Innocent Passion von Cigamina ================================================================================ Kapitel 10: Chapter 10 ---------------------- ~*~*~*~*~* Als Omi am nächsten Morgen aufwachte, war das erste, was er hörte, dass die Eminem – CD von gestern immernoch lief. Er hielt die Augen geschlossen und konnte spüren, wie sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln verzogen. Es lief gerade sein Lieblingslied, und er kuschelte sich leise seufzend in seine Decke, ließ die Melodie des Liedes völlig auf sich einwirken. Es dauerte eine Zeit lang, bis Omi plötzlich auffiel, dass etwas fehlte. Und nach einer weiteren Sekunde wusste er auch, was das war. Omi streckte eine Hand aus und tastete nach seinem Freund, doch er konnte diesen mit seiner Hand nicht ausmachen. Der Blondschopf schlug seine Augen auf und setzte sich ruckartig auf, um sich hastig in seinem Zimmer umzusehen. Omi atmete erleichtert auf, als er Nagi entdeckte. Er saß auf dem Fensterbrett, seine Beine an die Brust gezogen und die Arme darum gelegt, sah aus dem Fenster hinaus in das trübe Wetter. Es schneite zwar schon noch ein bisschen, aber die dicken Flocken von gestern hatten sich eher in Schneeregen umgewandelt, sodass man eigentlich von schneien gar nicht mehr sprechen konnte. Nagi hatte sich wohl irgendwann angezogen, jedenfalls trug er einen von Omis dicken Pullovern und eine schwarze Jeans, die er sich wahrscheinlich aus Omis Schrank geholt hatte. Omi schlug leise die Decke zurück und stand dann auf, um zu seinem Freund hinüberzugehen und einen Meter hinter ihm stehen zu bleiben. „Nagi?“ Der Braunhaarige schreckte aus seinen Gedanken auf und wandte seinen Kopf in Omis Richtung. Der Blondschopf lächelte ihn an, bevor er noch einen Schritt auf den Jüngeren zuging. Er sah Nagi in die Augen, ob er vielleicht wieder Schuldig in ihm sah, doch sie bleiben ganz ruhig. Omi traute sich nun endlich auch noch die letzte Distanz zu überwinden, schlang seine Arme vorsichtig um Nagis Oberkörper und drückte ihn sanft an sich, bevor er ihn leicht auf die Wange küsste. „Guten Morgen, Nagi.“ Nagi ließ sich in die Umarmung des Blondschopfes fallen und lehnte sich an ihn. „Morgen…“ Seine Stimme klang irgendwie komisch, so müde und hoffnungslos. Omi drückte seinen Freund noch ein wenig mehr an sich, bevor er seine Wange an Nagis Haaren rieb. „Hey… du musst wirklich keine Angst haben… das wird schon klappen nachher, ich werde Aya und Ken zusammen mit Youji schon rumkriegen… mach dir darüber keine Sorgen…“ „Ich… habe trotzdem Angst… ich will nicht von dir weg…“ „Das wird nicht passieren. Aus, Schluss, das wird nicht geschehen. Ich lasse dich solange nicht mehr gehen, wie du noch bei mir bleiben willst.“ Nagi erwiderte nichts mehr, sondern fasste mit seinen Händen nach Omis, die locker auf seiner Brust lagen. Eine kurze Weile verblieben sie noch so, sahen beide aus dem Fenster und waren jeweils in ihre eigene kleine Gedankenwelt vertieft. Erst, als hinter ihnen Omis Funkuhr leise piepste, drehte sich Omi um, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Elf Uhr. Der Blondschopf löste sich seufzend von seinem Freund und zog diesen mit sich von der Fensterbank. „Komm, Nagi… wir gehen runter. Aber zuerst muss ich mich noch anziehen und ins Bad. Warst du da heute schon?“ Der Braunhaarige schüttelte den Kopf und löste sich von seinem Freund, um sich auf dem Bett niederzulassen, wo er warten würde, bis Omi sich umgezogen hatte. Omi ging zu seinem Schrank hinüber und zog diesen auf. Heute also keine T-Shirts, aber er hatte noch jede Menge dicke Pullover, und genau davon schnappte er sich einen. Dazu suchte er noch nach einer frischen Boxershorts und einer Jeans, und als er dies gefunden hatte, schloss er die Schranktüren wieder. Er zog sich schnell um und ging dann zu Nagi hinüber, um diesem seine Hand hinzustrecken. Dieser ergriff die Hand ohne zu zögern und stand auf, um Omi ins Badezimmer zu folgen, wo sie sich beide die Zähne putzten, bevor sie das Bad wieder verließen und die Treppen nach unten stiegen. Im Erdgeschoss angekommen gingen sie gemeinsam in die Küche und machten sich jeder für sich selbst etwas zu essen, womit sie sich nebeneinander an den Tisch setzten und schweigend begannen, ihr Frühstück zu verspachteln. Als Omi damit fertig war, wartete er noch, bis Nagi ebenfalls sein Frühstück beendet hatte, bevor er aufstand und nach den leeren Tellern griff. „Nagi? Kannst du bitte rüber gehen, unsere Klamotten aus der Waschmaschine holen und aufhängen? Ich will grade noch die Spülmaschine einräumen und komme dann nach um dir zu helfen.“ Nagi sah den Blondschopf unsicher an und wandte dann den Kopf ab, bevor er zögerlich aufstand. Omi stellte die Teller noch einmal ab, streckte seine Arme nach Nagi aus und zog den Jüngeren in eine sanfte Umarmung. „Hab keine Angst, hier ist niemand im Haus außer uns beiden. Niemand kann dir etwas tun und Schuldig wird dich hier nicht finden. Das kann er nicht, außerdem kann ich dich vor ihm beschützen. Bei ihm habe ich nicht das Problem, dass ich nicht gegen ihn kämpfen kann. Wenn ich ihn das nächste Mal treffe, werde ich ihn töten, das kannst du mir glauben. Es wird ihm noch Leid tun, was er dir angetan hat. Er wird dafür bezahlen.“ Der Blondschopf konnte spüren, dass sich der Jüngere bei der Erwähnung von Schuldig verkrampfte, doch sogleich wieder etwas entspannte, als Omi weitersprach. Omi ließ seinen Freund wieder los und griff dann nach dessen Hand, um sie kurz zu drücken. Nagi sah ihn noch einmal kurz unsicher an, bevor er sich umwandte und auf die Tür zuging. Der Blondschopf schnappte sich wieder ihre leeren Teller und trug sie rüber zur Spülmaschine. Der Grund, warum er wollte, dass sein Freund erst mal alleine in diesen Raum ging, war, dass er nicht wollte, dass Nagi allzu sehr abhängig von ihm wurde. Omi war zwar klar, dass der Braunhaarige Angst hatte, alleine in einem Raum zu sein, doch er konnte ja nicht immer auf Schritt und Tritt mit Nagi zusammensein, das ging einfach nicht. In die Schule zum Beispiel würde er Nagi nicht mitnehmen können, jedenfalls nicht immer. Das würde Fragen geben, und außerdem wollte er sowieso nicht, dass Nagi das Haus verließ in der nächsten Zeit. Vielleicht würde Schuldig sie so finden, und in der Öffentlichkeit konnte er recht wenige von seinen Fähigkeiten einsetzen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Und in der Schule schon gar nicht, denn diese verkörperte ein großes Stück Realität für Omi, das der Blondschopf nicht gefährden wollte. Omi schob diese Gedanken bei Seite und öffnete dann die Spülmaschine, um die Teller einzuräumen. ~*~*~*~*~* Nagi stand unterdessen im Flur und sah sich unschlüssig um. Er fühlte sich unwohl und unsicher ohne Omi, sodass er am liebsten auf dem Absatz kehrt machen wollte, um zu seinem Freund zurückzukehren. Doch er redete sich immer wieder ein, dass er wirklich keine Angst haben musste, denn es war niemand hier, der ihm etwas antun könnte. Er ließ seinen Blick einmal durch den Flur schweifen, bevor er die Tür entdeckte, die Omi wohl gemeint hatte. Sie war direkt neben der Eingangstür auf der rechten Seite des Ganges und Nagi ging darauf zu. Gerade, als er davor angekommen war, hörte er ein Geräusch. Das Geräusch schien von außerhalb der Tür zu kommen. Nagi erstarrte, als er im nächsten Moment einen Schlüssel im Schloss hörte und die Tür geöffnet wurde. Seine Augen weiteten sich und sein Herz begann zu rasen, als er erkannte, wer da vor ihm stand. Die Person starrte ihn perplex an, bevor sich seine braunen Augen zu Schlitzen zusammenzogen. „Schwarz!