Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 70: Fortpflanzungsprinzip --------------------------------- Erst einmal: Es tut mir sehr Leid, dass das Kapitel erst heute kommt. Ich hatte die letzten neun Tage durchgehend Uni, musste jeden Tag um 6.30 Uhr aufstehen und habe Referate gehalten, Kurse geleitet etc. - ich habe mein Bestes gegeben, aber das Kapitel nicht geschafft. Gestern gegen zehn Uhr hatte ich das erste Mal wieder freie Zeit und nicht mehr die Muße einen Absatz zu schreiben. Der letzte ist demnach erst heute entstanden. Ich musste zwar wieder früh aufstehen und werde es auch noch bis Samstag müssen, aber zumindest hatte ich zwischen 11 und 14 Uhr frei. So etwas stellt zur Zeit für mich Luxus dar - am besten wird jedoch morgen. Ab 10 Uhr (morgens) habe ich frei. Also fast den ganzen Tag! Ich hoffe, es wird kreativ ^.- Das Kapitel an sich war auch nicht unbedingt leicht zu schreiben, denn es geht um eine Menge Fachliches. Möglicherweise ist das Referat über die medizinisch-ethischen Fragen zu Kindern und Missbrauch aus ärztlicher Sicht mit eingeflossen. _________________________________________________________________________________ „Hey, Yami!“ „Da ist jemand fröhlich. Noch eine Minute bis Feierabend.“, sie umarmten sich, was ihnen ein Pfeifen von einem der Kunden des Sixth Heaven einbrachte, dem der Rothaarige darauf zu zwinkerte, „Ist das Kind da?“ „Nicht, dass ich wüsste.“, gab Katsuya zurück und zog seinen besten Freund mit sich ins Bedienstetenzimmer, wo er sein Handy aus der Tasche zog, „Nein, kein Anruf in Abwesenheit.“ „Langsam wird es ja Zeit, nicht?“, der mal selten dick Eingekleidete – es mochte am kommenden Winter liegen – ließ sich auf der Bank nieder und sah auf seinem eigenen Handy nach, „Auch kein Notruf von Seto. Wo ist unser Drache eigentlich?“ „Theoretisch müsste er auf dem Weg sein. Zumindest hat er mir nicht gesagt, dass er nicht kommt.“, Katsuya setzte sich neben ihn, „Während des Arbeitens heute ist mir eine Frage in den Sinn gekommen.“ „Welche?“, Yami packte sein Handy wieder ein. „Warum kriegen Menschen Kinder?“, der Blonde sah die gegenüber liegende Wand an, „Ich meine, klar, da ist dieser biologische Trieb zum Sex haben. Da entstehen meistens unfallartig Kinder draus. Das verstehe ich. Aber wie kommen Menschen dazu die Entscheidung zu treffen ein Kind zu wollen?“ „Oh je...“, Yami musterte ihn einen Moment, bevor er ein Bein anzog und seinen Arm darauf stützte, „Warum fragst du das einen männlichen Prostituierten?“ „Zum einen: Weil du es wahrscheinlich weißt oder zumindest eine gute Theorie hast. Zum zweiten: Weil du vermutlich auch eine sehr nüchterne Sicht hast und mir nicht mit Gottes Wille oder dem großen Plan von Mutter Natur zum Erhalt der Rasse kommst.“, der Blonde stand auf und wandte sich seinen Sachen zu, „Macht es dir was, wenn ich mich umziehe?“ „Sicher nicht – macht es dir was, wenn sich meine Antwort schallplattenartig wiederholt, weil ich von deinem Körper fasziniert bin?“, gab der Andere schlagfertig zurück. „Keineswegs. Dann merke ich es mir besser.“, Katsuya begann sein Shirt aufzuknöpfen, „Ich höre.“ „Eine ehrliche, nüchterne Antwort. Also spontan fallen mir da noch mehrere Gründe ein, alle nicht sehr schmeichelhaft.