Schicksalhafte Begegnung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Nur Sagen und Legenden?! ----------------------------------- Zwei Wochen war ich bereits hier. In diesen hatte ich mich genauestens in der Gegend und auf dem Schloss umgesehen. Meine Notizen nahmen zu und ich fühlte mich endlich wieder glücklich. Und doch, gab es im Schloss noch viele Orte, zu denen ich nicht hatte vordringen können. Nicht, dass ich keine Schlüssel gehabt hätte, allerdings waren die Schließmechanismen der Türen, die hinab in die Tiefen der Kellergewölbe führten, so verrostet, dass ich es nicht schaffte, den Schlüssel zu drehen und dann gab es da noch den Garten. Aber das merkwürdigste war, dass McGalway Castle, anders als jedes andere Schloss, das ich kannte, keine Schlosskapelle besaß… Im Mittelalter galt es als wichtig, dass jedes Schloss und jede Burg eine eigene Kapelle hatte. Doch warum gab es hier keinerlei Hinweise dafür? Wenn ich darüber nachdachte, gab es im gesamten Schloss auch keinerlei Kreuze oder sonstige Zeichen für religiöses Verhalten und dass im christlichen Irland… Ich kam zu dem Schluss, dass Raphael sich vielleicht von der Kirche abgewandt hatte und konnte das verstehen, immerhin war auch ich nicht der typisch christliche Mensch. Ich vergaß das Ganze wieder und verbrachte einige Zeit in der umfangreichen Bibliothek, denn ich liebte Bücher. So waren auch die letzten beiden Wochen vergangen. Mit Raphael hatte ich nur zu den Mahlzeiten Kontakt und auch da hielt er sich möglichst aus meiner Nähe fern. Ich vermutete, dass er eine Abneigung gegen mich hatte, wie es manchmal der Fall ist; schließlich konnte man nun mal nicht jeden mögen. Mary und der alte Sturgis hingegen blühten förmlich auf und lasen mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Sie waren einfach wunderbar und erinnerten mich sehr an meine Großeltern, welche ich sehr geliebt hatte. In meiner dritten Woche auf McGalway Castle bat ich um ein Auto und die Wegbeschreibung hinunter in das kleine Dorf, das sich außerhalb der Ländereien befand. Ich wollte mich dort mal umhören, um weitere Informationen für mein Studium zu sammeln. Zudem interessierten mich die Menschen, die es in solch einer Abgeschiedenheit aushielten. Zwar gab es auch hier alle Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation, doch größtenteils hielt man sich noch an die althergebrachten Werte und Traditionen. Eine halbe Stunde später erreichte ich das kleine Dorf Connemara und es gefiel mir auf Anhieb. In der Mitte erhob sich eine kleine, noch aus dem Mittelalter stammende Kapelle, direkt davor erstreckte sich ein Dorfplatz mit Brunnen, um den herum sich ein Gasthaus, ein Lebensmittelgeschäft und ein kleiner Laden mit allem, was man sonst so im täglichen Leben gebrauchen konnte, befanden. Mein Weg führte mich zunächst in das Lebensmittelgeschäft, denn obgleich ich oben im Schloss ziemlich alles bekam was sich benötigte, gab es immer noch gewisse Dinge, auf die ich nicht verzichten konnte und wollte. Als ich den Laden betrat, setzte Schweigen unter den vorher noch fröhlich schwatzenden Frauen ein. Ich fühlte mich kurz unbehaglich, doch dann trat eine etwas fülligere Dame auf mich zu, die – wie ich vermutete – wohl die Besitzerin des Ladens war. „Guten Tag Miss, willkommen in Connemara!“ sprach sie mich mit einem freundlichen Lächeln an und mein Unbehagen verflog. „Sind Sie auf der Durchreise oder möchten Sie eine zeitlang hier Urlaub machen?“ fragte sie mich neugierig. Dann schien sie zu bemerken, dass so etwas sicherlich sehr unhöflich war und sie sprach eilig weiter: „Oh verzeihen Sie bitte, ich bin manchmal etwas sehr neugierig, aber es kommt nicht oft vor, dass wir hier Besucher begrüßen können. So weit in die Highlands traut sich kaum jemand und dann auch noch eine Frau… Wie auch immer, was kann ich für Sie tun?