Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 75: Ein Moment ---------------------- Ich liebe dieses Kapitel... ich liebe allgemein die Höhepunkte von Storys. Ich wünschte bloß, ich hätte mehr Zeit sie auszukosten. Ich habe das Gefühl, dass selbst, wenn ich frei habe, ich gestresst bin. Es weißt eigentlich auf ein anstehendes Burn-Out hin. Deswegen versuche ich derzeit mich - so gut es geht - zu entspannen und besinnen. Am Mittwoch halte ich mein nächstes Referat, danach habe ich erstmal ein wenig Ruhe damit. Freitag bis Sonntag bin ich dann in Göttingen - anders gesagt, endlich wieder Zeit zum Schreiben. Ich liebe es in Hotels zu wohnen ^.^ Es regt meine Kreativität ordentlich an! Vielleicht sogar meine Erholung. Wer weiß. Ich wünsche euch allen auf jeden Fall ein interessantes Leseerlebnis ^.- _________________________________________________________________________________ Seto. Katsuya erstarrte mitten in der Bewegung, sein Atem stockte und seine Lider weiteten sich merklich. Von einer Sekunden auf die andere schien eine Faust in seinen Magen zu schlagen, mit solch einer Wucht setzte die Übelkeit ein. Er versuchte es zu unterdrücken, doch ein Würgereflex erschütterte seinen ganzen Körper, ließ seinen Kopf nach vorne schlagen. Eine Hand schlug er gegen seinen Bauch, den anderen vor seinen Mund, hinter dem er röchelnd keuchte. Den Älteren schien das Schauspiel kalt zu lassen. Er lehnte lässig gegen die Beifahrertür seines dunklen Mercedes und nahm mit völliger Ruhe einen Zug von seiner Zigarette, bevor er ohne jede Hektik langsam den Rauch wieder ausblies und der weißlichen Wolke hinterher sah, die durch einen lauen Windstoß hinweg geweht wurde. „Für einen Job wie diesen ist es unerlässlich sein Gewissen auszuschalten.“, gab Bakura nur von sich und ging ungestört zu Seto herüber, um diesem kurz die Hand zu reichen, „Kein Blut und keine Brüche.“, versicherte er dem Brünetten, nickte ihm zu und ging weiter den Bürgersteig entlang Richtung U-Bahn-Station ohne noch einmal zurück zu blicken. Katsuya sah ihm hinterher, Angst wie Entsetzen in seinem Blick. Was sollte das denn? Stand der nicht total auf Massaker? Was könnte ihn anderes erwarten als eine gehörige Tracht Prügel, auch wenn es Seto und nicht sein Vater war? Wenn überhaupt... wenn Seto nicht längst entschieden hatte, dass er keinen Delinquenten in seinem Haus duldete... Dieser nahm nur einen weiteren Zug, während sein Blick sich ohne jeglichen Gesichtsausdruck auf den Blonden legte. Eine weitere Welle Übelkeit schlug über Katsuya zusammen, die seine Hand diesmal nicht aufhalten konnte. Er drehte sich zur Seite, lehnte sich gegen die Wand neben der Tür, durch die er gerade das Wohnhaus verlassen hatte und versuchte keinen Ton von sich zu geben, während er sich übergab. Bei allen Göttern. Seto würde ihm weh tun. Sehr, sehr weh tun. Je ruhiger er jetzt war, desto schlimmer war er später. Er würde ihn verprügeln, wenn nicht mit Schlägen, dann mit Worten. Und er wäre im Recht. Katsuya hatte jeden einzelnen Schlag verdient. Was zur Hölle hatte er sich bei der Aktion gerade gedacht? Was... Die Pupillen vor Terror zitternd legte sich sein Blick auf Seto. Er hatte sich noch immer nicht gerührt. Stand da, schweigend den Blick auf ihn gerichtet, Gesicht und Augen eiskalt wie ein im Sonnenlicht schimmernder Nordpolgletscher. Er nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. Was sollte er tun? Sich entschuldigen? Auf die Knie fallen? Wegrennen? Wohin? Ein Zittern durchfuhr ihn, unterbrach sein Würgen mit einem Schluchzen. Eine Träne rann seine Wange hinab. Da war sie wieder. Genau dieselbe Situation. Sein Vater vor ihm, einen Brief der Schule in der Hand, was er wieder für eine Scheiße fabriziert hatte. Die sich langsam verengenden Lider, bevor eine Vene an der Schläfe unter der Haut sichtbar wurde. Das war der Moment sich zusammen zu kauern. Der letzte Moment, in dem man dazu noch eine Chance hatte. Der letzte Moment, bevor die Realität sich nur noch auf eine einzige Empfindung konzentrierte: Schmerz. „Hat Ryuji sich auch so benommen?