Spielzeug von life_is_melody ================================================================================ Kapitel 15: Enthüllung ---------------------- Langsam öffnete Reita die Tür. Eigentlich war er wütend und hatte richtig Lust darauf irgendetwas zu zertrümmern, irgendetwas zu schlagen, doch er dürfte sich nichts anmerken lassen, dürfte Kai nicht verraten wo er gewesen war. Wer wusste schon, wie dieser reagieren würde. Reita schluckte schwer, schluckte so auch seine Wut hinunter und atmete tief durch, zwang sich selbst dazu normal zu wirken. Schnell zog er sich die Schuhe aus und hing die Jacke auf den Kleiderständer, bevor er ins Wohnzimmer schritt, um zu sehen, was Kai tat. Doch noch in der Tür blieb er verwirrt stehen. Kai saß auf der Couch und starrte ins Nichts. In einer Hand hielt er eine Zigarette. Langsam, fast wie in Zeitlupe, hob er die Hand zu seinem Mund und nahm einen kräftigen Zug davon. Reita rührte sich nicht von der Stelle. Diese ganze Situation hatte etwas Beängstigendes an sich. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte er sofort. Während Kai den blauen Dunst ausstieß, löschte er die Zigarette im Aschenbecher, obwohl er sie erst bis zur Hälfe geraucht hatte. Reita trat ein wenig auf Kai zu. Vielleicht ging es ihm nicht gut, schoss es Reita durch den Kopf. Doch weit kam er nicht. Kai stand auf und wandte sich Reita zu. Kai war wütend, verdammt wütend. Voller Unsicherheit trat Reita einen Schritt zurück. Doch die Wand war ihm im Weg. Reita konnte gar nicht so schnell reagieren, da stand Kai bereits vor ihm und packte ihn am Kragen. Unsanft wurde er an die Wand gedrückt. „Wo warst du?“ „Bei Ruki.“, log er. „Ich bin nicht dumm, Reita. Du warst nicht bei Ruki. Ich hab den kleinen Idioten angerufen. Genauso wie Aoi und Uruha. Du warst bei keinem von ihnen, auch nicht bei irgendjemand von Alice Nine. Also. Wo warst du.“ Reita wusste, dass er es Kai nicht sagen sollte, nicht sagen durfte. Und doch. Dank Yune wurde er noch mehr verunsichert. Wo war der echte, der wahre Kai. War es der Kai, der gerade vor ihm stand, oder war es der Kai, den er zu spielen vorgab, der glückliche, sanfte Kai. Oder war es doch jemand ganz anders. „Bei Yune.“ „Was?“ „Ich war bei Yune…“ Noch ehe Reita irgendetwas tun konnte, hatte Kai ihm bereits eine deftige Ohrfeige verpasst. Reitas Augen weiteten sich. Kai hatte ihn bisher noch nie geschlagen. Noch nie. Reita spürte den Schmerz an seiner Wange nicht, nahm ihn gar nicht wirklich wahr. Der Schmerz in seinem Herzen war weitaus quälender, viel schlimmer. Es war, als hätte Kai sein Herz genommen, und anstatt es ein wenig zusammenzudrücken, wie bisher, hatte er brutal mit einem Hammer darauf eingeschlagen, bis nur noch staub übrig war, nicht einmal mehr ein kleines Stück. Kai hatte ihn ebenfalls losgelassen, doch seinen Gesichtsausdruck vermochte Reita nicht zu deuten. Langsam sank der Bassist an der Wand herunter. Kai hatte ihn geschlagen. Warum? Warum hatte er das getan? Er war doch nur bei Yune gewesen. Er hatte nichts erfahren, was er nicht schon zuvor gewusst hatte. Es war nichts gewesen. Und doch war Kai so wütend darüber, dass er Reita geschlagen hatte. Konnte es sein, dass er Yune noch immer liebte und mit dessen Zurückweisung noch immer nicht leben konnte, seit mehr als zwei Jahren? Reita wollte nicht daran glauben, wollte, dass es nicht wahr war. Es durfte einfach nicht wahr sein. Reita spürte etwas Kühles auf der Wange. Er sah auf. Kai hatte ihm einen Eisbeutel gebracht und ihn Reita an die Wange gedrückt. „Danke.“, nuschelte er leise, hielt den Blick auf Kai gerichtet. Er wollte in seinen Augen erkennen, was mit ihm los war, doch Kai ließ es nicht zu. Er wandte den Blick ab, sah Reita nicht an, sondern starrte auf irgendeinen anderen Punkt. Was war nur los mit ihm? „Du solltest gehen.“ Reita verstand nicht, runzelte die Stirn. Gehen? Wohin? „Geh zu Ruki, oder zu Yune, ist mir scheißegal, wohin du gehst, aber ich will, dass du von hier verschwindest. Sofort! Wir sehen uns morgen bei der Probe, aber bis dahin will ich dich nicht sehen.