Nicht so, wie es scheint von abgemeldet (Seishirou/Subaru) ================================================================================ Kapitel eins ------------ Nicht so, wie es scheint Von Cyel~ Kapitel eins »Vielen Dank.« Kudou hielt die Tasse zwischen beiden Handflächen. Der dampfende Tee, fast schwarz in der dunklen Tasse, wärmte ihn und wirkte so gegen die kalte Luft, die durch das geöffnete Fenster hineinströmte. Wie Sumeragi es schaffte, ihm im dünnen Rollkragenpullover gegenüber zu sitzen, ohne zu zittern, war ihm ein Rätsel. Der Mann war ohnehin sehr seltsam. Die Art, wie er sich gab, passte nicht im Geringsten zu dem, was er erwartet hatte. Kudou hatte gehört, dass es sich bei Sumeragi Subaru um einen äußerst gewissenhaften jungen Mann handelte, der seine Arbeit ernst nahm. Entweder war das Desinteresse nur vorgetäuscht, oder aber, diese Beschreibung war unzutreffend. Dann würde er jemand anderen suchen müssen, was sehr schade wäre—und praktisch unmöglich. Er räusperte sich. »Nun, um auf das eigentliche Thema zurückzukommen. Es handelt sich dabei um eine äußerst sensible Angelegenheit und ich muss Sie bitten, absolute Diskretion zu wahren—« Die Türklingel unterbracht ihn. Sumeragi schaute müde und überrascht auf. »Bitte entschuldigen Sie mich eine Minute.« »Selbstverständlich.« Die Füße des Mannes schleiften über den Boden, als hätte er nicht die Kraft, sie weit genug zu heben. Sumeragi verließ den Raum und ließ Kudou mit gerunzelter Stirn zurück. Er nippte an seinem Tee. Egal, wie gut sein Ruf war, Kudou konnte nicht anders, als misstrauisch zu sein: Sumeragi gefiel ihm gar nicht, auch wenn er es nicht genauer erklären konnte. Irgendwie hatte Kudou den Eindruck, dass etwas mit ihm nicht ganz stimmte, so als würde ihm etwas fehlen und er damit nicht zurechtkommen—ein neulich verlorenes Körperteil etwa, oder gar ein lebenswichtiges Organ. * Subaru hätte eher erwartet, dass seine schon lange verstorbenen Eltern vor der Tür stehen würden als sie. Er hatte sie immerhin schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen. Seine Stimme klang heiser, als er sprach und er verbeugte sich vor ihr, wie vor einer Fremden. »Ich freue mich, dich zu sehen. Möchtest du einen Tee? Großmutter?« Ihre Antwort war rau. »Ich bin hier, weil dein nächster Auftrag unter Umständen ein wenig... fragwürdig sein wird. Nicht, um Tee zu trinken.« Was erwartete er eigentlich? Subaru nickte. »Ich weiß. Ein Mitarbeiter des Geheimdienstes ist bereits hier... aber du kannst trotzdem einen Tee haben.« Kudou Osamu war ein Mann um die vierzig, mit einem strengen Gesicht, das von einem kurzen, ordentlich gestutzten Bart eingerahmt wurde, der, wie sein Haar, graumeliert war. Alles andere an ihm war nicht bemerkenswert: Er trug einen dunklen Anzug mit einer goldenen Krawattennadel. Er sah ganz normal aus; durchschnittlich, bis auf seine bohrenden, tiefliegenden Augen. »Da die Formalitäten nun erledigt sind, möchte ich gar nicht lange um den heißen Brei herumreden.« Seine Stimme war tief, und man musste sich anstrengen, ihn zu verstehen, weil er so leise sprach. Subaru rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. Nicht auffällig, gerade so viel, dass er selbst es merkte. Seine Großmutter saß neben dem Sofa, Kudou im Sessel auf der anderen Seite des Tisches. Abgesehen davon gab es im Zimmer außer einem alten, hohen Spiegel nicht viele Möbel. Großmutter war alleine gekommen, aber Subaru war sich sicher, dass sie ihre Begleiter nur vor der Haustür gelassen hatte, anstatt ganz auf sie zu verzichten. Wie auch? Sie war gelähmt, und sie