“, fragte Seto ruhig, kein Ausdruck in der Stimme und ließ eine kurze Pause, „Hat er sich zusammen gekrümmt? Vielleicht sogar gewürgt? Geweint? Um Erbarmen gefleht?“ Katsuya wimmerte und wich einen Schritt zurück, die zitternden braunen Augen unablässig auf Seto gerichtet. „Hat er Angst gehabt, so wie du jetzt?“, er nahm einen weiteren Zug seiner Zigarette und wartete, bis der Wind des aufgeatmeten Rauch wieder hinweg getragen hatte, „Oder hast du ihm keine Zeit gelassen vor Angst zu schreien? Sondern nur aus Schmerz?“ Er ließ die Zigarette fallen und trat sie mit einer polierten, schwarzen Schuhspitze aus. Lässig griff er in seine Manteltasche, zog eine Packung Minzdragées hervor und nahm ein solches in den Mund, bevor er weiter sprach: „Bereust du deine Taten aus Angst vor mir oder weil du einen sechzehnjährigen Jungen in die Situation gesteckt hast, unter der du jahrelang leiden musstest?“ – sein Blick fixierte wieder Katsuya – „Bereust du es überhaupt?“ Katsuya wollte weiter zurückweichen, doch sein praktisch unkontrolliertes Zittern hinderte ihn daran auch nur ein Bein zu bewegen. Weglaufen brachte doch sowieso nichts. Niemals. Er würde ihn immer finden. Würde seine große, feste Hand schmerzhaft um sein kleines Bein legen und ihm mit einem Ruck unter dem Bett hervor ziehen, in dessen hinterste Ecke er sich verzweifelt, weinend, schluchzend gedrückt hatte. Es gab keinen Ausweg. Keine Flucht. Niemals. Selbst im Laufen würde er ihn erwischen. Vielleicht könnte er dem ersten Griff noch entkommen. Würde nur stolpern, ins Straucheln kommen. Doch dem zweiten konnte man nicht entkommen. Entweder wurde er am Arm zurück gerissen oder am Fuß, wodurch er der Länge nach zu Boden ging und sich Hände und Knie aufschrammte. Es gab keinen Ausweg. Keine Sicherheit. Niemals. „Du weißt, was Angst ist.“, sprach Seto weiter, noch immer gegen die Seite des Wagens gelehnt, die Arme hinter sich auf dem Dach des Autos, genauso wie Katsuya vorhin in der Bahn, die Hände entspannt auf Höhe der Brust herunter baumelnd, „In dir tobt ein Biest aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Vor deinen Augen siehst du die Szenen dessen, was ich dir alles antun könnte – was man dir früher alles angetan hat.“ Die kalten Augen. Die eiskalten Augen. Den Blick voll Abscheu, voll Ekel, voll von grenzenloser Ablehnung, kein Funken Liebe oder Fürsorge. Dieser Blick, der sagte, dass er es verdiente. Jeden einzelnen Schlag. Jede Beleidigung. Jede Schramme, jeden Flecken abgeschürfter Haut, jeden Fetzen Haut, den er später aus seinen Wunden ziehen würde. Jede blaue, grüne, violette, schwarze Stelle seiner Haut, die den Hintergrund für die Abdrücke großer, männlicher Hände darstellte. Jeden Tropfen Blut, der die Kacheln und die Tapete bespritzte. Er verdiente es alles. Er verdiente alles unter ihrem Blick. Was immer dieser rasende, jähzornige Fremde tat, der so groß über ihn ragte, unter ihrem Blick war alles erlaubt. Sie würde nur die Nase rümpfen und schließlich wegsehen. Sie sah nichts. Sie hörte nichts. Katsuya schlug noch einmal nach vorne, würgte seinen Magensaft mitten auf den Gehweg. Es brachte genug Bewegung in ihn, damit er einen weiteren Schritt zurück machen konnte. Einen einzigen. Nicht mehr. Sein Blick fuhr wieder auf, um ja keine Bewegung zu verpassen. Man durfte ihn nicht überraschen. Jeder unerwartete Schlag war schmerzhafter als alles, was man ihm antun konnte. Wenn man ihn überraschte, konnte er sein Ich nicht von dem Schmerz trennen. Seto lehnte noch immer gegen den Wagen. Die blauen Augen beobachteten das Zittern, das Zusammenkrümmen, das Übergeben des jungen Körpers vor sich regunglos. Emotionslos. Kalt. „Diese Angst lässt einen nicht los.