi darüber zu sprechen, aber jetzt gab es wohl kein Zurück mehr. Wenn er dem Bassisten irgendeine haarsträubende Ausrede auftischen würde, würde er wohl höchstens müde lachen... Erschrocken fuhr er zusammen, als plötzlich die Fahrertüre aufgerissen wurde und Reita kommentarlos sein neu gekauftes Irgendwas auf den Rücksitz warf. Er hatte den Bassisten überhaupt nicht kommen sehen. Und das bedeutete, dass er nicht im Supermarkt gewesen sein konnte, denn den hatte er keine Sekunde aus den Augen gelassen. Aber wo war er dann gewesen? Und warum hatte er gelogen? Bevor Ruki sich weiter den Kopf über dieses Mysterium zerbrechen konnte, ergriff Reita das Wort. „Na? Noch am Leben?“, erkundigte er sich grinsend, während er einstieg, die Türe geräuschvoll hinter sich zu zog und den Motor startete. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“ „Schon okay“, brummelte Ruki gnädig in seinen nicht vorhandenen Bart und starrte nach wie vor reglos aus dem Fenster. Aus dem Augenwinkel registrierte er, dass Reita ihn skeptisch musterte, letzten Endes aber doch keinen Kommentar zu seinem abweisenden Verhalten abgab und schweigend losfuhr. Ruki hatte selten eine so schreckliche Probe erlebt. Vielleicht waren aber auch alle Proben der letzten Tage ähnlich Furcht erregend gewesen, und er hatte es nur nicht bemerkt, weil er zu beschäftigt damit gewesen war, seinen Teil zu der allgemeinen schlechten Stimmung beizutragen. Wie auch immer – jetzt konnte er verstehen, warum Reita dem ganzen endlich ein Ende bereiten wollte. Als einziger klar denkender Mensch kam man sich in diesem Irrenhaus vermutlich ziemlich verloren vor. Uruha war wahnsinnig aggressiv für seine Verhältnisse. Schon beim kleinsten Fehler ging er an die Decke. Aoi schien von seinen Ausbrüchen relativ wenig mitzubekommen, denn sein Blick war konstant auf seine Gitarre gerichtet, und Kai? Kai schwieg die meiste Zeit. Als sie das Trauerspiel endlich beendeten, hätte Ruki am liebsten sein Mikro gegen die Wand geschmissen. Er fühlte sich so wahnsinnig verloren... Mit einem leisen Seufzen ließ er sich zu Boden sinken und schloss resigniert die Augen, als würde die Welt allein dadurch besser werden, dass er sie nicht mehr sehen musste, und hätte so beinahe Aoi verpasst, der seine Sachen in Rekordzeit zusammengepackt hatte. Der Schwarzhaarige wollte gerade möglichst unauffällig verschwinden, als Reita seinen Fluchtversuch bemerkte und Ruki unsanft auf die Beine zog. „Los jetzt, beweg deinen Arsch!“, zischte er leise und schob den Sänger Richtung Türe. „Sonst ist es zu spät! Du musst ihn abfangen, bevor Kai nachkommt!“ „Aber...“, begann Ruki verstört, wurde aber sofort wieder unterbrochen. „Jetzt geh schon! Ich halte Kai solange auf. Ruki, bitte! Beeil dich!“ „Also gut...“, gab Ruki leise zurück, atmete noch einmal tief durch und ging Aoi auf wackligen Beinen nach. Irgendwie ging ihm das alles viel zu schnell. Er war gezwungen, dem Gitarristen im wahrsten Sinne des Wortes hinterher zu rennen und wusste nicht einmal genau, was er sagen sollte. Das war doch irgendwie paradox. „Aoi!“, rief er, als der Gitarrist gerade das Gebäude verlassen wollte. Er konnte es sich nicht leisten, ihn aus den Augen zu verlieren, sonst würde ihm Reita den Kopf abreißen. Naja, nicht wirklich, aber er wäre zumindest nicht besonders begeistert. „Warte!“ Und tatsächlich kam Aoi seiner Aufforderung nach. Der Schwarzhaarige hatte bereits die Türklinke in der Hand, als er sich zu ihm umwandte und ihn fragend ansah. Rasch hatte Ruki ihn eingeholt und spielte nervös am Saum seines T-Shirts herum. In letzter Zeit hatte er kaum mit Aoi gesprochen, er hätte es nicht ertragen. Nicht, nachdem er ihn damals einfach vor die Türe gesetzt hatte... Was zum Teufel sollte er sagen?! „Also... ich...