“ Dieses Wort riss Nagi endgültig aus seiner Starre und er drehte sich um, um vor Ken zu fliehen, der ihn immernoch hasserfüllt ansah. Doch er kam nicht weit, denn schon in der nächsten Sekunde spürte er zu seinem Entsetzen eine starke Hand, die sich eisern um sein eines Handgelenk schloss und ihn zurückriss. Augenblicklich verlor Nagi die Kontrolle über sich. Tausende von kleinen Bildern schossen durch seinen Kopf, er spürte die Schmerzen, die Schuldig ihm zugefügt hatte, während er seine Handgelenke immer brutal auf den Boden gedrückt hatte. Und die Angst, die er dabei empfunden hatte. Alle diese Gefühle, die er die letzten beiden Tage über versucht hatte zu unterdrücken, stürzten jetzt mit einer Gewalt auf ihn ein, dass sein Herz für einen kurzen Moment aussetzte Und er begann zu schreien. ~*~*~*~*~* Omi in der Küche hatte gerade die Spülmaschine angeschaltet, als er es hörte. Diesen Schrei, der so viel ausdrückte, wie es Worte niemals könnten. Er hörte die Panik, die Angst in Nagis Stimme so intensiv, wie er niemals gedacht hätte, dass das überhaupt möglich war. „Scheiße!“ Innerhalb von Sekunden hatte er die Küche durchquert und stand auf dem Flur, wo er die Lage mit einem Blick überschaute. Seine Augen weiteten sich. In der Tür stand Ken mit einem sehr verwirrten Gesichtsaudruck und hielt Nagi an seinem Handgelenk fest. Der Jüngere wand sich heftig und versuchte sich zu befreien, während er die Augen fest zusammengekniffen hatte und immernoch schrie. „Nein! Nein, nicht! Lass mich los, bitte! Ich will das nicht, lass los! NEEIIIIIN!!“ „Nagi!“ Omi brauchte nur eine Sekunde um zu reagieren. Sofort baute er das Schutzschild um Nagi herum auf und bewirkte so, dass Ken urplötzlich von Nagi abließ und nach hinten stolperte, während mit Nagi genau das gleiche passierte und er nach hinten taumelte. Der Blondschopf schnellte nach vorne, drehte ihn um und schlang seine Arme fest um Nagi, der sich sofort heftig zu winden begann. Omi versuchte Nagi zu beruhigen, indem er ihm leise Worte ins Ohr flüsterte und über seine Arme streichelte, um ihm deutlich zu machen, wer ihn gerade umarmte. Es zeigte nicht sofort Wirkung, aber nach einer Minute schien es wieder besser zu werden. Nagi zitterte am ganzen Leib und Omi konnte in seinen Augen immernoch die Panik stehen sehen, während Ken sich langsam wieder fasste und mit offenem Mund zu ihnen hinüberstarrte. „Omi?! Was soll das?! Was machst du da?! Und was macht der hier?!“ Omi drückte Nagi fest an sich, drückte dessen Kopf in seine Halsbeuge, während er über Nagis Schulter zu Ken hinüberstarrte, der jetzt mit schnellen Schritten auf ihn zukam. „Bleib stehen! Bleib bitte stehen, Ken!“ Scheiße, was machte der schon hier?! Der Blondschopf hatte frühestens am Nachmittag mit seinen Teamkameraden gerechnet, sodass er jetzt völlig überrumpelt war. Ken blieb stehen, blickte jedoch sehr verwirrt zu den beiden Jüngeren hinüber. „Was soll das, Omi?!“ „Bitte Ken, lass mich das erklären!“ Der Blondschopf konnte Nagi in seinen Armen zittern spüren, als er die aufgebrachte Stimme von Ken hörte. Er sah flehend zu Ken hinüber, der die Hände vor der Brust verschränkte und mit sehr verwirrtem, aber gleichzeitig auch mit wütendem Blick zu ihnen hinübersah. „Das musst du aber verdammt gut erklären, Omi! Das ist ein Schwarz, das ist dir klar oder?!“ „Ja verdammt, das weiß ich selbst! Und könntest du jetzt bitte mal den Mund halten?! Ich versuche mich zu konzentrieren!!“ Omis Herz schlug ihm bis zum Hals, als er zu Ken hinüberstarrte, der den Mund öffnete, um etwas zu sagen, ihn dann jedoch sofort wieder schloss, weil er nicht wusste, was er hätte sagen können. Die enorme Stresssituation ließ den Blondschopf aggressiv werden, auch wenn er wusste, dass das alles nur noch schlimmer machen würde. Aber, auf der anderen Seite, konnte es noch schlimmer kommen? Er hatte Nagi in seinen Armen, der panische Angst hatte, und einen wütenden Teamkollegen einige Schritte von sich entfernt, der sofort eine Erklärung von ihm wollte, die er ihm aber nicht geben konnte, solange Nagi hier war. Er konnte schlecht sagen, was Nagi durchgemacht hatte, solange dieser noch hier neben ihm stand. Und in dieser Situation hier konnte man sowieso nichts erklären, dafür brauchte er Ruhe. Also, konnte es noch schlimmer kommen? Seine Frage beantwortete sich sofort, als er zu seinem Horror hinter Ken in der Tür einen roten Haarschopf auftauchen sah, und kurz darauf Ayas blasses Gesicht, das über Kens Schulter lugte. Omis Augen weiteten sich, als er realisierte, was das jetzt hieß. Sie waren alle wieder da. Alle auf einmal, und jetzt war es raus. Er konnte sehen, wie Aya den Körper in seinen Armen erkannte und sein Gesicht hart wurde, eiskalt wurde, seine Augen bohrten sich fest in Omis. Ken wandte sich um, als er merkte, dass Omi auf einen Punkt hinter ihm starrte, und fuhr fast zusammen, als er dort die Gestalt seines Teamleaders stehen sah, den er vorher nicht einmal kommen gehört hatte. Er trat einen Schritt zu Seite, um Aya so freie Sicht auf Omi zu geben, der Nagi fester an sich drückte, als der Rotschopf einen Schritt auf sie zu machte. „Was macht der denn hier? Findest du nicht, dass das dann vielleicht doch ein bisschen zu weit geht?“ Der Blondschopf konnte Nagi in seinen Armen zusammenzucken spüren, als er die Stimme von Aya hinter sich erkannte, und Omi konnte es ihm nicht verübeln. Nagi hatte ja schon vorhin Angst vor dieser Begegnung gehabt, und jetzt war wohl der schlecht möglichste Zeitpunkt, dass der Rest von Weiß hier aufgetaucht war. Omi starrte Aya nur an, der mit einem missmutigen Blick zu ihm und seinen Freund hinübersah, bevor er ohne ein weiteres Wort an Ken vorbeiging und in die Küche lief. Dem Blondschopf klappte der Mund auf, als er seinem Teamleader nachsah. Was sollte das denn? In diesem Moment kam auch Youji die Treppen hoch, mit einer Reisetasche in der Hand und war für einen Augenblick ziemlich überrascht, Omi und Nagi dort im Gang zu sehen, bevor sein Blick zu Ken hinüberglitt, dessen Augen zwischen dem Blondschopf und der Küchentür hin und her flackerten. Omi sah Hilfe suchend zu Youji hinüber, der nach einem näheren Blick auf Nagi erkannte, dass mit diesem etwas nicht stimmte. Er streckte seine Hände nach Kens Schultern aus, woraufhin Ken erschrocken zusammenfuhr, da er auch den Älteren nicht bemerkt hatte, und schob den Braunhaarigen bestimmt in Richtung Küche. Youji sah dem Blondschopf in die Augen, bevor er noch einmal kurz stehen blieb, um mit dem Kinn eine Bewegung in Nagis Richtung zu machen. „Bring ihn nach oben und komm dann wieder runter, alleine. Wir klären das jetzt.“ Omi konnte nur schwach nicken, bevor Youji aus seinem Blickfeld verschwand und er alleine mit Nagi im Flur stand. Er lockerte langsam seine Arme um Nagis Körper und wollte den Jüngeren ein wenig von sich wegschieben, doch Nagi wollte ihn gar nicht mehr loslassen. „Nein! Ich will nicht nach oben! Ich will da nicht alleine sein!“ Die Augen des Braunhaarigen waren angstgeweitet und Omi sah absolut keine Chance darin, seinen Freund jetzt dazu zu überreden, dass er oben in seinem Zimmer bleiben würde, also musste er zu anderen Maßnahmen greifen. Er lehnte sich von und schloss die Augen, bevor er sich konzentrierte und in Nagis Gedanken eindrang. Er brauchte nur eine Sekunde, musste nur ein paar Gedanken verändern, bevor Nagis Körper in seinen Armen schlaff wurde und in seine Arme fiel, jegliche Spannung war gewichen. Omi sah traurig auf seinen Freund hinab, bevor er ihm einen leichten Kuss auf die Stirn drückte und dann auf die Arme hob, um ihn die Treppe nach oben zu tragen. „Tut mir Leid, Nagi… aber das musste sein, es ist besser so.