wurde von Jahr zu Jahr älter. Seit dem »Zwischenfall« merkte man das. Aber worum es sich auch immer bei diesem Job handelte, es musste unglaublich wichtig sein, denn sonst wäre sie nicht gekommen. »Es geht um den Sakurazukamori«, erklang Kudous Stimme, plötzlich erstaunlich gut verständlich. Subarus Herz blieb stehen, oder zumindest fühlte es sich so an. Seine Großmutter sprach, bevor er sich wieder gefasst hatte. »Sie können sich doch sicher vorstellen, dass unsere Familie lieber keinen Kontakt zu diesem Mann haben möchte. Sie sind doch mit Sicherheit bestens informiert.« Kudou neigte den Kopf. »Die persönlichen Differenzen zwischen den jetzigen Oberhäuptern Ihrer beiden Clans sind uns bekannt.« Er nickte Subaru zu, der sich zurückhalten musste, um nicht seine Fingernägel ins Sofa zu bohren. »Aber gerade weil das Verhältnis in dieser Generation so... persönlich ist, setzen wir besondere Hoffnung in Ihren Enkelsohn, Sumeragi-sama.« Er konnte ja nicht wissen, dass es sich um das Gegenteil von Differenzen handelte. Subaru räusperte sich. Seine Zunge fühlte sich an wie ein trockener, staubiger Lappen und seine Kehle wie Sandpapier. »Worum geht es denn genau, Kudou-san?« Seine Stimme war laut, deutlich und ganz und gar da, aber er selbst war nicht hier. Zumindest nicht wirklich. »Er ist verschwunden.« * Kudou erläuterte es genauer, diskutierte mit Subarus Großmutter—seit ein paar Wochen, spurlos, nein, sie wussten gar nichts, doch, es war wichtig—, aber Subaru hörte gar nicht mehr zu. Er war leer, von Kopf bis Fuß. Nun war es so weit, nun hatte Seishirou sich ihm vollständig entzogen. Es war, als hätte man ihn geschlagen. Sein Wunsch, ohnehin nicht mehr als eine kleine, zerknüllte Kugel in seinem Herzen, schrumpfte noch weiter in sich zusammen und verkümmerte. Dass sich irgendetwas jetzt noch so furchtbar anfühlen konnte. »Und Sie wollen, dass ich ihn wiederfinde?« sagte er hohl. Es wäre fast lustig gewesen: Da jagte er diesen Mann jahrelang auf eigene Faust, aus eigenen Motiven, fand ihn nur, wenn er gefunden werden wollte und nun fragte man ihn, jemanden zu finden, der nicht—oder nicht mehr—gefunden werden konnte. »Er ist der Sakurazukamori.« Kudou nickte. »In der Tat. Das ist auch der Grund, weshalb wir Sie darum bitten, und keinen anderen. Wenn Sie ihn nicht finden können, dann...« Er zuckte mit den Schultern. Neben sich konnte Subaru spüren, wie seine Großmutter sich anspannte, aufrichtete und vorbeugte. »Kudou-san. Ich bin sehr dankbar, dass Sie so viel Vertrauen in Subaru-san setzen, aber ich fürchte, dass Sie auf unsere Hilfe verzichten müssen, obwohl uns natürlich bewusst ist, dass diese Angelegenheit für die nationale Sicherheit von Belang ist...« Subaru faltete die Hände im Schoß und grub die Fingernägel in seine Handrücken. Vernarbte Haut brach fast wieder neu auf. Im Grunde genommen war alles wie immer, oder etwa nicht? * Das zwölfte Oberhaupt der Sumeragi war eher, was Kudou erwartet hatte: eine beeindruckende Person—trotz des Rollstuhls—, die genau die Art stille Kraft ausstrahlte, die Sumeragi Subaru fehlte. Aber auch sie wirkte... gebrochen. Irgendetwas musste in dieser Familie vorgefallen sein—und den Reaktionen sowie dem Verhalten der Beiden nach zu urteilen, war der Sakurazukamori maßgeblich daran beteiligt gewesen. Er würde mehr darüber in Erfahrung bringen müssen. Die Oberhäupter der beiden Clans waren vor einigen Jahren äußerst heftig aneinandergeraten. So viel war ihm bekannt. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung war Subarus Schwester verschwunden, wahrscheinlich ermordet. Mehr wusste auch der Geheimdienst nicht, aber Kudou würde sich im Rahmen dieses Falles wohl noch genauer damit beschäftigen müssen. Noch mehr Überstunden. Nana-chan wird traurig sein... Kudou seufzte—hoffentlich hatte das niemand gehört. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem ehemaligen Oberhaupt zu. Der Ausdruck in ihren Augen erschreckte ihn: nicht bösartig, aber so entschlossen, dass er das Gefühl hatte, sie würde sich durch nichts und niemanden von ihrer Entscheidung abbringen lassen, und wenn es ihren Tod bedeutete. Aber das stand bei ihr ja ohnehin nicht zur Debatte. Was fest stand war, dass er seine Strategie ändern musste, denn bei ihr würde er so nicht weit kommen. Er räusperte sich. »Sumeragi-san«, wandte er sich an den jungen Mann, der ihn kaum zu sehen schien. »Ich verstehe schon, warum sie nicht so ohne weiteres dazu bereit sind, diesen Auftrag anzunehmen. Aber ich fürchte, sie haben keine große Wahl.« Er hob eine Hand, als das ehemalige Oberhaupt ansetzte, zu sprechen. »Natürlich können sie ausschlagen, aber es hängt mehr davon ab, als sie glauben. Auch wenn sie vermuten, dass wir den Sakurazukamori als unser Werkzeug brauchen, um unliebsame Personen aus dem Weg zu räumen. Nun, das stimmt bis zu einem gewissen Grad, aber es geht um mehr als das; es geht um... das Gleichgewicht. Mit den ständigen Erdbeben, die Tokyo im Moment bedrohen, ist schon zu viel außer Kontrolle geraten. Wir brauchen den Mann, um wenigstens andere, leichter greifbare Bedrohungen aus der Welt zu schaffen.« Sumeragi machte ein Geräusch. Kudou sah ihn irritiert an. Hatte der Mann gerade gelacht? Er musste noch gestörter sein, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Als er dann sprach, klang er wirklich so, als würde er jeden Moment in irres Kichern ausbrechen. »Kudou-san, sie müssen sich dringend ein wenig näher informieren.« Sein Gesichtsausdruck wechselte abrupt zu ernsthaft-geschäftlich. Er richtete sich auf, die Hände locker im Schoß. Die Stellen, an denen er sich zuvor seine Fingernägel ins Fleisch gegraben hatte, waren als leuchtend rote Halbmonde zu sehen. »Aber ich werde es tun.« »Subaru-san...!« schaltete sich seine Großmutter, die bisher geschwiegen hatte, ein. »Ich muss es tun.« Stahlharte Entschlossenheit, die so gar nicht zu ihm passen wollte, schwang in seiner Stimme mit. »Und ich will es tun.« Sie senkte resigniert den Kopf. »Wenn du meinst, dass du es tun musst.« »Ich verspreche ihnen, dass es das wert ist«, sagte Kudou. Er hatte wenig Hoffnung, dass es funktionieren würde, aber er versuchte, sie ein wenig zu beruhigen. Immerhin konnte er all das sagen und ein reines Gewissen behalten. Es war wichtig. Und, so wenig Vertrauen er auch in Sumeragi steckte, das schien er zumindest zu verstehen. »Was können sie mir denn über Seishirou-san sagen? Haben sie irgendwelche Anhaltspunkte? Wissen sie, persönliche ›Differenzen‹ hin oder her, sehr viel weiß ich nicht über ihn. Er steckte immer voller Überraschungen.« Über Sumeragis Gesicht huschte... Melancholie? Als hätte er sehr schmerzhafte, aber trotzdem gute Erinnerungen. Was war ihm bloß zugestoßen? Kudou wandte sich ab. Er hätte gerne mehr erfahren, nur indem er ihn ansah, aber zum Einen war das Blödsinn und zum Anderen konnte er ihm einfach nicht lange in die Augen schauen. »Subaru-san...« begann das ehemalige Oberhaupt und Kudou bemerkte, dass er so schnell wie möglich mit diesem Auftrag fertig werden wollte. Es schien, als sollten die Beiden sich so bald wie möglich alleine austauschen. Er wollte nicht zwischen ihnen stehen, wenn das passierte. Also räusperte er sich. »Wir haben nicht viel, wirklich nicht. Aber wir haben die Adresse und den Schlüssel zu seiner Wohnung. Nicht, dass einer von uns sie betreten konnte. Den Rest... würden wir Ihnen überlassen, Sumeragi-san.