Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 47: Mörder ------------------ Ich muss gleich zur Uni, deswegen kann ich die Kommentare nicht sofort beantworten, aber gleichzeitig möchte ich endlich das Kapitel hochladen ^.^ Ich hatte sogar überlegt es noch letzte Woche hochzuladen, einfach weil ich es on haben wollte. Aber da ich nicht wusste, wie schnell ich mit Weiterschreiben bin, habe ich es gelassen. Es kann allerdings sein, dass diesen Freitag das nächste kommt ^.- Das kommt darauf an, wie diese Woche läuft (morgen ganztags Biochemie und dann drei Tage Kongress sind allerdings nicht so vielversprechend, was Zeit zum Schreiben angeht). Und vielen Dank für die lieben Rückmeldungen zum letzten Kapitel ^.^ Ich fühle mich wieder erfrischt und es kribbelt mir unter den Fingerspitzen weiterzutippen. P.S.: WARNUNG! Dieses Kapitel enthält keinerlei groß triggernden Anteile, aber positiv ist es ganz bestimmt nicht. Es könnte einem die Stimmung vermiesen. ___________________________________________________________________________________ „Das alles ist jetzt viele Jahre her, aber die Erinnerungen sind so präsent, als wären die Wunden noch frisch.“, begann Seto sehr leise und ruhig, ein ganz leichtes Zittern in seiner Stimme, „Ich war... sechzehn... und sehr... wild. Ja, wild kann man wohl sagen. Ich war entweder ein Geschäftsmann oder... oder mein TI... ich habe es meist zurückgehalten, indem ich andere nur anschrie oder knurrte und zurückwich... aber bisweilen habe ich auch zugeschlagen.“, er schluckte, „Besonders Noah habe ich geschlagen. Er saß im Rollstuhl. Er konnte nicht ausweichen. Und er konnte sich kaum wehren.“ Seto wandte das Gesicht ab und schlang die Arme um seinen Oberkörper, als würde er frieren. Ob es angebracht wäre ihn anzufassen? Katsuya hob die Hand, doch ließ sie wieder sinken. „Es war nie wirklich heftig. Nicht lebensgefährlich, kein Blut, keine Gehirnerschütterungen. Aber es war gemein... ich habe den Rollstuhl umgerissen und ihn liegen lassen. Oder einfach nur zugeschlagen. Oder an den Haaren auf den Boden gezerrt und... zugetreten...“ „Was genau ist deine Definition von heftig?“, flüsterte Katsuya, während sich seine Stirn in Falten legte. „Ähm...“, die blauen Augen blickten scheu zu ihm hinüber und senkten sich, „Das... das da...“, sein Finger zeigte grob auf Katsuyas Kopf, „Oder das mit der Brechstange...“ Der Blonde nickte sehr langsam, als würde er mehr erwarten. „Na ja... nach Noah und Moki war das nicht das Schlimmste an mir. Ich habe mir manchmal die Pulsadern aufgeschnitten. Oder versucht mich zu ertränken. Oder Tablettenüberdosen geschluckt. Habe Drogen ausprobiert und meinen Kopf gegen Wände geschlagen. Einmal habe ich mich aus dem ersten Stock gestürzt.“ Katsuya schluckte und zog die Hand, die zwischen ihnen gelegen hatte, zurück an seinen Körper. „Im Krankenhaus konnten sie mich nie lange halten. Ich habe Ärzte zusammen geschrien und raus schmeißen lassen, mich selbst entlassen oder andere Patienten angegriffen. Einmal habe ich die Wände mit Bibeltexten vollgeschrieben... mit meinem Blut. Habe gedroht mich umzubringen und damit die Schwestern nach meiner Pfeife tanzen lassen. Sie wollten mich öfters in die Psychiatrie sperren, aber dafür waren meine Anwälte zu gut.“, der Ältere atmete tief durch und wandte sich wieder ab, „Und die Richter geschmiert.“, er biss einen kurzen Moment auf seine Lippe, „Die Krankenhausleitung übrigens auch.“ „Warum?“, flüsterte Katsuya, die Stimme durchsetzt von Entsetzen. „Weil... ich vermute, das bezieht sich auf alles, ja? ... Weil...