Hintergrundrauschen von Memphis ================================================================================ Kapitel 6: Primakoff-Effekt --------------------------- Das ich Pascal am Freitagvormittag doch sah, war mehr ein Zufall. Wir mussten von der Vierten auf die Fünfte den Unterrichtsraum wechseln, da man Chemie ja wohl schlecht in einem normalen Klassenzimmer unterrichten konnte. Der Chemiesaal lag auf dem gleichen Flur, wie der Oberstufenraum, in dem aber immer nur die Leute rumhingen, die in dem Jahr Abitur machten. Ich konnte mir vorstellen, dass es dieses Jahr dort recht eng zuging, da ja immerhin zwei Jahrgänge reinpassen mussten zum Rumlungern. Da das Wetter weiter vorhatte uns anzupissen, hatten Vic und ich beschlossen, die kleine Pause einfach vor dem Saal zu verbringen. Miguel wollte noch von Andrea die Hausaufgaben abschreiben, da unser Chemielehrer immer ordentlich Terz schob, wenn man die nicht hatte und saß deswegen etwas abseits von uns an der Treppe und schrieb fleißig. Raphael war gerade bei einem Mädchen aus der Zehnten, die er wegen Doro und Julia wohl etwas vernachlässigt hatte. Victor und ich schwiegen uns beharrlich an. Ich starrte auf die sehr interessant aussehende gegenüberliegende Wand, die sicher schon mal bessere Zeiten gesehen hatte und fragte mich, warum da eigentlich kein hässlicher Schaukasten stand oder miese, selbergemachte Poster von armen, gequälten Schülern hingen. Schlimm fand ich es nicht, aber irgendwie war es sonderbar. „Donnie!“ Ich legte den Kopf etwas schief, wie kam eigentlich der Schuhabdruck so ganz nach oben an die Wand? „Hey, du da, ich red mit dir!“ Etwas verdutzt bemerkte ich Pascal, der jetzt direkt vor mir stand und mit seiner Hand vor meinem Gesicht rumwedelte. Klar, er nannte mich ja Donnie. Ich grinste ihn an, was er zum Anlass nahm, mich zu umarmen. Irgh, tat er das jetzt immer? „Hey, lass ihn!“ Victor hatte einfach Pascal an der Schulter gepackt und weggezogen. Beide schauten sich gerade etwas abschätzend an. Pascal grinste schließlich fröhlich. „Ich hab Donnie nur begrüßt, der überlebt das schon.“ „Er heißt nicht Donnie, warum nennst du ihn überhaupt so?! Ich mein, denkst du, du kannst ihn verarschen, bloß, weil er nicht spricht, oder was?“, grimmig hatte Victor die Arme verschränkt und sich vor mich gestellt. Er führte sich auf wie mein Bodyguard. Vic schien manchmal das Bedürfnis zu haben, mich zu beschützen, bloß weil ich nicht mehr sprechen konnte. „Donnie passt zu ihm.“, meinte Pascal schulterzuckend. „Tut es nicht. Lass ihn in Ruhe, was willst du überhaupt von ihm?“ „Wir sind befreundet.“ „Das wüsste ich doch wohl... lass ihn einfach in Ruhe.“ Okay, das ging mir zu weit. Mich beschützen wollen, schön und gut. Aber er sollte sich wirklich nicht in Dinge einmischen, von denen er nichts wusste. Ich kramte nach meinem Block und dem Stift und schrieb schnell ´Er ist ein Freund von mir und er darf mich Donnie nennen´ drauf und hielt es Victor einfach vor die Nase. Mit Stirnrunzeln las er den Zettel, ich hoffte, er konnte alles entziffern. Konnte er wohl, er drehte sich zu mir um und schaute mich entrüstet an. „Das ist nicht dein Ernst?!“ Ich nickte ihn grimmig an. Natürlich war es mein Ernst. Ich konnte auch ohne Victors Hilfe neue Kontakte schließen, ich brauchte ihn sicher nicht als ständigen Dolmetscher, darin war er eh nie sonderlich gut gewesen. „Du, Donnie, ich muss los. N Kumpel wartet schon auf mich. Wir sehen uns ja dann später noch.“ Pascal winkte mir noch kurz zu und ging einfach. War aber vielleicht auch besser so. Victor starrte mich immer noch sauer an. Ich kritzelte auf das schon beschriebene Blatt ein ´Wir klären das später im ICQ, ok´ und hielt es ihm hin. „Klar und dann kommst du nicht online, das war am Dienstag auch schon so.