Die 70 Tore von NeunMephistopheles ================================================================================ Das Spiel hat begonnen ---------------------- Akkarin ging langsam hin und her. Die Zähne fest zusammengebissen und die Hände zu Fäusten geballt, wurden seine Schritte immer schneller und wütender. Sein schwarzes Haar flatterte in der leichten Briese des verhassten Dämonenreiches. „Dieses verdammte Miststück einer Dämonin. Wie konnte ich nur so dumm sein und mich von der Prinzessin persönlich gefangen nehmen lassen?“ Weitere Fragen stürmten in seinem Kopf umher, bis er sie mit einem energischen Kopfschütteln verjagte. „Ich muss einen Ausweg finden.“, murmelte er gedankenverloren und strich sich die störenden Strähnen aus dem Gesicht. „Ich werde nicht eher entlassen, bis ich den Auftrag ausgeführt habe, doch ich bezweifle, dass diese verfluchte Hexe mich gehen lassen wird. Ich kann den Auftrag nicht ausführen, denn sonst würde ich mein Gelübte Sam gegenüber brechen.“, sein Murmeln ging im Rauschen der Tannen um ihn herum unter, doch es war nicht wichtig, ob es jemand hörte oder nicht. Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Dieses Gelübte konnte ihn von der Verpflichtung der Dämonenprinzessin entbinden, wenn er einen Weg fand, Sam zu benachrichtigen. Seinem Wissen nach war der Rabe nicht im Dämonenreich und alle Tore waren geschlossen. Doch wozu war er einer der ältesten Hüter, die die vier Angels ausbildeten? Nachdem Cedrik abgetreten war, hatte er sich diesen Platz gesichert, um die Angels zu leiten und zu führen. Dass jedoch plötzlich das Gleichgewicht zwischen den Welten zerbrach und die Dämonen aus dem Dämonentor drangen, lag nicht in seinem Plan. Nun musste er etwas dagegen tun, dieses schändliche Tor wieder zu schließen und dabei benötigte er die Hilfe der Angels. Mit neuem Mut machte Akkarin sich auf den Weg durch die verschlungenen Pfade des Dämonenreiches, um seine vier Schützlinge zu suchen. Katherine lachte leise vor sich hin, als sie ihren Sklaven im Spiegel beobachtete. Es amüsierte sie wahrhaft, dass er sich solche Gedanken um die vier kleinen Menschen machte, die in ihrer Welt durch die Gegend turnten. „Du wirst es nicht schaffen, mein Lieber, und dann gehörst du für immer mir. Vielleicht hättest du das Kleingedruckte noch lesen sollen, als du meinen Auftrag so unwissentlich annahmst.“ Ein gehässiges Lachen entschlüpfte ihr und sie wischte über den Spiegel. Das Bild verschwand. „Was willst du hier?“, fragte Kathy mit schneidender Stimme und wandte sich um. In dem großen Tor zu ihren Gemächern stand ihr verhasster Bruder. Arazen grinste spöttisch. „Wie ich sehe, hast du ein neues Spielzeug. Doch es wird wahrscheinlich nicht lange halten, so wie du dein Spielzeug immer behandelst, kleine Schwester.“ „Lass mich in Ruhe, du Taugenichts. Ich bin beschäftigt.“, fauchte die Prinzessin drohend und kam gemessenen Schrittes auf ihren Bruder zu. „Vergiss niemals, wer alles in deiner Familie ist.“, zischte Arazen und wandte sich hoheitlich um. „Dieses Mal wirst du dein kleines Spiel nicht gewinnen.“ Mit diesen letzten Worten war er verschwunden. Kathy fiel erst auf, dass ihr der Mund offen stand, als einer der bediensteten Dämonen sie anstarrte. „Verschwinde!“, fauchte sie und stieß ihn beiseite, dann rauschte sie aus ihren Gemächern. Arazen hatte das Schloss sofort verlassen. Eine seltsame Erregung packte ihn, als er die Geschehnisse durchdachte, die durch seine Schwester ausgelöst worden waren. Das alles versprach, ein interessantes Spiel zu werden, aus dem er, der Kronprinz des westlichen Dämonenreiches, als Sieger herausgehen wird. „Mike, Ken. Kommt auf der Stelle her zu mir.