Scramble von Vanillaspirit ================================================================================ Kapitel 2: fuckin' ol' times ---------------------------- “Verdammter Gartenzwerg!“ Dem lauten Fluch folgte eine Salve von Schüssen, denen sich der Deckenputz des Schulraumes ergab und auf Kuritas massigen Kopf rieselte. Sämtliche Muskeln in Hirumas Körper waren angespannt und er hatte Mühe sich selber davon abzuhalten loszustürmen und einem bestimmten jemand den Körper zu durchsieben. Er durchlöcherte die Decke noch ein paar Mal, die einzige Möglichkeit den aufgestauten Frust abzubauen. Kurita wischte sich den Staub vom Kopf. Er war eingeschüchtert vom Tobsuchtsanfall seines alten Freundes, auch wenn es nichts Außergewöhnliches war. Hiruma Youichi war eben so: laut, beleidigend, direkt. Wut war das Gefühl, was er sofort auslebte, vielleicht war es auch die einzige Emotion, die er öffentlich zeigte. Etwas blitzte in den Augen des ehemaligen Centers auf, das Hiruma sofort argwöhnisch zum Schweigen brachte: Hoffnung. „Was ist los, Fettsack?“ Der Angesprochene blickte ertappt in ein paar stechend dreinblickender Augen, vor denen er ohnehin nichts verheimlichen konnte. „Vielleicht …“ Er zögerte und forderte damit nur die Ungeduld des anderen heraus. „Vielleicht WAS?“, schnauzte der Junge mit den ungewöhnlichen Elfenohren. „Spuck’s aus!“ Verlegen nestelte Kurita mit seinen fleischigen Fingern. Es war eine Gelegenheit, die so schnell nicht noch einmal kommen würde. Er fühlte sich nicht mehr, wie er selbst, nicht vollständig, seitdem das tägliche Training ausblieb. Hiruma hatte ihm verboten sich auch nur in der Nähe des Clubhaus blicken zu lassen. Den tieferen Sinn dahinter, hatte er allerdings nicht erklärt. Die Leute mussten seine Entscheidungen schon immer so roh schlucken, wie er sie ihnen vorsetzte. „Vielleicht sollten wir ihnen beim Training helfen.“ Er hielt die Luft an, während er gespannt auf eine Antwort wartete. Hiruma hatte die Macht, dafür zu sorgen, dass die Schulregeln zu ihren Gunsten gebogen wurden. Der Junge mit dem außergewöhnlichen Aussehen hatte sich in der Vergangenheit nie gescheut seine Macht auch zu nutzen. Warum sollte es diesmal nicht auch so sein? Der Blonde starrte Kurita einen Moment lang ungläubig an. Hoffnung keimte in dem schwergewichtigen Jugendlichen auf, dass sein Wunsch auf fruchtbaren Boden fiel, dann bohrten sich die ersten Geschosse in die eh schon löcherige Decke des Klassenraums. „Verfickt nochmal, NEIN!“ Das Grün in Hirumas Augen funkelte ungnädig. „Der Scheißzwerg hat allein damit fertig zu werden.“ „Vermisst du es nicht?“ Die Frage traf ihn unerwartet und für einen flüchtigen Moment huschte Verwirrung über sein Gesicht. Es ging hierbei nicht darum, ob er etwas vermisste oder nicht, aber das würde der Dicke eh nie verstehen können. Er würde nicht immer da sein und den Pimpfen die Hand halten können, wenn es mal schwierig werden würde. Natürlich hatte er genug Material vom Schuldirektor nahezu alles verlangen zu können, aber der war die falsche Adresse. Er hätte Kurita vermutlich eher Integralrechnung beibringen können, als den Aufbau einer Privatschule. Der Direktor war in dieser Angelegenheit ein kleines Licht und an den Schulbesitzer heranzukommen hatte selbst Hirumas Spionagenetz bisher noch nicht geschafft. Sena musste vorerst allein sehen, wie er mit dieser Krise zurechtkommen würde. „Ich habe nicht vor ewig die Mami für diese Rotzgören zu spielen.“ Es war nicht ganz gelogen. Hiruma hatte wirklich nicht vor ewig für alles, was das Team betraf, verantwortlich zu sein. Er hatte sie in den Christmas Bowl geführt, sie zu einem Team geformt und genug über den Sport und ihre eigenen Begabungen gezeigt, damit sie auf eigenen Beinen stehen konnte. Jedem war klar gewesen, dass er irgendwann nicht mehr da sein würde und nun hatte er Zeit sich neuen Projekten zu widmen; immerhin musste eine Universität mit gutem Footballteam gefunden und Beweise aus dem Privatleben des zukünftigen Dekans gesammelt werden. Er schulterte seine M16A3 . Das Gespräch beendet, was er durch einen kräftigen Tritt, der die Tür öffnete und den dahinter stehenden Pulk aus Schaulustigen in panische Flucht versetzte, unterstrich. „Halt dich vom Team fern, Fetti!