“ Ich tippte noch mal auf das Geschriebene, was soviel hieß, dass ich sicher da wäre und das ich jetzt bestimmt nicht mit ihm weiter streiten würde. „Wie kommt er dazu, dich Donnie zu nennen?“ Nochmals zeigte ich auf das Geschriebene, ich hatte keine Lust ihm das alles mit der Hand auf schreiben zu müssen. „Ich will es aber jetzt wissen!“ Mein Gott, wie alt waren wir, fünf? Ich verdrehte meine Augen, blätterte dann aber den beschriebenen Zettel um. ´Das is mein Nick im ICQ, falls du dich erinnerst.´ „Du hast ihm im ICQ?! Wie lang kennt ihr euch denn schon?“ Er benahm sich wie eine übereifrige Mutter, die alles über ihren Sohn wissen wollte. Das ging mir gerade richtig auf den Sack. ´Seit Dienstag.´ Ich hätte gerne noch mehr dazu geschrieben, aber dann müsste ich schneller schreiben und dann konnte man sicher nichts mehr lesen. Ich hasste es, mich auf Zetteln erklären zu müssen. „Und du triffst dich heute schon mit ihm?!“ ´Wo ist dein Problem?! Er ist ein Freund von mir, klar, treff ich mich mit ihm.´ Also bitte, er tat so, als wäre Pascal ein psychopathischer Irrer, der mich zuhause vergewaltigen, dann zerhackstückeln und mein Fleisch anschließend an seine karnivoren Kaninchen verfüttern würde. „Ich mag ihn nicht.“ Noch immer stand Victor mit verschränkten Armen da, sah aber im Moment eher trotzig als wütend aus. Vielleicht war ihm ja klar geworden, dass er sich kindisch benahm. Ich empfand unseren Chemielehrer gerade als wahren Segen, als er die Treppe hochgehechelt kam und uns den Saal aufsperrte. Ich hörte wie die anderen aus meiner Klasse über uns tuschelten. War wohl komisch uns beim Streiten zu beobachten und vor allem dauerte es ungleich länger. Aufschreiben, lesen, Antwort bekommen und wieder schreiben. Ich hasste es wirklich und ich war sauer auf Victor, dass er sich so anstellen musste und überhaupt, ich war sauer auf ihn wegen Vielem. Was dachte er sich eigentlich? So benahm sich doch kein bester Freund. Ein bester Freund sollte sich nicht so aufführen, er sollte sich auch nicht einfach neue Freunde suchen, bloß weil man nicht mehr sprechen konnte und schon gar nicht sollte sich ein bester Freund an meine kleine Schwester ranmachen. Arschloch. Ich würde heute sicher nicht mit ihm im Auto zurückfahren, da war mir der Bus wirklich lieber, selbst wenn es fast doppelt solang brauchte und mich die Leute im Bus nervten. Ich beobachte die Griessuppe, wie sie von meinem Löffel in meinen noch vollen Teller tropfte. Die Suppe war schon lauwarm und schmeckte dadurch sicher nicht besser. „Hannes, is alles okay mit dir?“ Meine Mutter klang besorgt. Ich schaute auf und dann wieder auf die Suppe, die ich in meinen Teller tropfen ließ. „Er ist heute gar nicht mit Vic zurück gefahren!“, mischte sich Jana ein. Sie klang recht empört über die Tatsache. Dumme Kuh. „Jana, das tut nicht zur Sache.“, fuhr meine Mutter sie an, sie richtet wieder ihren Blick auf mich. „Oder hattest du Streit mit Victor? Du weißt, dass du...“ Ich stand mit einem Ruck auf, mein Stuhl fiel um. Mein Löffel, den ich in den Teller geschmissen hatte, spritzte Suppe auf die weiße Tischdecke. Meine Mutter verstummte und starrte mich etwas pikiert an, ich wusste nicht, ob es wegen meinem Benehmen war oder der verdreckten Tischdecke. Ich drehte ihr den Rücken zu und verließ das Esszimmer. Ich wollte mit niemand aus meiner Familie über meine Probleme reden, es ging sie einfach nichts an. In meinem Zimmer schmiss ich mich auf mein frisch bezogenes Bett und starrte einfach in mein Zimmer. Meine Mutter hatte heute Vormittag wohl aufgeräumt. Die dreckigen Klamotten, die auf meiner Couch lagen waren weg und auch die ganzen Gläser, Tassen und Flaschen, die ich hier meistens rumstehen hatte, waren