Spielzeug von life_is_melody ================================================================================ Kapitel 21: Regen ----------------- Reita saß auf der Couch, die Beine angewinkelt und den Kopf auf diese gelegt. Stumm lauschte er dem Regen und wartete, wartete darauf, dass Kai zurückkam. Sie waren wieder hier, in ihrer alten Wohnung. Erstaunlicherweise war der Vorschlag von Kai gekommen. Zuvor hatte er sich angeblich bei einem Bekannten einquartiert. Doch Reita war nicht interessiert daran, wo Kai gewesen war. Für ihn zählte nur, dass er wieder da war, bei ihm. Es hatte schon vor einigen Stunden zu Regnen begonnen und Reita war froh, dass er Kai den Regenschirm mitgegeben hatte, das es inzwischen schon wesentlich stärker regnete. Reita hoffte inständig, dass Kai nicht zu nass wurde und sich verkühlte, oder etwa krank wurde. Plötzlich klingelte Reitas Handy. Er hatte es in der Hand gehalten, hatte irgendwie gewusst, dass er anrufen würde. Er rief ihn täglich an und Reita wusste, dass er abheben müsste. Sonst würde sich Ruki doch nur unnötige Sorgen machen. Ihm ging es schließlich gut. Reita hob ab und meldete sich nur mit einem leisen. „Hey.“ Einen Moment lang war es still, doch Reita hatte sich daran gewöhnt. Er hörte, wie Ruki leise seufzte. Er war erleichtert. Was hatte er denn erwartet? Dass ihm etwas passiert war? Nein. Kai schlug ihn nicht, hatte ihn nie geschlagen und dieses eine Mal, als er bei Yune gewesen war, hatte Reita ihm verziehen. Er glaubte….nein, er wusste warum Kai ihm diese Ohrfeige verpasst hatte und Reita verstand es, glaubte es zumindest zu verstehen. „Ist er da?“ Reita wusste, wen Ruki meinte. „Nein. Er ist einkaufen. Ich…ich will etwas kochen und Kai hat sich angeboten einkaufen zu gehen.“ „Hast du seit diesem Vorfall vor einer Woche überhaupt schon eure Wohnung verlassen?“ Reita hörte die Skepsis in Rukis Stimme. Er wusste, was sein Freund dachte. „Nein, aber…Ich wollte auch nicht raus. Anfangs hab ich Kai gebeten alles zu erledigen, aber inzwischen macht er es schon selbst.“ Eine kurze Stille trat ein. „Ich…“ Ruki zögerte und Reita horchte auf. Das passierte in letzter Zeit ziemlich oft, dass Ruki zögerte. „Kann ich vorbeikommen? Reita ich will dich sehen. Ich will dich mit eigenen Augen sehen, will sehen, dass es dir gut geht.“ „Kai wird bald zurück sein.“ Das war Antwort genug. Keiner von ihnen war seit dem Vorfall hier gewesen. Niemand. Und Reita wusste, dass es gut so war. Wahrscheinlich würde es nur wieder zu Streit kommen. Wobei Reita auch sicher war, dass Ruki der einzige war, der hier her kommen würde. Uruha war zu verbissen, schien Kai bis aufs Blut zu hassen und Aoi war viel zu sehr in Uruha vernarrt. „Was tut ihr eigentlich den ganzen Tag.“ „Ich schreibe.“, gestand Reita ehrlich. „Ich schreibe gerade an meinem dritten Song. Kai hört mir zu. Er sitzt meistens nur stumm da, raucht und so. Hie und da gibt er seine Meinung dazu, hilft mir sogar ein wenig.“ „Und…zwingt er dich noch immer dazu jeden Abend…du weißt schon.“ „Ja.“ „Reita, wehr dich doch, wenn du das nicht tun willst.“ „Wie sieht es mir dir und Miyavi aus?