“ Hiruma brauchte nicht zurückzuschauen, um zu wissen, dass Kurita kurz vor einer seiner berühmten Heulattacken war. Vermutlich würde der stämmige Jugendliche den Rest des Tages in der Sporthalle im Kasten verbringen. Missmutig pflügte der ehemalige Quarterback sich seinen Weg durch die Schüler im Flur. Eine Leichtigkeit, wo viele schon die Flucht ergriffen, wenn sie nur seine hochgekämmten Haare näher kommen sahen. Er war kein Schläger, hatte sich noch nie an einem anderen Schüler vergriffen oder den Lehrern Streiche gespielt, dennoch war er gefürchtet, nicht nur an der Deimon High School, sondern in ganz Tokyo. Und dennoch wagte es heute jemand ihm einen schiefen Blick zuzuwerfen und hinter einer Ausgabe der Schülerzeitung zu kichern. Nicht die beste Idee, sich gerade jetzt mit dem Dämon der Devil Bat’s anzulegen. Seine Hand verlagerte den Griff auf dem Sturmgewehr, ließ es von seiner Schulter gleiten, einen Halbkreis beschreiben und die Mündung schließlich, über den Rand der Zeitung hinweg, im Gesicht des vorlauten Mitschülers enden. „Ich hoffe der Witz ist gut.“ Hirumas Stimme triefte vor Süffisanz und dem Wissen, dass er die längeren Hebel in seinen langen, schlanken Fingern hielt. Der Adamsapfel seines Gegenübers bewegte sich auffällig, als dieser vergeblich versuchte den Kloß im Hals herunterzuschlagen. Hastig ließ er die Schülerzeitung los, als Hirumas freie Hand danach griff und beobachtete gefasst, wie dieser den Artikel las. Sein Herzschlag begann zu rasen, als er mit ansehen musste, wie das Grün in den Augen des Dämons sich unheilvoll verdunkelte und eine Ader auf der Stirn zu pochen begann. Heute war ein guter Tag zu sterben, dachte sich Inagi Takeru. Seine 17 Jahre waren erfüllt gewesen und heute hatte er sogar eine frische Unterhose an. Es würde also nicht ganz so peinlich werden, wenn Hiruma seinen Lebensfaden zerschießen würde. Er kniff die Augen zusammen und machte sich innerlich bereit für das Unabänderliche, doch nichts geschah. Vorsichtig öffnete er ein Auge und blinzelte verwirrt. Hiruma war weg, er stand allein in eine Bucht, die von eiligen Schülern umspült wurde und wirklich frisch, war seine Unterhose nun auch nicht mehr. Egal, er war am Leben. Beidhändig knüllte Hiruma das Käseblatt zusammen. Seine Augen wanderten die Wände hoch zu den Nummernschildern der Klassenräume. Irgendwo musste es doch sein – 3-2, 3-3, 3-4. Volltreffer! Und wie erwartet tat das Ziel seiner Suche genau das, was er erwartet hatte: sie saß allein an ihrem Fensterplatz und hatte ihre Nase in ein Lehrbuch gesteckt. Er runzelte bei diesem Anblick die Stirn. Es war ungewohnt sie nicht umringt von einem Pulk gackernder Freundinnen und schleimigen Strebern zu sehen. Fräulein Lehrerliebling, immer sittsam, gehorsam, perfekt, zielstrebig und in allem gut. Er gönnte sich ein Grinsen. Allem außer Kunst und moderner Technik. Hiruma holte aus. Erinnerungen brauchten etwas, um die Gedankenwelt einnehmen zu können: ein Wort, einen Geruch, einen Gegenstand. Für Mamori war das Footballfeld ein Auslöser. Stumm stand sie auf der Kuppe des aufgeschütteten Hügels, der bei Heimspielen als Tribüne herhielt und beobachtete die Szenerie. Ihre Finger umklammerten ein Stück mitgenommenes Zeitungsblatt. Sie wusste sofort, wer so dreist gewesen war, es ihr an Kopf zu werfen und dennoch hatte der Inhalt etwas in ihr dermaßen aufgerüttelt, dass sie bereit war sich ihm zu stellen. Ihre Gedanken flogen wild hin und her. Sie verglich das Chaos auf dem Feld, die Versuche Juumonjis seine Line in Zaum zu halten, Senas Schlichtungsversuche unter sich streitenden Neulingen und Monta, der zerstörte Gerätschaften aussortierte, mit den Worten in dem Artikel. Unfähig, wurden die Devil Bat’s