“, befahl er und machte eine Handbewegung. Als er wartete, ließ er sich auf einem bequemen Ledersofa nieder und trank einen Schluck des neuen roten Weines, den seine Diener unter allen erdenklichen Schwierigkeiten und Problemen aus dem hintersten Winkel des Reiches her gebracht hatten. Plötzlich standen anstatt zwei Personen, drei auf seiner Matte. Mike und Ken und ein verängstigtes, junges Menschenmädchen. „Was hat das hier zu bedeuten?“, fragte Arazen ungehalten und sprang auf. Kira wich ein wenig zurück und positionierte sich zwischen Mike und Ken. „Wenigstens wissen wir jetzt, dass du wirklich Mike bist.“, murmelte Ken und wandte sich erst dann zu Arazen um. „Was das hier zu bedeuten hat? Fragt das Eure liebenswürdige Schwester.“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war kaum überhörbar. „Sie setzt gegen uns Wandler als Spione ein und beschattet uns. Sie hat Mike kopiert und ihn mit mir streiten lassen.“ Arazen seufzte. „Das verspricht ein lustiges Spiel zu werden.“, kicherte er abenteuerlustig und setzte sich wieder. „Nehmt Platz meine Freunde. Ich habe viel mit euch zu besprechen. Und stellt mir doch diese Kleine vor.“, mit geschmeidigen Bewegungen drapierte er seinen schlanken Körper in der Gestalt eines jungen Mannes über die Ledercouch. Ken seufzte. Er kannte den Prinzen des Westlichen Dämonenreiches seit Kindesbeinen an, doch jetzt kam er ihm ein wenig fremd vor. „Das ist Kira. Sie ist eine der vier Angels, die deine Schwester im Reich festhält, da sie veranlasst hat, alle Tore zu schließen.“, erklärte Ken knapp und erzählte, was an der Hütte Mikes geschehen war. Arazen hörte aufmerksam zu und unterbrach die beiden Freunde nicht einmal. Anschließend stellte er noch einige Fragen, dann kehrte das Glitzern in seine Augen zurück. „Das Spiel hat begonnen und wir sind alle Mitspieler.“, sagte er breit grinsend. „Meine Schwester hat ihren Attentäter gesetzt, Akkarin den Hüter. Er soll seine Schützlinge umbringen.“ Kira, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein Wort gesprochen hatte, sog scharf Luft ein. „Mir reicht es! Das ist doch kein Spiel mehr!“ Sie war aufgesprungen und starrte Arazen in seine tiefschwarzen Augen. Ihr Blick war so intensiv, dass Arazen seinen schaudernd abwandte und sagte: „Es ist unser Zeitvertrieb hier. Wir sind gefangen in unserem eigenen Reich, gefangen von euch Hütern. Irgendetwas müssen wir doch tun, um uns die Langeweile zu vertreiben. So lief es schon vor hunderten von Jahren, seitdem die Tore geschlossen wurden. Wir betrachten das Leben als Spiel.“ „Es ist mir egal. Ich bin keine Spielfigur in deinem verdammten Spiel! Lass mich in Ruhe!“ Ein blauer Lichtschimmer umgab sie, als sie sich erhob und vor den drei Dämonen aufbaute. „Kira, bitte.“, sagte Ken sanft. „Wir müssen dieses Spiel spielen, sonst wirst du niemals zurück in deine Welt kommen.“ Er legte ihr eine Hand auf den schlanken Unterarm und wollte sie zurück auf die Couch ziehen, doch sie löste seine Hand entschieden. Mit Verbitterung im Blick sah sie ihn an und sagte: „Ich mag dich Ken, ich mag dich sogar sehr, aber mich in diesen Mist zu verwickeln, dafür hasse ich dich!“ Diese Worte trafen Ken tief, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. „Kira, du wirst anders nicht aus dieser Welt gelangen, Ken hat recht. Du musst unseren Spielregeln folgen.“, sagte Arazen leise und bat Kira, sich wieder zu setzen. „Anders wirst du hier nicht lange überleben, fürchte ich. Ich kenne meine Schwester.