“ schloss sie mit einem Lächeln. Völlig überrumpelt musste ich mich erstmal kurz sammeln, bevor ich das Lächeln erwiderte und meine Antwort gab. „Aber ich bitte Sie, dass ist kein Problem. Ich habe tatsächlich vor, einige Zeit hier in den Highlands zu bleiben, ich versuche mein Studium aufzubessern und wohne oben auf dem Schloss bei Mr. McGalway.“ Dieser Satz schien wie eine Bombe eingeschlagen zu haben. Mit Erstaunen sah ich, wie die Gesichter der Frauen einen entsetzen Ausdruck annahmen. Einige schlugen hastig das Kreuzzeichen stürzten eilig an mir vorbei aus dem Laden, immer darauf bedacht, mich nicht zu berühren. Andere starten mich mit ungläubigen Augen an. Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich verstand dieses Verhalten nicht und wandte mich an die Besitzerin, doch auch sie sah so erschrocken aus, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Also beschloss ich, dass es das Beste wäre, erst einmal meinen Einkauf zu tätigen und dabei so unauffällig wie möglich den Grund dieses absonderlichen Verhaltens zu erfahren. Die Frau schien sich zu fangen und sah mich wieder mit einem Lächeln an, doch ihre Augen behielten einen besorgten Ausdruck. Mir kam das komisch vor, also beschloss ich, zu fragen, was eigentlich los war: „Warum reagieren Sie alle so seltsam auf die Tatsache, dass ich dort oben wohne?“ „Ach junge Frau, wir sprechen eigentlich nicht darüber…“ „Bitte, ich möchte verstehen, was los ist. Immerhin waren Sie grade noch so lebhaft und fröhlich und von einem Moment auf den anderen schlug diese Stimmung um.“ Ich würde jetzt nicht locker lassen. Die Frau wand sich innerlich, ich konnte das erkennen, schließlich sagte man mir eine gute Menschenkenntnis nach. „Wissen Sie, wir leben hier sehr zurückgezogen und halten sehr an den alten Dingen fest. Hier oben vergisst man fast niemals irgendwelche Geschichten. Wir alle halten uns vom Schloss fern, den dort geht Böses vor sich.“ Danach schwieg sie und ich mochte sie nicht drängen, denn es war mehr als offensichtlich, dass sie nichts mehr sagen würde. Ich zahlte, dankte ihr und verließ den Laden. Auf dem Weg zum Wagen konnte ich deutlich die Blicke der Bewohner in meinem Rücken spüren, die Luft vibrierte schon fast vor Spannung und Angst. Ich legte die Einkäufe auf die Rückbank und sah mich noch einmal um. Mein Blick fiel auf die Kapelle und ich dachte nach. Musste der Pfarrer nicht bescheid wissen? Schließlich verwahrte die Kirche die Geschichte der Gegend in ihrem Archiv. Vielleicht konnte er mir erklären, was hier vor sich ging. Ich machte mich auf den Weg und betrat die kleine Kapelle. Im Innern empfing mich Ruhe. Mattes Licht fiel durch die bunten Bleiglasfenster. Ich musste kurz blinzeln, um meine Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Dann sah ich mich um und vernahm vorne, schräg hinter dem Altar eine Bewegung. Ich sah genauer hin und ging näher heran. Es war der Pfarrer. Er summte eine Melodie vor sich hin und bereitete die nächste Messe vor. Ich trat vor die Stufen und räusperte mich. Er zuckte zusammen und sprang fast in die Luft. Ich musste mir ein Grinsen schwer verkneifen. „Du meine Güte, da haben Sie mich aber erschreckt Miss!“ brachte er hervor und musste dann lachen. „Ich vergesse zu oft, dass die Türen der Kirche jederzeit für jeden offen sind und erschrecke mich dann, wenn ich plötzlich nicht mehr allein bin.“ Er war sehr sympathisch und ich schloss sofort vertrauen zu ihm. „Aber Sie sind doch bestimmt nicht hier, um über meine Schreckhaftigkeit zu sprechen. Ich bin Pater Ninian, was kann ich für Sie tun?“ „Mein Name ist Rachel“ sagte ich höflich, „ich wohne für einige Zeit hier in den Highlands. Ich bin heute das erste Mal hier unten im Dorf und wurde sogleich sehr überrascht“ „Überrascht?“ „Ja, in dem kleinen Lebensmitteladen wurde ich erst begrüßt und die Stimmung war sehr fröhlich. Als ich jedoch erwähnte, wo ich zur Zeit wohne, schlug mir sofort Entsetzen entgegen und die Leute wollten möglichst schnell aus meiner Nähe verschwinden.