verschwunden. Vielleicht räumte sie ja in meinem Zimmer nur auf, um zu sehen was ich überhaupt machte. Manchmal fand ich meine Notizen bei meinen Geschichten, die im Allgemeinen um und unter meinem Bett rumflogen, fein säuberlich geordnet wieder auf meinem Schreibtisch. Sehr wahrscheinlich hatte sie die Notizen gelesen. Ich schaute zu meinem Schreibtisch, das Gebärdensprachebuch lag neben den beschriebenen Blättern, Kante an Kante zu meinem Schreibtisch. Ich wollte gar nicht wissen, was sie sich dabei gedacht hatte, als sie das Buch gesehen hat. Hoffentlich war sie nicht auf die dumme Idee gekommen, dass ich diesen Scheiß lernen wollte. Mein Blick blieb an dem schwarzen Monitorschirm hängen. Ich hatte ja gesagt, ich würde mit Victor schreiben, ich hatte aber ehrlich gesagt keine Lust. Trotzdem stand ich auf und ging zum PC, vielleicht kam Pascal noch online, damit ich ihm absagen konnte. Ich hatte wirklich keinen Bock heute noch mit anderen Leuten zu tun zu haben. Deswegen ging ich auf ´invisible´ in Trillian. Ich hatte es so eingerichtet, dass mich niemand online sah, wenn ich ´invisible´ war. Die Leute, mit denen ich reden wollte, konnte ich ja dann anschreiben, wenn sie on waren. Die Liste zeigte mir heute ziemlich viele Leute online, vermutlich mussten alle noch ausmachen, was sie zusammen am Abend tun würden. Pascal war nicht on, war ja klar. Ich überflog die Liste kurz und musste schlucken. ´DarkDestroyer´ war online, das war Victors alberner Nick, für den ich ihn früher oft verarscht hatte, heute würde ich das sicher nicht tun. Generell werde ich mit Victor heute sicher nicht schreiben. Ich starrte weiter auf den Nick, blinzelte ein paar Mal zwischen durch. Ich würde ihn nicht anschreiben. Ich minimierte Trillian und öffnete meinen Internetbrowser. Vielleicht gab es ja Reviews auf den Schrott, den ich gestern Nacht geschrieben hatte und ich sollte noch ein paar Freunden zurück schreiben, die warteten schon seit Tagen auf eine E-mail von mir. Irgendwo auf meinem PC flog auch noch eine Story von ´June´ rum, die auf einen Beta wartete. Schon ein paar Wochen. Heute war doch der perfekte Tag dafür. Für was auch sonst, der Tag war scheiße. Ich öffnete etwas wahllos ein paar Ordner, da ich nicht mehr genau wusste, wo ich den Beta-Text gespeichert hatte und fand ihn schließlich dort, wo er bestimmt nicht hingehörte. Er war in meinem Musikordner unter den Buchstaben F gelandet. Weiß der Geier, warum ich den dahin gespeichert hatte. Ich machte einen Doppelklick auf das Dokument und wartete, bis sich OpenOffice bequemte es endlich zu öffnen. Währenddessen klickte ich mich etwas desinteressiert auf der Seite herum, bei der ich meine Geschichten immer online stellte. Ein Blinken in der Startleiste würde mir schon sagen, wenn das Programm es endlich geschafft hatte, sich zu öffnen. Mein PC war aber auch manchmal langsam. Wenn ich Geld hätte, wofür ich arbeiten müsste, was ich nicht wollte, würde ich mir als erstes einen neuen Computer zu legen. Aber so musste ich eben noch mit dem Teil leben. Ah, das ersehnte Blinken. Ich klickte drauf und war dann etwas irritiert, als ich feststellte, dass es sich nicht um den Text handelte, sondern um Victor... einen wütenden Victor. [17:49] DarkDestroyer: Ich dachte du wolltest on kommen... [17:49] DarkDestroyer: ist so typisch, dass du nich on bist [17:49] DarkDestroyer: warum bist du eigentlich nich mit mir zurückgefahren? ich fand das echt scheiße von dir... du hättest wenigstens was schreiben können [17:49] DarkDestroyer: weißt du, im moment regst du mich einfach auf. [17:50] DarkDestroyer: du bist echt ein arschloch! Ich schluckte den Kloß runter, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Ich hatte mich eigentlich noch nie mit Vic