“ Er hatte Nagi nur gerade ohnmächtig gemacht, also nichts schlimmes, aber er wollte sichergehen, dass Nagi schön oben bleiben würde, während er den anderen schonend alles beibrachte. Dabei konnte er keine Störungen gebrauchen, schon gar nicht, wenn er den anderen erklärte, warum Nagi ab jetzt bei ihnen bleiben würde… Allerdings würde er über seine Gedanken Nagis Schlaf bewachen, damit sein Freund nichts träumte. Das musste er auf jeden Fall, das war er ihm schuldig dafür, dass er ihn jetzt hier in seinem Zimmer allein ließ. Oben angekommen legte Omi Nagi auf sein Bett und deckte den Jüngeren zu, bevor er ihm noch einen Kuss auf die Stirn gab und sich vorsichtig Zugang zu Nagis Gedanken- und Gefühlsebene verschaffte, damit er alles überwachen konnte, und dann schließlich sein Zimmer wieder verließ. Er stieg die Treppen wieder hinab und blieb vor der Küchentür stehen, holte noch einmal tief Luft und öffnete dann die Tür, um den Raum zu betreten. Dort saßen Ken und Youji am Küchentisch, vor jedem der beiden stand eine Tasse auf dem Tisch, während er Aya am Fenster stehen sah, ein Glas Wasser in der Hand, und sich jetzt zu Omi umdrehte, der soeben den Raum betreten hatte. Er sah Omi nicht feindselig an, oder hasserfüllt, sondern ganz einfach nur abwartend, als würde er schon auf die Geschichte warten, die Omi ihnen gleich erzählen würde. Der Blondschopf konnte es nicht verstehen. Er hatte damit gerechnet, dass Aya ausflippen würde, doch stattdessen nahm dieser Nagi einfach zur Kenntnis, während Ken derjenige war, der sich aufregte. Der Fußballer starrte Omi an, er wartete immernoch auf die Erklärung, die der Blondschopf ihnen schuldete. Youji jedoch lächelte Omi aufmunternd zu, wobei er ein Stück hinter Ken saß, sodass dieser das nicht hätte sehen können. Der Blondschopf warf seinem ältesten Teamkollegen einen dankbaren Blick zu, bevor er sich Ken gegenüber an den Tisch setzte und langsam zu diesem aufsah. Kens Augen bohrten sich in Omis, doch dieser hielt seinem wütenden Blick stand. Er wollte nicht unterwürfig erscheinen, durfte sich keine Schwächen anmerken lassen, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte. Und das musste er, denn Nagi musste unter allen Umständen bei ihm bleiben dürfen. Youji schob eine mit Tee gefüllte Tasse zu Omi hinüber, welcher sie mit dankbarem Blick entgegennahm und dann an seine Lippen setzte. Er war jetzt richtig froh darüber, dass er Youji damals schon so früh von Nagi und ihm erzählt hatte, sodass er jetzt wenigstens nicht seinem ältesten Teammitglied alles erklären musste… In diesem Moment schlug Ken mit seiner flachen Hand auf die Tischplatte, sodass Omi fast seine Tasse fallen ließ und zusammenzuckte, während er den Braunhaarigen erschrocken anstarrte. Die Augen des 18-jährigen funkelten wütend und flackerten von Omi über Youji zu Aya hinüber, welchen er mit glühenden Augen ansah, bevor sein Blick wieder zu Youji zurückflog. „Wieso sagt ihr nichts?! Warum seid ihr so verdammt ruhig?! Youji! Aya! Lässt es euch völlig kalt, dass dieser Schwarz hier bei uns im Haus ist??! Euch ist doch sicher nicht entgangen, dass das eben Nagi Naoe war, der in Omis Armen gehangen hat, oder?! Und was das zu bedeuten hat?!“ Aya ließ nur ein leises Schnauben von sich hören, bevor er sich abwandte und aus dem Fester sah, sein Glas an seine Lippen hob und einen Schluck seines Wassers trank. Youji hingegen lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bevor er seine Tasse an seine Lippen setzte. „Nein Ken, es lässt uns nicht kalt. Tatsache ist nur, dass das für uns weder eine Überraschung noch eine Neuigkeit ist…“ Bei diesen Worten riss Ken seine Augen auf, während diese wild von einem Teammitglied zum anderen flogen. Er konnte einfach nicht glauben, was er da gehört hatte. „Ihr… ihr habt das… GEWUSST??!!“ Seine Stimme klang leicht hysterisch, als er Youji anstierte, der seinem Blick fest Stand hielt. Omi konnte allerdings auch nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Aya hatte es gewusst? Er hatte es die ganze Zeit über gewusst?! Der Blondschopf sah zu dem Rotschopf hinüber, der völlig unberührt von dem, was hinter ihm geschah, am Fenster stand. Das würde auch Ayas ziemlich harmlose Reaktion von vorhin erklären, als der Rotschopf ihn im Flur mit Nagi gesehen hatte. Omi hatte nämlich mit weit mehr gerechnet als mit einem unfreundlichen: „Was macht der denn hier?“. Und schon gar nicht damit, dass Aya einfach in die Küche verschwinden würde, als würde ihn die ganze Sache eher mittelmäßig interessieren. Eigentlich hätte er es sich auch denken können. Es war im Nachhinein offensichtlich, dass Youji es Aya irgendwann erzählt haben musste. Immerhin war er mit dem Rotschopf zusammen, und er würde so etwas wahrscheinlich schlecht vor seinem Freund verbergen können und wollen. Eigentlich war das ganz gut, denn jetzt hatte er nur noch eine Person, die er überzeugen musste. Aya schien zwar nicht begeistert davon zu sein, dass Nagi hier war, aber Omi war sich sicher, dass der Rotschopf mit sich reden lassen würde. Mit Hilfe von Youji konnte er bei seinem Leader bestimmt erreichen, dass sein Freund bei ihm bleiben durfte, doch bei Ken dürfte das etwas schwerer werden. Der Braunhaarige regte sich viel mehr auf, als Omi sich jemals hätte träumen lassen. Er hatte erwartet, dass Aya richtig ausflippen würde, doch dass das nun Ken für ihn übernahm warf Omi ein wenig aus seinem Konzept. Der Braunhaarige starrte immernoch wie vom Donner gerührt Youji an, der seinem Blick jedoch weiterhin Stand hielt. „Ja, Ken. Wir wussten es, ich schon ziemlich lange und Aya auch seit kurzem. Deshalb regen wir uns nicht auf, es ist keine Überraschung mehr für uns.“ Ken schnappte nach Luft. „Ihr habt das gewusst?! Und ihr habt nicht dagegen unternommen?! WARUM??!! Seid ihr bescheuert oder was?! Was glaubt ihr eigentlich, was die kleine Ratte macht, wenn sie hier wieder wegkommt?! Ihren Scheiß-Schwarz Leuten erzählen, wo wir unser Quartier haben! Damit die uns endlich killen können!“ „Das ist nicht wahr! Nagi würde uns nie im Leben verraten!“ Omi starrte Ken ärgerlich an, als er die wütenden Anschuldigungen Kens hörte. Doch Ken zog seine Augen nur zu Schlitzen zusammen und starrte Omi vernichtend an. „Ach ja?! Und woher weißt du das?! Vielleicht ist er jetzt schon weg, während du versuchst ihn zu verteidigen!“ Der Blondschopf versetzte diese Anschuldigung einen Stich in sein Herz, doch er starrte genauso vernichtend zurück, während er seine Hände zu festen Fäusten ballte. „Nagi wird uns nicht verraten! Und er wird auch nicht zu den anderen von Schwarz zurückgehen!“ „Klar doch, und im Sommer liegt Schnee! Wie kommst du bloß auf die bescheuerte Idee, ihm zu vertrauen?! Wahrscheinlich lacht er sich da oben gerade ins Fäustchen, weil er sich schon mal überlegt, was er für die Information, wo sich Weiß versteckt, bekommt! Vielleicht plant er gerade deinen Tod, Omi!“ Der Blondschopf starrte Ken einen Moment lang fassungslos an, bevor er mit seiner geballten Faust auf den Tisch hieb. Seine Hand zitterte nach dem Schlag, und auch sein ganzer restlicher Körper zitterte vor Wut, als er das hörte. „Halt die Klappe! Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wovon du überhaupt redest, Ken! Warum ich ihm vertraue?! Weil ich ihn liebe! Er wird uns nie im Leben verraten, er kann es gar nicht tun, weil er seine Teamkollegen niemals mehr wiedersehen wird! Ich lasse das nicht zu!“ Das brachte Ken erst einmal zum stocken, bevor er seine Augenbrauen zusammenzog und Omi anstarrte. „Er wird sie nie mehr wiedersehen?! Ach, und wie stellst du dir das vor?! Er erledigt weiter Aufträge zusammen mit seinen Teamkollegen, aber er sieht sie nicht mehr, ja?!“ Omi starrte zurück in Kens Augen, die ihn wütend anfunkelten, und hielt dessen Blick Stand. Er würde sich nicht einschüchtern lassen, schon gar nicht von Ken. „Er erledigt keine Aufträge mehr für Schwarz! Er ist noch nicht einmal mehr Mitglied in Schwarz! Und er sieht sie nicht mehr wieder, weil er hier bleiben wird! Hier, hier bei mir, und geht nie, nie wieder zurück zu Schwarz!