“ „Hm“ Er schien kurz in Gedanken versunken, dann richtete er seinen Blick fest auf meine Augen. „McGalway Castle, nicht wahr? Ihr Wohnsitz.„ „Woher wissen Sie das?“ Ich war so überrascht und er schien das zu merken, denn er lächelte kurz und bat mich platz zu nehmen. „Wir wohnen in einem kleinen Dorf, Miss Rachel, da bekommt man alles mit, was hier vor sich geht.“ Er lächelte kurz und begann dann mit seiner Geschichte. „Hier, in der Abgeschiedenheit der Highlands, herrscht zum Teil noch der alte Aberglauben. Legenden sind hier gegenwärtige und wenn man lange genug hier lebt, ist das auch nicht schwer nachzuvollziehen. Es sind einfache Menschen, die hier leben. Nun ja. McGalway Castle ist alt, sehr alt und natürlich gibt es auch um das Schloss Legenden. Doch nur eine vermag es wirklich, eine solche Furcht in den Menschen auszulösen, wie die, die Sie eben erlebt haben. Man sagt, dass dort oben Böses vor sich geht. Und vielleicht ist auch etwas Wahres an diesen ganzen Geschichten dran, denn es passieren grade in der näheren Umgebung des Schlosses viele seltsame Dinge. Früher verschwanden viele Leute, die sich des Nachts zu nah heranwagten. Man fand keinerlei Spuren. Doch wenn man den Überlieferungen Glauben schenken mag, tauchten die Leichen der Vermissten nach einiger Zeit wieder auf; jedoch trugen sie keinen Tropfen Blut mehr in sich und am Hals fand man immer zwei kleine Löcher. Die Menschen glaubten natürlich sofort an Vampire und rückten den Schlossherren mit Weihwasser, Kreuzen und Knoblauch zu Leibe. Das alles zeigte jedoch keinerlei Wirkung. Dann muss es eine zeitlang aufgehört haben. Die Sagen über die Vampire rückten fast in Vergessenheit und man erzählte sie sich nur noch in geselligen Runden. Niemand glaubte mehr daran. Doch seit einiger Zeit finden die Männer, die in den Wald zum Holz schlagen gehen, des Öfteren Tierleichen, die die selben Merkmale aufweisen, wie einst die Menschen in den alten Geschichten. Natürlich lebt damit die Angst wieder auf, zu mal der junge McGalway genau zu der Zeit wieder aufs Schloss zurückkehrte, als man die ersten Tiere fand. Die Menschen glauben natürlich, dass er etwas damit zu tun hat. Und dann gibt es da noch etwas. Haben Sie das Labyrinth oben im Schlossgarten entdeckt?“ Ich sah etwas in seinen Augen aufblitzen bevor er - ohne auf meine Antwort zu warten – fortfuhr: „Wie ich Ihnen bereits mitteilte, sind vor längerer Zeit viele Menschen verschwunden und nachher wieder aufgetaucht. Ein junges Mädchen jedoch, es heißt sie sei erst 21 gewesen, ist eines Tages einfach verschwunden und nie wieder gesehen worden. Die älteren Dorfbewohner behaupten, sie sei die Verlobte des jungen McGalway gewesen. Sie behaupten, er habe sie getötet und seid dem soll sie als Geist im Schloss umherspuken.“ Er schwieg. Ich dachte über all das nach und kam zu dem Schluss, dass es zwar amüsante Geschichten waren, jedoch keinerlei Wahrheitsgehalt in ihnen enthalten war. Ich glaubte nicht daran. Und doch … konnte nicht vielleicht etwas Wahres in ihnen stecken? Die Neugier überwog. „Was halten denn Sie davon? Glauben Sie auch, dass Mr. McGalway ein Vampir ist und das er seine Verlobte ermordet hat?“ Der Pfarrer grinste nun kurz und sagte: „Ehrlich gesagt: Nein! Ich glaube nicht daran. Oder hat er Sie bereits verwandelt?“ Er lachte und ich stimmte mit ein. Natürlich war das Unsinn. Ich hatte bisher noch keine Löcher in meinem Hals. „Glauben Sie nicht alles, was die Leute hier denken und sagen, ich tue es auch nicht. Genießen Sie einfach Ihren Aufenthalt hier und haben Sie Spaß. Aber ich bitte Sie, trotzdem vorsichtig zu sein.“ „Danke, das werde ich machen. Und danke auch, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir das Verhalten der Leute zu erklären.“ Ich stand auf, gab ihm die Hand und wandte mich zum gehen. „Besuchen Sie mich mal wieder, Mrs. Rachel.“ „Das werde ich. Und nochmals vielen Dank Pater Ninian.