gestritten und jetzt sowas zu hören, tat wirklich weh. Meine Hände hatte ich von der Tastatur genommen, wo sie nur zitternd gelegen hatten. Fuck. [17:51] DarkDestroyer: ich find es auch total bescheuert das du einfach nich mehr redest. [17:51] DarkDestroyer: ich versteh es echt nich, du könntest doch sprechen [17:51] DarkDestroyer: du hast doch gar keinen bock es wieder zu können, oder? [17:52] DarkDestroyer: wahrscheinlich findest du es einfach geil, weil du dann immer im Mittelpunkt stehst. [17:52] DarkDestroyer: die ganzen mädels finden es ja sooo geheimnisvoll dass du nich sprichst und voll dramatisch, dass du nich mehr weißt warum [17:52] DarkDestroyer: weißt du was ich denke, dass is doch alles nur show von dir. Ich spürte wie Tränen auf meine Hände tropften. Fahrig wischte ich sie weg. Fuck. Ein Schluchzer kroch mir den Hals hoch. So eine verdammte Scheiße. Ich konnte sehen, dass er dabei war, wieder etwas zu tippen. Aber mehr konnte ich wirklich nicht ertragen. Hastig schloss ich Trillian und flüchtete mich in mein Bett. Fuck, mein bester Freund hasste mich! Ich fühlte mich paralysiert, desillusioniert, einfach beschissen. Ich wusste zwar, dass in unserer Freundschaft seit ich stumm war, einiges nicht mehr so lief. Aber ich hatte keine Ahnung, dass er wirklich so über mich dachte. Und irgendwo war die Angst, dass er Recht hatte. Vielleicht sprach ich ja wirklich nicht mehr, weil ich etwas Besonderes sein wollte und es brauchte im Mittelpunkt zu stehen. Aber kaum hatte ich diesen Gedanke fertig gedacht, fiel mir auf wie absurd er war. Ich würde viel darum geben, wieder sprechen zu können und ich hatte ja nicht mehr Kontakte und Aufmerksamkeit dadurch, eigentlich sogar viel weniger. Fiel das etwa nicht auf? Bekam er Dinge mit, die ich nicht bemerkte? Und verdammt, ich wusste nicht, dass es so wehtun würde Vic zu verlieren. Ich hätte erwartet, dass unsere Freundschaft heimlich, still und leise in die Brüche gehen würde und man würde sich dann nach ein paar Jahre wundern, wo eigentlich der andere war, aber keinen Verlust spüren. Aber doch nicht durch einen Streit. Es tat weh, als hätte er mich verraten. Kurz fragte ich mich, ob es sich auch so angefühlt hatte, als sich Simone von mir trennte. Aber ich wusste es nicht. Wie viele Menschen sollte mich dieses dumme, mir unbekannte Erlebnis eigentlich noch kosten? Ich fand es einfach beschissen. Was war mit mir los? Warum schaffte ich es einfach nicht, wieder zu sprechen? War ich wirklich so gestört? Ich hätte mich sicher noch mehr in mein Selbstmitleid gebadet, wenn ich nicht auf einmal etwas auf dem Flur gehört hätte, Jana. „...nfach die Tür rechts.“, hörte ich ihre Stimme. „Danke.“ Fuck, das war definitiv Pascal. Ihn hatte ich völlig vergessen. Scheiße, ich wollte nicht, dass er mich so sah. Wie erbärmlich war das denn? Ich wischte mir hastig über das Gesicht, was nicht wirklich half, weil ich immer noch heulte. Ich atmete ein paar Mal tief durch, wenn er mir nur noch einen Moment gab... Was er natürlich nicht tat. Mit einem breiten Strahlen im Gesicht riss er die Türe auf, Jana war zum Glück schon in ihrem Zimmer, vor Pascal weinend da sitzen reichte schon völlig. Das Grinsen wich sofort aus seinem Gesicht, als er mich sah. Was musste er mich so entsetzt ansehen, noch nie einen heulenden Kerl gesehen? Ich wischte mir wieder über die Augen. Konnten die dummen Tränen denn nicht endlich aufhören? Es war so unendlich erniedrigend. Ich wäre am liebsten auf der Stelle gestorben. „Ich... du... Donnie... “ Es schien Pascal wirklich aus der Fassung zu bringen, mich so aufgelöst vorzufinden, sonst würde er nicht so stammeln. Wenn ich sprechen könnte, hätte ich ihn angeschrieen und rausgeschmissen, da war ich mir sicher. Aber so ließ ich