Chocolate that tastes like Blood von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Die träge, schleppende Langeweile plagt mich. Außerdem ist die Hitze, die über diesem Fleckchen Erde liegt, auf dem ich mich gerade befinde, grenzenlos. Kaum zu glauben wie gewaltig die Sonnenstrahlen auf die Erde niederprasseln. Ich kann voller Bestimmtheit sagen, dass das früher noch nicht so war. Auch wenn den meisten ihre Umwelt und sämtliche Dinge der Ökologie sonstwo vorbei gehen, kann ich mich einfach nicht anschließen und selbiges von mir sagen: Früher als Mensch war ich auch so. Ich erinnere mich nur noch dunkel daran, aber in der Zeit des Mittelalters war es eigentlich jedem egal, ob man darauf aufpasst, was man wohin wirft und ob es Folgen haben könnte. Zu dieser Zeit gab es eben noch keine neumodischen Gegenstände. Man ritt zu Pferde dorthin wo man wollte - in der heutigen Zeit sehe ich mit Erstaunen die ersten Automobile und bin fasziniert davon, wie so etwas funktionieren kann. Aber nicht erst seit dieser Zeit werden die Sonnenstrahlen intensiver. In meinen bisherigen sechs Jahrhunderten konnte ich regelrecht mitverfolgen, wie es wärmer wurde. Und ich denke auch, dass dem kein Abbruch getan wird. Wieso auch? Es ist ja nicht tödlich und es droht auch keine merkliche Gefahr. Die Menschen leben weiter und bemerken es nicht. Wie sollten sie das auch können, wenn sie nur auf ein paar mickrige Jahre zurück blicken können. Nicht messbar mit meinem Wissen über die Zeit und den Vorgängen, die bis jetzt passiert sind. Ich könnte ohne Probleme das gesamte Mittelalter aufrollen und den Leuten erzählen, wie ihre Vorfahren gelebt haben, aber sie würden mir wohl nicht glauben, weil ich für sie aussehe wie ein Mensch. Und woher sollte ich dann dieses enorme Wissen haben?! Unmerklich lasse ich meine Zunge über meine spitzen Eckzähne gleiten. Jaja... ich sehe aus wie einer Ihresgleichen. Schon klar. Wieder einmal - und schon so oft an diesem Tage - muss ich süffisant grinsen und lasse meinen trägen Blick über die Landschaft gleiten, die sich vor mir ausbreitet. Ich sitze auf dem Balkon des kleinen Zimmers, welches ich seit gestern abend bewohne und habe von hier einen perfekten Ausblick auf das weite Umland: Felder, Weinberge, kleine, sich in die Umgebung einpassende Wege, auf denen von Zeit zu Zeit ein Bauer entlang läuft, im Hintergrund sind hohe, schroffe Berge zu sehen, die das Gesamtbild abrunden und dem Ganzen etwas harmonisches geben. Sie sind der Gegensatz zu der sonst grünen, blühenden Landschaft - einfach nur typisch rumänisch. Ja, ich glaube, ich habe meine frühere Heimat gefunden. Jedenfalls war ich früher schon einmal hier. Ob das zu meiner Zeit noch als Mensch war, weiß ich nicht, aber auf alle Fälle lässt es mich ein wenig träumen, dieses Gefühl von Heimat... Durch ein Klopfen an der Holztür werde ich aufgeschreckt und ich blinzle. War das jetzt Einbildung oder hat mein gutes Gehör mich doch nicht getäuscht und es klopfte jemand, obwohl ich keinen Besuch erwarte? Leicht müde und durch das Träge sein ein wenig verschlafen erhebe ich mich von dem alten, leicht knarzenden Schaukelstuhl und lege den kurzen Weg durch das Zimmer zurück, um zur Tür zu gelangen. Als ich das Zimmer betrete, merke ich, dass die Luft hier drinnen kühler ist. Ich beschließe, mich anschließend im Zimmer aufzuhalten und den Balkon zu meiden. Wenn ich mich der Hitze nicht aussetzen muss, tue ich es auch nicht - außer es handelt sich um eine bestimmte Hitze, die durch etwas anderes als Sonne hervorgerufen wird. Hierbei ist es egal, ob Mensch oder Vampir, Mann oder Frau - niemand kann sich dieser fesselnden Hitze entziehen. Und wenn doch, dann ist dieser Jemand die Beherrschung in Person oder einfach unempfänglich für die Wärme, die einem ein anderer Körper geben kann. Doch zu dieser Art Wesen zähle ich mich beileibe nicht. Wieder huscht ein Grinsen über mein Gesicht, während ich die Tür öffne und dabei denke, dass die Person, die