E-MI von Jadis ================================================================================ Kapitel 4: Runde 4 ------------------ Die Tage vergingen. Aus ihnen wurden Wochen, aus Wochen wurden Monate, ohne dass sich etwas änderte. Jede Minute war so trist und leer wie die davor. Und der Gedanke, dass es ewig so weiter gehen würde, entzog ihr alle Hoffnung. Ihre einzige Ablenkung die man auch annähernd als Trost bezeichnen konnte, war Mila. Sie war wie eh und je der Vorzeigeengel und ließ sich durch Nichts von ihrer Aufgabe abbringen. Sie würde dieses „Leben“ bis zum Tag des Jüngsten Gerichts leben. „Komm schon Bill“, versuchte Tom seinen Bruder zu überreden „da draußen stehen genug Mädels, da wird wohl eine dabei sein die deinen hohen Ansprüchen wenigstens ein bisschen genügt.“ Bill wirkte genervt. Emi lächelte melancholisch. Sie wusste wie sehr er es hasste, wenn Tom versuchte ihn zu überreden sich auf einen Groupie einzulassen. „Ich hab dir schon tausend Mal erklärt, dass es mich anekelt, was du da jede Nacht abziehst und ich werde einen Teufel tun auch so zu werden.“ Emi war so stolz auf ihn, nur nicht klein kriegen lassen. Sie beobachtete wie die beiden sich stritten, war jedoch selber tief in ihren dunklen Gedanken versunken. „Okay“, begann Mila als die Diskussion der Brüder immer hitziger wurde „ich schnapp mir lieber mal mein Filzlöckchen bevor das Ganze hier noch eskaliert.“ Emi sah zu wie Mila Tom sanft dazu bewegte aufzustehen und sich in Richtung Tür in Bewegung zu setzen. Sein Mundwinkel zuckte leicht, das tat er immer, wenn sie mit ihm redete. „Können Engel eigentlich sterben?“ fragte Emi plötzlich und strich mit ihrer Hand an Bills Wange entlang, als würde sie ihn streicheln. Kurz darauf berührte er diese Stelle und sah kurz nach rechts, in die Richtung in der Emi sich befand. Ihre Augen weiteten sich kaum merklich und sahen ihn fragend an. Mila schien davon Nichts bemerkt zu haben. Konnte es sein, dass…? „Tu bitte nichts Unüberlegtes!“ sagte ihre Freundin alarmiert und Emis Aufmerksamkeit widmete sich wieder ihr. Mila hatte ihre liebe Mühe damit, Tom wirklich zum Gehen bewegen zu können. „Nein“, beruhigte Emi und wartete bis sie mit Bill wieder allein war „ich hab mir alles ganz genau überlegt.“ ~ Diese Nacht tat Bill kein Auge zu. Er lag stundenlang einfach nur da und starrte, ohne eine einzige Regung zu zeigen, an die Decke. Emi schwieg. Sie war angespannt. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, sagte sie sich immer wieder im Stillen und beobachtete wie eine einsame Träne sich ihren Weg aus Bills Augenwinkel und über seine Wange bahnte. Würde ihr Herz noch schlagen, wäre es jetzt vermutlich vor Kummer stehen geblieben. Wenn er nur wüsste, dass es jemanden gab, der sich Sorgen um ihn machte, der Tag und Nacht bei ihm war und der nie zulassen würde, dass ihm irgendein Unheil geschieht. Wenn er es nur wüsste… Ihre zitternden Hände verkrampften sich und zerknitterten den weißen Stoff ihres Kleides als sie mit zusammengekniffenen Augen seinen Namen rief und vor ihm auf das Bett fiel. Ungestüm schnellte Bills Oberkörper nach oben und er starrte mit weit aufgerissenen Augen in das Dunkel des Zimmers. „Wer ist da?“ hörte sie seine belegte Stimme durchs Zimmer hallen. Ungläubig hob sie ihren Blick und sah ihn aus wässrigen Augen an. „Kannst du mich hören?“ flüsterte sie fragend und wagte es kaum ihren Blick von ihm zu nehmen, aus Angst irgendeine Regung in seinem Gesicht zu verpassen. Er räusperte sich. „Bill?“ „Wo bist du?“ fragte er weiter und seine anfängliche Sorge begann in Aufgebrachtheit zu kippen. Er ging zur Tür, riss diese auf und starrte auf den leeren Gang des Hotels. „Bill, ich bin hier!“ schrie Emi regelrecht und lief zu ihm „Sag doch, kannst du mich wirklich hören?“ Sie wollte ihn berühren, doch stattdessen fiel sie durch ihn hindurch und prallte gegen eine Wand. Sie bemerkte wie er sich die Handflächen gegen die Schläfen drückte, die Augen fest zusammen kniff und den Kopf schüttelte. „NEIN!“ brüllte sie und war der Verzweiflung nahe „Ich bin wirklich hier, ich bin echt!