“ Auf diese Worte folgte erst einmal Stille. Omi konnte schon fast spüren, dass diese Worte nicht so gut gewesen waren, doch er war einfach zu sauer gewesen, um sie zu stoppen. Jetzt konnte er spüren, wie die Wüt in ihm wieder abebbte, so wie es nach jedem Wutanfall bei ihm war. Er sah vorsichtig auf in die Gesichter seiner Teamkameraden, und sah dort verschiedene Gefühle. Bei Ken war es eindeutig Entsetzen darüber, was Omi eben gesagt hatte. Er konnte wohl nicht glauben, was der Blondschopf da eben von sich gegeben hatte, was er jetzt von seinen Teamkollegen erwartete. Aya stand zwar immernoch mit dem Rücken zu ihm, doch Omi konnte sehen, wie sich Ayas Schultern angespannt hatten, was kein gutes Zeichen war. Youji starrte ihn eher sehr überrascht und gleichzeitig prüfend an, bevor sein Blick kurz zu Aya und Ken, dann wieder zurück zu Omi glitt. Er hatte sich bis jetzt zurückgehalten, da er wusste, dass man mit Omi, wenn er gerade wütend war, nicht viel anfangen konnte, und würde jetzt wieder etwas sagen, da Ken offensichtlich verstummt war. „Und warum? Warum willst du, dass Nagi hier bleibt und nicht zurück geht zu Schwarz? Hat das einen Grund? Bis jetzt hat es doch auch so ganz gut funktioniert, oder?“ Seine Stimme war zwar ruhig, doch innerlich war ihm gar nicht wohl bei dieser Sache. Omi würde nie im Leben so etwas verlangen, wie dass Weiß einen Feind bei sich aufnahm, gegen den alle außer Omi eine Abneigung hatten, wenn da nicht mehr dahinter steckte. Omi sah Youji noch einmal kurz an, bevor er seinen Blick auf die Tischplatte senkte. Jetzt würde das Argument kommen, von dem er hoffte, dass seine Teammitglieder es verstehen würden. „Das hat einen Grund… und es funktioniert nicht mehr, weil Nagi nicht zu Schwarz zurückgeht. Das geht nicht.“ Der Blondschopf sah wieder von der Tischplatte auf und streifte dann mit seinem Blick noch einmal alle seine Teamkameraden, bevor er fortsetzte. „In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat Schuldig… Nagi vergewaltigt…“ Zuerst herrschte einfach nur Stille… dann… Klirr. Omis Kopf flog herum, als er neben sich das Geräusch hörte, das Glas machte, wenn es zu Boden fiel. Am Fenster stand Aya, das Glas, das er in der Hand gehalten hatte, lag neben ihm auf dem Boden. Omi konnte zu seinem Erstaunen sehen, dass Aya zitterte, am ganzen Körper zitterte. Dann drehte sich der Rotschopf um und verließ ohne ein weiteres Wort die Küche, floh mehr aus dieser, als dass er einfach ging. Der Blonde sah ihm völlig perplex dabei zu, versuchte einen Blick auf Ayas Gesicht zu erhaschen – was ihm einen Schock versetzte. Für einen Moment, einen kurzen Moment, ehe Aya aus seinem Sichtfeld verschwand, erkannte er Emotionen in dessen Gesicht. Emotionen, von denen er niemals geglaubt hätte, sie in Ayas Gesicht finden zu können. Schock, Panik, Angst. Die Augen schreckgeweitet, der Mund seiner beschleunigten Atmung wegen geöffnet. Und dann war er weg, stürmte den Flut entlang und die Treppe hoch, eine Tür knallte. Omi saß wie vom Donner gerührt da, wie auch die anderen von Weiß. Er konnte nicht glauben, was er eben gesehen hatte. Noch nie hatte er Aya so erlebt… „Scheiße…“ Der Blick des Blondschopfes flog zu Youji hinüber, der Aya mit einem fast wütenden Blick hinterher starrte, bevor er vom Tisch aufsprang und mit eiligen Schritten ebenfalls den Raum verließ. Omi blickte seinen beiden ältesten Teammitgliedern hinterher. Was war das denn? Was war das eben gewesen? Warum war Aya so ausgerastet? Es war in dem Moment gewesen, als Omi das furchtbare Vergehen, das an Nagi ausgeübt worden war, ausgesprochen hatte… aber was hatte das damit zu tun? In dem Blondschopf stieg langsam ein leiser Verdacht hoch, doch er kämpfte ihn sofort nieder. Nein, das konnte nicht sein… nicht Aya… davon hätten sie doch etwas mitbekommen… aber andererseits hatte er auch nicht bemerkt, dass Youji und Aya ein Paar waren, bevor er es gesehen hatte… aber der Rotschopf hätte sich doch dann in der ganzen Zeit über anders verhalten… Nein, das konnte nicht sein. Es war einfach nicht möglich, dass sein Teamleader vergewaltigt worden war. Es konnte einfach nicht sein. Es passte nicht in sein Bild von Aya. Omi schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu verdrängen, als er plötzlich Kens Stimme hörte. „Omi?“ Genau, der war ja auch noch im Raum… er hatte den Älteren ganz vergessen. Der Blondschopf sah zu dem Braunhaarigen auf, dessen Blick jetzt nicht mehr so wütend und hasserfüllt war wie noch gerade eben. Eher sah Ken seinen jüngeren Teamkollegen besorgt an, auch wenn er dies zu verstecken versuchte. „Ist… ist das wahr? Schuldig hat Nagi vergewaltigt?“ Omis Blick wurde traurig und er senkte den Kopf, bevor er nickte. „Das… das tut mir Leid, Omi… wie geht es ihm?“ Der Blondschopf hob seinen Kopf soweit, dass er Ken in die Augen blicken konnte. „Das hast du eben gesehen… von Fremden lässt er sich gar nicht anfassen, dann kriegt er Panik, aber ich komme mittlerweile wieder ein bisschen an ihn heran. Ich kann ihn zumindest berühren, aber nichts weiter…“ Der Braunhaarige sah Omi bedauernd an, bevor er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. „Entschuldige, aber ich habe ja nicht gewusst, was ihm passiert ist… außerdem war ich so geschockt, dass du mit ihm dort gestanden hast… ich konnte es einfach nicht glauben…“ Der Blondschopf schloss kurz die Augen, bevor er seinen Kopf wieder hob, sodass er Ken geradeaus wieder ansehen konnte. „Kann ich mir vorstellen… ich hätte vielleicht auch so reagiert, wenn es einer von euch gewesen wäre, mit einem von Schwarz… tut mir Leid, aber ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Aber ich habe Angst um ihn und will ihn beschützen, deshalb.“ „Ist doch verständlich… mir tut es Leid, ich hätte dir besser zuhören sollen… aber ich habe noch ein paar Fragen… wie lange seid ihr schon zusammen?“ Omi musste nicht lange darüber nachdenken. „Seit dem Sommer. Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die Explosion, oder?“ Ken nickte, bevor sich seine Augen weiteten. „Du meinst…?“ „Genau. Er hat mich damals gerettet, und damit hat eigentlich alles angefangen. Von diesem Zeitpunkt an habe ich mich öfters mit ihm getroffen, du hast ja sicher gemerkt, dass ich fast nicht mehr zu Hause war, oder? Da war ich immer bei ihm, im Park oder sonst wo. Und irgendwann ist es eben passiert. Wir wurden ein Paar, und sind seit dem zusammen. Also schon fast ein halbes Jahr…“ Der Braunhaarige nickte leicht und warf Omi dann einen etwas verletzten Blick zu. „Und warum hast du nie etwas gesagt? Ich meine, Youji und Aya wussten es doch auch? Warum hast du mir als einzigem nichts gesagt?“ „Das ging damals nicht… das war… vor Tsubámes Zeiten… verstehst du?“ Wieder weiteten sich Kens Augen, bevor er den Kopf abwandte und zu Boden starrte. „Ach so… da konnte man mit mir nicht so gut reden, was?“ Omi schüttelte den Kopf. „Und Youji hat mich einfach eines Abends zur Rede gestellt. Er wollte endlich wissen, was mit mir los war, und so habe ich ihm alles gestanden. Ich war richtig froh, dass ich es getan hatte, denn Youji reagierte nicht so, wie ich gedacht hatte, sondern viel ruhiger und beherrschter. Und dann musste ich nicht mehr so viel lügen, wenn ich sagte, dass ich weg wollte.“ „Und Aya? Hatte der sich aufgeregt?“ Omi zuckte bloß mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich wusste bis vorhin auch nicht, dass er es gewusst hat. Ich nehme an, Youji hat es ihm erzählt.“ Der Braunhaarige nickte bloß, bevor er kurz schwieg. Doch dann wandte er sich wieder an Omi. „Und noch eine Frage. Wie kamst du dazu, ihm zu vertrauen? Ich meine, als noch alles in Ordnung war und er immer wieder zu Schwarz zurückgegangen ist. Was hat dich überzeugt, dass er dich und somit uns nie verraten würde?“ Daraufhin konnte Omi nur lächeln. „Weil ich ihn liebe. Und weil er mich liebt, das weiß ich. Ich habe ihm alles über mich anvertraut, habe ihm alles über mich erzählt. Er weiß alles, kennt mich genau, weiß das, was ich auch weiß. Und noch etwas. Kennst du seine Fähigkeiten?