davor steht, mich heute eigentlich nur grinsend gesehen hat: Chiaki. Der präsente Gedanke in meinem Kopf fragt mich, was er hier will... doch die Gedanken, die durch Blutlust und tierisches Verlangen gesteuert sind, pochen auf ihr Recht und fragen sich, wie ich diese süße Versuchung wohl am schnellsten in mein Bett bekommen kann. Als Reisender habe ich immer wenig beziehungsweise gar kein Gepäck bei mir, darum besitze ich auch keine Handschellen, mit denen ich seinen schlanken Leib an das Bett hätte fesseln können, damit er mir nicht mehr entlaufen kann. Nun, da muss ich wohl auf andere Methoden zurückgreifen. Meinen Charme kann ich auch zwischen zerwühlten Laken ausspielen, das tut seiner Qualität keinen Abbruch. Und außerdem wird Chiaki auch noch in den Genuss anderer Qualitäten kommen, das kann ich ihm jetzt schon versichern, ohne großspurig und von mir zu sehr eingenommen zu klingen. Wenn meine Partner noch leben würden, könnte er sie gern alle vorher fragen und somit sicherstellen, dass er sich nicht in die falschen Hände begibt und sich dort fallen lässt. "Ich will mit Ihnen reden." Was hat er gesagt? Meine durch Trieb gesteuerten Gedanken nehmen unglücklicherweise überhand und ich kann mich nicht richtig auf das konzentrieren, was der blonde Engel sagt. Das ist nicht zu meinem Guten. Ruhe bewahren. Kurz die Augen schließen, durchatmen, dann wieder in seine blauen Augen sehen und ihn hereinbitten. Ich führe diese Handlungskette durch und gehe einen Schritt zur Seite, als Geste, dass er eintreten darf. Er schaut sich ein wenig neugierig, aber vorsichtig in meinem Zimmer um und dreht sich dann abrupt um, damit er mich - er betrachtet mich wohl als seinen Feind - nicht in seinem Rücken hat. Angst oder Vorsicht? Dieses Verhalten, egal wodurch es hervorgerufen wurde, lässt mich noch ein wenig mehr schmunzeln und ich merke, dass ich ihm immernoch überlegen bin, egal wie sehr er mit seinen - ihm selbst nicht bewussten - Reizen spielt. Er ist etwas Besonderes, aber er ist nicht anders als die anderen vor ihm und ich werde ihn auch nicht mit Samthandschuhen anpacken oder mich demütig vor ihm niederknien, weil er mir angeblich einen Schritt voraus ist. Wahrheiten sollte man nicht verdrehen und immer so belassen, wie sie sind. So erzielt man die besten Ergebnisse. Und ich sehe mein Ziel schon klar vor Augen: Das Ultimatum steht bis zum nächsten Morgen, wenn die Nacht dem Tag weicht... "Was führt dich zu mir, so mitten am Tage?" Den zweiten Teil des Satzes kann ich mir einfach nicht verkneifen. Aber in der Tat erstaunt es mich ein wenig, was Chiaki damit bezweckt, die Höhle des Löwen eher zu erkunden, als ich es eigentlich vorhatte. Will er mir voraus sein? Falls dies sein Ziel sein sollte, so wird er es niemals erreichen. Ich erwähnte bereits, dass einige Jahrhunderte zwischen uns stehen. Und die kann er niemals aufholen. Auch wenn er vielleicht irgendwann einmal so viele Jahre durchlebt haben wird - diese feste Absicht habe ich - so wird er doch immer jünger und unerfahrener bleiben, als ich es bin. Da mein Hirn noch immer doppeldeutig denkt, springt es bei dem Wort "unschuldig" direkt an wie so ein Motor aus den neuen Automobilen. Ja, wenn man alle Zeit der Welt hat, beschäftigt man sich manchmal sogar mit so etwas... "Sie sind nicht der, den Sie vorgeben." Seine Stimme klingt fest und lässt eigentlich keine Widerworte zu. Doch anstatt still zu schweigen, wie er es vielleicht gern hätte, gehe ich einige Schritte auf ihn zu und sehe ihm in die Augen. Im selben Moment muss ich aufpassen, nicht den Verstand zu verlieren. Dieser Junge kennt sein schlagendstes Argument wohl noch nicht, sonst würde er mich einfach nur pausenlos ansehen, damit ich in seinen Saphiren versinke und nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Ich erinnere mich, dass ich ja kontern wollte und grinse ein wenig: Chiaki kann ich schon so einfach mit Worten verwirren. Es ist ein Schmaus... "Wen gebe ich denn vor, zu sein?" "Hören