“, nuschelte er unsicher. „Ich... wollte mit dir reden.“ Aoi musterte ihn skeptisch und legte den Kopf schief, als könnte er aus Rukis unverständlichem Gestotter eher schlau werden, wenn er ihn nur aus einer anderen Perspektive betrachtete. Der Sänger wurde dadurch nur noch nervöser. Und dass Aoi anscheinend nicht beabsichtigte, etwas dazu zu sagen, machte die Situation auch nicht gerade einfacher. Überfordert mit sich und seiner Aufgabe, beschloss Ruki, einfach direkt auf den Punkt zu kommen. Für lange schonende Vorreden hatte er jetzt keinen Kopf. „Also, weißt du, es geht um Kai“, sagte er. Aoi nahm es schweigend hin. „Ich denke, es ist wichtig, dass du weißt... Also... Ich weiß, dass du in Uruha verliebt bist.“ Treffer und versenkt. Der Blick des Gitarristen wechselte von verständnislos zu abgrundtief schockiert. Aber Ruki konnte jetzt keine Rücksicht darauf nehmen. „Und ich sehe, dass dich das kaputt macht. So kannst du nicht weitermachen! Und... Ich glaube, dass Kai dir gerade mehr im Weg steht, als dass er dir hilft. Du musst es Uruha sagen, je schneller, desto besser. Ich glaub, danach wird es dir besser gehen...“ So, damit war es amtlich. Er hatte es gesagt. Und Aoi reagierte immer noch nicht... Er stand da wie vom Blitz getroffen, die Türklinke fest umklammert, als wäre sie der viel gerühmte rettende Strohhalm, und Ruki hatte das Gefühl, ihn nicht eine einzige Sekunde länger ansehen zu können, ohne quer über den Flur zu kotzen. Seine Innereien hatten sich schmerzhaft zusammengezogen, während in seinem Kopf ein Gefühl allumfassender Erleichterung schwebte, das eigentlich gar nicht hätte da sein sollen und ihn fast in den Wahnsinn trieb. Hastig hob er die Hand zum Gruß und floh zurück in den Proberaum. Er wusste nicht, ob es richtig war, Aoi jetzt alleine stehen zu lassen und er wusste auch nicht, ob es richtig gewesen war, ihm das alles einfach so zwischen Tür und Angel zu sagen, aber Reita schien davon überzeugt zu sein, denn als er den Proberaum betrat, zwinkerte er ihm wohlwollend zu und verabschiedete sich lächelnd von Kai, um ihm gleich darauf freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen und ihn Richtung Ausgang zu dirigieren. Völlig fertig mit der Welt ließ Ruki es geschehen. Kapitel 7: you, --------------- Hallöchen alle zusammen! Bestimmt hat schon keiner mehr so recht daran geglaubt, dass das hier noch was wird, aber voilà: das vorletzte Kapitel. Vielen Dank für all die lieben Kommis und Favos, ich fühle mich wirklich geehrt. In den nächsten Tagen wird dann wohl auch das endgültig letzte Kapitel kommen. Viel Sapß damit!^^ In dieser Nacht tat Aoi kein Auge zu. Direkt nachdem Ruki und Reita gegangen waren, hatte Kai ihn nach Hause gefahren. Kai war zum Abendessen geblieben. Kai hatte gekocht. Kai hatte abgespült. Kai hatte mit ihm reden wollen. Kai hatte gefragt, was mit ihm los war. Und er hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Warum hatte Ruki das gesagt? Warum sollte Kai ihm im Weg stehen? Und warum zum Teufel wusste er, dass er in Uruha verliebt war? Gut, das war momentan zweitrangig. Bevor er sich darüber Gedanken machte, musste er erst einmal herausfinden, was Ruki an Kais Benehmen so verdächtig fand. Der Drummer tat nichts weiter, als ihn über seine vergebliche Liebe hinwegzutrösten. Er ließ ihn nicht alleine, war immer da, wenn er ihn brauchte. Er war immer da... Immer... Vielleicht war es das? Nun, da er ernsthaft darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er in den letzten Tagen kaum einen Schritt getan hatte, ohne dass Kai sich an seine Fersen geheftet hatte. Gerade so, als wollte er ihn überwachen. Ja, der Drummer traf sogar