Schnee im Winter von abgemeldet (Von Erfüllten Träumen und Ungerechtigkeit) ================================================================================ Chapter I: Schließmuskel --------------------------- Verstört schob Nana ihr Buch zurück in das staubige Regal. Sie hatte ein Liebesgeständnis bekommen, jetzt, gerade eben am Telefon. Von einem Unbekannten. Und das hatte ihr irgendwie die Lust am Lesen versaut. Vor allem… eigentlich wäre so ein Liebesgeständnis bestimmt interessant, vielleicht ein junger Japaner, der sie schon ewig verehrte oder so. Sowas wäre schön gewesen. Aber… Der Typ da schien nicht mal richtig Deutsch zu sprechen, alles hatte sich sehr seltsam angehört, außerdem hatte er in dem Singsang gesprochen, in dem jeder spricht, wenn er etwas auswendig gelernt hat. Wie primitiv. Und dann auch noch ein Gedicht… Woher hatte dieser Spinner eigentlich ihre Telefonnummer? Sowas blödes. Ihren Blick hatte sie immer noch auf dem Buchrücken geheftet. Ein nettes Buch. Es zog in jeder möglichen Hinsicht über Menschen mit gewissen Eigenschaften her. Eigenschaften von so furchtbar konservativen Menschen. Die eben glauben, sie wären die einzige Wahrheit dieser Welt. Solche Menschen waren schon blöd. Sie seufzte und packte sich auf ihr Sofa. Seit sie ihre eigene Wohnung in Berlin hatte ging es ihr schon viel besser. Sie hatte abgenommen, hatte mehr Zeit und konnte jetzt viel mehr machen. Zum Beispiel das, was da auf ihrem Tisch lag. Ein rosa-weißes Lolitakleid. Nein, natürlich würde sie sich niemals in so einem Kleid zeigen. Kizu hatte sie überredet es zu nähen und sie hatte beschlossen es zu tun. Warum auch nich. Sie lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. Es regnete heute, es war schon Anfang Dezember. Und der Regen tropfte sanft gegen das Fenster. Und ganz langsam… entschlummerte sie…. Da klingelte das Telefon schon wieder! „JA VERDAMMT!“ Was bildete dieser IDIOT eigentlich ein, sie noch mal anzurufen, nachdem sie ihm schon ordentlich die Meinung gegeigt hatte? Na gut, sie hatte keine Ahnung, ob dieser Kerl überhaupt ein Wort Deutsch konnte, vielleicht hatte er sie nicht verstanden? Na ja, sie würde ihm das schon klarmachen! „WAS IST?“, brüllte sie wieder ins Telefon, ziemlich frustriert, weil der Typ ihr nicht einmal die Möglichkeit zum Streiten gab. Dabei war sie doch grade so schön auf Hundertachtzig. „Ähm…. Eigentlich wollte ich nur fragen, ob du zum Essen rüberkommst…?“, antworte zögerlich Kizus Stimme aus dem Telefon. „Oh, ja, klar, warte nen Moment, bin gleich da… Sorry.“, sagte Nana ausatmend. Was war nur mit ihr los? Sie ging doch sonst nie so ab. Die arme Kizu, die dachte jetzt bestimmt sonst was. Trotzdem legte sie auf, ohne eine Antwort oder Nachfrage zuzulassen, dafür hatte sie grade keinen Nerv. Das konnte sie Kizu auch in fünf Minuten erklären. Sie wohnte schließlich nur einen Block weiter, deshalb konnte sie auch dort essen. Mürrisch zog sie ihre hohen Stiefel mit den vielen Nieten über ihre Overnies mit Strapsen. Darüber trug sie einen coolen Rock und ein weites T-Shirt, das ihre dürren Arme betonte. Dann streifte sie sich noch eben ihre Nietenarmbänder um, sonst wurde man hier ja nicht ernst genommen. Von diesen Kack-Prolls. Mit hochgezogener Augenbraue kickte sie eine ihrer tausend Taschen aus dem Weg. Sie sollte hier bald aufräumen… Diesen Eindruck verstärkte der Anblick der gerade weggekickten Tasche, die offensichtlich etwas dagegen hatte, immer rumgeschubst zu werden und soeben ihren Inhalt erbrach. Nana lächelte bei diesem Gedankengang und ging hinaus. „Was war los…?“, fragte Kizu besorgt, als sie die Tür öffnete. „ach, tut mir Leid, ich dachte du wärst son Typ, der mich vorhin schon angerufen hat….“ „Was für ein Typ?