“ Wut kochte in Kira, es fehlte nur noch ein einziger Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. „Was springt für mich heraus, wenn ich mitspiele?“, fragte sie scharf. „Und sagt mir lieber gleich die Wahrheit. Ich erkenne, wenn mich jemand belügt.“ „Du wirst deine Freiheit erlangen.“, meldete sich jetzt Mike zu Wort. „Die Freiheit, das zu tun, was immer dir beliebt.“ Ann sah sich erschrocken um. Sie war eingeschlafen. Hatte sie die Stimme nur geträumt? Ihr Nacken schmerzte. Sie erinnerte sich an einen vermoderten Geruch und Feuchtigkeit, doch nichts davon war in der Wirklichkeit. Oder träumte sie wieder? Als die Blonde sich umsah, erkannte sie, dass sie sich in einem von Licht durchfluteten Raum befand. Was tat sie hier? Ann erinnerte sich wieder an Eànn. Die Dämonin. Mit ihren Geliebten. Blaue Felder kamen ihr in den Sinn, blau von all den leuchtenden Kornblumen. Sie dachte an Kira. Ihre Magie war blau gewesen. Sollte ihr das etwas sagen? Sie dachte nach, doch ein heftiger Kopfschmerz zuckte durch ihre Schläfen. Langsam stand sie aus dem weichen Federbett auf und sah an sich hinab. Sie trug Kleidung, an die sie sich nicht erinnerte. Panik ergriff sie. Sie war im Dämonenreich. Kalte Angst schlich ihr durch die Knochen. Hastig rannte sie aus dem Zimmer hinaus und fand sich in einem hellen, blauen Flur wieder. Blau, überall blau. Verzweifelt drehte sie sich im Kreis und blickte um sich. Wurde sie verrückt? Sie kicherte fast hysterisch. Was für ein verrückter Gedanke. Alles um Ann herum schien sich im Kreis zu drehen. Ruckartig wurde sie aus ihrem Karussell der Gedanken gerissen und sah sich Eànn gegenüber. „Was für ein Zufall.“, kicherte Ann. „Eine Dämonin. Wie lustig.“ Verwirrt sah Eànn die Angel an, doch dann schien ihr etwas klar zu werden. Einige Menschen wurden verrückt, wenn sie zu lange in der Dämonenwelt verbrachten. „Ann, komm zu dir! Es ist wichtig.“, Eànn schüttelte das Mädchen leicht, doch eine andere Reaktion als das hysterische Kichern blieb aus. „Ann, sieh mich an.“ Eine andere Stimme, scheinbar in Anns Kopf, sprach, leise und eindringlich. „Ann, konzentriere dich. Dein Leben und das deiner Freunde hängt davon ab“ Die Stimme war immer noch körperlos, doch seltsam vertraut. „Wer bist du?“, fragte Ann und sah sich in der plötzlichen Dunkelheit um. „Ich kenne dich. Zeig dich.“ „Konzentriere dich, Ann, dann wirst du mich auch sehen können. Nimm deine Kräfte zusammen, ich glaube an dich.“ In der Dunkelheit vor sich glaubte Ann ein grünes Schimmern zu erkennen. Das Schimmern wurde deutlicher und intensiver. Der Schatten einer Person hob sich vom grünen Licht ab. „Bist du es wirklich?“, fragte Ann leise. „Bist du wirklich Elisa?“ Die Frau nickte. Sie trug ein weites, flatterndes grünes Kleid. Die vielen verschiedenen grünen Lichter um sie herum blendeten Ann ein wenig, doch sie konnte nicht aufhören, zu ihrer Urangel aufzublicken. „Was steht für uns meine Liebe? Hast du es schon vergessen?“, fragte Elisa sanft und nahm Ann am Arm um sie ein wenig zu führen. Die Dunkelheit wurde zu einer grauen Welt. Geschockt blickte Ann um sich. „Wo sind wir hier?“, fragte sie leise. „In einer der vielen Welten.“, antwortete Elisa geduldig. „Sieh dort.“ Mit einer einfachen Handbewegung zeigte sie auf einen kleinen grünen Fleck zwischen den Trümmern. „Die Hoffnung stirbt nicht.“, erklärte die Urangel. Der kleine grüne Keim wurde vor Anns Augen größer und größer und wurde zu einem prächtigen Baum, der immer und immer wieder die verschiedenen Jahreszeiten durchlebte und dessen Blätter farbenfroh leuchteten. Um den Baum herum wurde die zerstörte Welt im Verlauf der Jahre und Jahrzehnte wieder grün. „Das ist die Farbe der Hoffung. Du trägst sie in dir, vergiss das niemals, Ann, sie ist so wichtig wie dein Leben.