Bloodmoon von Jelly_Bell ================================================================================ Kapitel 2: Böses Erwachen? -------------------------- Böses Erwachen? Murrend öffnete ich die Augen, als ich spürte wie mich neckend die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen im Gesicht kitzelten. Es war alles so schrecklich hell hier. Dagegen erschien mir plötzlich die Finsternis der vergangenen Nacht beinahe schon angenehm. Schützend hielt ich meinen Handrücken vor die Augen und sah mich langsam um. Ich lag in einer alten Scheune, auf Unmengen von Stroh gebettet und trug noch immer Ethans warmen Mantel. Also war das alles letzte Nacht doch kein Traum gewesen? Mein Blick glitt an mir hinab, bis zu meinem Fuß, an welchem sich ein sorgfältig angelegter Verband befand. War das etwa auch er gewesen? Natürlich. Wer sonst sollte mich verarztet haben? Ich sah mich weiter um, doch von dem Rothaarigen fehlte jede Spur. Außer riesigen Strohballen und den alten robusten Holzbalken des Scheunendaches war nichts zu erkennen. Wo steckte er bloß? Ob ich einfach nach ihm rufen sollte? Keine gute Idee. Was wenn unsere Verfolger in der Nähe waren? Dann würde ich sie auf direktem Weg zu uns locken und die ganzen Bemühungen von ihm wären umsonst gewesen. Früher oder später würde er schon wieder auftauchen. Ethan würde mich ja unmöglich hier einfach so liegen lassen können. Hoffte ich zumindest. Die Schmerzen in meinem Knöchel wurden zwar durch den gut angelegten Verband etwas gelindert, aber ich war trotz allem nicht in der Lage selbstständig aufzustehen und zu laufen. Mir blieb also nichts weiter übrig als hier zu warten bis mein fremder Begleiter endlich auftauchen würde, die Frage war nur wann das passierte. Als sich meine Augen endlich an das helle Licht gewöhnt hatten, spähte ich durch das offene Scheunenfenster. Wie spät es wohl war? Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und strahlte mit aller Kraft. Sicher würde sie in einigen Stunden bereits wieder in Richtung Horizont wandern um wieder unterzugehen. Ein Seufzen entwich meiner Kehle. “Schon wach Dornröschen?”, scherzte die Engelsstimme des Rothaarigen, der sich ganz in meiner Nähe befinden musste. Erschrocken fuhr ich herum und versuchte ausfindig zu machen aus welcher Richtung die bekannte Stimme kam. Doch Ethan war nirgends zu sehen. “Ha Ha! Wirklich sehr witzig!”, knurrte ich leicht. “Zeig dich lieber du Scherzkeks!” - “Was bekäme ich denn dafür?” - “Was du dafür bekommst? Wie darf ich das denn verstehen? Erst rettest du ohne mich vorher zu fragen mein Leben, trägst mich die halbe Nacht lang durch den Wald, entledigst mich gegen meinen Willen meiner Kleider, verarztest meinen Fuß, als wäre es eine Selbstverständlichkeit und verlangst dann dafür, dich mir einmal bei Tageslicht zu zeigen eine Gegenleistung? Bitte sag dass das ein schlechter Witz sein soll?” Nach einigen Sekunden des Schweigens durchbrach sein glockenhelles, schallendes Lachen, das von keinem Engelschor hätte übertroffen werden können, die Stille. Aber der Moment seiner Ausgelassenheit währte viel zu kurz. “Du bist wirklich ein außergewöhnlicher Mensch Alice.”, stellte er mit ernsterem Ton fest. “Aber hab bitte noch etwas Geduld mit mir, ich werde mich dir im Tageslicht zeigen, nur noch nicht heute. Also wirst du bis zur Dämmerung warten müssen.” - “Hast du etwa Angst vor einem Sonnenbrand? Du bist zwar um einiges blasser als ich, was eigentlich schon an Zauberei grenzt, aber so schnell wirst du dir deinen schönen Teint schon nicht ruinieren.” - “Wenn es nur das wäre.”, seufzte er gespielt, doch in seiner Stimme konnte ich deutlich den Wehmut hören. Als sich der Tag dem Ende zuneigte und die Sonne immer tiefer am Himmel sank, bis sie schließlich nur noch ein schmaler rötlicher Schimmer am Horizont war, kam der Grünäugige endlich aus seinem Versteck hervor. Erneut verschlug es mir den Atem beim Anblick seiner überwältigenden Schönheit. Ich wusste nicht wie viel mein Gesicht preisgab, aber aus irgend einem, mir unbekannten Grund zauberte er wieder einmal dieses himmlische Lächeln auf seine Lippen und ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Ich konnte nichts dagegen tun, gegen diese brodelnde Hitze, die sich unter meiner Haut ausbreitete. Er sah so unglaublich jung aus, aber sein elegantes Auftreten, sein überragender Charme und seine reifen Gesten zeugten von Jahrzehnte-, wenn nicht sogar Jahrhunderte langer Lebenserfahrung. Aber was spann ich mir da eigentlich gerade für einen Unsinn zusammen? Seinem Äußeren zu Folge konnte der Rothaarige höchstens Anfang 20 sein. Schon wieder dieses Schmunzeln. Was fand er denn nur so schrecklich amüsant? Es schien fast so, als wäre er bestens darüber informiert, was in meinem Kopf vor sich ging. “Verrätst du mir wieso du dich vor dem Sonnenlicht versteckst? Fast so wie ein Vampir?” - “Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft an solche alten