“ „Keine Ahnung, er hat mir ein Liebesgeständnis gemacht und hat dann aufgelegt…“, antwortete Nana. Dass sie schon den ganzen Tag ziemlich gereizt war und vorhin diesen Typ gleich zur Sau gemacht hatte, musste Kizu ja nicht wissen… „Oh Mann! Gerade Mal zwei Konzerte gegeben und schon hast du Stalker…“, meinte Kizu fast erschrocken. Nana grinste. Das verbesserte einem doch die Laune erheblich. Ja, sie hatte Konzerte gegeben… Auf derselben Bühne mit GAZETTE! Ernsthaft. Zwar nur als deren Vorband und sie hatte sie nur kurz sehen können, aber immerhin! Immerhin musste Reita jetzt schon mal ihren Namen gehört haben. Schon cool. Und Ruki hatte sie dann sogar beim Hauptkonzert gelobt. Nicht direkt, aber er hatte sie zumindest oben, als er auf der Bühne stand erwähnt. Das war doch was wert oder? Ruki hatte ihren Namen im Mund gehabt… Sie lachte. „Nein, sicher kein Stalker.“ „Hm, na hoffentlich! Na komm, ich hab uns Chili con Carne gemacht.“ „Ja Moment!“ Hastig zog Nana jetzt auch den zweiten Schuh aus und stolperte in den kleinen Raum. Dort stellte Kizu gerade zwei dampfende Teller auf den Tisch. „Hast du dich entschieden, was nun aus deinem Job im Plattenladen wird?“, fragte sie, während sie es sich auf der kleinen, ausziehbaren Couch bequem machte und sich einen Löffel Reis in den Mund steckte. Auch Nana setzte sich. „Klar, ich bleib da.“ „ECHT? Meinst du, du schaffst das, neben deiner Sänger-Karriere?“ „Darum geht es doch gar nicht, Kizu. Ich brauche halt ein Standbein. Was wenn die Band garnich so erfolgreich wird? Deshalb bleib ich halt lieber mit einem Bein in der Realität.“ Kizu sah sie verträumt an. „Mama ist stolz auf dich. Du bist erwachsen geworden…“ Die schniefte theatralisch. Nana lachte. „Is klar, Mama. Na ja, auch ich muss mal erwachsen werden, oder nich? Ich hab lange genug zu schnell an das geglaubt, was Leute mir gesagt haben. Schau Mal, früher hat mir mal ein Hund die Pfote gereicht und nur weil er so lieb geschaut hat, hab ich sie genommen, obwohl ich keine Hunde mag. Und was tut der Köter? Er beißt und die Narben schmerzen heute noch!“ Nach der Beendung ihres Satzes tat sie sich noch einen großen Löffel von dem Chili auf. Kizu konnte einfach zu gut kochen! „Du weißt, dass ich noch mit Hachi befreundet bin…“ „Ja ich weiß.“ „Könntest… du bitte nicht über sie herziehen, wenn ich dabei bin?“ „Du weißt, dass ich nie über sie herziehe.“ „Ja. Also was ist heute los mit dir?“ „Ich habe beim Sortieren einen Brief von ihr gefunden.“ Jetzt war es auf einmal still und Nana zog wieder ein Gesicht wie sieben tage Regenwetter. Kizu wusste nicht so ganz wohin sie schauen sollte. „Ach so!“, meinte Kizu dann plötzlich, „ich sollte dich ja noch fragen, wann und wo dein nächstes Konzert ist!“ „Von wem sollst du fragen?“ „Ach… äh… von Moe!“ „Der hab ich das schon letztens bei Mexx geschrieben…“ Kizu errötete und Nana sah sie abschätzend an. „Deshalb kannst dus mir doch trotzdem sagen, oder?“ Kizu sah ihr nicht ins Gesicht, als sie das fragte. Aber Nana hackte nicht noch einmal nach, sondern schieb Datum, Ort und Zeit auf einen Zettel und schob ihn zu Kizu rüber. „Der 12.12.?“ „Ja, genau der.“ „Das ist ja ein Zufall.“ „Ja schon.“ Wieder schwiegen sie. Kizu starrte die Wand an. „Nehmt ihr bald wieder eine Platte auf?“, fragte sie dann. Nana nickte. Dann redeten sie eine ganze Weile über dies und das, bis es spät abends wurde. Auf dem weg nach Hause wurde Nana klatschnass. Kizu hatte ihr angeboten zu übernachten, aber sie wollte lieber nach Hause, in ihr eigenes Bett. Als sie um die Ecke ging, kam ihr dann plötzlich ein Straßenköter entgegen. Er war schneeweiß und etwa mittelgroß. Genau vor ihr blieb er stehen und sah sie einfach regungslos an. Mit grauen Augen. Nana spuckte aus. „Hau ab, du Köter. Ich hasse weiße Hunde.