Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 79: Klärung im Krankenhaus ---------------------------------- Die schwarze Katze, die ihm erzählt hatte, dass seine Schwester ihm den Kopf abhacken wolle, sprang auf seinen Rücken, als er ihr diesen zudrehte. Irgendwie schockte ihn das gar nicht. Ihre Krallen waren seltsam angenehm, ebenso wie ihre raue Zunge, die über sein Ohr leckte. Nur störte ihn irgendetwas, obwohl es angenehm war. Vielleicht, wie die Welt vor seinen Augen verschwamm und er langsam des Gefühls eines Kissens an der Seite seines Kopfes gewahr wurde. Katsuya grummelte, wie er es sonst nur von Seto zu hören bekam. Verdammt. Morgen. Schlaf. Traum. Aufwachen. „Lass mich...“, unkoordiniert patschte der Blonde hinter sich, bis er warme Haut zu fassen bekam. Was genau hatte er... Haar, ein Hügel, ein- Ups. Nicht ganz das, wo er hin gezielt hatte. „Oho? Sollte ich dich öfter so wecken?“, erkundigte Seto sich. „Sorry.“, nuschelte Katsuya, einmal wieder Rot auf seinen Wangen. „Nicht doch, wir können das gerne vertiefen.“, seine Ohrmuschel fand zwischen Setos Frontzähnen Platz. „Nei-ein...“, nörgelte der Jüngere und verzog das Gesicht, „Ich muss die Katze fragen, wo Shizuka ist...“ „Bitte?“, dafür wurde sein Ohr wieder freigegeben, „Was hast du jetzt wieder geträumt?“ „Willst du nich' wissen...“, er drehte sich in der Umarmung, in der Seto ihn hielt, drückte ihn zur Seite und legte den Kopf auf seine Schulter, „Wir haben Sonntag, oder? Warum weckst du mich?“ „Weil es bereits zwölf Uhr ist und wir für halb drei verabredet sind.“, Seto küsste ihn auf die Stirn, „Und ich dachte, du möchtest heute vielleicht noch etwas außer Kuchen essen.“ „Zwölf...“, lächelnd warf der Blonde ein Bein über seinen Freund und drückte sich noch weiter an ihn, indem er sich mit der rechten Körperhälfte auf ihn legte, „Das ist viel, viel... viel zu früh.“ „Du legst es darauf an, richtig?“, meinte Seto mit einem leichten Seufzer in der Stimme. „Auf was?“, fragte Katsuya mit Amüsement in der Stimme, da er am Bein ganz genau spürte, was der Brünette meinte. „Okay, es reicht.“, entschied dieser, drehte ihn auf den Rücken und positionierte sich über ihm, bevor er begann Küsse über seinem Hals und Oberkörper zu verstreuen, „Du bist – manchmal ein – fach nur – unwiderstehlich.“ „Hach, mein Held der Romantik...“, spottete Katsuya leise, doch begrüßte Setos Bewegungen trotzdem mit einem leisen Stöhnen. „Ich höre keine Beschwerden.“, meinte dieser nur und küsste sich seinen Weg Katsuyas Arm hinab, „Mach Vorschläge, wenn du etwas anderes willst.“ „Ich melde mich, wenn mir etwas einfällt.“, der Blonde spürte so etwas wie ein Schnurren in seiner Kehle aufkommen, doch schloss einfach nur die Augen, „Oh, ich weiß was! Sag, dass du mich liebst.“ Setos Gesicht tauchte plötzlich wieder in seinem Blickfeld auf, was er durch den Schatten merkte, der sich über seine geschlossenen Augen legte. Er schlug die Lider auf, direkt gefolgt von einem Zucken seiner Mundwinkel. Sein Freund sah stumm auf ihn hinab, eine Augenbraue schwungvoll erhoben. „Na, zu schwer?“, neckte der Untere. „Nicht wirklich. Ich bemerke nur gerade, wie unglaublich kitschig unsere Beziehung wirkt, wenn man ein paar Details weglässt.“ „Details wie Narben und blaue Flecken?“, ein Zucken durchlief Seto kurz und die Lider schlossen sich, während sich sein Gesicht einen kurzen Moment in Schmerz verzog, „Wie sehen eigentlich deine aus?“ Katsuya legte die Hand unter Setos Kinn und drehte sein Gesicht ein Stück zur Seite. Von den blaugrünen Verfärbungen, die er Seto vor einigen Wochen verpasst hatte, war nur noch ein Hauch braun zu sehen. Einem Fremden würde selbst dieser wahrscheinlich nicht auffallen. „Toll, oder?“, der Blonde legte den Kopf etwas schief, „Du bist neunundzwanzig und kannst behaupten, dass du mit jedem Tag schöner aussiehst.“ Seto, der die Lider wieder geschlossen hatte, ließ diese direkt unten, während er antwortete: „Ich frage mich manchmal, ob du dir wirklich selbst zuhörst...“ „Seto?“, Katsuyas Finger schlossen sich um den Becher Kakao, den er sich gemacht hatte, wobei sich die Wärme in seine Haut brannte. „Wie kann ich euch helfen, Monsieur?