« Er stand auf und zog einen Zettel, sowie drei Schlüssel aus seiner Tasche. Er legte sie auf den Tisch, wo schon seine Visitenkarte neben der Teetasse lag. »Der Größte ist der Wohnungsschlüssel. Ich fürchte, die nächste Arbeit ruft...« Kudou verbeugte sich. »Sumeragi-sama, Sumeragi-san. Wenn sie noch Fragen haben, dann können sie mich jederzeit anrufen, egal zu welcher Tageszeit.« Sumeragi nickte. Er begleitete ihn zur Tür, wo Kudou sich kurz für den Tee bedankte und sein Angebot wiederholte, bevor der Mann die Tür mit einem letzten Gruß schloss. Er konnte nicht anders, als erleichtert zu sein. Warum hatte unbedingt er diesen Fall übernehmen müssen? Es war nicht so, als wäre er der Einzige gewesen, der dafür in Frage gekommen war. Sumeragi war... nun, er wollte nicht furchterregend sagen, aber es war nicht weit davon entfernt. Sein Blick war so... leer. Außerdem hatte Kudou zwar gehört, dass der Mann bei einem Unfall—wirklich? So langsam glaubte er das nicht mehr—eines seiner Augen eingebüßt hatte, aber mit diesem Anblick hätte er nicht gerechnet. Außerdem hatte sein übereiltes Verschwinden seinen kompletten Zeitplan durcheinander gebracht. Immerhin wird Nana-chan sich freuen, wenn ich früher nach Hause komme. * Subaru blieb, nachdem er Kudou verabschiedet hatte, noch eine Weile im Flur stehen, um sich auf die Auseinandersetzung mit seiner Großmutter vorzubereiten, die sicher folgen würde. Er fuhr sich durchs Haar, wischte sich mit der anderen Hand den Schweiß von der Oberlippe und machte sich dann auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Zu seiner Überraschung sah sie ihn nicht einmal an, als er die Tür öffnete. Wie sie dasaß, die Hände im Schoß und die Augen geschlossen, versetzte es ihm einen kleinen Stich. Früher hatte sie unbeugsam gewirkt, aber nun saß sie da, als wäre sie geschrumpft, obwohl man ihr die Kraft und Würde, die sie besaß, immer noch ansah. Aber dennoch, wäre sie nicht seine Großmutter gewesen, dann wäre sie ihm auf der Straße nicht aufgefallen. Das war früher anders gewesen. Subaru atmete tief durch. »Großmutter...« »Ich wünschte, du würdest es nicht machen«, sagte sie harsch. Bitter? Er konnte es ihr nicht verübeln. »Nach allem, was er getan hat. Ich weiß, du jagst ihn ohnehin, Subaru-san, aber wäre es nicht besser, wenn er verschwunden bleiben würde?« Subaru, der immer noch im Türrahmen stand, schüttelte den Kopf. »Es ist nicht besser.« Er konnte seinen Teppich nicht leiden, überlegte er, während er den Raum durchquerte. Selbst durch seine Socken hindurch brannten die Fasern auf seiner Haut. Warum war ihm das nie zuvor aufgefallen? »Ich weiß, dass du das nicht verstehen kannst, aber ich muss es tun. Es ist wichtig. Ich muss mehr wissen.« Seine eigenen Worte taten ihm weh. Er war so viel gewachsen, seit früher, fuhr es ihm durch den Kopf. Er hatte seine Großmutter nie so sehr überragt, auch nicht, wenn sie saß und er stand. Schon seit langem hatte er diesen Drang nicht mehr verspürt, niemandem gegenüber, aber wenn er sie so sah, dann wollte er sie am liebsten einfach nur in den Arm nehmen. Nicht, dass sie das jemals zugelassen hätte. Aber sie nahm seine Hand. Das hatte sie schon sehr lange nicht mehr, und auch früher nur sehr selten, getan. Das letzte Mal, an das er sich erinnerte, war neun Jahre her und noch vor ihrer allerletzten Begegnung gewesen. Damals hatte er noch Handschuhe getragen und nicht gemerkt, wie kalt und knochig ihre Hände waren. Lass dich von den Sakura nicht verführen! Lass dir nicht von den Sakura das Herz rauben. Wie konnte Lächeln so sehr wehtun? Subaru drückte ihre Hand. Verzeih mir. Oma. Es war schon zu spät. »Ich werde dich auch hier nicht aufhalten«, sagte sie langsam und sehr, sehr leise. Auch sie drückte seine Hand, und zwar so fest, dass es ihm fast wehtat. »Aber bitte, versprich mir, dass du auf dich aufpasst.