Zwischen den Fronten von Kiajira ================================================================================ Harry Potter ------------ Kapitel 24: Harry Potter Ginny erwachte schon früh an diesem Morgen. Es war noch dämmrig, Nebel kroch in dichten Schwaden über den Boden und Raureif glitzerte auf den Blättern. Sie fröstelte. Es war immer noch Winter, und nur ein in die Schutzschilde eingewebter Wärmezauber verhinderte, dass sie hier draußen im nächtlichen Wald erfroren. Mit einem Schaudern stellte Ginny fest, dass die Wärmezauber nachgelassen hatten und sich auch in ihren Haaren Raureif gebildet hatte. Sie schüttelte sich, zückte den Zauberstab und erneuerte den Wärmezauber. Dann warf sie einen Blick hinüber zu Tom, der immer noch friedlich schlief. Es war ihr ein Rätsel, warum er nicht fror. Er hatte die ganze Woche über, die sie nun auf dieser Lichtung verbracht hatten, nicht ein einziges Mal sichtlich gefroren. Doch wahrscheinlich hielt er sich mit einem eigenen Wärmezauber zusätzlich warm, ohne es Ginny zu sagen. Das sähe ihm ähnlich. Sie schüttelte lächelnd den Kopf, kroch aus dem Schlafsack und entfachte ein hellblaues Feuer. Der Schein der Flammen brachte den Nebel zum Leuchten und gab dem Wald einen unheimlichen Schimmer, doch Ginny fürchtete sich nicht. Sie hatte sich daran gewöhnt. Heute war es genau eine Woche her, dass Harrys Eule sie aufgeweckt hatte mit der Bitte, sie möge ihn doch dieses Wochenende, also heute, am Samstag, in Hogsmeade treffen. Ginny fürchtete und ersehnte dieses Treffen. Zum einen freute sie sich, Harry und Hermine wiederzusehen, doch zum anderen fürchtete sie sich trotz allen Vorbereitungen ein wenig davor, Harry sterben zu sehen. Es würde trotz allem, was er ihr angetan hatte, ein Schock sein, das wusste sie. Außerdem hatte sie Angst, trotz ihren und Toms Plan, dass Hermine die Wahrheit erraten würde. Sie hatte sie kaltblütig verraten, geholfen, Harrys Mord zu planen und sich anschießend sogar in Tom, sprich Voldemort, verliebt. Wenn Hermine das je erfahren würde, dann würde sie Ginny – nun ja, vielleicht nicht hassen, aber sie würde zutiefst enttäuscht von ihr sein und sich von ihr abwenden. Ja, Ginny hatte sie verraten, doch sie nahm lieber in Kauf, dass Hermine sich unglaubliche Sorgen um sie machte und nicht wusste, wie es ihr ging, als dass sie die Wahrheit erfuhr und sich von Ginny abwendete. Genauso wie ihre Familie. Ginny wollte sie lieber für den Rest ihres Lebens nicht mehr sehen, als mit ansehen zu müssen, wie sie die Wahrheit erfuhren und sie alle verließen. Ginny atmete tief durch und zog aus ihrer Tasche zwei Dosen heraus. Die eine enthielt schlicht und einfach Wasser, die andere war mit Brotkrümeln gefüllt. Ginny zog noch zwei Trinkbecher aus der Tasche und öffnete die Wasserdose. Sie zückte den Zauberstab und murmelte: „Engorgio!“ Der Wasserpegel schien anzuschwellen und wölbte sich bald über den Dosenrand. Ginny dirigierte mit dem Zauberstab einen Teil des Wassers durch die Luft in einen der Trinkbecher. Dann wiederholte sie das Ganze, bis auch der zweite Becher gefüllt war. Anschließend verschloss sie die Wasserdose wieder, die immer noch bis oben gefüllt war, und verstaute sie wieder in ihrer Tasche. Sie öffnete die Dose mit Brotkrümeln, fischte zwei Krümel heraus und räumte die Dose ebenfalls wieder in ihre alles fassende Tasche. Dann vergrößerte sie die Brotkrümel, bis sie zwei große Brotstücke vor sich liegen hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie Hunger hatte, und biss in das eine Brot. Anschließend setzte sie sich neben Tom und gab ihm einen Kuss. „Aufwachen, du Schlafmütze!“ Tom brummelte etwas unverständliches, schlug aber die Augen auf. „Bin keine Schlafmütze“, murmelte er, drehte sich um und schlief weiter. Ginny musste lachen und verpasste ihm einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf. „Heute treffe ich Harry. Willst du das wirklich verschlafen?