“, der Ältere ließ seine Zeitung sinken, legte sie aber völlig weg, als er Katsuyas Haltung bemerkte, „Was liegt dir auf dem Herzen?“ „Ich hatte Streit... mit Shizuka.“, gab er leise zu. „Ich weiß.“, erwiderte Seto ruhig, „Sprich weiter.“ „Nun ja, es ging darum... also... ich war so sauer wegen etwas, was sie gesagt hat.“, der Blonde schluckte, doch behielt den Blick auf dem Dampf, der von seinem Becher aufstieg, „Dass sie erwartet hat, dass Ryuji sie besuchen kommt, sobald das Kind geboren ist. Ich glaube, das in etwa waren die Worte.“ „Warum hat dich das sauer gemacht?“, fragte Seto nach, jedoch ohne Wertung in seiner Stimme. „Hm... na ja...“, der Jüngere leckte über seine Lippen und rutschte auf seinem Stuhl herum, „Irgendwie... weiß auch nicht. Ich habe total rot gesehen. Habe ihr vorgeworfen, dass sie wie unsere Mutter ist und dumme Erwartungen in aussichtslose Dinge steckt. Und sie hatte gesagt, dass sie Isamu gar nicht haben will, wenn ihr das nur alle Menschen nimmt, die ihr wichtig sind. Das hat mir weh getan.“ „Hat es dich daran erinnert, wie deine eigene Mutter dich abgelehnt hat?“ Katsuya sah auf und blinzelte, bevor er nach einem Moment des Schweigens fragte: „Beunruhigt dich das gar nicht, dass sie das gesagt hat?“ „Nicht wirklich, nein.“, der Ältere lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, „Ich denke, ich würde in ihrer Situation dasselbe denken. Ihr Freund hat sie verlassen und das letzte bisschen Unterstützung ihrer Mutter ist auch weggefallen. Sie fühlt sich haltlos und allein gelassen – dazu hat sie auch ein gutes Recht, meinst du nicht?“, er ließ eine rhetorische Pause, „Sie hat sich ihr Leben sicher anders vorgestellt. Aber bis sie nicht Isamu die Schuld gibt ihr ihre Familie genommen zu haben oder sich selbst hasst dafür ihr Leben verpfuscht zu haben, mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Mich würde es eher sorgen, wenn sie diese Gedanken nicht äußern würde – dann blieben sie in ihr und würden sie zerfressen.“, auf Setos Lippen legte sich ein sanftes Lächeln, „Alle lebensverändernden Entscheidungen werden von Zweifeln begleitet. Erst, wenn wir diese durchdacht, geäußert und verarbeitet haben, können wir den neuen Abschnitt mit Kraft und Motivation angehen. Ich gebe zu, es war sehr taktlos von deiner Schwester das so zu sagen, aber ich bin sicher, dass sie es nicht so radikal meint, wie sie es ausgedrückt hat.“ Nicht? Katsuya fixierte die blauen Augen, die dem Blick ohne Schwierigkeiten stand hielten. Shizuka hatte das mehr im Affekt gesagt? Weil sie Angst davor hatte, wie es weiter gehen solle und mit sich selbst haderte? „Und wenn doch, ist das auch okay. Für Isamu lässt sich sicher eine liebevolle Pflegefamilie finden, wenn sie sich überfordert fühlt.“ Katsuya schluckte und hatte das Gefühl, als zöge sein Magen sich zusammen. Eine Pflegefamilie. Wenn sie sich nicht um ihn kümmern konnte, kam er in eine Pflegefamilie. „A- a- aber... aber das will ich nicht!“, er sah wieder auf, die Augenbrauen zusammen gezogen und ein Flehen in Stimme und Blick, „Er ist doch mein Neffe. Wenn er in eine Pflegefamilie kommt... dann sehe ich ihn doch nicht wieder... oder?“ „Doch, natürlich.“, Seto lehnte sich vor und stützte sich auf dem Tisch ab, „Die Pflegefamilie würde auch hier in Domino wohnen. Du könntest ihn genauso besuchen, wie wenn er bei Shizuka leben würde.“ „Ehrlich?“, fragte Katsuya etwas kleinlaut. „Ja, ehrlich. Genauso wie Shizuka Besuchsrecht hat. Schließlich ist das Bestreben stets, dass Kinder zu ihren Eltern zurückkehren... außer in manchen Fällen.“, Seto machte eine vage Handbewegung, die Katsuya mal so deutete, dass zum Beispiel er damit gemeint war. „Wer entscheidet das?“ „Der Familienrichter. Ansonsten Psychologen, Sozialarbeiter und natürlich die betreffenden Eltern und Kinder.“ „Das heißt, den Pflegeeltern wird das Kind weggenommen?