“ Kai zerrte Reita hoch und schleifte ihn zur Tür. Reita wehrte sich nicht. Er verstand die gesamte Situation nicht, war sichtlich überfordert damit. was tat Kai nur? Warum tat er das? Er war doch nur bei Yune gewesen. Was war denn schon dabei? Er hatte nichts erfahren. Er liebte Kai weiterhin. Yune war doch der Arsch. Erst als Reita vor der Tür stand, realisierte er die Situation. Kai hatte ihn rausgeworfen. Es dauerte einen Moment, bis Reita sich dazu aufraffen konnte zu gehen. Er schlüpfte in seine Schuhe, die Kai ihm nachgeworfen hatte, band sie aber nicht zu. Wozu auch? Seine Jacke hielt er in der Hand und sah sich um, überlegte keinen Moment, gab es doch nur eine einzige Person, zu der er jetzt gehen konnte… „Reita?“ Der Bassist blickte zu Boden. Er wollte ihn nicht ansehen. „Komm erst mal rein.“ Noch immer stumm betrat er die Wohnung. Geduldig wartete er, bis Ruki die Tür hinter ihm geschlossen hatte und folgte dem Kleinen ins Wohnzimmer. Ruki befahl ihm richtig sich auf die Couch zu setzen und Reita gehorchte sofort. Er war viel zu müde, viel zu erschöpft, um sich irgendwie zu wehren. „Was hast du da in der Hand, Reita?“ „Eisbeutel.“, war die eintönige Antwort. Reita konnte es noch immer nicht glauben. Er hatte doch so sehr darauf vertraut, dass Kai ihn niemals schlagen würde, hatte sich daran geklammert, hatte diese Tatsache wie einen Hoffnungsschimmer festgehalten und nun, nun war alles dahin. Anscheinend kannte er Kai nicht. Er wusste nicht welcher Kai der richtige war, wusste nicht mehr worauf er hoffen sollte, worauf er vertrauen sollte. „Reita, was ist passiert? Du siehst schrecklich aus.“ „Ich… Ich habe mich mit Kai gestritten und bin abgehauen.“, log er nur. „Kann ich bis morgen hier bleiben?“ „Natürlich. Aber wozu der Eisbeutel? Hat Kai dich geschlagen?“ „Nein.“, entfuhr es Reita, wohl etwas zu schnell. Doch Ruki fragte nicht nach. Er musterte Reita nur und seufzte schwer. Daraufhin zog er den Bassisten zu einer Umarmung zu sich. Es tat gut. Reita schmiegte sich ein wenig an den anderen. Genau das vermisste er so sehr bei Kai, einfach nur gehalten zu werden. Er wollte so sehr, dass Kai einfach nur da war, doch das ging nicht. Kai tat das nicht. Reita seufze schwer und überhörte beinahe Rukis leicht gehauchte Worte. „Keine Angst. Ich helfe dir, egal wobei.“ Reita konnte nicht schlafen. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Kai und er dachte immer wieder an die Ohrfeige, die ihm sein Freund verpasst hatte. Sein Freund? Reita wusste nicht, wann er Kai das letzte Mal so genannt hatte und sei es nur in Gedanken gewesen. Doch Kai war sein Freund, sein fester Freund. Er liebte Kai noch immer, abgöttisch und über alles. Und er hasste sich selbst. Er hasste sich dafür in letzter Zeit so viele Fehler begangen zu haben. Er musste alles wieder ins Lot bringen. Vielleicht wäre er sogar daran schuld, wenn die Band zerbrechen würde und das war das Letzte, was er wollte. Ruki, neben ihm, schlief tief und fest. Immer wieder murmelte er Miyavis Namen. Reita genoss es noch immer Ruki beim Schlafen zuzuhören. So erfuhr man einige Interessante Dinge. Ruki redete nämlich sehr viel im Schlaf. „Ich liebe dich Miya.“, flüsterte er leise und Reita lächelte sanft. Wenigstens hatte Ruki sein Glück gefunden und allein das bezeugte doch, dass Reita nicht alles falsch gemach hatte, dass er wenigstens etwas richtig verlaufen war. „Ich liebe dich, so wie du bist.“ Reita runzelte die Stirn. So wie du bist. So, und nicht anders. Es war dasselbe wie bei Kai. Reita liebte Kai. Er liebte Kai mit all seinen Fehlern, mit all seinen verschiedenen Gesichtern und Lügen. Denn einen anderen Kai kannte er gar nicht. Und doch wusste Reita, dass es falsch war diesen Kai zu lieben. Er durfte es nicht, wusste er doch, wie verletzend dieser Kai zu ihm war, wie er doch unter ihm litt. Er musste und all den verschiedenen Kais, die er kannte einfach nur den Richtigen herausfiltern. Doch das war schwer. Reita seufzte und starrte an die Decke. Den richtigen Kai finden… In seinen Augen war das unmöglich. Reita musste an sein Gespräch mit Yune denken. Dieser hatte Kai verlassen, nachdem er sich ihm offenbart hatte. Yune müsste Kais wahres Ich kennen. Doch war es genau dasselbe, das auch Reita kannte? Reita setzte sich auf. Eigentlich hatte er bisher nicht wirklich nach Kai gesucht. Er hatte sich damit zufrieden gegeben, was er