“ Mit einem Ruck saß er senkrecht. Seine roten Augen loderten hellwach. „Nein, niemals.“ „Na also“, meinte Ginny und drückte ihm das zweite Brot in die Hand. „Aufessen!“ Tom schnaubte. „Du bist nicht meine Mutter!“ „Trotzdem aufessen!“ Er verdrehte die Augen und biss ab. „Ist ja gut, ist ja gut.“ Nach dem Frühstück rollten sie die Schlafsäcke zusammen, verstauten sie in Ginnys Tasche und löschten das Feuer. Ginny löste die Schutzbanne. Tom griff nach ihrer Hand, um Seit-an-Seit zu apparieren, doch Ginny rührte sich nicht. Ihre Augen waren geschlossen und sie atmete ruhig und gleichmäßig. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Ihr Herz pochte viel zu schnell. Verdammt, sie freute sich doch tatsächlich, Harry wieder zu sehen! Das durfte nicht sein! „Was ist los?“, wollte Tom wissen. Er klang besorgt. Ginny atmete tief durch. „Ich freue mich, Harry zu sehen, aber ich will mich nicht freuen.“ Tom seufzte und umarmte sie kurz. „Du schaffst das schon. Hauptsache, du machst, was wir besprochen haben, okay? Wenn du die Freude, sie wiederzusehen, nicht spielen musst, dann wird es noch glaubwürdiger.“ „Hmm...“ Ginny lehnte sich einen Moment an seine Brust, dann holte sie tief Luft und straffte die Schultern. „Gut, wir können los.“ Sie verdrängte sämtliche Gefühle und konzentrierte sich. Dann drehte sie sich auf der Stelle und zog Tom mit sich in die Dunkelheit. ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Harry blickte mit einer Grimasse auf den Becher mit dem dunkelgrauen, blubbernden Trank in seiner Hand. "Ich hasse das." Hermine seufzte. "Ich doch auch. Aber ohne Vielsafttrank lass ich dich nicht nach Hogmeade. Es muss dich nur jemand anrempeln und dein Umhang herunterfallen, und alle erkennen dich. So ist es besser." Harry starrte den Trank einen Moment lang an, dann setzte er den Becher an die Lippen. Doch er hielt inne. "Hermine, sollten wir vielleicht nicht doch jemandem vom Orden Bescheid geben?" Hermine verdrehte die Augen. "Nein, wie oft denn noch? Was meinst du, was Ginny blühen würde, wenn Snape und die anderen Todesser-Lehrer erfahren, dass sie sich mit Ordensleuten getroffen hat?" "Es könnten doch die Weasleys sein. Das würde nicht auffallen." "Harry, du weißt, was Molly für einen Aufstand machen würde, wenn sie erfährt, dass du eine Vision von Voldemort und Ginny hattest. Außerdem weiß Snape, dass die Weasleys fast alle im Orden sind." Harry seufzte. "Du hast Recht. Lass uns gehen." Er kippte den Trank in einem Zug hinunter. Hermine tat es ihm nach. Dann nahmen sie sich noch während ihrer Verwandlung an den Händen, warfen sich den Tarnumhang über und apparierten. Keiner von beiden sah die dunklen Gestalten, die im selben Moment nur ein paar Meter von ihnen entfernt erschienen und zu fluchen begannen, als sie ihre Beute entwischen sahen... ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Als die Welt um sie herum wieder Gestalt annahm, sah Voldemort sich um. Sie standen nicht weit von Hogsmeade entfernt neben einem großen Felsbrocken. Die Sonne schien und die Luft war kalt und klar. Genau der richtige Tag, um jemanden umzubringen, dachte er. „Ginny, verrätst du mir jetzt endlich, wo 'wo der Vollmond heult' ist?“ Ginny ließ seine Hand los und schüttelte den Kopf. "Nein. Du brauchst es nicht zu wissen. Also werde ich es dir auch nicht sagen. Komm einfach hinter mir her. Das hattest du doch vor." Voldemort nickte langsam. "Du kannst immer noch nicht alles verraten." "Nein. Beschwer dich nicht. Wegen mir bekommst du Harry, das ist für mich schon Verrat genug. Du musst nicht alles wissen." Voldemort schwieg und betrachtete Ginnys Miene. Sie sah sehr beherrscht aus. Angst und Trauer, aber auch Freude, wahrscheinlich über das baldige Wiedersehen mit Harry, waren zwar versteckt, doch sie schimmerten immer noch durch Ginnys kalte Maske. Voldemort nahm ihre Hand und drückte sie kurz. Ginny atmete