die meisten Entscheidungen für ihn. Er entschied, wie er seine Freizeit verbrachte, was er zu Mittag aß und ob sie Abends weggingen. Warum ließ er das zu? War er tatsächlich so unselbstständig geworden oder hatte Kai ihn irgendwie... manipuliert? Aoi schüttelte heftig den Kopf. So etwas wollte er gar nicht erst denken. Das war irgendwie undankbar. Klar, wenn es so weiterging würde er niemals die Chance bekommen, Uruha seine Gefühle zu gestehen, aber das wollte er doch auch gar nicht mehr. Schließlich hatte Kai ihm gesagt, dass sie ohnehin unerwidert bleiben würden. Moment... Was, wenn Kai gelogen hatte? Oder wenn Ruki mehr wusste, als er? Auszuschließen war beides nicht. Dummerweise hatte Aoi bisher beide, Sänger und Drummer, für absolut vertrauenswürdig gehalten. Und jetzt konnten unmöglich beide die Wahrheit sagen. Außer einer von beiden wusste nicht, dass das, was er sagte, nicht die Wahrheit war, wodurch es aus seiner Perspektive die Wahrheit wäre. Abermals schüttelte Aoi den Kopf. Diesmal, um zu verhindern, dass sich seine Gehirnwindungen verknoteten. So wurde das nichts. Wahrscheinlich war es für ihn vollkommen unmöglich zu sagen, wer ihn 'belogen' hatte. Er kannte nur noch einen einzigen Ausweg aus diesem Dilemma... Er musste Uruha die Wahrheit sagen, egal was danach passierte. Alles andere war purer Selbstbetrug. Er konnte sich weder von Reita, noch von Kai trösten lassen, das zerstörte ihn eher, als dass es ihm half. Eine späte Einsicht, aber besser spät, als nie. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Und so fasste er – es schlug gerade 4 Uhr früh – einen wahrhaft heroischen Entschluss: Er würde zu Uruha fahren und dem Chaos ein Ende bereiten. Jetzt sofort. Fest davon überzeugt, dass er das Richtige tat, schnappte er sich seine Autoschlüssel, verzichtete großzügig darauf, sich etwas anständiges anzuziehen, warf sich eine Jacke über und machte sich auf den Weg. Er konnte nicht bis zum Morgen warten, wenn er nicht riskieren wollte, es sich schon wieder anders zu überlegen. Das ganze Durcheinander musste endlich ein Ende haben! Und wenn er dieses Ende nicht ertragen konnte, bestand immer noch die Möglichkeit, in aller Stille die Koffer zu packen und nach Timbuktu auszuwandern. Die Straßen waren wie leergefegt – wie es um diese Uhrzeit zu erwarten gewesen war – und so sah Aoi kurzentschlossen davon ab, unbedeutenden Nebensächlichkeiten wie Tempolimits oder roten Ampeln irgendeine Form von Beachtung zu schenken und raste seinem Ziel entgegen wie ein Formel-1- Pilot. Glücklicherweise, ohne dabei in die Leitplanke zu krachen. Als er Minuten später mit quietschenden Reifen vor dem Haus zum Stehen kam, in dem Uruha wohnte, zögerte er nicht lange, auszusteigen. Er verlor keine Zeit damit, den Autoschlüssel abzuziehen. Ihm war klar, dass ihm jede noch so kleine Verzögerung das Genick brechen konnte. Wenn er erst einmal anfing, darüber nachzudenken, was er tat, würde er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Rückzieher machen, und das sollte nicht noch einmal passieren. Hastig presste er den Finger auf die Klingel und nahm ihn nicht so schnell wieder weg, um sicher zu gehen, dass Uruha davon auch wirklich wach wurde. Wer konnte schon sagen, ob er noch ein weiteres Mal den Mut aufbringen würde. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als ein leises Rauschen ankündigte, dass die Gegensprechanlage betätigt wurde. „Was soll'n die Scheiße?“, nuschelte Uruhas Stimme ebenso müde wie entzürnt über die nächtliche Ruhestörung. „Es ist mitten in der Nacht, verdammt! Wer ist da überhaupt?“ „Aoi“, erklärte er nervös und räusperte sich, um zu einem etwas selbstsichereren Tonfall zurückzufinden. „Lass mich bitte rein.