“, wich Reita Rukis Aufforderung aus. Sich wehren. Reita hatte es nie versucht und irgendwie konnte er auch nicht die Kraft aufbringen. Kai war zu stark. Es war nicht die physische Kraft, die Reita davon abhielt, denn Reita wusste, dass er sicher stärker als Kai war. Es war Kais Erscheinung, Kais Auftreten, diese Selbstsicherheit und Gewissheit, die Reita irgendwie lähmte. „Er sitzt gerade neben mir. Wir sehen uns einen Film an. Aber ich kann mich nicht konzentrieren. Die Sache zwischen dir und Kai geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich mache mir Sorgen und ich kann das auch nicht einfach so abstellen. Konntest du doch auch nicht, als es mir mit Miyavi so beschissen ging, oder?“ Reita nickte schwach. „Wie geht es Uruha?“ „Er hat sich nicht bei mir gemeldet. Er spricht mit keinem. Nicht einmal mit Aoi. Wobei Aoi der Einzige ist, den er in seine Wohnung lässt, aber sprechen tut er trotzdem nicht. Es ist zum Verrückt werden. Irgendwie scheint im Moment zwischen uns alles schief zu gehen.“ „Und das ist Yunes Schuld.“, begann Reita leise. „Hätte er es euch nicht erzählt, dann…“ Reita stoppte, da er hörte, wie die Tür aufgeschlossen wurde. „Kai kommt zurück.“, meinte er deshalb nur. „Wir reden morgen weiter, okay.“ „Ich weiß, dass du auflegen wirst und mir keine andere Wahl lässt, obwohl es mir nicht gefällt. Also bis morgen. Und wehe du hebst morgen nicht ab.“ „Ich hebe immer ab. Mach’s gut.“ Reita legte auf und legte das Handy achtlos auf den Tisch, während er aufsprang und in den Vorraum zu Kai eilte. Sofort nahm er ihm die Einkaufstüte ab, damit dieser sich in Ruhe ausziehen konnte und verschwand damit in die Küche. Gemächlich begann Reita alles sorgfältig einzuräumen. Er stellte lächelnd fest, dass Kai alles bekommen hatte, was er brauchte. Kai kam ebenfalls in die Küche und zündete sich eine Zigarette an, sah Reita einfach nur zu. Als Reita alles verstaut hatte setzte er sich zu Kai an den Tisch. Schon seit heute Morgen wollte er mit ihm über ein ganze bestimmtes Thema reden und… „Was?“, fragte Kai nur und Reita runzelte verwirrt die Stirn. „Ich kann dir ansehen, dass du was von mir willst.“ Reita öffnete den Mund? Konnte Kai das? War er Kai schon so bekannt, so vertraut. Irgendwie machte Reita diese Überlegung ein wenig stolz. „Ja. Ich würde gerne über Uruha reden.“ Kai drückte die erst bis zur Hälfte gerauchte Zigarette aus und seufzte schwer, für Reita eine stumme Aufforderung anzufangen. Den ganzen Tag lang hatte er sich überlegt, wie er sich ausdrücken sollte und selbst jetzt war er sich nicht sicher, ob er die richtigen Worte gewählt hatte. Doch dann entdeckte Reita noch etwas anderes. „Du bist ganz nass, Kai. Dein Shirt ist ganz durchweicht. Zieh dir ein Neues an, sonst wirst du krank. Ich mach dir inzwischen einen Tee, der wärmt.“ Kai sah Reita ein paar Sekunden lang fordernd an, bevor er sich tatsächlich erhob und aus der Küche verschwand. Reita seufzte schwer. Es wären sicher die falschen Worte gewesen. Deshalb grübelte er noch einmal darüber nach, während der Wasserkocher das Wasser erhitzte und Reita zwar Tassen mit den Teebeuteln und etwas Zucker auf den kleinen Küchentisch stellte. Wie sollte er das am Besten ansprechen. Reita wollte nur zu gerne wissen, warum Uruha so dermaßen ausgezuckt war. Das war er von ihrem Leadgitarristen überhaupt nicht gewohnt gewesen. Er wusste, dass Uruha manchmal wirklich ziemlich energisch war, aber das hatte selbst Reita ihm nicht zugetraut. Außerdem musste etwas wirklich Schlimmes zwischen ihm und Kai vorgefallen sein, wenn Uruha ihn unbedingt nicht mehr sehen wollte und nun sogar nichts mehr sprach. Reita hatte den Verdacht, dass Kai auch Uruha benutzt hatte, wie Yune. Aber Reita war sich sicher, dass, wenn das der Fall gewesen wäre, Uruha ihm sicher gewarnt hätte, als er mit Kai zusammengekommen war. Also musste es etwas anderes sein. Reita sah auf, als ihm Wasser in die Tasse gegossen wurde. Auf den Wasserkocher hatte er ganz vergessen. Kai war inzwischen in die Küche zurückgekommen und schenkte ihnen beiden ein. „Danke.