“ Das Mädchen nickte und betrachtete den jetzt orangen Baum nachdenklich. „Ich werde deinen Rat beherzigen, Elisa.“ Ann senkte dankbar den Kopf, doch Elisa hob das Kinn der blonden an und sah ihr in die Augen. Anschließend umarmte sie sie herzlich und warm. „Du wirst das schaffen, Ann, du hast die Kraft und die Hilfe deiner Freunde, auch wenn sie jetzt so weit entfernt scheinen mögen. Sie sind immer bei dir.“ Sie legte eine Hand auf Anns Herz. „Vergiss das nicht.“ Die Welt um sie herum wurde dunkel, auch Elisa war verschwunden. Langsam drangen die hilflosen Rufe Eànns zu ihr durch. „Ann, was ist los mit dir! Antworte mir doch!“ Sie wurde leicht geschüttelt und ihr Kopf flog hin und her. „Eànn, es ist in Ordnung. Du kannst aufhören.“, sagte Ann leise und entwand sich dem Griff der Dämonin. „Mir geht es gut.“ Eànn sah sie an, als wäre sie ein Geist. „Bis vor einer Minute warst du noch vollkommen weggetreten. Gütiger Himmel, was war los mit dir?“ Die junge, blauhaarige Dämonin sah das Mädchen besorgt an und fasste sie an den Schultern. „Ich wusste einen Moment nicht, wo ich war. Ich bin in Panik geraten. Es tut mir leid, Eànn.“ Die Dämonin nickte. In demselben Moment kam Alaîn den Flur hinab. „Ah, Ann, du bist aufgewacht. Schön, dann muss ich ja nicht mehr warten. Folgt mir bitte.“ Die beiden Frauen folgten Alaîn und nahmen an einem großen Holztisch Platz. „Ich habe eine kurze Erkundungsreise unternommen.“, leitete der Dämon ein und setzte sich ebenfalls. „Dabei bin ich einigen unserer Mitstreiter begegnet. Sie sind alle in Aufruhr. Die Struktur der Tore hat sich verändert. Die Prinzessin hat ein neues Spiel begonnen.“ „Was heißt das, sie habe ein neues Spiel begonnen?“, fragte Ann besorgt. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei. „Das bedeutet, dass niemand in unser Reich oder hinaus kann. Es gelten besondere Regeln und wer diese nicht befolgt, wird mit dem Tod bezahlen. Jeder in dieser Welt ist nun Teil des Spieles, ob er will oder nicht. Wir müssen so schnell die anderen Angels finden. Ken und Mike sind auch wichtig.“ Er wandte sich an seine Geliebte. „Eànn, wir sollten über einen Pakt mit Arazen nachdenken.“ Erschrocken blickte die junge Dämonin Alaîn an. „Das ist nicht dein Ernst.“ Doch er nickte. Den Kopf auf die Hände gestützt, starrte Eànn auf die Tischplatte. „Die Regeln besagen, wir sind nur Spielfiguren, doch Arazen ist ein Spieler. Das können wir nicht tun.“ „Regeln können sich ändern.“, sagte Ann selbstbewusst und stand auf. „Vielleicht sind die anderen Angels ja bei diesem Arazen, einen Versuch ist es Wert.“ Ohne, dass es Ann bewusst war, verströmte sie Hoffnung. Die beiden Dämonen blickten zu ihr auf und nickten. Luisa taumelte kraftlos durch die kalten Tunnel. Sie hatte es noch immer nicht geschafft, aus dem Labyrinth zu entkommen. Wieder wallte Verzweiflung in ihr hoch. Was sollte sie bloß tun? In der Ferne hörte sie ein Geräusch, wie es nur von Rabenfedern verursacht werden konnte. Hoffnung durchströmte sie und sie folgte dem Geräusch, das immer näher kam. Als sie um die letzte Wegbiegung rannte, stoppte Luisa so abrupt, dass sie stolperte. Vor ihr flatterte ein junger Rabe, doch es war nicht Sam, wie sie bei dem zweiten Blick bemerkte. Enttäuscht, aber nicht ganz hoffnungslos trat sie langsam an den Raben heran. Er war in einem Geflecht von Spinnenweben gefangen und flatterte verzweifelt. Luisa war sofort bei dem hilflosen Vogel und befreite ihn von den klebrigen Netzen. Aufgeregt flatterte der Rabe umher, als er frei war. Luisa sah ihm wehmütig nach, als er davonflog. Niedergeschlagen lehnte sie sich an die kalte Tunnelwand. Das zurückkehrende Flattern bemerkte sie erst, als der Rabe schon zum Landeanflug auf ihre Schulter ansetzte. Erschrocken zuckte die Rothaarige zusammen. „Großen Dank schulde ich dir.