Sieh mich! von Artemensia ================================================================================ Kapitel 1: One-Shot ------------------- Der Wecker klingelt und ich muss raus. Jeden Morgen das Selbe: Duschen, anziehen, Sachen packen. Ich kontrolliere jeden Morgen, ob ich auch tatsächlich alle Hausaufgaben gemacht habe, natürlich habe ich sie gemacht. Ich gehe in die Schule, erste Stunde: Englisch! Das ist leicht! Ich schreib mit und melde mich, genauso wie in den folgenden Fächern. In den Pausen rede ich mit meinen Freunden, zumindest mit denen, die nicht von mir Hausaufgaben abschreiben. Manchmal könnte ich schreien! Wir reden nur über belangloses Zeug: Mädchen, Klamotten, Stars, Autos, Mafia, Nachrichten… aber Keiner interessiert sich für mich.. Ich rede nur mit und es interessiert mich nicht. Die Lehrerin kommt, Deutsch, wie einfach! Meine Muttersprache, also kein Problem! In der Mittagspause kommen noch mehr um meine Hausaufgaben abzuschreiben. Ich mach Hausaufgaben für die Fächer, die wir schon hatten, so gibt es mehr zur Auswahl für die Anderen und ich muss mich nicht mit deren Plänkeleien beschäftigen. Wow, sogar die Senpai-Truppe ist heute zum Essen hier. Alle nennen sie so, auch die, die in höheren Klassen sind. Sie sind klug, gebildet, treu und beliebt. Jeder mag sie, aber keiner kommt noch in ihre Gruppe! Sie sind neun! Vier Paare, die schon ewig zusammen sind, so scheint ist, und er: Koun Imbula. Er wurde als Schulsprecher gewählt, ohne, dass er kandidiert hat und hat deshalb abgesagt. Schön wäre es, hätte ich auch Freunde, die sich für MICH interessierten, aber so ist es nun mal nicht. Die letzten Stunden sitz ich gewissenhaft ab, bekomm‘ sie aber gar nicht mehr richtig mit. Nach Hause, Essen! Meine Mutter ist weg, wie so oft! Eigentlich ist sie immer zum Mittag weg, um bei meinem Vater zu sein, damit er „richtiges“ Essen bekommt. Nach seiner Mittagspause geht sie, wenn sie nicht gerade arbeitet, zu einer ihrer Freundinnen, Einkaufen oder macht sonst was sinnvolles in der Stadt, bis mein Vater Schluss hat. Sie fahren dann gemeinsam heim und wir essen gemeinsam zu Abend und wir unterhalten uns. Aber jetzt erstmal das Essen von Mama aufwärmen. Ich esse und verzieh mich dann in mein Zimmer. Hausaufgaben, eine Stunde lernen und dann bin ich allein. Ich ertrinke fast in meiner Einsamkeit und das Lernen kann mir keine Ablenkung bieten, auch der Fernseher ist uninteressant für mich und auch ein Buch kann mich nicht reizen. Ich komme wieder zu den philosophischen Fragen des Lebens: Wozu leben? Bin ich überhaupt da oder ist das alles eine Illusion?… So viele Fragen und ich beantworte sie, indem ich weiter an meinem Bild an meinem Unterarm rumritze. Ich spüre den Schmerz und das warme Blut, dass aus meinem Arm fließt und weiß: Ich lebe, ich bin doch hier. Und wieder verstehe ich nicht: Warum sieht mich Keiner? Ich hab schon längst alles weggepackt und weggewischt, mein Arm ist frisch verbunden, als meine Eltern heimkehren. Ich mach den Fernseher an, egal was läuft, die Tür klappt, meine Mutter ruft zur Begrüßung. Ich mach den Fernseher wieder aus, setze meine fröhliche „Sohn“-Maske auf und rufe vergnügt eine Begrüßung zur Antwort. Wir Essen gemeinsam, ich erzähle von der Schule und wir schauen einen Film zusammen, ehe ich ins Bett gehe. Solch ein Tagesablauf wird sich wohl nie ändern, es sei denn, jemand fängt an MICH sehen zu wollen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)