Das Meer gehört mir! von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: El secreto --------------------- Die Tür schwang auf und mir fiel ein fetter, streng riechender Freibeuter rülpsend entgegen. "Oh bitte!" Während ich dies sagte, versuchte ich einigermaßen galant über die Scheinleiche hinüber zu steigen, ließ es mir allerdings aber auch nicht entgehen, den Münzenbeutel hämisch grinsend an mich zu nehmen. Als ich dann das "Goldrausch", ein kleines, verruchtes Bordell, wie es derzeit so viele in Tortuga gab, in der sich lüsterne, einsame Piraten, wie ich einer sein sollte, nach einer langen Seefahrt vergnügten, damit sie nicht vollends schwul wurden, sank augenblicklich der Geräuschpegel und sämtliche Besucher, auch die notgeilsten unter ihnen, schauten auf mich. Diese ganze Szene hätte mich stark an einen schlechten Western erinnert, gäbe es sie schon. Wie ich solche Löcher hasste, und doch war dies ein wichtiger Teil meines Lebens und dessen Betrugs, kurz: Sie waren nötiger als Trinkwasser. Ich lächelte mit einem Mundwinkel so verführerisch wie ich nur konnte und hob kurz den Hut von meinem Haupt, um ihn auch gleich wieder dort niederzulassen. Auf einmal schrie die komplette Konkubinenschaft meinen Namen freudig erregt und stürmte auf mich zu. "Ladies, Ladies, nicht so stürmisch, es ist genug für alle da!" Wusste doch die ganze Stadt von meinen unglaublichen Liebhaberkünsten, und doch... Wüssten sie die Wahrheit, würde ich jetzt schon am Galgen baumeln... Ich ging zum Wirt, nahm mir ein Zimmer und gleichsam die hübscheste der Konkubinen mit, welches ich mit den Münzen des Fettsackes bezahlte. Sie war noch relativ jung und wie sie mir erzählte, neu im Geschäft. Da sie etwas nervös und ungeschickt wirkte, sagte ich ihr, sie brauche sich garantiert keine Sorgen machen, sie und ich, wir würden schon unseren Spaß haben. Nachdem sie mich ca. eine halbe Stunde voll gelabert hatte, und ich sie währenddessen abgefüllt hatte, kam ich ihr ein wenig näher. Jedoch da sie sich immer mehr zukippte, bekam sie auch mehr Mut und wollte mir mehr und mehr an die Wäsche. So zog ich eilig aus einem meinem Hosenbeutel ein paar Kräuter, welche ich ihr einfach in ihren Grog streute. Sie nahm noch einen weiteren Schluck, meinte ich müsse unbedingt davon kosten, da dies heute hervorragend schmecke und war im nächsten Moment schon weg. Ich stimmte ihr noch vollends zu, schüttete den Rest der Brühe weg und verließ das Bordell durchs Fenster. Jeder hier, eingeschlossen, nein besonders sie, würde nun denken ich würde es bis in die frühen Morgenstunden mit ihr treiben. Die Kräuter verursachten nämlich tiefen Schlaf, mit gewissen Wahnvorstellungen, welche ich in all den Jahren geschickt für mich zu nutzen gelernt hatte. Es war schon spät geworden und man sah nur noch ab und zu eine verlorene Seele herumstreichen, doch der Lärm aus den umliegenden Bordellen war kaum zu überhören. Ich zog meinen Hut tiefer ins Gesicht, stellte meinen Kragen auf und machte mich auf die Suche nach einer einfachen Unterkunft am anderen Ende der Stadt. Nachdem ich mir ein Zimmer im verlassenen "Hangin’ Man" genommen hatte und die enge Treppe hinaufging, kam mir im Halbdunkeln eine Gestalt entgegen. Er roch stark nach Rum und Schweiß, doch sollte dies nicht viel heißen, denn so ziemlich jeder hier riecht so. Je näher ich dem Fremden kam, desto langsamer wurde ich, jedoch schien er es mir gleich zu tun. Nun, da dieser Gang verdammt eng war, presste ich mich so weit es ging an die Wand, um den Fremden auch ja nicht zu berühren, doch hatte ich nicht mit der Eigenwilligkeit meines Gegenübers gerechnet. Als ich an ihm vorbeiging, schnellte sein Arm zur Seite und hielt mich somit auf. Mein Puls ging auf die 180. Ich neigte meinen Kopf gegen Erde. Dies war mir eindeutig zu nahe. Er dreht sich zu mir und betrachtete meinen Hut, welcher mein Gesicht verdeckte. "Die Nacht ist noch jung, mein Freund, du willst doch nicht schon so früh in die Kiste und das noch alleine?" Er griff unter den Hut und legte zwei Finger unter mein Kinn und mit einen leichten, fast zärtlichen Druck bewegte er mein Gesicht nach oben, so, dass er mich betrachten konnte. Überraschung spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. Doch nicht allzu lange. Nicht einmal eine Sekunde. Er war ein guter und geübter Mann, das sah ich gleich. "Wie heißt du?" "Kommt drauf an", entgegnete ich ihm. "Freund oder Feind?" "Die Mischung machts." Wir grinsten. Beide. Sein Gesicht trennte das meine nur durch einige Zentimeter und ich konnte seinen heißen Atem auf meinen Gesicht spüren. Zu nah. Eindeutig. Gefährlich. Er schien mein Unbehagen zu bemerken, denn ein leichtes, hämisches Grinsen flog über seine Lippen. "Du bist verdammt hübsch, weißt du dass? Bei dir überlegt man sich’s sogar, schwul zu werden. Sei froh das ich's nicht bin, sonst würd ich dich nämlich auf der Stelle vernaschen!" Während er dies sagte, wandte er sich grinsend