“, auch nicht unbedingt fair, oder? Andererseits gehörte das Kind eigentlich zu Shizuka. Allerdings... tat es das, wenn sie es nicht aufzog? Kompliziert. Seto nickte nur. Katsuya atmete tief durch, griff nach Setos Hand und drückte sie kurz, bevor er die eigene zur Faust ballte, hob und an die Tür vor sich klopfte. „Herein!“, hörte er die hohe, fröhliche Stimme seiner Schwester. Er schluckte. Er würde sie doch sicher auch nur wieder aufregen, nicht? Hatte sie nicht ein wenig Ruhe verdient? Sie war so fröhlich... wer war er ihr das zu nehmen? Was, wenn sie ihn eigentlich lieber nicht sehen wollte? Sie hatte gar keine Entscheidung. Konnte nicht weg... „Wer ist denn da?“, kam es etwas lauter. „Oh.“, er griff nach der Klinke und lächelte entschuldigend zu Seto, „Ups.“ Dessen Hand strich noch einmal kurz über Katsuyas Rücken, bevor dieser eintrat. Sein erster Blick wanderte natürlich zu Shizuka, die den Kopf ein wenig einzog, doch immer noch vorsichtig lächelte, als sie ihn erblickte. Sein zweiter Blick ging Richtung Krippe, wo allerdings nicht mehr als ein Bündel weißer Laken zu erkennen war. Erst sein dritter Blick legte sich auf Shizukas neue Zimmernachbarin, die er grüßte. Hm... das machte es noch schwerer. Sie waren nicht einmal allein. War der Frau zuzutrauen Informationen gegen sie zu verwenden, die sie zufällig aufschnappte? Konnte man das Gespräch ohne sie führen? Katsuya spannte seine Muskeln. Es machte ihn nervös, dass eine Fremde im Zimmer war. „Hallo, Shizuka.“, grüßte Seto, legte eine Hand in Katsuyas Rückenbeuge und schob ihn nach vorne, „Wie geht es dir?“ „Besser, danke.“, sie sah vorsichtig zwischen den beiden hin und her, „Ist gestern alles... gut gelaufen?“, sie wandte sich dabei bewusst an den älteren von beiden. Katsuya schluckte. Gestern? Ryuji. Da war nicht nur der Streit, da war auch die unterschwellige Drohung, dass er ihm etwas getan hatte. Auch wenn der Junge in seinen Augen ein Mistkerl war, für seine Schwester war er ihr geliebter Exfreund. Sie hatte Seto dessen Adresse gegeben, also musste sie etwas erwartet haben. „Ich habe ihm nicht weh getan.“, erwiderte Katsuya kalt und blieb an ihrem Bett stehen, während Seto einen Hocker heran zog und sich setzte, „Lediglich daran erinnert, dass das Vaterdasein mit manchen Pflichten einher geht.“ „Mit welchen?“, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. „Es seinem Vater erzählen.“, er stockte einen kurzen Moment, „Der nach seinen Angaben Führer im Museum ist und samstags nachts arbeitet.“ „Ist möglich.“, warf Seto leise ein, „Gestern war die Nacht der offenen Museen.“ Ah. Machte Sinn. Für seine Schwester hieß das trotzdem, dass er gelogen hatte. Dementsprechend fuhr der Blonde fort: „Dass man sich für die Lügen entschuldigen und mal die Verhältnisse klar machen sollte. Und dass es ganz freundlich wäre mal aufzutauchen.“ „Oh... okay...“, sie senkte den Blick und atmete tief durch, „Und du hast ihm wirklich nicht weh getan?“ „Nur etwas eingeschüchtert.“, wenn das nicht mal die Untertreibung des Jahrhunderts war, „Auch wenn ich nicht vermute, dass er mich mögen wird.“ „Gut. Vielen Dank.“, sie lächelte ihm tapfer zu, „Danke, dass du für mich da bist.“ „Um... kein Problem.“, er steckte die Hände in die Taschen und sah zu Boden, während er sich auf eine Seite lehnte, „Ich- ähm... ich wollte mich entschuldigen. Für gestern. Ich bin ein bisschen... ausgerastet. Das war nicht richtig.“ Shizuka sah ihn mit ihren rehbraunen Augen an, blinzelte einmal und lächelte schließlich. Mit einem leichten Seufzer lehnte sie sich nach hinten gegen ihr Kissen und wandte ihren Blick der Krippe zu, bevor sie sprach: „Mir tut es auch Leid, was ich gesagt habe. Ich weiß gar nicht, was da über mich gekommen ist. Ich habe mich nur irgendwie so... schlecht gefühlt. So leer.“ „Du hattest ja auch eine plötzliche Gewichtsabnahme von drei Kilo.“, Seto erhob sich, schob Katsuya seinen Hocker an die Knie, damit er sich setzte und zog sich selbst einen Stuhl heran, in dem er sich zurück lehnen konnte. Shizuka kicherte. Sie sah einen Moment lang stumm zu den beiden, bevor sie sich erhob und Isamu aus seiner Krippe hob, um sich mit ihm im Arm auf das Bett zu setzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)