Übernatürlich... von abgemeldet (Wenn man das zweite Gesicht hat...) ================================================================================ Kapitel 2: Die neue Klasse -------------------------- Die Klasse schien ganz nett zu sein, doch ich hatte immer noch Angst andere anzusehen. Judy Anderson war die Erste, die versuchte, mit mir Kontakt aufzunehmen. „Hey, ich bin Judy!“, sagte sie lächelnd und streckte mir eine Hand entgegen. „Minty…“, sagte ich mehr zum Boden als zu Judy und nahm ihre Hand nicht. Ich fand es sehr nett von ihr, dass sie mich ansprach, doch ich wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden, sonst nichts. Ich musterte Judy kurz, wobei ich sorgfältig darauf achtete, ihr Gesicht zu meiden. Sie war ziemlich dünn, hatte langes, dunkelblondes Haar und grünliche Augen, die ich niemals sehen würde. Sie lächelte immer noch und ich sah wieder gen Boden. Ich seufzte leise. Das war erst mein zweiter Tag und schon rückten die Leute mir auf die Pelle. Das konnte ja ein “tolles“ Jahr werden. Judy brach wieder das Schweigen. „Weißt du…“, begann sie und musterte mich kurz, „du bist zwar erst zwei Tage hier, aber du erinnerst mich irgendwie schon an jemanden…“ „An wen…?“, fragte ich meinen Tisch. „Bengee!“, meinte sie lächelnd. Ich schwieg kurz. Was konnte dieser Bengee denn schon mit jemandem wie mir gemeinsam haben?! „Wer ist das…?“, fragte ich leise, den Blick immer noch auf meinen Tisch gerichtet. „Ähm…“ Suchend sah Judy sich in der Klasse um. Dann zeigte sie auf einen Jungen, der still an seinem Platz saß. „Das ist Bengee!“ Sie sah mich an. „Er ist genauso still wie du…“, meinte sie schulterzuckend, „ihr habt beide irgendwie etwas Mystisches an euch…“ Sie hatte Recht. Bengee war ungefähr 10cm größer als ich. Er hatte schwarzes, mittellanges Haar und hellblaue, traurig aussehende Augen. Er musste sehr viel Schmerz und Trauer hinter sich haben, das spürte ich immer sofort. Irgendwie wollte ich mehr über ihn wissen, doch schon betrat ein junger Mann die Klasse. Er war groß, recht schlank, jung und hatte braune Locken. Ich schätzte ihn so Mitte bis Ende zwanzig. Judy verschwand schnell auf ihren Platz. „Guten Morgen!“, sagte der Lehrer. „Guten Morgen, Mr. Smith!“, antwortete die Klasse. Er musterte die Klasse, bis sein Blick schließlich auf mich fiel. „Ah, du musst Minty sein!“, sagte er. Ich nickte die Tafel an. Er kam zu mir an meinen Tisch. „Einen guten Start und ich hoffe du gewöhnst dich hier schnell ein!“ Er streckte mir eine Hand entgegen. Ich zögerte kurz, doch dann gab ich ihm rasch die Hand, wobei ich immer noch den Tisch anschaute. Er nickte lächelnd und ging zurück nach vorne. Die begannen über ein Ereignis in den letzten Tagen zu sprechen, das ich nicht miterlebt hatte und ich hörte auch überhaupt nicht zu. Stattdessen beobachtete ich Bengee, der – ich wusste nicht, warum – anscheinend mein Interesse geweckt hatte. In der Pause sprach ich noch mal mit Judy. Sie erzählte mir alles, was sie über Bengee wusste. Sie erzählte mir, dass Bengee ein Waise war und bei einer Pflegefamilie wohnte. Anscheinend war er ein Außenseiter, weil er mit kaum jemandem sprach. Auch in den Unterrichtsstunden danach beobachtete ich Bengee. Mir fiel auf, dass er immer ziemlich still im Unterricht war, obwohl Judy mir doch gesagt hatte, er sei ein 1er-Schüler. Dann, als schiene er meinen Blick zu spüren, sah er