« Subaru senkte den Kopf. Er hätte gerne genickt, aber er wollte nicht mehr lügen. »Es tut mir Leid. Ich kann das nicht versprechen«, sagte er und fügte fast geflüstert hinzu: »Aber ich würde gerne.« Er nahm ihre Finger in beide Hände und drückte ein letztes Mal sanft zu, bevor er sie losließ. Seine Großmutter nickte nur. »Ich verstehe.« Sie richtete sich in ihrem Rollstuhl gerade auf und straffte die Schultern. »Ich muss nun gehen.« An der Tür wandte sie sich noch einmal zu ihm um, ihr Gesicht voll Sorge. »Viel Glück, Subaru-san.« »Danke«, wollte er sagen, aber er tat es nicht. Es war einfach nicht angemessen. * »Soll ich dich fahren? Es ist schon spät.« »Nein, das geht schon. Ich gehe gerne zu Fuß. Aber vielen Dank für das Angebot, Seishirou-san.« »Darf ich dann einfach so mitkommen? Oder ist das ein ganz unglaublich geheimer Auftrag, von dem niemand etwas wissen darf?« Seishirous Lächeln gehörte mit Sicherheit zu dem Schönsten, das Subaru jemals gesehen hatte. Er legte den Kopf schief. »Du darfst gerne mitkommen, aber ich möchte deine Zeit nicht verschwenden....« »Ich komme gerne mit.« * Es war die selbe Straße. Eine bessere Wohngegend, Kirschbäume—kahl zu dieser Jahreszeit—auf der einen Straßenseite, luxuriöse Apartmentblocks auf der anderen. Es war eigentlich ein guter Ort zum wohnen: Nicht mitten im Stadtzentrum, aber nah genug und mit hervorragender Verkehrsanbindung, egal, ob man weiter in, oder aus der Stadt wollte. Über den Gebäuden sah man die von der sinkenden Sonne rot angestrahlten Wolken, deren Ränder zu bluten schienen. Hatte es Seishirou damals so gut gefallen, dass er hier eingezogen war? Ein kleiner Tierarzt hätte sich hier niemals auch nur die kleinste Wohnung leisten können, aber für den Sakurazukamori war wahrscheinlich nichts unmöglich. Subaru nahm die Treppe, um seine Beine zu beschäftigen. Die gleichmäßige Bewegung tat gut und lenkte ihn ab. Im dritten Stock schmerzten seine Waden und seine Knie und es tat immer noch gut. Vielleicht fühlte es sich sogar noch besser an. Vierter Stock, Apartment Nummer vier. Seishirou hatte einen seltsamen Sinn für Humor. Vielleicht ging es ihm aber auch nur um den großartigen Ausblick: das Gebäude war nicht besonders hoch, aber immerhin befand er sich im obersten Stock und es gab ganz allgemein nicht sehr viele besonders große Gebäude in der unmittelbaren Umgebung, weshalb man von hier aus sehr weit über die Stadt sehen konnte. Oder zumindest nahm Subaru das an. Durch die eher kleinen Fenster im Flur, der zu einer Seite zur Wand und zur anderen zu den Türen zeigte, konnte man auf jeden Fall schon genug sehen. Wie bei den anderen Stockwerken auch, wurden hier die Wohnungen jeweils neu durchgezählt und Nummer vier war das letzte. Schon sofort, nachdem er die Treppe verlassen hatte, hatte er den Schlüssel in der Hand. Er schloss auf, sobald er vor der Tür stand: Ein Moment des Zögerns, und war er noch so kurz, und der Drang, umzukehren könnte zu groß werden. Subaru streckte die Hand aus, umschloss das kühle Metall der Türklinke und drückte sie herunter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)