“ Ken schüttelte den Kopf. „Nein, er war noch bei fast keinem Einsatz dabei. Die Kräfte der anderen kenne ich, aber seine? Nein.“ „Er hat dieselben Kräfte wie Schuldig. Nur ein wenig schwächer, aber im Grunde ist es die gleiche Kraft.“ Das brachte Kens Augen wieder dazu, sich zu weiten. „Noch so ein Telepath?! Aber, dann…“ „Nein Ken, er ist nicht wie Schuldig. Als er mich auf der Mission gerettet hatte, hat er mich zu einem fremden Ort gebracht und meine Wunde versorgt. Dabei habe ich eine ganze Menge über ihn erfahren, wie ähnlich er mir selbst ist, dass er eigentlich gar nicht gern tötet, wie es Schuldig oder Farfarello tun, und wie freundlich er eigentlich ist. Dort habe ich ihm zum ersten Mal erlaubt, meine Gedanken zu lesen. Und ich kann dich beruhigen, er hat nichts über Weiß gelesen, obwohl ich ihn nicht davon hätte abhalten können. Wenn du darauf achtest, spürst du, was der Telepath in deinem Kopf macht, und er ist nicht mal in diese Richtung gegangen. Damals schon hat er mir gesagt, dass er seine Kraft nie so einsetzen würde wie Schuldig es tut. Und ich habe ihm vertraut. Und er hat mein Vertrauen bis heute nicht enttäuscht.“ Ken sah Omi immernoch zweifelnd an. „Du hast seinen Worten geglaubt. Aber warum?“ Omi seufzte, bevor er begann Ken auch noch diese Sache zu erklären. „Nagi hat damals bemerkt, dass ich die Kraft, die er hat, auch besitze, und hat mir geholfen, diese zu befreien und zu stärken, bis ich schließlich stärker war als er selbst. Du glaubst doch nicht wirklich, dass er sich mit Absicht einen Feind geschaffen hätte, der stärker ist als Schuldig?“ Der Braunhaarige sah Omi nur fassungslos an und versuchte die Flut von Informationen zu verdauen. Schließlich öffnete er den Mund, um Omi wieder eine Frage zu stellen. Seine Stimme klang etwas heiser, als könnte er einfach nicht glauben, was er da gerade eben gehört hatte. „Du… du bist Telepath?! Und du bist stärker als Schuldig?“ Omi nickte. „Ja. Deshalb kannst du ruhig glauben, dass Nagi uns nie verraten würde. Wenn er eigentlich auf der Seite von Schwarz stehen würde, hätte er mir das nie beigebracht und einfach meine Gedanken geplündert, bis er seine Informationen gehabt hätte, um mich danach zu töten. Doch er hat es nicht getan. Er hat mir nie wehgetan, war niemals grob zu mir oder hat mich zu etwas gezwungen. Deshalb vertraue ich ihm. Und jetzt kann ich mir erst recht nicht vorstellen, dass Nagi noch irgendetwas mit Schwarz zu tun haben will.“ Ken sah Omi noch einmal fest in die Augen, wobei der Blondschopf seinem Blick standhielt, bevor er von ihm abließ. „Okay… jetzt ist einiges klarer… und wenn ich dich richtig verstanden habe, willst du, dass der Junge hier bleibt?“ Omi nickte und sah dann zu Ken auf, der sich jetzt von seinem Stuhl erhob. „Gut… also, wenn das wirklich alles stimmt, was du eben gesagt hast… dann bin ich damit einverstanden, dass er hier bleibt…“ Der Blondschopf starrte Ken für einen Moment sprachlos an, bevor er vom Tisch aufsprang und dem Älteren stürmisch um den Hals flog. Alle Anspannung in seinem Körper entlud sich, als er realisierte, dass es geschafft hatte! Er hatte Ken überzeugen können! „Danke! Danke, Ken! Tausend Dank!“ Der Braunhaarige klopfte einmal kurz Omis Rücken, bevor er den Blondschopf wieder etwas von sich wegschob. Sein Blick war viel weicher als noch zuvor, auf seinem Gesicht konnte Omi ein leichtes Lächeln sehen. „Schon gut, Omi. Mein Okay hast du, und das von Youji und Aya wohl auch… also wird Nagi ab jetzt wohl bei uns wohnen… aber mich würde trotzdem mal interessieren, was vorhin in Aya gefahren ist… ich habe ihn noch nie so erlebt…“ Der Blondschopf ließ Ken wieder los und sah den Älteren ratlos an. „Ich auch nicht… ich weiß nicht, was mit ihm los ist…“ Doch Youji würde es vielleicht richten können, was immer es war. Immerhin kannte Youji den Rotschopf noch am besten von ihnen allen, er hatte am ehesten die Chance, an Aya heranzukommen und mit ihm zu reden… Ken sah ihn noch einen Moment lang an, ehe er seufzte und dann aufstand, sich gähnend streckte. „So, dann gehe ich mal.“ Omi blickte ihn fragend an, während er ebenfalls aufstand und dem Älteren zur Haustür folgte, wo dieser ein Paar seiner Turnschuhe anzog. „Fußball spielen mit den Kindern. Wir können die Halle benutzen und heute haben wir Training.“ „Ach so. Gut, dann kommst du erst heute Abend wieder?“ Ken zog seine Schuhe an, bevor er sich aufrichtete und zwei Mal auf und ab hüpfte, um den Sitz seiner Schuhe zu testen. Dann grinste er Omi an. „Wenn überhaupt. Ich gehe später noch zu Tsubáme, also vielleicht sehen wir uns erst morgen wieder.“ „Ihr könnt gar nicht voneinander lassen, was?“ „Nö. Ich vermisse ihn jetzt schon, obwohl ich jetzt kaum eine halbe Stunde von ihm getrennt bin…“ Omi lächelte. „Na dann… viel Spaß!“ „Danke Omi!“ Und schon war er zur Tür hinaus. Der Blondschopf sah ihm hinterher, wie Ken um die nächste Ecke joggte, den Schneeregen, der auf ihn niederprasselte ignorierend. Omi schüttelte den Kopf, er konnte nicht verstehen, wie man bei diesem Sauwetter überhaupt aus dem Haus gehen konnte, und das auch noch ohne Regenschirm… Der Blondschopf schloss die Tür und lehnte sich kurz dagegen, bevor er sich davon abstieß. Er wollte wieder nach oben, nach Nagi sehen. Der Junge hatte keine Albträume gehabt, was Omi ein bisschen überrascht hatte. Gerade war die ganze Sache durch Ken wieder aufgewirbelt worden, und doch hatte das keine Einflüsse auf Nagis Träume. Omi stieg die Stufen hinauf und lief den Gange entlang, bevor er vor seiner Zimmertür stehen blieb, allerdings diese nicht öffnete. Er wandte den Kopf in die Richtung, in der Ayas Zimmer lag. Es war hinter einer Ecke, die in den Gang führte, in dem sie ihren Übungsraum hatten. Mit einigen Geräten zum Krafttraining und einer freien Fläche, auf der Aya mit seinem Katana trainieren konnte. Und dort hatte der Rotschopf auch sein Zimmer, abseits von den anderen. Omi hatte sich schon manchmal gefragt, warum der Rotschopf ausgerechnet dieses Zimmer hatte haben wollen, doch die Antwort hatte er nie gefunden. Zwar war Aya schon immer am liebsten alleine gewesen, doch in letzter Zeit war er doch zugänglicher geworden, warum hatte er nicht sein Zimmer gewechselt? Der Blondschopf konnte sich nicht vorstellen, dass Aya immernoch am liebsten alleine war, jetzt, wo er mit Youji zusammen war. Omi war schon kurz davor, in die Richtung von Ayas Zimmer zu gehen, wo er den Rotschopf vermutete, doch dann schüttelte er den Kopf. So, wie Aya ausgesehen hatte, würde er wohl niemanden jetzt in seiner Nähe haben wollen, außer Youji vielleicht. Und der war höchstwahrscheinlich schon bei ihm. Der Blondschopf würde vielleicht später mal nach Aya sehen, wenn er sich wieder beruhigt hatte. Jetzt wollte er erst mal zu Nagi und diesen wieder aufwecken, um ihm alles zu erzählen. Der blonde Junge öffnete leise die Tür zu seinem Zimmer und machte einen Schritt hinein, bevor er die Tür ebenso leise wieder schloss. Nagi lag reglos auf dem Bett unter der Decke und atmete ruhig. Sein Gesicht war bei näherem Hinsehen ein wenig angespannt, als erwartete er jeden Moment, dass etwas passieren würde. Omi ging zu seinem Bett hinüber und ließ sich vorsichtig auf der Kante der Matratze nieder, bevor er eine Hand ausstreckte und seinem Freund einige braune Strähnen aus dem Gesicht strich, die ihm hineingefallen waren. Nagi versteifte sich nur kurz, dann schien er Omis Berührung zu erkennen und wurde wieder ruhig, der verspannte Ausdruck in seinem Gesicht wich langsam und wurde durch einen friedlichen ersetzt, was den Blondschopf leicht zum Lächeln brachte. Er strich noch einmal kurz durch die Haare seines Freundes, bevor er sich wieder zurückzog und dann in Nagis Kopf die Dinge, die er etwas verdreht hatte, um Nagi zum Schlafen zu bringen, wieder normalisierte. Omi musste nur einen Moment warten, bevor Nagi sich ein wenig bewegte und blinzelte, bevor er die Augen aufschlug. Sein Blick war ein wenig unfokussiert, doch nach und nach schärfte er sich und ließ Nagi klar sehen, der Omi neben sich sitzend erkannte. Der Jüngere setzte sich verwirrt auf, bevor er einmal verhalten gähnte und Omi dann fragend ansah. „Was… was mache ich hier?