darin genannt, überheblich und nicht in der Lage ihren Titel zu verteidigen. Jetzt, wo Hiruma nicht mehr den Lauf einer Beretta in Richtung Schülerredaktion richtete, wurde diese mutig genug, die Leistungen des Teams in Frage zu stellen und in den Dreck zu ziehen. Mamori hörte sich selber mit den Zähnen knirschen. So Unrecht hatten diese Möchtegernjournalisten nicht, wie sie zugeben musste. Sie hatte sich so lange vom Team ferngehalten, dass ihr entgangen war, welche Probleme die Neulinge machten. Vermutlich alles Emporkömmlinge, die keine Ahnung hatten, wie hart man für einen Sieg kämpfen mussten. Sie roch seine Duftmischung aus Haarspray, Bleichmittel und Schießpulver, noch bevor er zu sprechen begann. Irgendwann würde sie ihm sagen, dass er es schon längst nicht mehr schaffte, sich an sie heranzuschleichen. Die ständige Angst davor, heimlich beobachtet und in unmöglichen Situationen fotografiert zu werden, schärften die Sinne. „War mir nicht sicher, ob du es verstehst, Scheißmanager.“ Eine Lüge. Er konnte sich sicher sein, dass sie seine subtilen Hinweise jederzeit verstehen würde. „Warum greifst du nicht ein?“ Neben ihr zerplatzte eine Kaugummiblase. „Kann nicht.“ Welch Überraschung, es gab etwas, was diese Ein-Mann-Spionagezentrale, deren geniale Bösartigkeit selbst Fausts Mephisto wie einen Chorknaben aussehen ließ, nicht konnte. „Und das soll ich glauben?“ Er gab ein unwilliges Schnauben von sich. Anscheinend bestand ihre Beziehung noch immer aus gegenseitigem Verständnis für die einzelnen Schwächen und daraus folgender Provokation. Mamori wagte es ihm einen Blick zuzuwerfen. Sie fragte sich, ob es nur ihre Einbildung war oder er tatsächlich tiefe Augenringe hatte. Seine müde Erscheinung ließen in ihr alte Gefühle auftauchen und gleichzeitig die Erinnerung an böse, verletzende Worte und folgender, monatelanger Stille. „Was willst du von mir?“, fragte sie schließlich mit belegter Stimme. Es war klar, dass er sie nicht hierher manipuliert hatte, um sich zu entschuldigen oder an alte Zeiten zu denken. Argwöhnisch musterte sie ihn, hielt seinem gelangweilten Blick stand und wartete auf eine Antwort. Eine weitere Kaugummiblase zerplatzte. „Kümmer dich um den Zwerg!“ Schweigen. Was sollte man darauf auch sagen? Ein Teil in ihr sträubte sich gegen den Befehlston, der viel größere glotzte jedoch nur dümmlich und überfordert. „Bitte?“ Seine gelangweilte Miene veränderte sich nicht, als er mit dem Lauf seines Sturmgewehrs auf den Trainingsplatz zielte. „Siehst du den verdammten Schönling?“ Hiruma wartete, bis Mamoris Blick auf sein Opfer fiel. Wirklich ein Schönling: groß, schlank und er gab sich alle Mühe so attraktiv wie möglich seine kräftigen Finger durch das halblange Haar fahren zu lassen. Fehlte nur noch sanfter Wind in den schwarzen Strähnen und Mamori hätte sich als Heldin einer Shôjo-Serie gefühlt. „Er sägt an Senas Stuhl“, holte ihr Begleiter sie aus ihren Tagträumen zurück. Nach einer kurzen Zeit des Einfangens eigener Gedanken, fragte die Oberschülerin: „Was genau willst du?“ Es wollte ihr nicht in den Kopf gehen. Das ganze letzte Jahr hatte Deimons Dämon sich mit ihr gestritten, damit sie aufhörte sich um Sena zu kümmern, ihn nicht mehr zu windeln, wie er es so galant ausdrückte und nun sollte sie genau das auf seine Anweisung tun? „Ich will nicht, dass du ihn wieder an deiner Brust nuckeln lässt“, stellte er sofort klar und versuchte den drohenden Wutausbrauch ihrerseits soweit wie möglich zu ignorieren. Zum Glück schleppte sie nicht mehr überall einen Besen mit hin. „Ich will, dass du wieder Manager spielst.“ Nach allem, was geschehen war. Was er gesagt hatte, was sie gesagt hatte, das lange Schweigen, die Verletzungen. „Nein.“ Ihre eigene schrille Stimme erschreckte Mamori. Wieder zerplatzte eine Kaugummiblase. Sie hasste dieses Geräusch. Das Schmatzen, das Aufpusten, das Zerplatzen. Sie hasste alles an dieser Unart und es gab ihr den Mut weiterzusprechen. „Das ist verboten“, stellte sie unumstößlich fest. „Wenn ich das tue, verstoße ich gegen die Schulregeln und das kann zu einem Schulverweis führen. Das mache ich nicht.