“ Dann ging sie einfach um ihn herum und stapfte weiter. Der Hund sah ihr hinterher. Als sie fast außer Sicht war, bellte er noch einmal kläglich. Nana drehte sich nicht noch mal um. Als Nana am nächsten Morgen die Balkontür öffnete, erschrak sie. Dort saß auf dem Geländer, eine schwarze Katze. Sie sah einmal mürrisch zu Nana hin, dann tippelte sie nach links und sprang in atemberaubender Höhe zu der Nottreppe außen am Haus. Dazu sollte man wissen, dass diese knapp zwei Meter von Nanas Balkon entfernt war und Nana im 7. Stock wohnte. „Willst dich wohl umbringen, was?“, sagte Nana zu der Katze, die in Begriff stand, die Treppe nach unten zu gehen. „EMOKATZE!“, brüllte sie. Dann ging sie wieder rein und fühlte sich etwas besser. Es regnete. Jetzt schon seit drei Tagen. Müde drehte sich Nana vom Fenster weg. Fünf Tage noch, dann war da dieses Konzert. Das Konzert ihres Lebens, meinte ihr Manager, denn er glaubte fest daran, dass dies der Durchbruch werden würde. Überall hingen Plakate aus, Reklame im Fernsehen und in den Radios. Der Durchbruch. Sie hatte sich für diese Zeit frei genommen, bereute es aber jetzt. Sie hätte die Arbeit gebrauchen können um sich abzulenken. Hier war sie zu nichts fähig, sie hatte ihre Wohnung immer noch nicht entrümpelt. Schlimm, dass es hier so aussah, sie lebte erst seit drei Monaten hier. Na gut, das war wohl schon eine Weile. Sie seufzte. Fünf tage noch… Fünf Tage war sie noch getrennt von ihrem Lebenstraum und trotzdem… Trotzdem war sie nicht glücklich. Obwohl es ihr an nichts fehlte. Ihre vielen Freunde riefen sie oft an und gaben ihr Mut. Ständig bekam sie Fanmails und in neben dem Sofa stand ein riesiger Teddybär, den ihr ein anonymer Fan genäht und geschickt hatte. Sie fand es seltsam, dass dort keine Adresse angegeben war. Normale Fans wollten doch, dass man sich ihren Namen merkte, oder? Der seltsame Anrufer, der mit der Liebeserklärung hatte sich nur noch einmal gemeldet. Allerdings war Nana zu diesem Zeitpunkt einkaufen, er hatte also auf den Anrufbeantworter gesprochen. Komischerweise hatte er sich entschuldigt. Sein Text klang schon wieder wie auswendig gelernt und der Mann konnte wohl wirklich kein Deutsch. Aber seine Stimme an sich klang angenehm. Tief und ruhig. Sie wusste nicht so recht, wie sie das alles finden sollte. Nana schnappte sich jetzt wieder ihr Buch. Sie musste sich ablenken. Das wäre wohl am besten. So verging die Zeit, die sich in den letzten Tagen elend langsam dahin gezogen hatte. Komisch. Nana war sonst nie so antriebslos. Sie las eine paar Zeilen aus dem Buch. Es war auf Japanisch geschrieben. Vor drei Jahren, als ihr leben eine Wende brauchte, hatte sie sich entschieden auf eine Volkshochschule zu gehen und japanisch zu lernen. Jetzt las sie es fließend. Auch sprechen konnte sie es gut. Darauf war sie sehr stolz. Aber heute wollte es nicht. Wie zähe Klebemasse flossen die Worte in ihr Gehirn, sodass sie das Buch einfach von sich warf. Der Regen machte alles grau. Sogar die leuchtenden Plakate an der Wand. Alles. Außer den riesigen Teddybären. Nana schaute diesen Bär verwundert an. Wieso? Sie drehte sich verwirrt um und starrte an die Wand. Fünf Tage. Der 12. Dezember. Sie hasste diesen Tag. Und dieses Jahr, sollte das der schönste Tag ihres Lebens werden. Welch Ironie. Gerade als sie sich den Kopf zermarterte, wie sie sich beschäftigen könnte, klingelte das Telefon. „Ja?“ „Ich bin am Flughafen… Ich bitten. Komm her. Nur kurz. Stellen neben Telefonzellen. Ich werde dich sehen. Ich werde warten.“, kam es in gebrochenem Deutsch aus dem Hörer. Der Typ hatte wirklich eine schöne Stimme. Klang auch nicht so alt. „Was???