“ Omi lächelte, zum einen weil Nagi in ihm nicht Schuldig gesehen, hatte obwohl er sich überhaupt nicht hatte sicher sein können, und zum anderen weil Nagi unheimlich niedlich aussah, wenn er eine Situation nicht so ganz verstand. „Erinnerst du dich an vorhin? Als Ken zur Tür rein kam?“ Er versuchte seine Stimme vorsichtig und ruhig klingen zu lassen, doch Nagi zuckte trotzdem zusammen, als ihm alles wieder einfiel. Er griff unwillkürlich nach dem Handgelenk, das Ken festgehalten hatte. „Ja…“ Omi schwang seine Beine auf das Bett und kroch dann zu Nagi unter die Decke, bevor er den Jüngeren umarmte und zurück aufs Bett zog, wo Nagi in seinen Armen liegen blieb. Der Blondschopf hob eine Hand und begann sanft über den Rücken seines Freundes zu streicheln, wobei er ihm in die Augen sah. „Und danach kamen die anderen auch noch rein, das hast du mitbekommen, nicht?“ Nagi nickte schwach, wobei Omi spüren konnte, dass sein Freund anfing zu zittern. In Nagis Augen stieg Angst auf und Omi fühlte, wie sich der Braunhaarige verspannte. „Hey, ganz ruhig. Ich habe mit ihnen gesprochen und alles erklärt. Und stell dir mal vor, Aya wusste es schon.“ Das ließ Nagi verwirrt in Omis Augen sehen. „Was? Woher das denn?“ Omi erinnerte sich plötzlich, dass er seinem Freund nie davon erzählt hatte, dass Youji und der Rotschopf zusammen waren, aber er hatte Youji ja auch versprochen, dass er nichts sagte, niemandem. „Aya ist mit Youji zusammen, und der hat es ihm schon vor einer Weile erzählt.“ Nagi sah Omi jetzt wirklich erstaunt an. „Wie bitte? Dieser Eisklotz?“ „Er ist kein Eisklotz, Nagi. Aya ist eben nur kein kontaktfreudiger Mensch, um es mal gelinde auszudrücken. Er ist eben ruhig und zurückgezogen, aber er hat seine Gründe. Ich konnte es auch kaum glauben, als ich das gesehen habe. Ich habe sie in der Küche gesehen, deshalb weiß ich es.“ „Hätte ich nicht gedacht… und dann auch noch mit Balinese…“ „Ist komisch, nicht? Aber es ist ihnen wirklich beiden ernst miteinander, das weiß ich. Aber um wieder zum Thema zurückzukommen, es war also nicht Aya, der sich aufgeregt hat, aber dafür Ken… mann, den hättest du sehen sollen, der war richtig sauer. Aber ich konnte ihn davon überzeugen, dass du keine Gefahr für uns bist. Von ihm habe ich die Erlaubnis, dass du hier bleiben darfst, aber von Youji und Aya noch nicht. Aber ich denke die werden noch zustimmen.“ Omi lächelte seinen Freund an, doch dieser sah ihm nur stirnrunzelnd ins Gesicht. „Warum haben sie noch nichts dazu gesagt? Ich meine, die wussten es doch, hat denn keiner etwas gesagt?“ Der Blondschopf seufzte, als er diese Frage hörte. Er hatte gehofft, dass Nagi das einfach zur Kenntnis nahm, aber nein, der Junge musste ja nachfragen… „Weißt du, es gab einen Zwischenfall… ich… ich habe ihnen das… das, was dir passiert ist, gesagt.“ Er spürte, wie Nagi unwillkürlich zusammenzuckte, als Omi diese Worte aussprach. Einen Moment waren seine Augen von Panik erfüllt, doch im nächsten senkte Nagi den Kopf, sodass der Blondschopf die Augen seines Freundes nicht mehr sehen konnte. „Sie… sie wissen also davon…“ Omi seufzte erneut und zog Nagi dann näher zu sich, um ihn an seinen Körper zu drücken und seinen Kopf auf den seines Freundes zu legen. „Ja. Ich musste das erzählen, sonst hätte ich deine Reaktion vorhin nicht erklären können. Außerdem hätte dann die Gefahr bestanden, dass dich vielleicht einer von ihnen angefasst hätte, zufällig. Und dann hätte ich es sowieso erzählen müssen, also habe ich es lieber jetzt gemacht, wo man das noch alles vermeiden kann.“ Nagi schwieg, aber er entspannte sich wieder ein bisschen, ließ sich selbst lockerer in Omis Armen liegen. Der Blondschopf deutete das als Zeichen um fortzufahren. „Als ich das gesagt hatte, hat Aya… na ja, sich ziemlich komisch verhalten. Er ist einfach aus der Küche gerannt und hat sich, glaube ich, in sein Zimmer zurückgezogen. Youji ist ihm nach, und bis jetzt wissen wir noch nichts neues. Aber mich würde wirklich interessieren, was in ihn gefahren ist…“ Nagi schwieg weiterhin, bevor er aufsah und in Omis Augen blickte. Der Blondschopf lächelte ihn an und hob dann eine Hand, um seinem Freund über die Wange zu streicheln. „Mach dir keine Sorgen, ich bin mir ziemlich sicher, dass du bleiben kannst. Keiner hier würde sowas machen, egal, um wen es geht.“ Der Braunhaarige ließ sich noch einen Moment streicheln, bevor er den Kopf wieder senkte und sich an Omi kuschelte, um seinen Kopf in dessen Brust vergrub. „Hoffentlich… ich will nicht von dir weg…“ „Musst du auch nicht, das verspreche ich dir. Ich lasse nicht zu, dass du von mir weggehst.“ „Hm… danke…“ Omi lächelte wieder leicht, bevor er Nagi einen Kuss auf die Haare gab und dann seinen Kopf auf seine eine Hand stützte, während er den anderen Arm locker über die Hüfte seines Freundes gelegt hatte. „Schon gut. Du sollst dich nicht ständig bedanken. Ich liebe dich, ich mache das nur deshalb.“ „Trotzdem danke… und ich… liebe dich auch…“ Der Blondschopf lächelte intensiver und wollte gerade noch etwas sagen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Nagi hob den Kopf und Omi drehte den seinen in Richtung Tür. „Ja?“ „Ich bin’s, Youji. Kann ich dich kurz sprechen?“ „Klar, komm rein.“ Die Tür öffnete sich und herein trat Omis ältestes Teammitglied, er blieb allerdings in der Tür stehen. Sein Gesicht sah müde aus, gestresst, und seltsamerweise hätte Omi ihn in diesem Moment älter geschätzt als er eigentlich war. Youjis Blick glitt zu dem Blondschopf und Nagi hinüber, die immernoch nebeneinander auf dem Bett lagen, und in seinen Augen erschien ein etwas komischer Ausdruck, den Omi nicht so richtig beschreiben konnte. „Ähm… hi, Nagi.“ Omi spürte, wie sein Freund sich ein wenig anspannte, als Youji einige Schritte in den Raum machte, bevor er sich auf Omis Schreibtischstuhl niederließ. „H-hallo…“ Der Ältere betrachtete Nagi eingehend, wobei der Junge sich noch mehr verspannte, bevor Youji seinen Blick Omi zuwandte, dann aber wieder zu dem braunhaarigen Jungen zurücksah. „Ich nehme an, dass Omi dir von unserem Gespräch erzählt hat?“ Nagi nickte schwach, bevor er den Blick senkte. Er konnte den Blick aus diesen grünen Tiefen nicht ertragen, zu sehr erinnerten sie ihn an ein anderes Paar grüner Augen, auch wenn diese hier nicht halb so kalt waren wie Schuldigs. „Gut. Um es kurz zu machen, von Aya und mir aus kannst zu hier bleiben. Was allerdings mit Ken ist, weiß ich nicht.“ Der Blondschopf spürte, wie die Spannung aus Nagis Körper wich, als er diese Worte hörte. Er selbst hörte sich auch erleichtert ausatmen, zwar hatte er damit gerechnet, aber man konnte nie wissen… vor allem nicht, wenn man es mit Aya zu tun hatte… „Mit Ken habe ich gesprochen, er ist auch einverstanden.“ Youji zog eine schlanke Augenbraue hoch und sah Omi prüfend an, doch dann nickte er. „Wenn das so ist, wohnt Nagi ab jetzt wohl hier. Wie ist das, wollt ihr zusammen wohnen oder soll Nagi ein eigenes Zimmer bekommen?“ Der Jüngste der drei schüttelte heftig den Kopf, als er das hörte. Keine zehn Pferde brachten ihn aus Omis Nähe, jetzt, wo er endlich die Chance hatte, mit ihm zusammenzuleben. „Okay, das war wohl eine klare Antwort. Geht das in Ordnung, Omi?“ „Klar doch. Warum nicht?“ „Ich frage bloß. Gut, dann ist denke ich vorläufig alles wichtige geklärt. Aber jetzt möchte ich noch kurz mit Omi allein sprechen.