“, der Rothaarige lehnte sich zurück und sein Blick schweifte ab, verlor sich in einem Punkt, der wohl außerhalb des Raumes lag, „Von beiden Eltern her gesehen schafft man damit eine finanzielle und moralische Unterstützung für das Alter. Außerdem steht ein Paar meist unter dem Gesellschaftsdruck Kinder zu kriegen. Frauen wollen oft Kinder, wenn ihnen die Ehe zu langweilig wird oder sie unglücklich sind.“ „Ist das nicht irgendwie komisch? Wenn sie unglücklich sind, wollen sie Kinder?“, fragte Katsuya nach. „Nun, Arbeitsunfähigkeit durch Schwangerschaft und Geburt, Mutterschaftsurlaub, Kindergeld, Babykurse und Elternabende für neue Kontakte – man macht schon einen recht radikalen Umschwung mit. Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik, die Zeit im Krankenhaus, das erste Mal mit dem Neugeborenen auf der Arbeitsstelle, der Frauenarzt, die vielen sonographischen Untersuchungen...“ „Du weißt verdammt viel.“, murmelte der Blonde trocken. „Das Wichtigste jedoch ist das Bild von der Mutterschaft, denke ich. Viele Religion heiligen die Mutterschaft, machen aus ihr das Paradies, die Erfüllung aller Träume, die höchste Form von Liebe und Selbstaufopferung – die die meisten Frauen als Trieb intus haben und mit Liebe gleichsetzen.“, Yamis Stimme verfiel in einen melodischen Ton, fast ein Singsang, „Natürlich bist du als Mutter stets überglücklich, dein Kind macht dein Leben zu einer wahren Freude und ab dem ersten Moment verbindet euch eine tiefe Liebe, die bis ans Ende eurer Tage und meist noch darüber hinaus währt.“ „Ähm... Yami?“, eine blonde Augenbraue hob sich. „Du wolltest nicht die religiöse oder gesellschaftliche Meinung, ich weiß. Deswegen komme ich dir lieber mit Fakten, bei denen bin ich wenigstens sicherer. Ich denke, jedem halbwegs normal denkenden Menschen ist klar, dass Kinder Verantwortung, Stress und Zeitverlust bedeuten. Damit ist keiner überglücklich. Wenn sie einem genug zurück geben, dass sie das wert sind, gut, aber meist ist das nicht so – weil Eltern die Erwartungen zu hoch setzen. Kinder machen nicht einfach glücklich. Sie sind Wesen, die komplett von dir abhängig sind und lange Jahre so etwas wie dein persönliches Eigentum, um das du oft beneidet wirst. Es gibt dir ein Gefühl von Macht und Stolz. Du bist etwas Besonderes, wenn du Mutter bist. Du wirst den Anforderungen der Gesellschaft an dich gerecht. Du bist wer. Für dein Kind bist du sogar das Ein und Alles.“ – hatte das Seto nicht genau so gesagt? – „Du fühlst dich groß und stark und toll.“ „Aber?“, warf Katsuya in die rhetorische Pause. „Aber sie sind auch Arbeit, können manchmal extrem nerven und werfen oft deine Pläne über den Kopf. Kinder sind nichts, was man im Schrank einschließt und zum Spielen immer mal wieder raus nimmt.“, von einem Moment auf den anderen wich alle Farbe aus Yamis Gesicht, ausgenommen den breiten Kajalstrichen, „Nun ja... meist nicht. Ich gebe zu, Seto hat man im Keller eingeschlossen und zum Demütigen, Prügeln und Arbeiten wieder raus geholt.“ „Seto ist nicht die Norm.“ „Nein... Seto ist nicht die Norm...“, wiederholte der Ältere Katsuyas Satz, „Nun ja... vor allen Dingen verbindet dich nicht einfach eine tiefe Liebe. Bei der Geburt legt man dir einen schreienden Klumpen Fleisch in den Arm, von dem du nichts weißt, außer dass er als Parasit in deinem Körper gelebt hat. Man könnte dir auch einen Wurm in den Arm legen, es wäre dasselbe Prinzip.