“ Eine ganze Weile war es still. Aoi musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht einfach die Gunst der Stunde zu Nutzen und die Beine unter den Arm zu nehmen. Dann aber schien Uruha begriffen zu haben. Er sagte nichts, öffnete aber in stummem Einverständnis die Türe. Wie automatisiert bewegten sich Aois Beine vorwärts und er war mehr als dankbar dafür. Er fühlte sich mit einem Mal nicht mehr so recht zurechnungsfähig. Jetzt war es also soweit. Die Ungewissheit würde bald ein Ende haben. Vielleicht hätte er das schon viel früher tun sollen... Ein paar Treppenstufen später stand er ihm gegenüber. Uruha sah verschlafen aus. Die blonden Haare waren zerzaust, die Augen klein und wie Aoi selbst war er recht spärlich bekleidet. Er hatte sich an den Türrahmen gelehnt und betrachtete aufmerksam, wie sich sein Bandkollege näherte. Zu behaupten, dass Uruha nicht neugierig gewesen wäre, wäre gelogen gewesen. Zunächst hatte er das Klingeln einfach überhören wollen, aber es war so penetrant und ausdauernd und vor allem laut gewesen, dass es ihn schlussendlich doch aus dem Bett getrieben hatte. Dann hatte er beschlossen, den nächtlichen Ruhestörer stattdessen ordentlich zur Schnecke zu machen und sich wieder schlafen zu legen. Zumindest, wenn er nichts übergeordnet wichtiges zu sagen hatte. Aber weil es Aoi war, der ihn in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett geklingelt hatte, lagen die Dinge anders. Wahrscheinlich hätte er nicht so nachsichtig sein und ihn draußen stehen lassen sollen – schließlich stahl er ihm nicht zum ersten Mal den wohlverdienten Schlaf – aber seltsamerweise war ihm dieser Gedanke nicht einmal gekommen. Viel eher war er froh, dass Aoi überhaupt wieder mit ihm sprach. Bestand vielleicht sogar der Schatten einer Chance, dass er endlich eine Erklärung für das Chaos bekam, dass er aus The GazettE gemacht hatte? Konnte er hoffen? „Was gibt’s?“, erkundigte er sich und konnte trotz aller Neugierde ein Gähnen nicht unterdrücken. „Ich...“, begann Aoi, ließ das Reden dann aber doch lieber bleiben und sah Uruha direkt in die Augen. Irgendetwas in seinem Blick ließ Uruha unsicher wegsehen. In den schwarzen Augen hatte er nichts gesehen, als pure Entschlossenheit und das kam ihm nicht ganz koscher vor. Wo war die Unsicherheit geblieben, die Aoi die letzten Wochen hindurch begleitet hatte? Hatte er schon wieder irgendeine Entwicklung seines Gemütszustandes verpasst? Er war gezwungen, den Kopf wieder zu heben, als Aoi eine Hand unter sein Kinn legte und es sanft nach oben drückte. Ein unerklärlich warmer Schauer rieselte seinen Rücken hinab und seine Finger wurden schwitzig. „Was-?“ 'Was ist los?' hatte er fragen wollen, aber Aoi ließ ihm gar nicht erst die Chance, den Satz zu vollenden, indem er ihm einen Finger auf die Lippen legte. „Shhh“, hauchte er ihm ins Ohr. Uruha bekam eine Gänsehaut und fragte sich noch im selben Atemzug, was in Gottes Namen mit ihm los war. „Sag bitte nichts, sonst weiß ich nicht, ob ich das durchziehen kann.“ Er nickte geschlagen. Würde er allen Ernstes erfahren, wo Aois Problem lag? Um vier Uhr morgens, ohne jegliche Vorwarnung? Er konnte es nicht glauben. Vielleicht schlief er noch und all das war nur ein absurder Traum. „Uruha, ich...“, versuchte Aoi es noch einmal, schien aber wieder nicht die richtigen Worte zu finden und verlegte sich stattdessen auf nonverbale Kommunikation. Vorsichtig überbrückte er die letzten paar Zentimeter, die ihre Gesichter voneinander trennten und gab ihm einen außerordentlich zärtlichen Kuss. Ein flaues Gefühl breitete sich in Uruhas Magen aus und seine Beine wurden weich. Das war so surreal – es musste einfach ein Traum sein! Er seufzte leise auf, als Aoi von ihm abließ und den Kopf federleicht auf seiner Schulter platzierte. Und was er dann sagte, holte Uruha regelrecht von den Füßen. „Mein Problem... Also... Ich liebe dich.