Ein alljährliches, winterliches Ritual von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Ein alljährliches winterliches Ritual ~...ohne Umleitung den Karren in den (metaphorischen) Graben setzen~ Es gab Momente, da wünschte sich Yuuri, dass es eine weitere Steigerung von schlimm geben würde und gerade erlebte er wieder so einen. Eigentlich war die momentane Situation ja nicht schlimm, er saß in einem warmen Zimmer auf einem gemütlichen Sessel, das Feuer knackte im Kamin und der Geruch nach dem dämonischen Äquivalent von Tannenzweigen durchzog den Raum. Draußen heulte immer noch der Schneesturm und im Bett fieberte immer noch der kranke Dämon. Und, das war das Schlimme. Wie lange zog sich eine Grippe bei Dämonen hin? Da es sich bei der einzige Person, die er fragen könnte ausgerechnet um Anissina handelte, hatte er nur kurz überlegen und zwischen ‚am schlimmsten’ und der noch unbekannten Steigerungsform abgewogen. Wolfram war, wenn er denn schlief wenigstens niedlich. Und, da er seit beinahe zwei Tagen kaum mehr etwas anderes zu tun pflegte, war die Krankenwache sehr ruhig und sehr friedlich. Sah man mal vom nagenden Gefühl der Besorgnis ab, da selbst Murphy’s Law nicht dafür sorgen konnte, dass sie ruhig und friedlich in einem Raum zusammen sein konnten. Nein, Wolf ging es schlecht. Schon seit Stunden starrte Yuuri, in dem verzweifelten Versuch eben nicht die ebenmäßigen Gesichtszüge, die feingeschwungenen, nun etwas aufgesprungenen Lippen, die kleine Stupsnase oder die zart rötlich schimmernde Haut anzusehen, entweder an die Decke, oder aus dem Fenster. Leider halfen aber weder der vorbeitrudelnde Schnee, noch der Stuck bei der Lösung seines Problems, das er noch nicht einmal richtig für sich selber formulieren konnte. Und deswegen strich er sich nun auch seufzend durch sein ohnehin schon in alle Himmelsrichtungen abstehende Haar. Wie bekam man einen Dämon gesund? Der Schnee hatte die Antwort nicht, aber im Gegensatz zum immer gleichen Aussehen des Stucks und des kranken Dämons, bei dem sich nur die Rotschattierung und das schwere Atmen zu verändern schienen, war jede Schneeflocke anderes. Zwar konnte er nicht erkennen, ob es auch in dieser Welt so war, aber immerhin lenkte dieser Gedanke effektiv vom kranken Wolfram, dessen Gesicht so blass wie der Schnee war ab. Nun ja, weitestgehend ab… Seufzend wandt sich Yuuri schließlich wieder seinem blonden Problem zu. Der Dämon lag noch immer genauso fiebernd, wie er ihn vor gefühlten achttausend Jahren das letzte Mal angesehen hatte, ruhig in den dicken Kissen und schien sich nicht gerührt zu haben. Aber, da es in Wirklichkeit eben keine achttausend Jahre gewesen waren, sondern nur 4 Minuten, wie ihm ein innerer Sinn mitteilte, war das auch nicht verwunderlich. Verwunderlich war nur, wieso er plötzlich den Drang durch Wolframs verschwitzen Blondschopf zu streichen nicht mehr länger ignorieren konnte. Dabei hatte der Dämonenkönig doch wirklich alles versucht! Er hatte ganze 7,4 Sekunden den Stuck angestarrt. Er hatte 22 unterschiedliche Schneeflockenformen entdeckt. Er hatte 3 mögliche Steigerungsformen für ‚am schlimmsten’ gefunden. Und dennoch ertappte er sich nun doch dabei, wie seine Finger beinahe zärtlich durch die schweißnassen, blonden Haare strichen und er leise beruhigende Worte für den Fiebernden gurrte. Bis dato war Yuuri nicht klar gewesen, dass er Gurren konnte und wirklich gefallen tat es ihm dann auch nicht. Dafür gefiel es Wolfram scheinbar um so besser, denn der blonde Dämon entspannte sich merklich und Yuuri hätte schwören können, dass der Kranke seinen Namen gewispert hätte. Aber, da der Schneesturm gerade so laut tobte und der Wind nur so um die Ecken des finsteren Schlossen heulte, hatte er sich sicher geirrt und verhört. Wolfram und er waren zwar verlobt, aber die einzigen Wortwechsel zwischen ihnen enthielten die verschiedensten Formen der Beleidigungen, die aber zugegebenermaßen meistens sehr kreativ waren, aber nur selten gegurrt wurden. Trotzdem saß er nun, wenn die alte Standuhr, die in einer Ecke ein tristes, fast vergessenes Dasein fristete und meistens nicht beachtet wurde, nicht falsch gehen sollte, geschlagene zehn Minuten hier. Und noch immer strich Wolfram ihm durch die Haare. Wenigstens hatte er es inzwischen geschafft das Gurren einzustellen, dafür ertappte er sich aber nun dabei, dass er leise vor sich hinsummte. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann waren es die Töne eines alten Schlafliedes, dass seine Mutter ihm immer vorgesungen hatte, wenn er als Kind irgendwelche Alpträume gehabt hatte. Apropos Alptraum, wann durfte er denn nun endlich aus seinem Alptraum aufwachen? Auch sich Kneifen brachte keine Verbesserung an seiner Situation. Auch als der Schmerz endlich etwas nachließ, lag seine andere Hand noch immer auf Wolframs blonden Schopf, und noch immer summte er die vertrauten Töne des alten Liedes. Und, was noch der Gipfel der Unverschämtheiten war?!? Wolfram lächelte und sah ihn an. Gut, er wirkte nicht wirklich wach und seine Augen waren noch verschleiert, aber dennoch trafen sich ihre Blicke und Yuuri spürte entgegen seinen eigenen Willens, wie er sowohl lächelte, als auch sich endlich wieder entspannte. Der dunkelhaarige Dämonenkönig beugte sich zu seinem Patienten hinunter und lächelte ihn sanft an, „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Wolf.“ „Ich hab dich lieb, Konrad.“ --- --- Das Geräusch der knallenden Tür weckte etwa 1/7 der Bewohner des Schlosses. Die Dämonen schreckten zusammen und lauschten angestrengt darauf, welche der hochgestellten Persönlichkeiten denn nun einen Tobsuchtsanfall oder ähnliches bekommen wurde. Schon seit Jahren gab es für jeden der adeligen Bewohner einen Notfallplan. Bei einem Wutausbruch von Gwendal verschanzte man sich in Anissina’s Labor, dem einzigen Ort mit Mauern, deren Dicke der Wut standhalten konnte. Außerdem wäre das der Letzte Ort, den der Älteste der drei Brüder betreten würde. Bei einem Wutausbruch von Gunter, der zwar nicht adelig, dafür aber auch gefährlich war, ging man einfach der Schlossküche aus dem Weg, pflegte er sich dort aufzuhalten und seltsame Rituale zu praktizieren. Wenn man ihn ließ, so gingen diese Aktionen meist recht glimpflich für die dämonischen Bewohner aus. Bei der heimischen Tierwelt sah das leider wiederum anders aus, was nun aber nicht genauer vertieft werden sollte. War es aber ein Wutausbruch von Anissina oder Wolfram, würde bei Ersterer das Schloss und beim Zweiten das ganze Königreich evakuiert werden. Niemand, am allerwenigstens Yuuri, hielt diese Maßnahme für übertrieben. Und Konrad bekam keine Wutanfälle. Mit diesen Notfallplänen im Hinterkopf, lauschte man auf die ersten Ausbrüche, die vielleicht verraten würden, wer nun genau auf wen wütend wäre. Und somit auch den auszuführenden Plan. Die Dämonen, egal ob adlig oder Dienerschaft lauschten angestrengt und wirklich, erste Satzfragmente hallten durch die Gänge des Schlosses, „…dämmlich…egoistischer, blonder, kranker Spitz…So…getan…so…undankbar…“ Fassungslose Blicke trafen einander, denn mit ’egoistischer, blonder, kranker Spitz’ konnte nur eine einzige Person gemeint sein. Und, obgleich viele Personen wütend auf, oder zumindest verärgert über den blonden Spitz zu sein pflegten, so betitelte doch nur eine einzige Person den ehemaligen Prinzen auf diese Art und Weise. Und auch nur eine einzige Person hielt bei dem egomanischen, blonden Hund brav Krankenwache. Yuuri war also wütend. Man wusste nicht warum und ob zurecht, aber es stand fest, dass es für diese besondere Eventualität keinen Plan gab. Eine Sache, bei der man bald Abhilfe schaffen sollte. Natürlich nur, falls die Bewohner, das Schloss und auch das Reich diesen Wutausbruch irgendwie einigermaßen überleben würden… Die Bewohner verfielen ins Beten. 2/7 der Bewohner waren nun wach. Die Wände im Schloss vibrierten. 3/7 der Bewohner waren nun wach. Putz regnete herab. 4/7 der Bewohner waren nun wach. Der Sturm tobte noch mehr. 5/7 der Bewohner waren nun wach. Yuuri erweitere sein Vokabular an Kraftausdrücken. 6/7 der Bewohner waren nun wach. Und schließlich schlief nur noch Wolfram friedlich. Der Rest gng betend in Deckung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)