besaß, Kais Körper, aber nicht seine Liebe. Doch nach diesem Sex, der so anders war, als bisher, hatte er begonnen über sich und Kai nachzudenken. Und nun? Zu welchem Schluss war er gekommen? Was hatte ihm das alles gebracht? Kai hasste ihn, er hatte ihn aus der Wohnung geschmissen. Mehr nicht… Reita fasste einen Entschluss. Er legte sich wieder zurück und fixierte die Decke, doch seine Gedanken begannen bereits nach der ersten Erinnerung zu suchen. Er suchte nach der Erinnerung an den Augenblick, in dem er Kai zum ersten Mal gesehen hatte. Er wollte sich an alles erinnern, an jede Bewegung, jeden Gesichtausdruck von Kai, wollte noch einmal die Worte hören, die er Reita nach dem ersten Sex gesagt hatte, wollte unter all seinen Erinnerungen den ‚wahren’ Kai finden. Und Reita würde nicht aufhören, bis er ihn gefunden hatte. Und morgen… Morgen würde er Kai gegenübertreten. Dem wirklichen Kai.. „Alles okay bei dir, Reita?“ Reita nickte. Diese ganze Situation gefiel ihm nicht. Die anderen waren mit einem Mal so erstaunlich besorgt um ihn. Gestern Abend war er zu Ruki gegangen, der ihn freundschaftlich aufgenommen hatte. Und nun war er hier, im Proberaum und wurde von anderen beinahe zu fürsorglich behandelt. Ruki saß ziemlich dicht bei ihm und auch Aoi und Uruha saßen neben ihm auf der Couch. Irgendetwas war passiert, von dem Reita nichts mitbekommen hatte. Und das gefiel ihm nicht. Plötzlich wurde die Tür geöffnet und Kai betrat den Bandraum. Reita hatte mit einem Kai-typischen freundlichen Sonnenschein-Lächeln gerechnet, doch sein Gesicht war kalt. Anscheinend hatte Reita wirklich etwas verpasst. Wieso war Kai so…anders? Der Drummer schloss die Tür hinter sich und stellte sich wie ein Angeklagter vor die Couch. „Wen von euch hat der Arsch den angerufen?“, fragte er seltsam ruhig. „Wenn du Yune meinst, dann hat er mich angerufen.“, erklärte Aoi nur. „Und ich daraufhin Uruha und dieser hat Ruki angerufen. Wir wissen über dich Bescheid, Kai. Du hast uns alle nur ausgenutzt, uns verarscht, so wie du Yune verarscht hast.“ Reita starrte Aoi geschockt an. Yune hatte WAS getan? Der Typ war doch eindeutig idiotischer, als Reita ihn eingeschätzt hatte. Am liebsten wäre Reita zu ihm gefahren und hätte ihm die Nase gebrochen. Wie konnte er es nur wagen sich in Dinge einzumischen, die er nicht verstand? Die Band könnte daran zerbrechen. „Wir haben beschlossen dich aus der Band zu werfen.“, erklärte Uruha weiter. „Ich kann und werde nicht zulassen, dass du uns weiter verarschst und Reita weiterhin verletzt.“ „Damit habe ich gerechnet. Ich bin nur hier um meine Sachen abzuholen.“ Was? Reita wollte aufspringen, zu Kai eilen, ihn vor den anderen beschützen, doch er konnte es nicht. Uruha hielt seinen Arm umklammert. Es tat beinahe weh und Ruki saß auf der anderen Seite, hielt Reitas Arm fest, sodass er nicht aufstehen konnte. Verwirrt und vor allem auch geschockt sah Reita immer wieder zwischen den beiden hin und her. Wollten sie Kai wirklich gehen lassen? Das konnten sie doch nicht tun. Dachten sie nicht einen Augenblick an die Band? Dachten sie auch nur einen ganz kleinen Augenblick an ihn? „Kai.“, schrie Reita plötzlich, doch Kai beachtete ihn nicht. Stumm packte er seine Sachen zusammen. „Kai, verdammt! Sieh mich an! Hör mir zu, bitte!“ Reita versuchte sich aus Uruhas und Rukis Griff zu befreien, doch sie waren stärker. Reita lehnte sich etwas vor, während er zusehen musste, wie Kai kurz davor war den Raum zu verlassen. „Kai, wehe du verlässt diesen Raum! Du gehörst zur Band! Ich will nicht, dass du gehst, hast du gehört? Wage es ja nicht durch diese verdammte Tür zu gehen! Ich liebe dich, Kai!“ Kai blieb tatsächlich stehen und wandte sich zu Reita um. Erwartungsvoll starrte Reita Kai an. Doch was erwartete er sich? Er konnte die anderen nicht dazu zwingen, dass er hier blieb. Eigentlich konnte Kai gar nichts tun. Was wollte Reita also hören? Kai begann zu lächeln. Es war jenes Lächeln, dass Reita schon gewohnt war … kalt…herzlos. „Ich liebe dich, Kai.“, wiederholte er nur. Denn das tat er. Er liebte Kai und würde ihn nicht aufgeben. Nie… „Ich weiß.“ Und damit verschwand Kai aus dem Brandraum, aus Reitas Leben… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)