“ Der Blondschopf sah Nagi an, der ihn fast bittend ansah, nicht wegzugehen und seine Hände in Omis Pullover vergrub, doch dann schüttelte Omi den Kopf. „Keine Angst, ich bin nur auf dem Flur. Du kannst rufen, wenn was ist. Und ich aktiviere das Schutzschild, dann passiert dir nichts.“ Der Braunhaarige sah zwar nicht sehr überzeugt aus, doch er nickte leicht. „Okay…“ Omi lächelte ihn aufmunternd an, bevor er sich vorbeugte und seinem Freund einen Kuss auf die Stirn gab, bevor er seine Arme um den schlanken Körper löste. „Ich komme gleich zurück, das dauert nicht lange.“ Wieder nickte Nagi leicht, bevor er seine Hände aus Omis Pullover zurückzog und ihn somit gehen ließ. Omi kroch unter der Decke hervor und konzentrierte sich kurz, um das Schutzschild zu aktivieren, bevor er seinen Freund noch einmal kurz anlächelte und sich dann zu Youji umwandte. Dieser erhob sich wieder von Omis Schreibtischstuhl und warf Nagi noch einen kurzen Blick zu, bevor er ebenfalls zur Tür ging und mit dem Blondschopf den Raum verließ. Draußen schloss Omi die Tür und ging dann einige Schritt von ihr weg, bevor er sich an die Wand lehnte. Youji folgte ihm und baute sich vor dem Blondschopf auf, bevor er in seine Tasche griff und ein Zigarettenpäckchen hervorzog. Er steckte sich eine Kippe an und ließ die Schachtel dann wieder verschwinden, bevor er einmal an der Zigarette zog und den Rauch wieder durch den Mund entkommen ließ. Omi kräuselte seine Nase, als ihm der Rauch in die Nase stieg. Er mochte Zigaretten zwar nicht besonders, doch er konnte Youji nicht verbieten zu rauchen. Er sah zu dem Älteren auf, der ihn nachdenklich ansah, jedoch schwieg. Der Blondschopf war etwas irritiert, denn immerhin hatte Youji ihn ja sprechen wollen, und nicht umgekehrt, also warum sollte er den Anfang machen? Der Braunhaarige zog noch einmal an seiner Zigarette, bevor er diese zwischen seinen Fingern hielt und Omi ansah. „Willst du nicht fragen? Was mit Aya war?“ Jetzt war Omi noch verwirrter. Natürlich wollte er wissen, was vorhin los gewesen war, doch er würde den Rotschopf bestimmt nicht fragen, und wenn Youji es ihm erzählen wollte, hätte er es schon getan. „Nein. Das ist wohl eine Sache zwischen euch, und wenn ihr nicht wollt, dass wir anderen es wissen, ist es auch so, werde ich das akzeptieren. Ich möchte nur wissen, wie es ihm geht.“ Youji zog eine Augenbraue hoch, doch dann nickte er. „Nicht gut. Aber er hat sich ein wenig beruhigt, so weit, dass er mich zu euch geschickt hat, um einiges zu klären.“ Das half Omi nicht besonders viel, er war jetzt eher noch neugieriger als vorher, doch er verkniff sich weitere Fragen. Er war sich sicher, dass er weder aus Aya noch aus Youji etwas herausbekommen würde, wenn der Rotschopf nicht wollte, dass er selbst und Ken etwas mitbekamen. Und er würde sich damit abfinden, denn es gab auch Dinge, die er nicht unbedingt vor dem ganzen Team breittreten wollte, auch wenn man ihn danach fragen würde. „Hört sich nicht so gut an… aber ihr kommt klar, oder?“ Youji nickte, bevor er wieder an seiner Zigarette zog. „Ja, ich denke schon. Aber nun zu Nagi. Ich habe eben schon gesagt, dass Aya und ich damit einverstanden sind, dass der Junge hier bleibt. Ich habe wirklich nichts dagegen, weil ich weiß, dass Nagi es ehrlich mit dir meint und dich nicht verraten würde, doch ich mache mir trotzdem Sorgen. Was willst du Kritiker sagen? Wir können ihnen nicht ewig verheimlichen, dass Nagi bei uns ist. Wenn Manx oder Birman ihn einmal hier sehen, ist es aus, das ist dir klar, oder? Und dann geht es nicht nur Nagi an den Kragen…“ Omi fühlte sich, als ob ihm jemand einen Eimer Eiswürfel in den Magen geschüttet hätte. Darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht… er war viel zu sehr mit seinem Freund beschäftigt gewesen und damit, wie er ihn durch die Konfrontation mit seinen Teamkollegen bringen konnte, sodass er Kritiker völlig vergessen hatte. „Ich… ähm… ich weiß nicht, Youji… vielleicht ihnen einfach alles erklären? Wie ich es mit Ken gemacht habe?“ Der Braunhaarige zog ruhig an seiner Zigarette, während er den Blondschopf mit durchdringendem Blick ansah. „Und du meinst, dass das funktioniert? Was wirst du tun, wenn sich Manx und Birman nicht davon abschrecken lassen, dass Nagi vergewaltigt wurde? Denn das ist mit Ken passiert, und ich kann ihn verstehen, doch ich habe keine Ahnung, wie die beiden Damen reagieren werden. Aber was tust du, wenn du sie nicht überzeugen kannst?“ Omi starrte Youji mit fassungslosem Blick an, bevor er langsam den Blick senkte. „Ich werde nicht zulassen, dass Nagi etwas passiert. Ich lasse ihn mir nicht mehr wegnehmen, von niemandem.“ Auf seine Worte folgte Stille. Omi wagte nicht aufzusehen. Er wusste, dass Youji geschockt war. Der Blondschopf hatte gerade seinen Freund über seine Freunde gewählt, hatte sie verraten. Er würde, so schwer es ihm fallen würde, Nagis Leben den ihren vorziehen. Dessen war er sich sicher. „Du würdest es wirklich tun? Du würdest Nagi uns vorziehen, wenn du dich entscheiden müsstest?“ Youjis Stimme war tonlos und er sprach langsam, als hätte er Mühe, überhaupt zu sprechen. Der Blondschopf nickte, er hatte nicht lange gezögert. Nagi bedeutete ihm einfach zu viel, als dass er ihn jemals gehen lassen könnte, dessen war er sich sicher, egal, was für einen Preis er zahlen müsste. „Du liebst ihn wirklich, oder?“ Omi sah auf, als er Youjis Stimme hörte, diesmal ganz sanft. Er war überrascht, als er in Youjis lächelndes Gesicht starrte, doch der Braunhaarige tat es wirklich. Er lächelte! Obwohl Omi ihm gerade gesagt hatte, dass er ihn töten würde, nur um Nagis Leben zu retten. „Sieh mich nicht so an, ich kann dich verstehen und weiß, was du fühlst. Ich würde für Aya dasselbe tun, und das schon seit sehr langer Zeit. Wenn ich die Wahl hätte, wen ich von euch retten würde, wenn es darauf ankäme, würde ich versuchen alle zu retten, aber erst, wenn ich Aya in Sicherheit gebracht hätte. Das wäre mir wichtiger als mein eigenes Leben.“ Der Blondschopf starrte Youji noch einen Moment fassungslos an, bevor er spürte, dass sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. „Geht mir genauso. Ich würde genauso handeln, wenn es um Nagi ginge.“ Youji nickte, bevor er erneut an seiner Zigarette zog. „Schön, jetzt wissen wir, dass wir einander sterben lassen würden, nur um jemand anderen zu retten… aber das bringt uns jetzt auch nichts. Wir müssen überlegen, was wir tun, wenn Manx und Birman nicht damit einverstanden sind, dass Nagi bleibt. Und der Tod von allen ist keine Option.“ Omi nickte und dachte nach, nur einige Minuten, doch dann begann er zu grinsen. Wie einfach die Lösung doch war… „Das ist einfach, Youji. Immerhin hast du es hier mit jemandem zu tun, der ein Telepath ist… und zu meiner Verstärkung habe ich noch einen zweiten Telepathen in meinem Zimmer sitzen…“ Der Braunhaarige sah ihn einen Moment lang verwirrt an, doch dann begann auch er zu grinsen. „Du meinst… du könntest ihre Meinungen verändern? So, dass sie einverstanden sein werden?“ Omi nickte erneut, während er weiterhin grinste. „Und nicht nur von den beiden. Ich kann von allen Leuten, die etwas dagegen haben sollten, die Gedanken so verändern, wie es mir passt. Das ist zwar eigentlich gegen meine Prinzipien, aber in dem Fall besteht da keine Frage, dass ich es machen würde.“ Youji grinste und schloss dann für einen Moment seine Augen, bevor er Omi anblitzte. „Das ist echt praktisch, weißt du das? Aber du machst so was nur im Notfall, wenn ich das richtig verstanden habe?“ „Ja. Eigentlich wollte ich so etwas niemals tun, aber das hier ist ein Sonderfall. Doch natürlich haben wir dies nur als den allerletzten Ausweg, wenn wir bei Manx und Birman durch reden gar nichts erreichen. Sie müssen auch gar nicht erfahren, dass ich das kann. Das werde ich bei meinen Erzählungen auslassen, denn ich habe keine Lust, von Kritiker irgendwelche Untersuchungen über mich ergehen zu lassen, nur weil ich ‚begabt’ bin. Das habe ich schon einmal ertragen und ich will es nie, nie wieder erleben.