tief durch, ihre Maske versteifte sich und verbarg ihre Gefühle. "Gehen wir?" Sie nickte, ließ seine Hand los und zückte den Zauberstab. "Moment noch." Sie schwang ihn und richtete ihn dann auf sich. Einen Moment lang flatterte ihr langer, schwarzer Kapuzenumhang in der Luft und hüllte sie ein, dann fiel er wieder herunter - als braver Schulumhang mit Gryffindorwappen, über einer nagelneuen Schuluniform. Voldemort nickte anerkennend. "Das hatte ich ganz vergessen. Gut, dass du dran gedacht hast." Er hob die Hände in einer weiten Geste - und verschwand. "Ich bin soweit. Führ mich zu Harry." Ginny starrte einen Moment lang durch ihn hindurch, dann biss sie sich auf die Lippe, drehte sich um und ging los. Voldemort folgte stumm. Am liebsten wäre er gerannt, seinem vor Aufregung viel zu schnell schlagendem Herzen nachgerannt, sich Harry endlich geschnappt, nach all den Jahren, und sich gerächt. Gerächt für den Schmerz von damals, hätte ihn bezahlen lassen, hätte ihn leiden lassen, bis er um den Tod winseln würde... Doch Ginny hatte ihm klipp und klar erklärt, dass sie das nicht ertragen würde. Sie hatte ihm gesagt, wenn ihm etwas an ihr läge, dann sollte er Harry zumindest ohne Schmerzen umbringen - ansonsten würde sie mit Hermine gehen und ihn alleine lassen. Voldemort zügelte seine Aufregung und ließ den Blick schweifen. Sie gingen jetzt direkt auf die Hauptstraße von Hogsmeade zu. Harry und Hermine hatten recht gehabt - es war Hogsmeade-Wochenende. Die ersten Schüler wuselten schon durch die Straßen und drängten sich in die kleinen Läden. Er straffte die Schultern und schlängelte sich an den Schülern vorbei, immer darauf bedacht, niemanden zu berühren. Ginny war am anderen Ende von Hogsmeade angekommen, blieb einen Moment stehen und sah sich um. Noch war sie außer Sichtweite der Heulenden Hütte. Noch konnte sie zurück... Nein, konnte sie nicht. Sie hatte Harrys Schicksal besiegelt, als sie mit Voldemort das Abkommen beschlossen hatte. Er hatte bis jetzt seinen Teil erfüllt, es war jetzt an ihr, ihren zu erfüllen... Wenn es doch nur so einfach wäre. Es tat so weh... Ginny holte tief Luft und zwang sich dann, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Jetzt war es sowieso zu spät. ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Harry und Hermine hatten sich, immer noch unter dem Umhang, auf das klapprige Gatter in der alten Umzäunung der Heulenden Hütte gesetzt und warteten. Harry blickte stur auf den Boden, während Hermine immer wieder den Blick über den Ortsausgang schweifen ließ. Irgendwann blickte sie auf die Uhr. "Harry, wenn wir noch eine Weile warten müssen, hört der Vielsafttrank auf zu wirken. Lange können wir nicht mehr bleiben." "Hast du keine zweite Portion auf Reserve gebraut?", wollte er überrascht wissen. Hermine blickte ihn entschuldigend an. "Nein, das war schon der Rest von Weihnachten. Für einen Neuen hat die Zeit nicht gereicht. Du weißt doch, er braucht einen Monat, bis er fertig ist." Harry fluchte und ließ den Blick schweifen. "Hey!", rief er plötzlich. "Das muss sie sein! Schau mal!" ^^°°***°°***^^***°°***°°^^ Ein Kloß machte sich in Ginnys Hals breit, als sie auf die Heulende Hütte zuging. Noch war nichts zu sehen. Kein Wunder. Harry und Hermine würden sich sicher unter ihrem Umhang verstecken. Und tatsächlich, als sie näher kam, schien die Luft auf dem Gatter zu flattern und entblößte zwei Personen. Doch es waren nicht die beiden, auf die so lange gewartet hatte. Argwöhnisch ging Ginny weiter auf die Hütte zu, immer eine Hand im Umhang am Zauberstab. Als sie in Hörweite war, fragte sie kalt: "Wer sind Sie?" Die beiden sahen recht unscheinbar aus. Es waren eine ältere Frau und ein fast ebenso alter Mann. Beide hatten angegraute Haare und waren in ausgeblichene Muggelklamotten gekleidet. Die Frau stand nun auf und ging mit ausgebreiteten Armen auf Ginny zu, ein Zeichen von friedlicher Absicht. Ginny