Sie auf mit diesen Spielchen! Ich weiß, dass das alles nur Fassade ist." Horcht, horcht! Da ist sich wohl jemand ganz sicher, mich zu kennen. Unmöglich. Wie will er mich kennen, wenn ich es nicht einmal selbst tue? Denn auch wenn man sechs Jahrhunderte Zeit hat, kann man nicht immer ergründen, wer man eigentlich ist, mal abgesehen von den unumstößlichen Tatsachen, die zum Beispiel die Anatomie des Körpers einem mit auf den Weg gibt. Aber nun bin ich wirklich mal gespannt, was er denkt, wer ich bin oder wer ich sein könnte oder wer ich seiner Meinung nach gerne wäre. Ich lasse ihm sogar die freie Auswahl, was er mir erklären und erzählen will... obwohl er mir auch gern davon berichten kann, was ihm denn so "gefällt". Dann könnte ich gezielter vorgehen und müsste nicht die übliche Eierei abziehen, wie ich es mache, wenn meine Partner partout nicht reden wollen. Dass es dann der maximale Spaß für ihn ist, kann ich natürlich nicht garantieren. Aber vielleicht weiß er auch gar nicht, was ihm gefällt und ich muss es ihm erst zeigen? Dies sollte kein Problem für mich darstellen. Wenn er wüsste, was ich alles weiß, wäre er ein Genie der Neuzeit und gleichzeitig einer der besten Liebhaber, die man sich vorstellen kann. Nur schade, dass es den blonden Unschuldsengel vor mir nicht interessiert... Wenn ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle hätte, würde ich regelrecht depressiv werden, weil er nicht auf meine schlüpfrigen Aussagen eingeht und stur darauf festhält, zu erfahren, wer ich wirklich bin. Und woher er das schon wieder weiß, dass ich kein reicher, edler Mann mit ebensolchen Absichten bin, interessiert mich jetzt auch ganz stark. "Du musst dich schon präziser ausdrücken." Mehr sage ich nicht. Er soll selbst entscheiden, ob er redet oder wieder geht. Aber allein durch seine klug auswendig gelernten Aussagen lasse ich mich noch lange nicht kitzeln. Erzähle mir, Chiaki. Erzähle mir alles, was du über mich zu glauben weißt. Er bleibt in der Mitte meines Zimmers stehen und sieht mich direkt an. Leider bleibt die Wirkung seiner Augen auch jetzt nicht aus und ich muss mich wirklich arg zusammen reißen. Sein Blick schreit förmlich danach, dass ich ihn berühren und verführen soll. Ja, mein blonder Engel, keine Sorge. Es ist ja bald soweit. Heute Abend, wenn alle Herrschaften in diesem Hause schlafen, wirst du das nicht können, da ich dich kein Auge zutun lasse. Nicht einmal ein kurzes Schläfchen wirst du halten können. Und ich weiß schon jetzt, dass dies das letzte ist, was du tun wollen würdest, wenn du in meinen Armen liegst. Ich bin niemand, bei dem man einfach einschlafen kann. Mein unruhiger Geist wird dich außerdem in Aufruhr versetzen und du kannst nichts anderes tun, als wach zu bleiben und dich meinen Gelüsten hinzugeben. Ich weiß, dass es dir gefallen wird. Leider ist noch nicht Abend... "Ich kann es nicht beschreiben. Aber Sie... sind nicht so wie ich." Seine Antwort lässt mich kurz überlegen, doch dann schüttle ich den Kopf. Ein feines Grinsen huscht wieder über meine Lippen, was Chiaki wohl ein wenig verunsichert, da er sich leise räuspert und den Blickkontakt abbricht. "Das kann man so allgemein nicht sagen, mein Junge. Einerseits sind wir grundverschieden, da ich einen höheren Stand habe als du und schon viel gesehen habe, weswegen ich über einen ausgeprägteren Verstand verfüge. Andererseits sind wir uns doch so ähnlich." Ich grinse breiter. Ja, ich bin mir ganz sicher, dass wir uns ähnlich sind. In dieser Nacht werde ich es dir zeigen. Meine Worte haben ihn wohl zum Nachdenken angeregt, denn er zieht die Stirn ein wenig in Falten und starrt mich teils ungläubig, teils böse an. Wahrscheinlich ist er wütend, weil ich seinen Verstand in Frage stelle. Tja, Chiaki: Dann beweise mir doch, dass ich mich irre und zeige mir, was du so drauf hast. "Ich verbitte mir diesen Ton! Woher wollen Sie wissen, dass ich weniger Intellekt besitze als Sie?! Ich-" "Verstand wird nicht nur durch