von mir ab und schlenderte Richtung Bar, die Treppe hinab. Geschockt blieb ich an der Wand stehen. Wow. Perplex. "Du darfst nicht alles wörtlich nehmen, was der alte Jack von sich gibt." Er drehte sich noch einmal um und blickte mir entgegen. "Ich würde gerne mehr über dich erfahren, du interessierst mich." Sein Name war Jack Sparrow. Ich hatte schon viel von ihm gehört. Die Sache mit der Black Pearl, dem Fluch und Port Royal. Er erzählte mir, dass er von seiner Pearl-Crew abgelassen hatte, die Pearl selbst war im Heimathafen und er hatte sich ein kleineres Schiff erworben, nun brauchte er nur noch ein Crew. Je mehr ich mich mit ihm in ein Gespräch vertiefte und je älter die Nacht wurde, desto mehr betranken wir uns und desto mehr wusste ich, dass ich aufhören musste, denn langsam hatten wir nicht mehr alle Sinne beisammen, doch schien er nichts zu ahnen. Als das Gespräch sich wendete und wir begannen über mich zu sprechen, erzählte mir Jack, dass er schon viel von mir gehört hatte, und dass im Moment viel über mich geredet wurde. "Die Leute sagen, du hättest ein Tächtel-Mächtel mit Anne Bonny gehabt." "Wenn die Leute das sagen...", entgegnete ich. "Und mit Mary Read." "...Dann wird das schon stimmen." "Gleichzeitig!" "Die Leute werden schon nicht lügen..." Er betrachtete mich und zusehends wurde mir unbehaglicher, denn er betrachtete mich meiner Meinung nach zu genau. Er war betrunken, aber nicht dumm. Seine Augen verengte sich zu Schlitzen und er öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, panisch suchte ich nach einem Ausweg, eine Ablenkung oder sonst irgendetwas. Ich nahm meinen Humpen, rammte ihn gegen Jack’s und grölte nur „Auf die Weibsbilder, aye?!“ Und schüttete abwesend den restlichen Inhalt in mich hinein. Den Humpen auf den Tisch knallend verließ ich einen in Gedanken versunkenen Captain für die Nacht. In meinem Zimmer angekommen, stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete mich. Nach einiger Zeit legte ich meinen Hut ab, band das rote Kopftuch los und ließ meine langen, braunen Haare herausfallen. Ich wusch mir das Gesicht und schaute wieder in den Spiegel und zog die Augenbrauen hoch. Ich zog mein Hemd aus und schaute auf die einbandagierten Brüste. Mit Mühe hatte ich am Morgen, wie jeden Tag, versucht meine Brüste, die mich am meisten zu verraten drohten mit Bandagen zu plätten um nicht als Frau entlarvt zu werden. Mir kamen die Worte meiner alten Nanny in Erinnerung. „So eine hübsche, junge Maid! Hach nein, du, mein Mädchen, wirst eine wunderschöne Lady abgeben! So feminin wie du ausschaust!“ Oh, Emma, wenn du nur wüstest.. Ich löste die Bandagen, zog Hose aus und zog mein Nachthemd an und betrachtete mich wieder im Spiegel. Warum war Frauen das Abenteuer so vergönnt, warum mussten wir uns jeden Tag aufs neue tarnen? Und das mich wahrhaftig noch keiner entdeckt hat, ist wahrlich ein Wunder! Ein Gerumpel im Flur ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Jack klopfte im vorübergehen mit einer Flasche an meine Tür. „Nighty night, mate!“ Oh ja, Rum würde mich jetzt auch ganz gut tun.. Ja, Jack... Was war das eigentlich mit Jack? Er ist verdammt schlau, und mich würde es nicht wundern, hätte er es schon im Flur gemerkt. Ach verflucht! Ich war zu schlampig gewesen. Ich musste das nächste mal besser aufpassen! Leicht so etwas zu sagen, in der Beziehung kann es vielleicht kein nächstes mal geben.. Erstmal drüber schlafen... In dieser Nacht plagte mich die Erinnerung an Vergangenes in einem Traum, welchen ich schon so oft zuvor hatte. Es war die Nacht, in der ich von zu Hause weglief. Es war im April und den Tag zuvor hatte es heftigst geregnet. Ich saß da, die Finger mit Tinte bekleckert und schrieb. Es war nicht viel, denn ich hatte keine Lust mehr, mich vor meinen Eltern zu rechtfertigen. Es war nur ein kurzes Lebwohl. Nicht, um mich bei meinen Eltern um Verzeihung zu flehen, nein, nur um mein Gewissen zu reinigen. Es war zwar egoistisch, doch dass, was meine Eltern taten, war unaussprechlich... "Wenn ihr diesen Brief bekommt, bin ich entweder tot oder frei. Ich will nicht länger die ungerechte Gefangenschaft ertragen, zu der Ihr mich verdammt habt. Warum stecktet ihr mich in Kleider, welche mich zu ersticken drohten? Warum ließet Ihr mich gleichzeitig als Kind noch am Spiel der Jungen teilnehmen? Warum ließet Ihr mich erst den süßen Duft der Freiheit riechen, und schicktet mich dann in die Gefangenschaft des Klosters? Warum ließet Ihr mir meinen freien Gedanken, um ihn jetzt, wieder mit der Bibel hinauszuprügeln? Lebt wohl, vergebt mir, wenn Ihr könnt. Eure Euch verachtende Tochter." Ich faltete den Brief zusammen und legte ihn auf meine zerrissene Korsage und dem zersäbelten Kleid und stahl mich, mit dem Erspartem meiner Eltern, hinaus in die Dunkelheit, um mich auf dem Weg in den Stall des Müllers zu machen, um dort das kräftigste Pferd zu stehlen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)