“ Kapitel 8: dear? ---------------- So, da ist es auch schon, das letzte Kapitelchen. Ich hoffe, dass mich niemand dafür steinigt. Sollte es noch einen Epilog geben, dann nämlich nicht mehr zu Uruha und Aoi. ;) Viel Spaß beim Lesen und Dank an alle treuen Leser, die sich auch von einer gigantisch langen Schreibpause nicht haben abschrecken lassen. Besonderen Dank an diejenigen, die mir eine Rückmeldung in Form eines Kommentärchens dagelassen haben. Ich lese immer gerne, was das Publikum so von meinem Geschreibsel denkt.^^ „Ich liebe dich.“ Er hatte es tatsächlich gesagt. Am liebsten hätte Aoi die Beine unter den Arm genommen und Hals über Kopf die Flucht ergriffen, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund konnte er sich nicht rühren. Er konnte nur reglos dastehen, den Kopf auf Uruhas Schulter, und warten. Warten. Seine Finger wurden klamm. Warum sagte er denn nichts? Wenn es denn unbedingt sein musste, konnte er ihm ja auch eine Ohrfeige verpassen – Aoi würde es hinnehmen. Hauptsache, die Ungewissheit hatte endlich ein Ende. Uruha aber war wie versteinert. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ihm so richtig bewusst wurde, dass ihm der schwarzhaarige Gitarrist gerade allen Ernstes seine Liebe gestanden hatte. Dann kam wieder etwas Leben in ihn. Wie von selbst krallten sich seine Finger in Aois Jacke, er hatte das spontane Bedürfnis, sich an irgendetwas festzuhalten. Das... das war alles?! War das ein Witz? Versteckte Kamera? Eine drittklassige Vorabendsoap? Dieser ganze Aufstand nur wegen ihm? Im weiteren Sinne zumindest. Aber was war dann mit Reita? Er hatte doch gesehen, wie sie sich geküsst hatten. Wenn er nur daran dachte wurde ihm schlecht, er hätte sich gleich wieder übergeben können. „Ich liebe dich.“ Alles in ihm schrie, dass Aoi nichts anderes als ein romantisches „Ich dich auch“ verdient hätte, allein schon wegen des Terrors, den er in den letzten Wochen hatte durchleben müssen. Aber er konnte das nicht sagen. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. War er in Aoi verliebt? Konnte er sich überhaupt in ihn verlieben? Seine Knie waren so weich und sein Herz schlug mit mindestens doppelter Geschwindigkeit. War das ein Zeichen oder nur eine Art... Nervosität? Verwirrt schob er Aoi von sich. „Hör zu, ich...“, begann er unschlüssig und wich seinem Blick aus, so gut es ging. „Ich...“ 'Kann dazu jetzt nichts sagen. Gib mir bitte ein bisschen Zeit.' Das hätte er sagen sollen und vielleicht auch sagen wollen. „Komm rein“, sagte er stattdessen. Und Aoi leistete der Aufforderung stumm nickend Folge. Uruha kam sich vor wie ein Idiot, als sie kurz darauf in seiner Küche saßen, stumm und unbeweglich wie Marionetten. Er wagte kaum sich zu bewegen, doch sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Irgendetwas musste er sagen – und zwar möglichst sofort! Um sich selbst ein wenig zu beruhigen, stützte er den Kopf auf die Hand und atmete einmal tief durch, bevor er schließlich die Frage stellte, die ihn mehr als alles andere beschäftigte. „Sag' mir nur eins, Aoi“, bat er. „Ist das alles?“ Aoi war nur allzu deutlich anzusehen, dass er nicht so recht begriff, worauf er hinaus wollte. „Wie meinst du das?“, erkundigte er sich sicherheitshalber. „Ist das alles, was du mir sagen wolltest?“, wiederholte Uruha etwas präziser. Aoi nickte, wenn er auch immer noch nicht verstand, was die Frage sollte. Hatte Uruha denn überhaupt keine Ahnung, wie schwer ihm das gefallen war?! Naja... Immerhin schien es sich gelohnt zu haben. Schließlich hatte ihn der Leadgitarrist nicht entsetzt auf die Straße, sondern in seine Küche gesetzt. „Okay...