“, Seto drückte sich mit den Fersen die Schuhe von den Füßen und zog seine Beine zu sich, „Nun, weil ich sehr, sehr krank war.“ „Aber...“, der Blonde schüttelte den Kopf. „Weil ich sehr krank war.“, wiederholte Seto, „Weil ich eine schier unendliche Wut in mir hatte, die ich an allem und jedem auslassen konnte, ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen, die mir etwas bedeuteten.“ „Aber...“, er schüttelte noch immer den Kopf, „Hat es dir nicht weh getan andere zu verletzen? Hattest du keine Gewissensbisse?“, er seufzte, „Ich weiß, ich habe selbst andere angegriffen und verletzen lassen... ich bin wahrscheinlich nicht besser, aber... ich hätte nie meine Schwester angreifen können... oder meine Freunde.“ „Um ein Gewissen zu haben, muss einem ein Gewissen beigebracht werden.“, erwiderte Seto mit Bitterkeit in seiner Stimme, „Ich hatte mehr als fünf Jahre von Gozaburo gelernt... dass ein Gewissen Schwäche ist. Das Schuldgefühle eine Indoktrinierung sind, die uns davon abhält höhere Ziele zu erreichen. Die uns einsperren... dass Eingesperrte schwach sind. Minderwertig. Niederes Volk, dass wir als Werkzeug benutzen. Fehlerhafte Produktionsmittel.“, Katsuya hatte das Gefühl, als würden sich ihm die Nackenhaare aufstellen, „Kreaturen, die aus Neid auf uns uns zerstören wollen. Das... stimmte mit meiner Weltsicht überein.“ Katsuya wollte sich übergeben. Das war doch alles nicht wahr. Das war doch nicht einmal menschlich. Natürlich hatte er selbst schonmal solche Gedanken gehabt, er hatte sich selbst zu menschlichem Müll gezählt, aber... aber... Aber aus dem Mund eines anderen klang es widerwärtig. „Ich hatte damals von Gleichaltrigen nur Abwehr erlebt. Immer nur Ausgrenzung. Die Betreuerinnen hatten Angst vor mir und hielten mich für unheimlich. Als würde mein Durst nach Wissen ihnen ihre Kompetenz stehlen. Was war das für ein Wesen, das mit acht bereits drei Sprachen sprach und versuchte mit ihnen über Quantenphysik zu diskutieren? Oder den Sinn des Lebens?“ Zu intelligent. Viel zu intelligent. Wie konnte es da sein, dass er – Katsuya – auch als hochintelligent eingestuft wurde? Es war doch meilenweit von Seto entfernt! „Die Unterscheidung in eine Minderheit von wichtigen Menschen und genetischem Abfall erschien mir verständlich. Dass diese Wesen uns fürchteten und uns alles nehmen wollten, das war eine logische Schlussfolgerung. Auch wenn ich Gozaburo hasste, er hatte Recht in meinen Augen. Was er sagte und mir beibrachte, das hielt ich für richtig.“, Seto seufzte, „Solch ein Gedankengut war mir praktisch einprogrammiert. Ich hatte keine Ahnung vom Wert des Lebens. Das, was normal...“, er zischte das Wort, „...war, das war in meinen Augen reine Dummheit und Kurzsichtigkeit. Dieses fehlerhafte Genmaterial gehörte ausgelöscht. Wer sich als minderwertig und schwach erwies, war es nicht wert zu leben.“ War das das, was die Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg gedacht hatten? Das war krank! „Das... dachte ich damals. Dass Gozaburo sich tötete, als ich die Firma übernahm, war die logische Schlussfolgerung.“ Katsuya würgte, was Seto herum fahren ließ. „Katsuya? Oh, oh...“, seine Hände streckten sich zitternd aus, zuckten zurück, „Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid. Bitte... ich hör ja auf. Ich wusste nicht, dass du... dass ich...“, Tränen schossen in seine Augen, was ihn den Blick senken ließ, „Es tut mir Leid, dass ich so ein Monster bin. Es tut mir Leid.“ Der Blonde ließ die Hand, die er auf seine Lippen gepresst hatte, langsam sinken und fixierte Seto, die Lider weit geöffnet. „Seto...