wich dennoch einige Schritte zurück. Die Frau blieb bekümmert stehen und senkte die Arme. Dann meinte sie leise: "Wir werden dort warten, wo der Vollmond heult, denn der Vollmond ist unser Freund, auch wenn er von vielen gehasst wird." Ginnys Augen weiteten sich und ihr Herz begann zu pochen. Das waren keine Fremden! Das waren Harry und Hermine in Verkleidung! Ihr wurde warm. Endlich sah sie sie wieder! Sie hatte gar nicht gewusst, wie sehr sie die beiden vermisst hatte. Die Frau blickte jetzt jedoch misstrauisch. "Du könntest genauso Fassade sein. Sag mir, wer sind die Freunde des Vollmondes?" Ginny musste lächeln. "Der Hund und die Krone", meinte sie. Der Mann trat jetzt vor sie und lächelte sie traurig an. "Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ist vor einer Woche irgendetwas passiert? Irgendetwas, was mit meiner Vision zusammenhängen könnte?" Ein eisiger Stein schien in Ginnys Magen zu fallen und die Wärme, die sich gerade darin ausgebreitet hatte, zu ersticken. "Ich - ich war... Harry, ich kann es nicht sagen..." "Warum nicht?", wollte er besorgt wissen und griff nach ihren Händen. "Deswegen", ertönte plötzlich hinter Ginny eine eiskalte Stimme. Harry wurde blass und Hermine schrie auf. Ginny wirbelte herum. Voldemort stand hinter ihr, mit gezücktem Zauberstab, rot lodernden Augen und einer hassverzerrten Fratze statt einem Gesicht. Ginny konnte die Kälte spüren, die von ihm ausging. Sie musste schlucken. Es war gruselig, wie Voldemort sich verändern konnte. Er packte sie ohne viel Federlesen am Arm und zerrte sie von Harry weg. Er packte so fest zu, dass sie aufschrie. Im selben Moment donnerte er: "Expelliarmus!" Ein einziger Zauberstab kam angeflogen. Er zog eine Augenbraue hoch, schwang kurz seinen Zauberstab und meinte dann höhnisch: "Nur einen Zauberstab für zwei? Erbärmlich!" Harry und Hermine standen einen Moment geschockt da, dann wollte Harry sich bewegen - und fiel zu Boden. "Beinklammerfluch, Potter. An deiner Stelle würde ich schön brav da bleiben." Hermine biss sich währenddessen die Lippe blutig und blickte auf ihre Armbanduhr, schwieg jedoch. Doch schon im selben Moment begannen sie sich zu verändern. Vor Ginnys Augen wurden sie wieder zu den beiden Freunden, die sie kannte. Ihr stiegen Tränen in die Augen. Das würde das letzte Mal sein, dass sie Harry sah. Wahrscheinlich auch das letzte Mal, dass sie Hermine sah. Voldemort schwang wieder seinen Zauberstab. Harry wurde zurück auf die Füße gehoben, die Beine jedoch immer noch zusammen gehext. "Kleine Schlammblüterin, willst du mit ansehen, wie dein Freund stirbt?" Hermine schüttelte stumm und käsebleich den Kopf. "Das wirst du aber. Und dann werde ich dich gehen lassen, damit du all deinen kleinen Blutsverräterfreunden erzählen kannst, wie euer Held gestorben ist." Hermine wurde noch blasser, biss sich jedoch immer noch auf die Lippe, um stumm zu bleiben. Sie blutete schon. Ginnys Herz pochte gegen ihre Rippen wie ein gefangener Vogel. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Und sie wusste auch, was sie noch tun musste. Warum war es nur so schwer, den Mund zu öffnen? "Hermine - mach dir um mich kein Sorgen", sagte sie zittrig. "Tu, was er sagt. Wenigstens du sollst nicht sterben müssen." "Halt den Mund!", fauchte Voldemort sie an und schüttelte sie. Wieder musste sie schreien, weil er sie so fest gepackt hatte. "Silencio!", zischte er. Ginny schnappte, stumm geschlagen, nach Luft und sah Hermine flehentlich an. Hermine blickte verzweifelt drein, nickte aber. Voldemort richtete den Zauberstab auf Harry. "Nun, Potter. Es wird Zeit, dass ich mich für den Todesfluch revanchiere, den du mir vor sechzehn Jahren verpasst hast. Willst du noch irgendetwas loswerden?" Harry blickte leichenblass von einem zum anderen. Sein Blick blieb bei Ginny hängen. "Ich liebe dich, Ginny." "Avada Kedavra!!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)