“, meinte Uruha geistesabwesend. „Das war es also... Ja...“ Dann hob er ruckartig den Kopf und fixierte Aoi mit einem etwas seltsamen Ausdruck in den dunklen Augen. „Ich denke nicht, dass ich dir darauf gleich eine Antwort geben kann“, erklärte er. „Gib' mir ein bisschen Zeit, darüber nachzudenken. Es ist jetzt dann fünf Uhr morgens – lass uns schlafen gehen.“ Er erhob sich und wandte sich zur Türe, um seinen Kollegen nicht ansehen zu müssen. Er musste ihn verwirrt haben mit seinem beinahe geschäftlichen Tonfall. Ganz bestimmt. Aber mehr war ihm spontan nicht eingefallen. Seine Knie wiesen noch immer dieselbe schlabbrig-wabbelige Konsistenz auf wie Wackelpudding. Wenn er sich nicht bald wieder hinlegen konnte, brach er am Ende noch auf dem Fußboden zusammen. Er spürte Aois Blick im Rücken. Es war ihm unangenehm. „Äh... Was?“ Aoi konnte beim besten Willen nicht begreifen, was in Uruha vor sich ging. Gut – er hatte ihn nicht sofort vor die Türe gesetzt – aber dennoch wusste er nicht so recht, ob diese Aussage positiv oder negativ zu bewerten war. Es hatte so... alltäglich geklungen. Hatte Uruha denn überhaupt kein Problem damit, dass er mitten in der Nacht bei ihm klingelte und ihm erklärte, dass die ganze Scheiße, die in den letzten Wochen geschehen war, eben nur deshalb geschehen war, weil er sich unsterblich in ihn verliebt hatte? Intrigen, Pläne, Missverständnisse, Tränen – und Uruha tat das alles ab, als wäre es nichts besonderes? Wenn er etwas nicht erwartet hatte, dann das. Schlagartig kam Aoi sich unwahrscheinlich lächerlich vor. Bedeutete das etwa, dass sein kapitales Problem, das ihn über Wochen hinweg fast in den Wahnsinn getrieben hatte, eigentlich überhaupt kein Problem gewesen war? „Kommst du?“ Uruha hatte sich nicht zu ihm umgedreht, streckte aber einladend eine Hand nach ihm aus. Er hätte bescheuert sein müssen, dieses Angebot auszuschlagen. Uruhas Hand war seltsam kalt, aber um nichts in der Welt hätte er sie wieder loslassen wollen. Und so fand sich Aoi Sekunden später im Schlafzimmer seiner großen Liebe wieder. Anscheinend hatte der Leadgitarrist nicht vor, seinen Gast auf dem Sofa zu parken. Ohne sein Tun großartig zu erklären, schlug er die Bettdecke zurück und ließ sich in die Kissen sinken. Aoi hing noch immer an seiner Hand. Unentschlossen und nervös trat er von einem Bein aufs andere. „Jetzt komm' schon!“, forderte Uruha und unterstrich seine Worte mit einem ausgedehnten Gähnen. Aoi nickte schwach. Wie in Trance ließ er seine Zip-Jacke zu Boden gleiten, bevor er zu Uruha unter die Decke schlüpfte. Es war seltsam dort zu liegen – ein paar Zentimeter Sicherheitsabstand zwischen ihren Körpern. Wie in einem Traum. Aber wenn es ein Traum war, dann war es der beste, den Aoi jemals geträumt hatte. Wahrscheinlich würde er nicht schlafen können, er war zu aufgedreht. Uruha hingegen schien damit keine Schwierigkeiten zu haben. Er war schon halb weggedöst, als er sich auf die Seite drehte und ihm demonstrativ den Rücken zuwandte. Distanz, die er zumindest verbal zu überbrücken wusste. „Danke, dass du es mir gesagt hast“, flüsterte er noch. Dann war er eingeschlafen. Und Aoi verstand: Er konnte ihm vertrauen. Er hätte ihm schon immer vertrauen können. Mit einem leisen Seufzen schloss er die Augen und lauschte seinem regelmäßigen Atem. Er hatte noch immer keine Gewissheit. Uruha hatte ihn nicht abgelehnt. Er hatte aber auch nicht gesagt, dass er seine Liebe erwiderte. Dennoch fühlte er sich so gut, wie lange nicht mehr. Jetzt war es wohl an der Zeit für eine Politik der kleinen Schritte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)