“, den Ton, den der andere von sich gab, kam einem Winseln gleich, „Denkst du das noch immer?“ Er beobachete, wie sich Setos Hände zu Fäusten ballten. „Ich...“, seine Stimme brach, als hätten sich seine Stimmbänder plötzlich verschlossen, „Ich weiß es nicht.“ „Was heißt das?“, verlangte Katsuya zu wissen. „Ich... ich weiß es wirklich nicht... ich weiß nicht, was ich denke... ich weiß nicht einmal, was ich fühle. Ich weiß nicht, ob ich dich mag oder hasse. Ich weiß nicht, was ich von mir denke. Ich habe das Gefühl, es ist jede Sekunde etwas anderes... und manchmal alles gleichzeitig.“ „Das heißt... ein Teil deiner Persönlichkeit denkt so?“, Katsuya atmete tief durch. „Ich weiß es nicht... ich weiß es nicht...“, mittlerweile war es nur ein Flehen, dass Seto hervor brachte. „Okay...“, murmelte der Jüngere leise und griff nach den Händen, die unbeweglich zwischen ihnen lagen, „Ist okay...“ Yami hatte mal gesagt, Kinder sollte man vor allem dann in den Arm nehmen, wenn sie wirklich Mist gebaut hatten. Für Seto galt dasselbe, das war ihm mittlerweile klar. Aber zum ersten Mal war er unsicher, ob er das wirklich wollte. „Du hast also sehr wenig... Respekt vor dem Leben gehabt.“, formulierte Katsuya vorsichtig, „Und kaum Mitgefühl für andere.“ Setos gesenkter Kopf nickte fast unmerklich. „Und in diesem Zustand trat Pegasus in dein Leben?“, Nicken, „Und du hast darin eine Chance gesehen deine Wirtschaftsinteressen mit Gewalt durchzusetzen? Was du als rechtens empfandst?“, Nicken, „Bei allen Göttern...“ Katsuyas Hände zitterten so sehr, dass ihm Setos beinahe entglitten. Er packte zu, um das zu überkommen – Seto zischte kurz. „Wie viele hast du umbringen lassen?“ Schweigen. „Seto, antworte mir.“, sein Atem kam unregelmäßig, „Seto!“ „Ein... paar...“, Schlucken, „Keine Frauen... keine Kinder...“, sein Kopf war so tief gesunken, dass durch die Haare sein Gesicht vollständig nicht mehr zu sehen war. Katsuya löste seinen eisernen Griff, sodass beide Hände wie betäubt auf die Couch knallten. Er schluckte, hob seine Rechte und fuhr durch sein Haar. Sein Kopf wandte sich wie hypnotisiert von links nach rechts, während seine Augen den anderen durch eine klare, durchsichtige Wand, die aus Tränen gebildet war, betrachtete. Nein. Einfach nein. Hatte er Seto eigentlich nicht zugehört? Wie oft hatte er ihm jetzt gesagt, dass – ja – er Menschen hatte töten lassen. War ihm das irgendwie zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus gegangen? Seto hatte Morde angeordnet. Seto war ein Mörder. Nicht durch einen Unfall, nicht um sich zu schützen – sondern aus reiner Überzeugung. Er versuchte zu schlucken, doch seine Kehle war zugeschnürt. Mit einem Ruck war er aufgesprungen, rannte aus dem Zimmer, den Flur nach links, riss die Haustür auf und nach draußen. „Katsuya! Katsuya!“, Panik, Entsetzen, Verzweiflung, Poltern, als würde ein Körper gegen eine Wand knallen – Katsuya rannte. Weg. Weg hier. Er strauchelte, fiel nach vorne, fing sich, indem er weiterrannte. Immer weiter. Nur weg. „Katsuya!