“, murmelte Reita leise und wartete stumm, bis Kai wieder auf seinem Platz saß. „Uruha.“, meinte er nur, um das Thema von vorhin wieder aufzunehmen und Reita nickte nur bestätigend. „Warum…Warum ist Uruha vor einer Woche so ausgerastet?“ Kai überlegte keinen Moment. „Das hat er doch eh alles vor sich hingeschrieen, wenn ich mich recht erinnere. Er meinte es wäre ein Fehler gewesen mich in die Band aufzunehmen, dass ich ihm versprochen habe, dass ich das nicht mehr tun würde, wobei ich es ihm niemals wirklich so direkt versprochen habe.“ „Deshalb war er so wütend?“ „Anscheinend.“ Irgendwie glaubte Reita Kai nicht, deshalb hakte er nach. „Uruha wusste also schon bevor du zu Gazette gekommen bist dass du…“ Was sollte Reita sagen? „Dass du…“ Ihm fiel kein passendes Adjektiv ein. „Dass du…“ „Dass ich meine frühere Band nur ausgenutzt habe um mein eigenes, ganz persönliches Ziel zu erreichen.“, half Kai nach und Reita nickte sofort. „Ja, das wusste Uruha. Und er hat mich trotzdem in die Band aufgenommen und zum Leader gemacht, weil er meinte, dass ich dadurch vielleicht nicht auf - wie er es damals so schön ausgedrückt hat - „Dumme Gedanken“ komme.“ Kai formte bei den Wörtern „Dumme Gedanken“ Gänsefüßchen mit den eigenen Fingern. „Aber Uruha hat übertrieben. Der Job als Leader ist nicht so anstrengend. Uruha war einfach zu faul.“ Reita schmunzelte, weil Kai Recht hatte. Uruha war noch nie ein besonders guter Leader gewesen. Da war Kai ihm anscheinend gerade Recht gekommen. „Und…“ Reita zögerte, war sich nicht sicher, ob er diese Frage stellen konnte, doch er tat es und hoffte das Beste. „Was hast du in deiner alten Band angestellt?“ Kai sah leicht verwirrt auf. „Ich habe mich an unseren damaligen Leader rangeschmissen und ihn dann als Spielzeug gehalten. So ähnlich wie bei dir jetzt.“ Es tat ein wenig weh das von Kai zu hören, doch Reita zwang sich zu nicken. „Und es war in etwa so wie hier. Irgendwann sind sie darauf gekommen, was ich mit ihrem Leader mache, dass ich ihn ausnutze und benutzte um ihn das tun zu lassen, was ich will. Nur, dass ich bei ihnen noch eine weitere Chance bekommen habe, die ich nicht wahrgenommen habe. Ich habe gehört, dass ihr einen neuen Drummer sucht, und da ihr eindeutig mehr Aufstiegspotenzial hattet als meine letzte Band, bin ich zu euch gewechselt.“ „Dir geht es also wirklich nur um deine Karriere?“, fragte Reita nach. „Und um guten Sex.“ Reita nickte. Er glaubte Kai nicht. Doch Reita fragte nicht weiter nach. Er glaubte, er konnte Uruha ein wenig verstehen. Er musste sich belogen und betrogen fühlen. Stumm saßen sie da, tranken ihren Tee und sprachen kein Wort. Reita starrte auf seine Tasse und trank hie und da einen Schluck. Er war vollkommen von seinen Gedanken überrannt worden. Reita rief sich alles noch einmal in den Kopf. Wann hatte all das eigentlich begonnen? Als Reita Yune besucht hatte? Mit Ruki und seiner unglücklichen Liebe zu Miyavi? Oder damals, als der Sex so anders gewesen war? Als Reita sich auf Kai eingelassen hatte und Kai ihm