Schauermärchen? Wie alt bist du Alice? Vier?”, spottete er. Doch seine angespannte Miene, die mir noch von letzter Nacht nur all zu bekannt war, verriet ihn. Entweder hatte ich nun völlig den Verstand verloren, oder Ethan war wirklich ein blutsaugendes Monster. Aber hätte er dann letzte Nacht nicht wie eine wilde, blutrünstige Bestie über mich herfallen müssen? Immerhin war ich von Kopf bis Fuß mit Blut überströmt gewesen. Nur, wenn ich Unrecht hatte und mich tatsächlich irrte, wie sollte ich mir dann all die unbegreiflichen Dinge erklären? Ich musste mir endlich Klarheit verschaffen! “Sind die Typen die hinter mir her sind auch Vampire?”, bohrte ich weiter. “Jetzt hör endlich auf mit diesem Unsinn! Schaust du zu viele Horrorfilme?” - “Nein, aber ich-“ - “Alice! Hör mir zu.. Du verrennst dich da in ein Hirngespinst!” So sehr er auch versuchte es zu unterdrücken, konnte ich trotz allem mehr als deutlich hören, wie der gereizte Unterton in seiner Stimme die Oberhand gewann. Wenn der Rothaarige wirklich ein Blutsauger war, begab ich mich dann nicht mit jedem weiteren Wort in noch größere Gefahr? Doch was hatte ich denn überhaupt noch zu verlieren? Wenn er mich jetzt nicht umbrachte, würden diese Gestallten von vergangener Nacht es tun. So gesehen war mein Tod ohnehin schon beschlossene Sache. Noch bevor ich diesen Gedanken beenden konnte, hatte sich etwas grundlegend verändert. Ethan versuchte jetzt nicht einmal mehr sich zu beherrschen. Der blanke, unverhohlene Zorn stand ihm ins Gesicht geschrieben. Was sollte dieser plötzliche Emotionswechsel? Ich hatte doch noch gar nichts weiteres gesagt, was ihn noch mehr hätte reizen können. “Was hast du Ethan?” - “Nichts!” - “Verkauf mich doch nicht für blöd. Wenn ich so falsch liege mit meiner Theorie, kannst du mir doch einfach sagen was es statt dessen ist!” - “Nein! Das kann ich eben nicht tun!” - “Warum?!”- “Darum.. Verdammt nochmal!” Er wurde von Sekunde zu Sekunde unbeherrschter. “Dann kann ich ja auch genau so gut gehen..” - “Einen Teufel wirst du tun!”, zischte er wutentbrannt. Doch selbst jetzt konnte ich einfach keine Angst vor ihm haben. Dieser Mann hatte mir das Leben gerettet. Warum sollte er es mir also jetzt einfach wieder nehmen? “Bitte verzeih meinen schroffen Ton. Ich hatte mich für einen Moment nicht unter Kontrolle. Bitte bleib hier! Dort draußen bist du nicht sicher. Außerdem würdest du mit deiner Verletzung nicht weit kommen. Und erst Recht nicht fliehen können, wenn diese Verbrecher wieder auftauchen sollten.”, meinte er beschwichtigend. Was sollte dieses ganze Theater eigentlich? Erst war er völlig grundlos wütend auf mich und jetzt wollte er mich wieder um jeden Preis hier behalten. Das ergab doch alles keinen Sinn! “Und was gedenkst du als Nächstes zu tun? Wohin sollen wir vor diesen Typen fliehen? Wir wissen ja noch nicht einmal wieso sie mich umbringen wollen! Und ich selbst habe keine Ahnung wer oder was du eigentlich bist und ob ich dir wirklich vertrauen kann.” Das hatte gesessen. Der Mimik des Rothaarigen war abzulesen, dass meine Worte ins Schwarze getroffen hatten. Aber warum um alles in der Welt machte er sich so viel daraus? Im Grunde konnte es ihm doch egal sein wie ich über ihn dachte, oder ob ich ihm mein Vertrauen schenkte. Wo war ich da nur hineingeraten? Allein mit einem potentiellen Vampir, zwei Killern, die uns dicht auf den Fersen waren und ohne jegliche Erinnerung an die letzten Tage und Wochen. Von Stunde zu Stunde warfen sich immer neue Fragen auf. Und so wie es aussah, konnte ich noch lange auf die ersehnten Antworten warten. Da ich fast den ganzen Tag mit schlafen zugebracht hatte, wollte ich die heutige Nacht dazu nutzen Ethan mehr Informationen zu entlocken. Allerdings war ich nicht auf seine geschickte Gegenoffensive vorbereitet gewesen. Er begann, ein mir völlig unbekanntes Lied, leise vor sich hin zu singen. In einer mir fremden Sprache. “Hör auf abzulenken! Du wirst mir jetzt Rede und Antwort gestehen. Ethan, du weisst doch viel mehr, als du mir gegenüber zugibst! Verrat es mir doch endlich. Bitte! Ich habe ein Recht darauf es zu erfahren. Immerhin geht es hier um mich!” Meine Entschlossenheit schwang allmählich in pure Verzweiflung um. Wo sollte das denn nur alles hinführen? Wieder einmal, viel zu schnell für meine Augen, lag er neben mir im goldenen Stroh. Nah genug um mir weiterhin diese traumhafte Melodie ins Ohr zu singen und doch offensichtlich darauf bedacht mir nicht zu nahe zu kommen. Er sang so leise, dass es kaum hörbar zu sein schien und doch drang seine klare, helle Engelsstimme ganz deutlich zu mir durch. Was war das bloß für ein Mann , der so urplötzlich und auf so geheimnissvolle Art und Weise in mein Leben getreten war? Und mit was für einem fremden, wunderschönen Lied, wog mich eben genannter da gerade in den unfreiwilligen Schlaf? Noch mehr ungeklärte Fragen, noch mehr schreckliche Ungewissheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)