“ Ich hatte mich nach dem Abendessen in die Bibliothek zurückgezogen. Mary fragte zwar, wie mir Connemara gefallen hatte, doch ich gab nur eine ausweichende Antwort. Das, was der Pfarrer mit erzählt hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und doch – irgendwie kam es mir mehr als unwahrscheinlich vor, schließlich gab es keinerlei Beweise dafür, dass Vampire tatsächlich existierten und auch Geister hatte ich bisher noch nirgendwo entdeckt. Trotzdem war es seltsam. Wenn dieses junge Mädchen tatsächlich hier gelebt hatte, warum gab es keine Bilder oder sonstige Anzeichen für ihre Existenz hier im Schloss? Ich seufzte und beschloss, noch ein wenig spazieren zu gehen bevor ich Mary auf das Mädchen ansprach. Ich musste erst meine Gedanken sammeln. Ich trat durch die Terrassentüren hinaus und wanderte ein wenig durch den Park. In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, wie ich den Park verließ und in einen Wald gelangte. Als ich bemerkte, wo ich gelandet war, blieb ich stehen und sah mich um. Mehr als Bäume und Hecken konnte ich nicht erkennen. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen – ich befand mich im Labyrinth. Ich wollte mich grade wieder umdrehen und zurückgehen, als hinter mir ein Schlürfen zu hören war. Neugierig wie ich bin, drehte ich mich um und folgte den Geräuschen. Ich blickte hinter einem Baum hervor und sah eine Lichtung. Doch das, was ich dort erkennen konnte, ließ mein Herz rasen und Entsetzen durchflutete mich. Mitten auf der Lichtung lag ein Reh. Und über das Tier gebeugt, anscheinend die Zähne in seinen Hals vergraben, stand jemand. Moment! Zähne im Hals?! Hallo, Erde an Rachel!!! Das. Ist. Unmöglich! Ich glaub ich werde verrückt. Ich blinzelte und sah nochmals hin. Als das Wesen sich aufrichtete, setzte mein Herz aus. Ich blickte direkt in die bernsteinfarbenen Augen von … Raphael! Nur, das diese jetzt dunkel, fast schwarz waren. Blut lief sein Kinn hinunter und er war mitten in der Bewegung erstarrt. Sein Blick hielt mich gefangen, ich konnte mich nicht bewegen. Als er seine Hand in meine Richtung streckte, fiel die Starre von mir ab und ich drehte mich rum um los zu rennen. Ich konnte hören, dass er mir folgte und versuchte schneller zu laufen. Er kam näher und ein Blick über die Schulter zeigte mir, dass er nur noch die Hand ausstrecken musste, um mich zu fassen. In diesem Moment blieb ich an einer Wurzel hängen und stürzte. Dann nahm ich wahr, wie Raphael sich über mich beugte. Um mich herum wurde alles schwarz. Ich spürte die Wärme eines Feuers auf meiner Haut und wachte auf. Plötzlich fiel mir alles wieder ein. Ruckartig riss ich meine Augen auf und schoss mit dem Oberkörper hoch. Sofort erfasste mich Schwindel und ich lies mich langsam zurück sinken. Moment. Feuer? War ich nicht eben noch im Wald gewesen? Wie kam ich hierher? Ich tastete meinen Hals ab, doch da war nichts. „Rachel, um Himmels Willen, was haben Sie da draußen gemacht? Ich habe Sie auf dem Rückweg von der Garage im Hof gefunden, bewusstlos!“ Erschrocken drehte ich mich um. Ich hatte nicht bemerkt, dass außer mir noch jemand im Raum war. Ich blickte direkt in Raphaels besorgte Augen. Erschrocken rückte ich weiter von ihm weg. Nichts gab Anzeichen auf das Geschehen, dass ich meinte, gesehen zu haben. Ich gab eine ausweichende Antwort, doch die Besorgnis blieb in seinem Blick. Dann nickte er kurz und ließ mich mit einem gemurmelten Nachtgruß alleine in meinem Zimmer zurück. Er war mir immer noch ein Rätsel. Ich konnte nicht klar denken, mein Kopf dröhnte und die schrecklichen Bilder, die ich glaubte gesehen zu haben, traten immer wieder in mein Gedächtnis. - Was auch immer du zu verbergen suchst Raphael McGalway, ich werde es herausfinden! - Mit diesem Schwur drehte ich mich im Bett auf die Seite und war innerhalb weniger Sekunden wieder eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)