“ „Tuuuuuuuuuut… Tuuuuuuuuuut…“, der Fremde hatte aufgelegt. Nana stiefelte ruhig die Straße entlang. Sie wusste selbst nicht recht, warum sie dahin ging. Vermutlich wollte jemand ihr etwas Böses und sie würde heute vergewaltigt werden und sterben oder so. Aber aus irgendeinem Grund ging sie doch. Sie war nicht allein, die ganze Zeit schon nicht. Die schwarze Katze ließ neben ihr seit sie aus dem Haus war. Ohne sie anzusehen blieb sie die ganze Zeit bei ihr. Und Nana hatte begonnen sie zu mögen. Die Art wie sie lief. Ihr ignoranter Blick. Ihre kleinen Tatzen. Diese Katze war etwas besonderes, deshalb akzeptierte Nana, dass sie einfach neben ihr lief. Sonst hätte sie sie verscheucht. Obwohl Nana Katzen eigentlich mochte. Sie musste niesen. Sie waren jetzt schon lange durch den Regen gelaufen. Ihr taten die Füße weh. Eigentlich wäre es klüger gewesen die Bahn zu nehmen. Aber Nana wollte gerne spazieren. Der Fremde hatte gesagt er wartet, da konnte sie sich ruhig Zeit lassen. Plötzlich quietschten Reifen und ein Jaulen war zu hören. Es hatte ziemlich laut "Bumm" gemacht. Die Straßen waren leer. Nana und die Katze liefen bisher ganz langsam. Aber als es Bumm gemacht hatte, lief die Katze plötzlich schneller. Jetzt rannte sie. Und Nana rannte einfach hinterher. Nicht weil sie es eilig hatte. Sie wollte sehen, was die Katze auf einmal interessierte. Außerdem rannte sie in Nanas Richtung. An einer großen Kreuzung, die jetzt wie ausgestorben war, sah sie das Tier nicht mehr. Etwas frustriert sah sie sich um, denn weit konnte die Katze nicht sein. Und dann sah sie sie doch noch. Und sie sah, was vorhin passiert war. Wohl ein Unfall. Der weiße Hund von vor ein paar Tagen lag auf der Straße, die Beine seltsam abgewinkelt. Er sah zum Himmel, der genauso grau war, wie seine Augen. Und er sah nicht unglücklich aus. Die Katze miaute. Dann stubste sie den Hund an. „War wohl dein Freund, hm?“, flüsterte Nana. Dann hob sie die Hand und streichelte die Katze flüchtig. Sie saßen beide zusammen da, Nana und die Katze und starrten den Hund an. Den weißen Hund, dessen Fell sich langsam rot färbte. Dann rollte sich die Katze an seinem Bauch ein und sah weg. Nana sah nur zu. „Es ist besser so. Besser so, als wenn sie dich verletzen.“, meinte sie, als sie aufstand. Dann sah sie noch einmal zurück. „Pass auf ihn auf. Hunde sind dumm, die können nicht alleine leben. Und wohl auch nich alleine sterben.“ Dann ging sie langsam weiter, in Richtung Flughafen. *** Kleiner Autorenvermerk. Die Geschichte ist Nana gewidmet und handelt von ihr. Ich weiß, was da so erzählt wird ist bestimmt nicht leicht zu verstehen, denn das meiste klärt sich erst viel später auf. Nur Menschen die mich und Nana gut kennen werden jetzt schon vieles verstehen. Aber keine Sorge, am Ende sollte das wichtigste für jeden verständlich sein. Ich weiß, ich schreibe nicht gut, eigentlich kann ich es überhaupt nicht. Ich sollte beim zeichnen bleiben. Diese Geschichte schreibe ich aber nicht, weil ich gut Geschichten schreiben kann, sondern ich möchte eigentlich nur versuchen, meine Gefühle auszudrücken. Deshalb seid bitte nicht zu kritisch mit mir. Ich hoffe du ließt das hier alles, Nana. Ich glaube zwar nicht wirklich, dass du es tust, aber ich hoffe es trotzdem. Die Geschichte hat folgenden kleinen Hintergrund. Du erinnerst dich vielleicht an diese kleine Geschichte, die ich dir damals geschrieben hab? Es ging um Keel. Ich hab sie letztens wieder ausgegraben. Und mir ist aufgefallen, dass auch in dieser Geschichte eigentlich ich der Held war. Das möchte ich jetzt ändern. Hier bist du die Hauptperson und der Held der Geschichte. Ich weiß nicht, ob ich auch nur annähernd das getroffen habe, was du bist. Und ich weiß nicht, ob ich mich nicht schon wieder zu viel mit einbringe… na ja, das wird sich erst in den nächsten Kapiteln entscheiden. Ich hoffe du ließt es bis zum Schluss. Und ich hoffe du verstehst es. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)