alles gestanden hatte, ihm seine wahre Seite gezeigt hatte, den Kai, der nur selten lächelte, der hart und dominant war? Als Kai in die Band aufgenommen wurde? Als Kai bei seiner alten Band aufgeflogen war? Oder, als er bemerkt hatte, was er alles konnte, wie dominant er doch sein konnte? Reita wusste es nicht. Plötzlich stand Kai auf und stellte seine Tasse zur Seite, verließ die Küche und schlenderte in Richtung Wohnzimmer. Reita trank auch seinen Tee aus und folgte ihm. Als er ins Wohnzimmer kam, erkannte er Kai, wie er gerade auf den Balkon hinaustrat und sich wieder eine Zigarette anzündete. Reita blieb drinnen stehen. Kai war geschützt vor dem Regen, aber… Reitas Handy klingelte. Ohne auf das Display zu sehen, griff Reita nach seinem Handy auf dem Tisch und hob ab. „Ja?“ „Hey. ich bin’s.“ „Maya?“ Reita war verwirrt. Wieso sollte Maya ihn anrufen. „Ja. Ich habe gerade mit Miyavi gesprochen und er hat mir gesagt, was passiert ist, mit euch allen und auch von dir und Kai. Weißt du noch, als wir uns da im Cafe getroffen haben und du herausgefunden hast, dass ich und Miyavi zusammen gewesen waren? Da hab ich dich doch gefragt, ob du glücklich bist. Hast du mich da angelogen?“ „Nein.“ Stille trat ein. ein Moment lang war sich Reita nicht sicher, ob Maya überhaupt noch am Telefon war, doch schließlich meldete er sich wieder. „Reita? Bist du jetzt glücklich?“ „Nein. Sie haben sich gestritten.“ „Wer?“ Reita lächelte leicht. „Kai und der Rest der Band. Sie haben sich gestritten und wir haben Probleme. Aber ich glaube…hoffe, dass sich alles wieder gut wird. Ich glaube kaum, dass Gazette wegen so einer Kleinigkeit in die Brüche geht.“ „Das ist deine einzige Sorge?“ „Ja.“ Ja, das war es. Worüber sollte er sich sonst sorgen. Reita war glücklich mit Kai. Er war glücklich Kai wieder bei sich zu haben, selbst, wenn Kai ihn nicht lieben sollte, Reita liebte ihn abgöttisch und solange Kai da war, war er glücklich. Als Reita hörte, wie Maya schallend zu lachen begann, horchte er wieder auf. Was war so lustig daran. „Danke. Ich glaube dir.“, meinte Maya schließlich. „Ich glaube dir, dass du glücklich bist und ich hoffe für euch, dass alles wieder gut wird. Das wollte ich eigentlich nur wissen. Bis irgendwann mal, okay?“ „Okay.“ Maya legte auf. Komisch. Er schien sich damit zufrieden zu geben, dass Reita glücklich war und ihm schien Kais Art egal zu sein. Doch Reita schüttelte nur den Kopf, wollte sich nicht mit so etwas aufhalten. Leise tapste er zurück in den Vorraum und nahm zwei Jacken vom Kleiderbügel. Damit schlenderte er zurück ins Wohnzimmer und trat schließlich zu Kai nach draußen auf den Balkon. Eine der Jacken zog sich Reita selbst über und die andere legte er sachte auf Kais Schultern. „Wer war das?“ „Maya.“, antwortete Reita nur. „Und?“ Reita grinste. „Er wollte nur wissen, ob ich glücklich bin.“ Kai fragte nicht nach. Reita störte es nicht. Langsam streckte Reita seine Hand aus, damit er den Regen auf dieser fühlen konnte. Er musste sich ein wenig vorbeugen, damit seine ganze Hand vom Regen erwischt werden konnte. Reita wusste nicht warum er das tat. Aber er war sich sicher, dass niemand richtig wusste, warum er den Regen auf seiner Hand fühlen wollte. Sekunden später erkannte Reita, wie auch Kai seine Hand ausstreckte, um den Regen zu fühlen. „Ich liebe dich, Kai.“ … „Ich weiß.“ Reita lächelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)