“, der Blonde zog sein Shirt über und schüttelte das Haar, doch er lauschte aufmerksam, „Was dieses Wesen so wichtig für einen macht, sind die Emotionen, die man mit ihm verbindet. Hoffnung, dass es jetzt besser wird. Dass es spannender wird. Dass der Mann seine Affäre beendet. Alle möglichen Erwartungen liegen auf diesem kleinen Bündel. Ein paar davon sind gut, denn ein Kind braucht Ziele und Ideale. Nur wenn du auf deinem Kind die Erwartung ablädst, dass es die Ehe wieder kittet, ist eine Enttäuschung vorprogrammiert. Aber Eltern schrecken auch oft nicht davor zurück die Schuld ebenso auf ihr Kind zu laden, wenn dieser Punkt kommt, auch wenn sie es rational nicht wollen. Die Seele kommt so leichter klar.“ „Du meinst, man macht das Kind dafür schuldig, dass die Beziehung kaputt geht?“, fragte Katsuya mit Entsetzen. „Manchmal.“, ihn traf ein kurzer Blick, „Vielleicht kam es auch nur gehäuft in meinem Umfeld vor. Ansonsten... den Mann finanziell zu binden, das ist mir auch schon als Grund untergekommen.“, diesmal wandten die Augen sich ihm ganz zu, „Und die eigenen Eltern nerven, die immer Moral und Anstand gepredigt haben.“, Yami zog die Augenbrauen zusammen und wandte den Blick gen Decke, „Unsterblichkeitsgelüste? Angst vor dem Tod, sodass man sich selbst in ein anderes Wesen überträgt. Oh ja!“, er schnippte mit den Fingern, „Eine Herausforderung! Wäre Seto gesund, würde er Kinder sicher als interessanten Test an sich selbst bewerten.“ „Klingt irgendwie alles nach nichts, warum meine Schwester ihr Kind will.“, meinte Katsuya trocken. „Da müssen wir aber auch einen großen Unterschied machen.“, ein Zeigefinger hob sich, „Vor einer Schwangerschaft geht es um die Frage aktiv ein Leben zu schaffen oder nicht. Während der Schwangerschaft geht es um die Frage ein Kind zu töten oder nicht. Und das Recht zu Leben wird nach Gesetz und Religion weit höher bewertet als das Recht auf Nichtleben.“ „Was für ein Recht?“, der Blonde faltete seine Arbeitskleidung, die er mittlerweile abgelegt hatte. „Nichtleben. Das Recht auf eine Nichterschaffung eines Kindes. Das Recht tot zu bleiben oder nicht künstlich wiederbelebt zu werden. Im weiteren Sinne auch das Recht auf Suizid.“ „Ist Suizid verboten?“, kam sofort die Nachfrage. „Wird als psychische Krankheit verbucht, wenn du es versuchst. Selbst wenn du über viele Jahre hinweg die Entscheidung getroffen hast. Sterben zu wollen ist für die meisten Menschen eine nicht mit dem gesunden, das heißt normalen Verstand vereinbare Gedankenwelt.“, Yami legte den Kopf schief, „Für die meisten Menschen ist der Gedanke leben zu wollen ein essentieller Instinkt. Sie können nicht damit umgehen, dass ein Mensch möglicherweise ohne psychische Schädigung und aus reiner Überzeugung sterben will.“ „Uh... hu...“, murmelte Katsuya unbestimmt. „Der Gedanke zu töten ist dementsprechend extrem geächtet, da er ja dem natürlichen Willen zu leben widerspricht. Eine Abtreibung, ergo ein Kind zu töten, ist demnach natürlich auch sehr verpönt. Es ist also weit schwerer zu sagen, man will ein bestehendes Leben nicht als zu sagen, man wolle ein nicht bestehendes und daher rein theoretisches Leben nicht. Es ist also möglich, dass deine Schwester das Kind nicht aus Überzeugung oder einem Wunsch heraus kriegt sondern einfach aus der Notlage heraus es nicht abtreiben zu wollen. Und sicherlich spielt Rebellion gegen eure Mutter eine Rolle.“ „Hm...“, der Blonde schlug das eigentlich gefaltete Hemd aus, dass er jedoch zwischen seinen Händen gedrückt hatte, um es noch einmal zusammen zu legen, „Hältst du es für möglich, dass sie das Kind eigentlich gar nicht will und eine Abtreibung nur als das größere Übel betrachtet hat?