“, fuhr Seto fort, noch immer keinerlei Regung, die man als Anzeichen deuten konnte, dass er sich vom Auto abstoßen würde, „Die Szenen ebenso wenig. Sie kommen immer wieder, mit derselben Wucht und derselben Angst. Es wird nicht leichter. Es lässt nicht nach. Es wird sogar schlimmer, je mehr man realisiert, wie falsch und grausam es war, wie damals mit einem umgegangen wurde. Wenn man nicht mehr mitten in diesem Wahnsinn lebt, jeden Tag, jede Sekunde, immer in Angst vor dem nächsten Schmerz, schlagen sie einem vor dem Kopf wie ein Wagen, der mit Höchstgeschwindigkeit in eine Wand rauscht. Und genau wie dieser Wagen zerschlägt es einen an der Wand, die diese Erinnerungen bilden.“ Zerschmettern. Katsuya konzentrierte sich auf seine Atmung. Die Panik war es, die ihn verletzte. Nicht Seto. Seto stand nur da und sah ihn an. Warum tat er nichts? Warum schlug er nicht zu? Gefiel ihm der Anblick? Wie er nach vorne gekrümmt stand, einen Arm um seinen Bauch geschlungen, den anderen leblos herab hängend, bereit ihn gegen Schläge zu verteidigen. Zerschellen. Er versuchte sich ein wenig aufzurichten, doch die Bewegung ließ die Übelkeit mit einer Heftigkeit zurückkehren, dass er keinen zweiten Versuch wagte. Der Blick durchbohrte ihn. Blaue Augen, kälter als Eis und doch dunkel wie der Abgrund hinter einer Klippe. Man hörte das Rauschen, doch wagte es nicht zu springen. Zerreißen. Katsuya zog die Augenbrauen zusammen und studierte das Gesicht des Älteren noch einmal. War es wirklich ausdruckslos? Unterdrückte Seto seine Wut? Tat er emotionslos, obwohl es dahinter kochte? War dem wirklich so? Oder hatte er das nur im ersten Moment erwartet? Er hörte das rasende Schlagen seines Herzens in seinen Ohren. Seto... würde er ihn wirklich verletzen? Vielleicht nicht mit Schlägen, aber doch mit Worten? „Komm her.“, befahl der Brünette, streckte eine Hand aus und winkte ihn mit zwei Fingern heran. Es ließ Katsuya zusammen zucken. Das hatte sein Vater nur gemacht, als er ganz jung war. Als der Typ noch wenig getrunken hatte. Er hatte sich vor ihn gestellt, den Kopf eingezogen, von unten die verfluchte Rechte betrachtet, um sich im rechten Moment zur Seite fallen zu lassen, sodass der Schlag ihn nur so viel traf, dass der Mann glaubte ihn erwischt zu haben. Nur wenn er wirklich wütend war... nein, wenn er unberechenbar war. Er legte dem Jungen die Hand auf den Kopf und fuhr ihm durchs Haar. Erst, wenn er den Nacken erreichte, packte er plötzlich zu und riss die kleine Gestalt nach vorne. Mit dem Kopf knallte er dem Mann gegen das Knie, bevor sein Hosenbund gepackt und er damit auf die Beine des Anderen gehoben wurde. Die Schläge auf den Hintern schmerzten nicht sehr, sie brannten nur. Aber wie sein Kopf dabei immer gegen die Kante der Holzlehne drückte... bevor eine Hand gegen seinen Rippenbogen ihn zu Boden warf. Es setzte noch ein paar Tritte gegen seinen Bauch, bevor er weg rollen und fliehen konnte. Sein Vater stand nicht einmal auf. „Komm.