mich ganz plötzlich an. Das geschah so schnell, dass ich seinem Blick nicht ausweichen konnte. Das war nun die längste Vision, die ich je hatte! Ich erinnere mich noch genau an jedes Detail! Ich befand mich in einem kleinen Raum, es schien ein Kinderzimmer zu sein. Es war sehr dunkel. Ich sah auf eine kleine Uhr, die auf einer großen Kommode stand. Es war kurz vor ein Uhr nachts. Dann bemerkte ich ein kleines Kind in einer Wiege. Ich schätzte es auf etwa 2 oder 3 Jahre. Es schlief friedlich unter einer babyblauen Decke. Dann hörte ich auf einmal von draußen ein lautes Poltern und Klirren. Ich hörte das gedämpfte Schreien eines Mannes. „W-wer sind Sie?! Was wollen sie hier?!“, rief der Mann, „bitte verschwinden Sie aus… hey! Bitte legen sie die Waffe auf den - “ Ein Schuss unterbrach das Geschrei. Ich hörte eine Frau kreischen. Dann hörte ich jemanden die Treppe raufrennen. Kurz darauf wurde die Tür aufgestoßen und eine blonde Frau mit einem rosa Morgenmantel stolperte herein. Sie knallte die Tür zu und rannte zur Wiege. Weinend hob sie ihren Sohn sanft aus der Wiege und drückte ihn leicht an sich. Plötzlich wurde die Tür erneut aufgestoßen und ein Mann mit einer Motorradmaske und schwarzer Kleidung trat ein. Er hatte eine Pistole in der Hand und richtete diese nun auf die Frau. „Bitte…“, wimmerte sie leise. Der Mann schüttelte den Kopf und drückte ab, doch die Frau duckte sich weg. Der Mann fluchte. Die Frau stand vor dem Fenster. Sie hatte keine Wahl, sie musste wohl springen. Sie zögerte. Der Mann lief in Richtung Fenster doch es war zu spät. Das Baby fest an ihren Bauch gedrückt sprang die Mutter. Doch der Mann zielte und drückte schließlich ab. Er erwischte sie mitten in der Luft. Die Frau fiel leblos zu Boden – auf ihr Kind! Der Einbrecher schien zufrieden. Er trat hinaus zu der Mutter und rollte sie von ihrem Kind runter. Auch ihr Sohn lag regungslos am Boden. Er war tot… Um mich herum wurde es schwarz. Ich blinzelte und fand mich in meinem Klassenraum wieder. Ich hatte beide Hände am Kopf und stützte mich mit dem Ellenbogen auf den Tisch. Ich konnte mich nicht erinnern in diese Position gegangen zu sein. Mein Herz raste. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Stirn und sah mich um. Bengee wandte den Blick wieder zur Tafel, mit demselben, ausdruckslosen Blick wie vorher. Ich sah meine Mitschüler an. Sie schienen nichts bemerkt zu haben. Ich sah wieder auf den Tisch. Das war seltsam… Normalerweise sah ich in meinen Visionen den Tod der Person, die ich ansah. Doch in meiner Vision von Bengee hatte ich nur eine Frau und ihr ungefähr 2 Jahre altes Kind sterben sehen. Und Bengee war ja, soweit ich wusste, weder eine Frau, noch 2 Jahre alt. Auch die Zeit, die ich spürte, war merkwürdig. 12ter Juni vor 11 Jahren…!! Ich konnte es mir nicht erklären und ich hatte ja auch niemanden, mit dem ich rumrätseln konnte, also machte ich mir vorerst keine Gedanken darüber. Judy versuchte auch weiterhin Kontakt zu mir aufzunehmen. Ich ließ das mehr oder weniger zu, aber ansehen konnte ich sie immer noch nicht. Auch Bengee wollte ich nicht noch mal ansehen, aus Angst, dieses Mal seinen richtigen Tod zu sehen. Bald darauf kam ein neues Mädchen in unsere Klasse. Noch wusste ich es nicht, aber sie würde später einmal eine unheimlich wichtige Rolle in meinem Leben spielen…! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)