“ „Klar.“, ein Hand kam in sein Blickfeld, griff nach seiner eigenen und hielt diese, „Bitte verurteile mich nicht, doch ich halte es sogar für wahrscheinlicher. Shizuka ist minderjährig. Und sie wirkt nicht so, als wäre dieses Kind geplant gewesen.“, ihre Blicke trafen sich, „Ich gebe zu, sie wirkt auf mich sehr robust und scheint gut mit der Situation umzugehen. Aber ich vermute, dass sie sich mit der ganzen Sache trotzdem überfordert fühlt.“ „Und... was kann ich tun?“, fragte Katsuya nach ein paar Sekunden des Schweigens und der Betrachtung, „Um ihr zu helfen? Und Isamu? Ich möchte, dass es beiden gut geht...“ Yami sah ihn an, lächelte glücklich, doch ein Schatten legte sich über seine Augen, sodass diese einen Moment später keine Freude mehr ausstrahlten, während seine Lippen noch immer zu einer fröhlichen Grimasse verzogen waren. Seine Mundwinkel senkten sich mit seinem Blick, sodass dieser auf dem Boden lag, als er antwortete: „Wir können die Welt nicht von heute auf morgen zu einem schönen Ort machen. Wir können immer nur weiter daran arbeiten. Jeder ist gezwungen sich mit dem zurecht zu finden, was bei seiner Geburt der Status quo ist. Es ist schon ein großer Schritt, wenn dieser Status nicht Krieg, Hunger oder Angst bedeutet. Gemessen, dass deine Schwester unsicher ist und nicht weiß, wie die Zukunft aussehen soll, ist Angst der Zustand, gegen den wir zu kämpfen haben.“ „Die Angst scheint mein größter Feind zu sein.“, Katsuya seufzte tief und packte Handy und Börse in die Taschen seiner Hose, „Es ist schwer etwas zu bekämpfen, was man weder sehen noch sich vorstellen kann.“ „Wie alle Gefühle.“, dieses Mal war das Lächeln klein, doch wenigstens ehrlich, „Und gleichzeitig sind genau diese auch die besten Waffen.“ „Aber ich fühle mich hilflos.“, die braunen Augen wandten sich der Tür zu, die zurück ins Sixth Heaven führte, „Ob ich nun Seto höre, wie er nicht glauben kann, dass er mich verdient hat und ein guter Mensch ist oder meine Schwester sehe, wie sie einen sehnsuchtsvollen Blick aus dem Fenster wirft oder Kanae zu überzeugen versuche, dass nicht alle Eltern ihre Kinder in die Prostitution verkaufen...“ „Kanae Ishimasu?“, Yami blickte auf, „Domino Hospital, pädiatrische Station?“ „Du kennst sie?“, Katsuya blinzelte, bevor er sich wieder daran machte den Rest seiner Arbeitskleidung in einen Schrank zu packen. „Die Kleine habe ich aus der Szene geholt. Ein Freier hat ihre Hüfte ausgerenkt und ihr Zuhälter hat seine Wut darüber an ihr ausgelassen. Eine Bekannte hat das mitgekriegt und mich sofort angerufen. Als ich ankam, war eine ihrer Hüften zertrümmert und sie war ziemlich schwer verprügelt. Ich habe den Typen überredet, dass er sie ins Krankenhaus bringt und bin mitgegangen. Er hat den Arzt bestochen, damit dieser ihn nicht meldet und dieser hat zugestimmt unter der Bedingung, dass niemals wieder jemand Kanae belangt und sie dem Jugendamt übergeben wird.“ „Autsch...“, flüsterte Katsuya nur. Dass Kanae vergewaltigt und ihre Hüfte gebrochen wurde, so viel hatte er ja verstanden, aber so... so genau... armes Mädchen. „Dafür riskiere ich mein Leben.“, die amethystfarbenen Augen fingen seinen Blick und wieder einmal schien es, als würden Yamis Augen innerlich brennen, „Es steht dir frei darüber zu denken, was du willst, aber ich höre nicht damit auf. Nicht, solange Kinder ein Leben wie Kanae führen.“ Hosted by Animexx e.V. 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