“, ein Schrei, ein einziger, hoch, spitz, dann Stille. Er wandte sich nicht um. Missachtete den Impuls. Verdrängte die Schmerzen. Ertränkte die Stimme, die fragte, was aus Seto werden würde. Die Straße hinab, immer weiter, einfach nur so weit weg, wie er rennen konnte. Der Atem ging ihm schwer. War nur noch ein Keuchen. Die Luft stach wie Nadeln gegen seine Wangen und seine Seiten. Das durchsichtige Kellnerhemd, das er noch trug, klebte an seinem Körper. Wo sollte er hin? Er verlangsamte ein wenig, joggte mehr und versuchte seine Konzentration zu zentrieren. Genau... konzentrieren. Nicht daran denken, was hinter ihm lag. Nicht jetzt. Rennen und keinen Gedanken dahin lenken. Wohin sollte er? Was sollte aus ihm werden? Er schluckte und drückte die Gedanken zurück in die Ecke, aus der sie gekommen waren. Schritt für Schritt. Konzentrieren. Sixth Heaven. Da waren seine Klamotten. Vielleicht hatte Marik sogar das Geld hinterlegt. Er hätte warme Kleidung und etwas flüssig. Damit kam man schon recht weit. Ende Oktober. Scheiß kalte Season. Seine dünne Jacke würde nicht reichen. Er musste einen Unterschlupf finden. Yami stand außer Frage. Ryou auch. Da würde- nicht dran denken. Nicht jetzt. Tristan? Sein Vater? Keine bedenkbaren Optionen. Auch wenn eine Tracht Prügel ein warmes Bett möglicherweise wert war. Katsuya würgte. Das hatte er nicht wirklich gedacht, oder? Sein Atem takte aus, sodass er sich darauf konzentrierte. Einfach nicht dran denken. Mögliche Plätze... eines der verlassenen Häuser? Eine der Hallen am Hafen? Wo mochte seine alte Clique grad' sein? Die hatten sicher was zu Fressen. Katsuyas Mimik erschlaffte langsam, kein Keuchen mehr, die Schmerzen dullten ab. An den Weg denken. Nächste rechts. Die Straße hinab. Die Häuser zogen vorbei. Nachtschwärmer. Ein paar giggelnde Mädels. Zwei Ausländer an einer Hauswand. Die nächste Seitenstraße leer. Bürgersteig zu Teer. Leere zu Müll. Menschen zu Ratten. Er lief. Keine Laternen mehr. Zu seiner Linken ein Neonlicht über einer stählernen Tür. Mit genug Geld dürfte er beim Vierundzwanzigstundendöner übernachten. Ansonsten das KH? Nein, die Ärzte würden seinen Erziehungsberechtigten- er schloss die Augen. Nicht denken. Laufen. Mehr Neonlichter. Bunt. Nicht blinkend, aber auffällig. Zwei Frauen lehnten sich ihnen gegenüber an die Wand, der Türsteher hatte sich darunter platziert. Seit wann war da ein Türsteher? „Hey du.“, der bullige Typ senkte die klischeehafte Sonnenbrille und wandte sich ihm zu, „Haste verschlafen oder was? Der Umura wird verdammt schlecht gelaunt sein, wenner das hört.“, ein Grinsen, was ihm trotz der Gläser einen äußerst minderbemittelten Ausdruck verlieh, „Brauchst 'nen Deal? Ich könnt' schweigen.“ „Ich hatte heute schon Schicht.“, erwiderte Katsuya ruhig, nicht einmal tief durch atmend, während er sich auslief, „Hab' was vergessen. Ist hinten offen?“ „Wenn's nich' wär'?“, was für ein schiefes, dümmliches Grinsen... „Dann muss ich vorne durch.“, der Blonde stemmte die Arme in die Seiten. „Vergiss' es.“, sein Gegenüber verschränkte die eigenen, „Du kannst nich' durch den kompletten Laden marschieren.“ „Würdest du mich dann bitte hinten rein lassen?“, brachte Katsuya in aller Höflichkeit mit Ärger im Unterton hervor. „Was krieg' ich?“, das Grinsen brachte einen dazu dem Typen in die Fresse schlagen zu wollen. „Ich hab' nix dabei, mein Zeug is' drinnen.“, zur Verdeutlichung zeigte er der Fleischmasse an Mensch seine leeren Handinnenseiten. „Wer is' so blöd ohne sein Zeug abzuhauen?“, Fleischmasse hob die Augenbrauen. „Jemand, der versehentlich einen Mafiaboss verärgert. Lässt du mich jetzt rein?“, diesmal klang der Ärger weit weniger subtil. „Jo, Mann, ruhig Blut...“, er zog einen Schlüsselbund hervor und löste einen der Ringe, „Bring' mir den hier wieder, sonst sieht die Bolognesesauce deiner Mutter besser aus als du.“ Katsuya neigte den Kopf und verschwand Richtung Bedienstetenzimmer. Nicht denken. Alles, nur nicht denken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)