“, krächzte der schwarze Vogel rau. Er rieb den gefiederten Kopf an Luisas Wange. „Werde es nie vergessen.“ Vollkommen verblüfft starrte sie den Raben an, als ihr eine Idee kam. „Sag mir, Rabe, gibt es einen Weg hinaus aus diesem Labyrinth?“, fragte sie sanft und streichelte den Vogel am Kopf, der dies sichtlich genoss. „Ausweg, Ausweg!“, er flatterte von der Schulter des Mädchens und schlug einen Weg ein. Luisa beeilte sich, um dem Vogel zu folgen. Er schlug ein scharfes Tempo an, ab und zu musste er innehalten und zurückfliegen, weil Luisa nicht so schnell war. „Komm mit.“, krächzte der schlaue Rabe und flog weiter. Es dauerte nicht lange, bis sie ein helles Licht sahen. „Endlich.“, seufzte Luisa und rannte auf das Licht zu. Sie gelangte auf eine Wildblumenwiese und sog die frische Luft ein. „Nicht innehalten, dieser Ort ist sehr gefährlich.“, sagte der Rabe warnend und zog seine Kreise um sie herum. „Wie ist dein Name?“, fragte Luisa und folgte dem Vogel hastig. „Corax.“ Atemlos sagte Luisa: „Ein merkwürdiger Name für einen Raben. Ich kenne einen anderen Raben, namens Sam. Kennst du ihn?“ „Sam, Sam… Hüter Sam!“, krächzte der Rabe aufgeregt. „Bist du eine Angel?“ Luisa nickte und rannte weiter hinter dem schnellen Vogel her. „Wo sind wir hier?“, sie schaffte es, gerade noch einen hastigen Blick auf die Blumenwiese zu werfen, als sie in einen nahe gelegenen Wald kamen. „Verfluchte Wiese. Sie ist giftig und saugt die Lebenskraft aus ihren Opfern. Hüllt dich in Sorglosigkeit und du verendest elendig, wenn du zu lange bleibst.“ Tatsächlich spürte Luisa merkwürdige Ermüdungserscheinungen. „Gut, dass ich dich gefunden habe. Hätte ich den Weg allein hierher gefunden, wäre ich wahrscheinlich auf den Schein hereingefallen. Danke.“ „Wir sind quitt.“, krächzte Corax. „Aber ich bleibe bei dir. Du bist nicht aus dieser Welt. Jemand muss auf dich aufpassen. Angel.“ „Bin ich in der Dämonenwelt?“, fragte Luisa schockiert. „Was denkst du denn, Mensch?“, fragte der Rabe keck zurück. „Das Spiel hat begonnen. Du wirst nun mitspielen müssen.“ „Welches Spiel?“, atemlos hielt Luisa und lehnte sich nach Luft ringend an einem Baum fest. „Das Spiel der Prinzessin. Du musst aufpassen, dass du alle Regeln befolgst, sonst bist du tot.“ Corax flog einige Runden zwischen den Bäumen umher, bevor er zurückkehrte. „Ich werde dir die Regeln beibringen. Aber musst schnell lernen.“ „Kiki, die Prinzessin hat ein Spiel begonnen.“, sagte Aaliyah leise. „Richtig, Herrin. Ein neues Spiel hat begonnen. Doch es wird nicht so verlaufen, wie die anderen Spiele der Prinzessin. Es sind neue Spielfiguren aufgetreten.“, krächzte Kiki, auf der Schulter ihrer Herrin und Freundin hockend. „Meine Kinder spielen. Es ist lustig anzusehen.“, sagte die Dämonenkönigin spöttisch. „Es wird interessant werden. Ein Spiel auf Leben und tot. Unter diesem Bedingungen hatten wir es noch nie.“ Sie lachte leise, doch keine Freude schwang in diesem Lachen mit. Die Rabin flatterte krächzend von der Schulter ihrer Herrin, die über einen fast mannshohen Spiegel strich. „Zeig mir das Spiel.