“, wiederholte Seto noch einmal und knickte Zeige- und Mittelfinger ab. Genau zwei Mal. Zitternd ließ Katsuya den Atem fahren. Zischend sog er ihn wieder ein, dreifach unterbrochen, mit klappernden Zähnen. Ein Wimmern, nein, ein Jaulen, ein Winseln gar verließ seine Lippen. Er zog sich weiter in sich selbst zusammen, nicht aus Übelkeit, rein aus der verzweifelten Suche um Schutz heraus. Setos Augenbrauen zogen sich zusammen. Ärger. Wie Giftgas breitete sich das Gefühl aus, waberte über den Boden, bis es Katsuya überschwemmte. Er sollte gehorchen. Er musste gehorchen. „Ich will mich nicht wiederholen.“, die Emotionslosigkeit der Stimme wurde durch den Ton einer scharfen Warnung ersetzt. „Es tut mir Leid...“, flüsterte der Blonde erstickt, hoch, kaum lauter als ein Hauchen und zwang sich selbst einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er durfte den Anderen nicht noch mehr verärgern. Er musste gehorchen. Er hatte keine andere Wahl. Gehorchen. Ein Schritt. Ein weiterer Schritt. Seto schwieg. Keinerlei Ermutigung. Warum auch? Er war wütend. Er würde ihn bestrafen. Er würde ihm weh tun. Und das war in Ordnung. Das war völlig in Ordnung. Für das, was er soeben getan hatte, war alles in Ordnung. Wer jemandem so etwas antat, gehörte bestraft. Seto hatte ein Recht in zu bestrafen. Er schluckte, richtete sich langsam auf und trat näher. Noch ein kleines Stück. Gleich würde er vor ihm stehen. Um seine rechtmäßige Strafe abzuholen. Er konzentrierte sich auf seine Atmung, um seine Übelkeit unter Kontrolle zu halten. Seto drückte sich absichtlich langsam von dem Auto, um selbst zum Stehen zu kommen. Keine einzige Sekunde verließ sein Blick Katsuya, während er sich leicht nach rechts wandte, um in seiner ganzen Breite vor ihm zu stehen. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. Die Lider über die Iriden, jedoch nicht die Pupillen geschlossen, den Kopf ob des Größenunterschieds ein wenig gesenkt, das ganze Gesicht schlaff. Genau genommen sah es eher aus, als wäre es von Trauer überzogen. Oder Wissen. Nicht unterdrückter Wut. Es war gar nicht angespannt... „Angst ist eine grausame Waffe.“, erklärte er leise, nur wenige Zentimeter zwischen Katsuyas und seinem Gesicht, „Nie hat der Mensch es geschafft etwas Schlimmeres zu entwickeln als die Natur. Auch wenn wir glauben mit Wasserstoffbomben die ultimative Zerstörungskraft zu haben und den Tod durch die moderne Medizin besiegen zu können... so haben wir nichts, um mit unseren eigenen Ängsten fertig zu werden. Wir haben nichts, was uns hilft, wenn die Seele blutet und schreit.“, ein Arm legte sich um Katsuyas Hüfte und zog ihn bedacht gegen den warmen, großen, starken Körper, „Wir wissen nur dies für uns zu nutzen. Um andere zu verletzen. Angst ist für uns eine Waffe, ein Mittel zum Zweck und bei uns selbst eine lästige Überflüssigkeit. Sie macht uns hilflos.“ Katsuya versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu halten, um nicht zu hyperventilieren. Ein. Aus. Ein. Aus. Nicht wegrennen. Aushalten. Bitte, schneide doch jemand dieses Herz aus seiner Brust! „Die, die die Angst kennen, lernen mit ihr zu spielen.“, ein zweiter Arm legte sich um seine Schulterblätter, zog seinen Oberkörper und seinen Kopf gegen Setos Brust, „Oft nicht einmal bewusst. Es ist schwer gegen die Impulse zu kämpfen. Man findet sich in der Lage andere zu verletzen... immer und immer wieder.“, ein Kinn legte sich auf seinen blonden Schopf, sodass er sich völlig in der Umarmung wieder fand, „Wir können das Gefühl nicht ertragen hilflos zu sein. Wir können nicht zusehen, wie andere leiden, weil es uns daran erinnert, wie wir gelitten haben. Und irgendwann wird uns klar, dass wir andere nicht retten können... nicht, solange wir uns selbst nicht gerettet haben.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)