“ Das war gewesen, kurz nachdem seine ersten Erinnerungen begannen. Kritiker hatten festgestellt, dass er außergewöhnlich intelligent war, und hatte einige Versuche mit ihm gemacht, die Omi mit nichts gutem verband. Deshalb war er auch so empfindlich darauf, wenn man ihm unter die Nase rieb, dass er ein Genie war. Youji nickte verständnisvoll, während er Omi weiterhin ansah. „Okay, dann wäre das geklärt. Jetzt möchte ich noch was wissen. Ich habe gerade gesehen, wie ihr miteinander umgegangen seid. Und ich finde es ganz schön heftig, dass Nagi so kurz nach so einem Erlebnis schon wieder so viel Kontakt ertragen kann…“ Der Blondschopf senkte kurz den Blick, bevor er Youji fest in die Augen sah. „Ich bin selbst überrascht. Ich war davon ausgegangen, dass er ewig brauchen würde, bis er meine Berührung wieder halbwegs ertragen kann. Doch dem war nicht so. Ich habe ihn zu nichts gezwungen, er ist derjenige, der so vorandrängt. Gestern wollte er mich küssen und hatte danach einen ziemlichen Zusammenbruch, als er gemerkt hat, dass er das einfach nicht kann… es ist so schwierig…“ Der Braunhaarige sah ihn an, bevor er den Kopf schüttelte. „Das musst du ihm ausreden. Wenn er das macht, wird es nur noch schlimmer.“ „Ich weiß, Youji. Ich habe es ihm schon gesagt, und vielleicht hat er es auch verstanden, jedenfalls werde ich ihn davon abhalten, wenn ich es kann.“ Youji nickte und löste sich dann von der Wand, um einen Schritt auf Omi zuzugehen. „Das ist gut. Es wird unheimlich schwierig, ihm verständlich zu machen, dass es einfach nicht mehr so läuft wie vor der Vergewaltigung, das hast du wohl schon gemerkt, wie ich deinen Worten entnehmen kann. Doch du darfst nicht aufgeben. Und vor allem darfst du ihn nicht drängen. Er muss bestimmen, wie euer Tempo nun sein wird, aber er darf so was auf keinen Falls tun, damit verschlimmert er seine eigenen Leiden nur noch.“ Omi konnte daraufhin nur zustimmend nicken. Das war ja genau das, was er selbst auch dachte. „Ich weiß. Und ich versuche wirklich alles, um ihm zu helfen, aber es ist manchmal nicht gerade einfach…“ „Ich kann dich verstehen, aber du darfst nicht aufgeben. Er wird wieder in Ordnung kommen, wenn du ihm Zeit lässt und ihm hilfst. Dann kann er darüber hinwegkommen, anders nicht. Er braucht deine Unterstützung dringend, auch wenn er dir das vielleicht nicht zeigt. Zusammen schafft ihr das, da bin ich mir sicher, so wie du ihn liebst… wenn er es ebenfalls tut, werdet ihr es gemeinsam verarbeiten können. Ihr müsst nur Geduld haben, das ist wichtig.“ Youji bedachte Omi mit einem etwas traurigen Lächeln, bevor er sich umwandte und den Flur entlang in Richtung Ayas Zimmer ging. „Ich werde nach Aya sehen, geh du zurück zu Nagi. Der Kleine hat vielleicht Angst ohne dich.“ Die Stimme des Braunhaarigen klang völlig ernst, als er das sagte, aber Omi konnte auch keinen traurigen Unterton hören, als der Ältere sprach. Im nächsten Moment war Youji um die Ecke verschwunden und er hörte ihn an die Tür des Rotschopfes klopfen, bevor er die Tür öffnete und hinter sich wieder schloss. Der Blondschopf sah ihm noch einen Augenblick nach, bevor er zu seinem eigenen Zimmer zurück schlenderte, sein Kopf voll von Gedanken, die er alle gar nicht denken wollte. Woher wusste Youji nur so viel über das Verhalten von Leuten, die vergewaltigt worden waren? War es vielleicht doch möglich, dass Aya… Sofort schüttelte Omi den Kopf, dass seine blonden Strähnen umherflogen, bevor er diese Gedanken gewaltsam aus seinem Kopf verdrängte. Aya war nicht vergewaltigt worden. Es ging einfach nicht. Das war völlig unmöglich, Omi hätte doch etwas mitbekommen, wenn… nein, das war nur Einbildung. Vielleicht hatte der Braunhaarige schon mal mit jemandem Kontakt gehabt, der so etwas erlebt hatte, als er noch Privatdetektiv gewesen war oder so… jedenfalls nicht bei Aya. Punkt. Der Blondschopf ging zurück zu seinem Zimmer und öffnete die Tür, betrat den Raum und schloss ihn wieder von innen. Nagi saß immernoch auf seinem Bett, doch er hatte sich ganz eng zusammen gekauert und die Decke so um sich geschlungen, dass nur noch sein Kopf oben herauskuckte. Omi lächelte seinen Freund an und ging dann zu ihm hinüber, wo er sich neben ihm auf die Matratze sinken ließ. Er ließ das Schutzschild verschwinden und zog seinen Freund an sich. „Alles okay, Nagi?“ Der Jüngere sah Omi an und nickte dann leicht, bevor er sich an seinen Freund schmiegte. „Ja… was wollte er denn?“ Der Blondschopf entschied sofort, dass er Nagi nicht erzählen würde, über was er mit Youji gesprochen hatte. Der Jüngere musste nicht unbedingt erfahren, dass er sich mit Youji darüber unterhielt, wie er ihre Beziehung zu gestalten hatte und so weiter. „Organisatorisches. Alles mögliche halt.“ „Dafür hätte er nicht mit dir raus gehen müssen. Über was habt ihr geredet?“ Omi seufzte leise, als er das hörte. Natürlich würde Nagi ihm das nicht abkaufen, dafür war der Junge zu intelligent und feinfühlig dafür, wenn Omi ihn anlog. Was nicht oft passierte, aber da der Blondschopf einfach nicht lügen konnte, wusste Nagi sofort, wenn er es tat, ohne in Omis Gesicht sehen zu müssen. „Bitte Nagi, frag nicht, okay? Aber ich verspreche dir, dass ich ihm nichts über dich erzählt habe. Nichts, was er nicht wissen dürfte. Er weiß jetzt nicht mehr als Ken, und dem habe ich auch nicht viel erzählt. Wir mussten wirklich ein paar Dinge klären, aber das ist jetzt alles klar. Mach dir keine Sorgen, Nagi, alles ist in Ordnung.“ Eine Weile schwieg Nagi bloß, doch dann hörte Omi die Stimme seines Freundes wieder. „Okay… ich frage nicht… aber bitte, erzähle ihnen nichts mehr… ich will das nicht, ich will nicht, dass sie alles wissen… es… es…“ „Schon gut… du musst nichts erklären. Ich verstehe dich, und ich hatte niemals vor, ihnen mehr zu erzählen, als du erlauben würdest. Ich musste ihm nur etwas erklären, sonst nichts.“ Das stimmte zwar nicht ganz, aber Omi hoffte trotzdem, dass Nagi ihm das abnehmen würde. Es war besser für ihn, oder er würde nie einigermaßen ungezwungen mit Aya, Youji und Ken umgehen können. Mit Ken vielleicht sowieso nicht, weil er bei diesem schon einige Vorurteile haben dürfte, sowohl aus der Zeit, als Ken Omi noch nachgestellt hatte, als auch gerade vorhin, als Ken ihn am Handgelenk gepackt hatte. Doch der Blondschopf wollte, dass Nagi wenigstens mit den anderen irgendwann ‚normal’ umgehen konnte, also reden und so, einfach wie ganz normale Menschen, die ihre ganzen Probleme nicht hatten. Wieder herrschte kurzes Schweigen, doch dann hörte er Nagi leise seufzen. „Ich glaube dir doch. Ich vertraue dir, dass du nicht mehr sagst, als ich wollen würde. Du kennst mich mittlerweile so gut, dass du das beurteilen kannst. Glaube ich…“ Omi atmete innerlich auf und schob seinen jüngeren Freund dann leicht von sich weg, um ihn sanft auf die Stirn zu küssen. „Danke Nagi. Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen.“ Von seinem Freund erhielt er ein leichtes Lächeln, bevor dieser sich wieder zurück an Omi kuschelte und so verweilte. Der Blondschopf ließ seinen Kopf auf Nagis sinken und festigte seine Arme um Nagi noch ein wenig, um ihn näher zu sich zu ziehen. „Ich liebe dich, Omi.“ Der Ältere schloss lächelnd die Augen und ließ sich auf sein Bett zurücksinken, ohne dass sie ihre Positionen im geringsten ändern mussten. „Ich dich auch, Nagi,“ Der Jüngere kuschelte sich eng an ihn und blieb dann so liegen, ganz entspannt und ruhig atmend, doch er schlief nicht. Auch Omi nickte nicht ein, sondern er schloss bloß die Augen und genoss ihre jetzige Situation, die so entspannt und ruhig war. ~*~*~*~*~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)