“ Als erstes zeigte der Spiegel Kathy, wie sie in ihrem Schloss wütete. Danach ihr Bruder, der sich in seinen geheimen Unterschlupf zurückgezogen hatte. Auch die vier Angels und Akkarin tauchten im Spiegel auf. Der ehemalige Verlobte der Prinzessin und Mike waren auch zu sehen. Selbst Eànn und Alaîn blieben nicht verbogen. „Ein wahrhaft interessantes Spiel beginnt.“, sagte Aaliyah erwartungsvoll und strich über den Spiegel. Er zeigte nun wieder nur ihr eigenes Spiegelbild, doch die Dämonin sah nicht hin. Sie hatte sich seit Jahrhunderten schon nicht mehr angesehen. Akkarin blickte verzweifelt umher. Das Mal der Prinzessin brannte unaufhörlich auf seinem Arm, sie beobachtete ihn. Er verwünschte sie und das gesamte Dämonenreich. Seine Sorge galt den vier Angels. Der schwarze Umhang, den Kathy im gegeben hatte, war ein wenig zu lang und schlug ihm beim Gehen an die Beine und schleifte über den Boden. Sein erstes Ziel war die Hauptstadt gewesen, doch es war sinnlos, sie zu suchen. So hatte er sich für den Weg durch den Dschungel entschieden. Zwar lauerten hier tierische Dämonen, die soviel Grips in der Birne hatten wie ein Stein, doch aufgrund des Zaubers von der Prinzessin konnte er unbehelligt überall hingelangen und kein Dämon konnte ihm Schaden zufügen, außer Kathy selbst. Sein Auftrag lautete, er solle die Angels umbringen, doch sein Schwur Sam gegenüber, die Angels zu trainieren und beschützen bis an sein Lebensende, ließ den Mord nicht zu. Er hatte diese Möglichkeit auch nie in Betracht gezogen, die Angels zu töten. Sich selbst umbringen konnte er nicht, davor schützte ihn Kathys Zauber auch. Frustriert trat er Steine aus dem Weg und schlug sich durch den fast undurchdringlichen Dschungel. Es war heiß und stickig hier, die Luft war so feucht, dass feine Wassertropfen auf seinen bloßen Armen entlang perlten. Dann tauchte vor ihm ein Wesen auf, das es hier eigentlich nicht geben dürfte. Die geflügelte Echse versperrte ihm mit ihren gewaltigen Flügeln den Weg. Ein tiefes Grollen stieg aus seiner gewaltigen Brust. Der Drache musste fast dreimal so hoch sein wie Akkarin und war um ein vielfaches schwerer. „Dieser Weg ist für widerliche Dämonen unpassierbar. Verschwinde, Madenbrut!“, donnerte der Drache und trampelte mit seinen mächtigen, krallenbewährten Tatzen auf Akkarin zu. Elegant wich er der wütenden Echse aus. „Verstehe mich nicht falsch, werter Drache, aber ich bin keiner dieser verfluchten Dämonen.“, entgegnete Akkarin kühn. Wenn es darauf ankam, konnte der Drache ihm ohnehin nichts. Die Echse polterte auf ihn zu und schnappte nach ihm, doch der Biss konnte nicht zu Ende geführt werden. Wie von einer unsichtbaren Rüstung prallte der Drache ab und schüttelte verwirrt den Kopf. „Einen so mächtigen Zauber habe ich noch niemals zuvor gesehen.“, knurrte die Echse und prustete durch die Nüstern. Kleine Flammen züngelten am großen Kopf vorbei und verbrannten in der Luft. „Ich spüre, wenn du lügen würdest. Was bist du dann, sprich!“, grollte der Drache und schlug nervös mit den Tatzen auf den Boden. „Ich bin Akkarin, der Ausbilder der vier Angels, der Hüterinnen der Tore. Nun beantworte mir eine Frage. Wie kann ein Drache in die Welt der Dämonen gelangen?“, fragte Akkarin kühn. „Es ist eine lange Geschichte. Sie begann mit dem Streit der Dämonen vor Jahrhunderten, noch bevor das Dämonentor versiegelt wurde. Nun, um mich kurz zu fassen, die Dämonen hielten mich als Geisel hier, bis ich ihren Fängen entkommen konnte. Nun lebe ich hier.“, Trauer schien in seinen faustgroßen, saphirfarbenen Augen zu glänzen. Akkarin blickte ihn nachdenklich an. „Wir könnten vielleicht gemeinsam fliehen, denn auch ich bin ein Gefangener in dieser Welt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)