“ Sie wollte nicht, dass er an seinem Verstand zweifelte. Wenn sie nur hartnäckig genug war, würde er sie sehen können, da war sie sich sicher. All ihren Impulsen nachgebend, lösten sich ihre Füße von dem Teppichboden und sie raste in die Nacht davon. Sie hasste sich bereits jetzt dafür, dass sie ihn in diesem Moment alleine ließ, doch es musste sein. Mos Schreibtisch war leer. Diese Tatsache verwirrte sie für einen kurzen Moment. Sie fragte sich wo er wohl war, aber eigentlich konnte ihr es nur recht sein, denn wenn er durch seine Anwesenheit geglänzt hätte, hätte er nur versucht sie aufzuhalten. Doch Emi hätte sich nicht aufhalten lassen, nicht einmal von Mo. Sie lief an seinem Schreibtisch vorbei und auf die gewaltige goldene Treppe zu. Anerkennend musste sie eingestehen, dass der schier endlose Aufstieg sie beeindruckte. Doch sie hatte keine Zeit zu verlieren. Sie raffte ihr Kleid und rannte los. Weshalb sie nicht flog, konnte sie sich selbst nicht erklären. Vermutlich hatte sie Angst, dass es, am Ziel angekommen, einen noch ungestümeren Eindruck machte, als es das jetzt schon tun würde. Auf ihrem Weg nach oben sah sie hin und wieder Lichterscheinungen die ihren Weg kreuzten. Nach Ewigkeiten hatte sie das Ende erreicht und gelangte auf eine unendlich weite Plattform aus weißen Wolken. Beinahe hatte sie vermutet, dass eine unsichtbare Barriere sie davon abhielt diesen Ort zu betreten, doch nichts dergleichen geschah. Blauer Himmel erstreckte sich über ihr und die Sonne badete die Wolken in goldenem Licht. Sie sah sich um. Sie konnte nicht sagen was sie erwartet hatte, einen goldenen Thron vielleicht oder wenigstens Engelschöre, aber hier war rein gar nichts. Hatte sie sich etwa getäuscht und die goldene Treppe war nur eine Finte gewesen? Sie ging ein paar unsichere Schritte. „Gott?“ fragte sie, doch niemand antwortete ihr. Dabei war sie sich so sicher gewesen. Ihr Blick wurde traurig. Sie würde jetzt wieder nach unten gehen und auf Mo warten, und dann würde sie sich einen Termin geben lassen. Sie wandte sich um, als sie einen kleinen rothaarigen Jungen erblickte, der zwischen ihr und der Treppe stand und eine Art Schläger in der Hand hielt und damit einen Ball über den Himmel beförderte. Er bedeckte seine Augen vor der Sonne um zu sehen wohin der Ball flog. Mit dem Ergebnis schien er nicht zufrieden zu sein, denn er rümpfte die sommersprossige Nase. „Was machst du denn hier?“ fragte Emi als sie näher getreten war. „Golf spielen.“ war dessen knappe Antwort und er drehte sich zu ihr. „Ein etwas ungewöhnlicher Platz.“ „Vielleicht. Du suchst Gott, oder?“ Emi wurde hellhörig. „Weißt du etwa wo er ist?“ Der Junge holte einen neuen Ball aus dem Nichts hervor und schlug ihn erneut in die Ferne, bevor er antwortete: „Du hast ihn gefunden.“ Emi schluckte und sah sich um. Hier war doch aber niemand, nur sie und… „Du?“ Doch von dem Jungen war keine Spur mehr zu sehen, stattdessen stand ein Abbild ihrer selbst vor ihr. „Ich kann jede Form annehmen die ich will. Verstört dich das? Oh, warte…“ Gottes Form änderte sich wieder und ein dunkelhäutiger, älterer Mann mit grauen Haaren und lilienweißen Anzug war jetzt ihr Gegenüber. „Besser?“ fragte er mit freundlicher, heller Stimme und Emi nickte nur „Ich weiß, was du dir wünschst“, fuhr er fort und ein leichtes Lächeln verschwand von seinen Lippen und er wurde ernst. Natürlich wusste er es, er war Gott. „Und ich kann dir das was du willst geben, ich stelle nur eine Bedingung.“ Was denn? Ihr Erstgeborenes? Das Lächeln auf seinen Lippen kehrte augenblicklich zurück. Las er etwa gerade ihre Gedanken? „Ich bin nicht Luzifer, liebe Emi“, erinnerte er sie und eine röte schoss ihr ins sonst so bleiche Gesicht „ich möchte nur ein Lied.“ „Ein… Lied?“ fragte sie ungläubig. Das wollte irgendwie keinen Sinn ergeben. Er streckte ihr die Hand entgegen und schüttelte ihre. Sie bemerkte, dass sich ein zusammengefaltetes Papier darin befand. „Versprich es.“ verlangte Gott ohne ihre Hand loszulassen. „Ja“, bestätigte Emi „ich verspreche es.“ Gott lächelte das warmherzigste Lächeln was sie je gesehen hatte. „Ich wünsche dir ein schönes Leben!“ sagte er und ließ ihre Hand los. Alles um sie herum verschwamm zu einem Farbenwirrwarr und als es aufhörte und das Gefühl des Fallens vorbei war, rasten zwei blendend weiße Lichter auf sie zu. Dann war da nichts mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)