Intellekt, sondern auch durch Lebenserfahrung geprägt, Chiaki. Und davon habe ich mehr als du. Aber sag mir doch, warum du so aufgebracht bist? Doch nicht etwa, weil ich deine geistigen Fähigkeiten unterschätzen könnte?" In meinen Augen blitzt Schalk und leichter Hohn auf, was aber nicht böse gemeint ist, sondern den Jungen mit dem engelsgleichen Antlitz nur ein wenig einschüchtern soll. Ich bin gespannt, wie er mir in so einer Situation gegenüber tritt. Ist er dann immernoch der Besitzer eines großen Mundwerks oder duckt er sich vor meinen Blicken? Mit einem kleinen Nebengedanken betrachte ich die Tatsache, dass er einen großen Mund hat, als sehr interessant und löblich. Ich muss deswegen noch ein wenig breiter grinsen und suche wieder Blickkontakt zu Chiaki, der mich immernoch mit einem unbehaglichen Blick ansieht. Wahrscheinlich habe ich den Nagel auf den Kopf getroffen und habe ihn mit meinen Worten aufgestachelt. Na? Was wirst du jetzt machen? Bedenke, dass du ab heute Nacht nicht mehr als Engel zu bezeichnen sein wirst... deine Zeit verrinnt, überlege genau, was du noch tun willst. Eigentlich ist es sehr unüberlegt, so einen Jungen zu einem Vampir machen zu wollen, obwohl ich ihn erst seit ein paar Stunden kenne. Aber allein seine Anwesenheit gibt mir ein gutes Gefühl und außerdem kann ich mich einfach nicht an ihm satt sehen. Wie wird er dann erst heute Nacht aussehen, wenn ich ihn unter mir habe und ihn zu dem mache, was ich bin? Ich habe nämlich vor, einen mir ebenbürtigen Partner zu erschaffen, bin dem ich dann nicht nur einige Monate, sondern ein paar weitere Jahrhunderte teilen kann. Die Ewigkeit soll uns gehören. "Sie lenken von meiner Frage ab, Noyn Claude. Sagen Sie mir, wer Sie sind und ich gehe wieder." "Siehst du? Und das ist ein Grund, warum ich es dir nicht sagen werde. Außer vielleicht..." Chiakis Blick wird interessiert und wäre er ein Tier, könnte ich sehen, wie er seine Ohren spitzt. "...heute Nacht bei einem guten Glas Rotwein. Du wirst doch sicher wissen, wo sich in eurem Wirtshaus der Weinkeller befindet. Komm heute Nacht gegen elf Uhr wieder hierher und ich werde dir erzählen, wer ich bin." Ich halte ihm meine Hand hin, zum Zeichen, dass er einschlagen soll, weil ich es ernst meine. Ja, und wie ernst ich es meine...! Auch wenn er nun spüren wird, dass ich - trotz der allgemein vorherrschenden Wärme - kalte Hände habe, so will ich ihm doch zeigen, dass ich ihm wirklich etwas von mir erzähle... und ihn dann zu meinem Eigentum mache. Aber das muss er ja jetzt noch nicht wissen. Vielmehr lasse ich ihn noch ein wenig zappeln. Wie ein Fisch an der Angelschnur. Und indem er zwar seinen skeptischen Blick nicht ablegt, aber meine Hand ergreift, hat er angebissen. Und ich muss mir meine Beute nur noch zu gegebenem Zeitpunkt holen und zu Gemüte führen. Dreiundzwanzig Uhr. Dann bist du mein, Chiaki. "Und nun geh. Ich denke, du wirst unten im Wirtshaus gebraucht, oder?" Ich grinse wieder fein und drehe mich dann um, setze mich wieder auf den Balkon, entgegen meiner Vernunft, die mir vor ein paar Minuten gesagt hatte, diesen Platz in Zukunft zu meiden. Chiaki wird den Weg auch allein aus meinem Zimmer finden, schließlich weiß er ja, durch welche Tür er herein gekommen ist. Lächelnd schließe ich meine Augen, als ich das Geräusch höre, was eine Tür erzeugt, die von außen zugemacht wird. Ich höre seine eiligen Schritte auf der Holztreppe und lächle breiter. Dieser Junge wird mir heute Nacht viel Freude bereiten, wenn er die Schnelligkeit liebt. Und er selbst wird auch Spaß haben. Den Fall, dass er sich wehren wird, habe ich auch schon zur Genüge durchgespielt: Wozu gibt es Seile zum Fesseln?! Und das Holzgestell des Bettes ist gut geeignet, um jemanden daran festzubinden. Was auch immer er versuchen wird: Mich, den ältesten Vampir aller Zeiten, wird er nicht klein kriegen. Er ist schließlich nur ein Mensch. Noch... Hosted by Animexx e.V. 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