jetzt eine Umarmung seinerseits über mich ergehen. Er hatte sich neben mich gesetzt und drückte mich nun fest an sich, fuhr mir dabei über den Rücken. Er murmelte irgendwelche beruhigende Sachen, die vermutlich nicht viel Sinn machten. Aber ich hörte nicht darauf was er sagte, der sanfte Tonfall tat gut und die Umarmung war wie Wasser für einen Verdurstenden. Als ich spürte, dass die Schluchzer endlich nachließen, drückte ich ihn dann allerdings etwas von mir, was er sofort verstand und Abstand nahm. Ich fuhr kurz durch meine Haare und atmete mehrmals tief durch. Okay, jetzt würde ich nicht mehr heulen, zum Glück. Ich schaute zu Pascal, der sich gerade suchend in meinem Zimmer umsah. „Du hast ja gar keinen Fernseher hier.“, stellte er enttäuscht fest. Keine Fragen, kein lästiges Nachbohren... ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Interessierte es ihn einfach nicht? Oder hatte er wirklich soviel Feingefühl, nicht nachzufragen? Möglicherweise wusste er auch einfach, dass er keine Antwort bekommen wurde, auch nicht schriftlich. Ich zeigte etwas zittrig auf meinen PC, der mir einen Fernseher sehr gut ersetzte. „Ah, verstehe... sieht dir ähnlich. Gut, dann legst aber du die DVD ein. Ich muss ja zugeben, dass ich und Technik ein sehr schlechtes Verhältnis zueinander haben. Ich hab es sogar schon mal geschafft eine CD im Laufwerk explodieren zu lassen...“ Während er redete, kramt er in seinem Rucksack, der mir vorhin nicht aufgefallen war. Vermutlich war mein Blick viel zu verschwommen gewesen von den Tränen. So ein Scheiß. Mir wurde leicht übel, bei dem Gedanken, dass ich gerade vor Pascal geheult hatte. Gleich beim ersten Besuch. Der dachte doch jetzt bestimmt, ich bin nervlich voll kaputt. „Was hälste von dem Film?“ Er hielt mir eine gebrannte DVD unter die Nase, auf der fast unleserlich ´Kung Fu Hustle´ stand. Also wenn das Pascals Schrift war, hatte ich Mitleid mit seinen Lehrern. Sauklaue wäre noch eine schmeichelhafte Bezeichnung. Selbst ich schrieb im Vergleich dazu richtig hübsch und leserlich. Von dem Film hatte ich mal gehört, aber nie gesehen. Deswegen zuckte ich nur mit den Schultern. „Kennste ihn denn schon?“, fragte Pascal weiter. Er schien ja sehr erpicht auf den Film zu sein. Ich schüttelte den Kopf. Er grinste. „Dann isses jetzt genau das Richtige.“ Mir wurde die Scheibe in die Hand gedrückt und ich sah mich genötigt, den Film einzulegen. Meine Bewegungen waren noch ziemlich fahrig und ich drückte dreimal daneben, bis ich den Knopf zum Öffnen meines Laufwerks traf. Schließlich schaffte ich es auch noch den Film zum Laufen zu bringen, ich regelte noch schnell die Lautstärke und setzte mich dann wieder zu Pascal aufs Bett, von dem aus man den bequemsten Blick auf den Monitor hatte. Pascal hatte sich mit dem Rücken an die Wand gelehnt und zog mich nun einfach an sich, so dass mein Kopf an seiner Schulter lag. Er sagte nichts dazu, sondern schaute einfach den Film. Meinen fragenden Blick ignorierte er. Ich wusste, dass ich hätte wegrutschen können, aber im Moment tat es einfach gut, etwas wie Zuneigung zu bekommen. Es beruhigte meine noch leicht flattrigen Nerven. Auch wenn ich mir etwas schwul vorkam. Aber es kriegte ja niemand mit außer Pascal. Ich rukelte noch etwas hin und her, bis ich bequem saß und richtete meine Konzentration nun wieder auf den Film. Schlecht war er nicht, irgendwie sogar sehr lustig, auch wenn er nicht gerade viel Niveau besaß. Aber er schlug trotzdem jeden Teenie-Film oder Chicflip um Längen. Ab und an konnte mich der Film sogar zu einem Grinsen hinreißen. Und ich war froh, dass ich an dem Abend nicht alleine mit mir selbst sein musste. Das wäre nämlich in einem Desaster ausgeartet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)