“ Soviel Ehrlichkeit ließ Hiruma nur die Augen rollen. Mit Sicherheit würde diese Ausgeburt an Tugend vor ihm keinen Schulverweis bekommen, bestenfalls einen Klaps auf den Hintern und ermahnende Worte. Manchmal wünschte er sich sie niederzustrecken und ihre schneeweißen Flügel mit Schmutz zu besudeln. Es war zu bedauern, dass ein derart talentierter Geist dermaßen spießig war. Mamori war bereits auf dem Rückweg zum Schulgebäude - sie wollte weder länger das chaotische Training, noch Hiruma sehen – als er sich dazu herabließ erneut mit ihr zu sprechen. „Und ob du das wirst.“ Der amüsierte Unterton ließ sie aufhorchen. Sie brauchte ihn nicht anzusehen, um zu wissen, dass er dieses gewisse Grinsen hatte, das sein Gesicht zu einer langgezogenen Fratze verzerrte. Dennoch drehte sie kampfbereit herum, stemmte die Arme in die Hüften und wünschte sich ihren Besen herbei. Ein Foto wurde ihr entgegengestreckt, noch bevor sie den Mund öffnen konnte. Sämtliche Farbe floss aus ihrem Gesicht. Dieser Bastard hatte das unselige Bild immer noch und vermutlich hatte er nur auf eine Gelegenheit gewartet es auch benutzen zu können. Sie machte aber auch wirklich nicht die beste Figur in diesem viel zu knappen Cheerleader-Kostüm. Ihre Ohnmacht dauerte nicht lange und sein gackerndes Lachen ließ den Stolz in ihr aufflammen. „Meinetwegen kannst du es überall in Tokyo aushängen, aber ich werde es dennoch nicht machen.“ Woher dieser Mut kam, wusste sie selber nicht. Vielleicht aus dem Unwillen auch jetzt noch nur eine seiner Puppen zu sein, vielleicht auch, weil sein überraschter Blick besser als jedes süße Teilchen war. Ihre innere Stimme wusste jedoch schon jetzt, dass sie es mit Sicherheit bereuen würde. „Oh, du wirst es tun, Scheißmanager.“ Hirumas Stimme war weder wütend, noch gereizt. Im Gegenteil, er betonte nonchalant jede Silbe. Mamori blies die Wangen auf und ihre Wut manifestierte sich in einem purpurroten Gesicht. „Hiruma-kun!“ Doch er war längst verschwunden, so wie er es immer tat, wenn es unangenehm werden konnte. Bis auf das leise Surren von Rollerblades, war es still im Clubhaus des Footballteams. Suzuna bemühte sich redlich optimistisch zu bleiben und zu helfen, wo sie konnte. Kein leichtes Unterfangen angesichts eines Raumes voller Müll und den langen Gesichtern ihrer beiden Freunde. Senas lautes, resigniertes Seufzen blies den letzten Funken Hoffnung in ihr davon und geschlagen ließ sie sich auf einem Stuhl nieder. „So werden wir nie gewinnen“, erklärte sie schließlich. Monta gab ihr nickend Recht, schwieg einen Moment und fuhr sich schließlich mit einem lauten Knurren durch die Haare. „So geht das wirklich nicht weiter.“ Wütend sprang er auf und stemmte beide Hände auf die Tischplatte. Sofort schnellte Suzuna vor und versuchte die umkippenden Miniaturausgaben der alten Devil Bat’s vor dem Umkippen zu bewahren. Sena hatte sie nicht wegwerfen wollen. Sie symbolisierten die wichtigste Zeit in seinem Leben und den Ursprung des glorreichen Teams. Monta schien derartige Sentimentalität nicht zu besitzen. Wie üblich erfüllte er die Klischees über ihn und benahm sich wie ein Dschungelkind, das von Affen aufgezogen wurde. „Es wird Zeit, dass du einschreitest“, fuhr Monta fort und wandte sich diesmal direkt an den neuen Captain des Teams. Dieser brummte nur etwas, was entfernt an ein „Weiß ich“ erinnerte und fuhr sich fahrig durch die schweißnassen Haare. Er war noch immer derjenige der am härtesten trainierte und heute hatte der Ärger nicht einmal lang genug auf sich warten lassen, dass Sena sich hatte umziehen können. Ausgestopft mit den Schutzpolstern, wirkte er seine gebrochene Haltung noch kümmerlicher. Er hatte gewusst, dass es anders werden würde ohne Kuritas sanfte Art, Musashis Gelassenheit und Hirumas Willen, der alle immer wieder antrieb, aber dass es so anders werden würde, überraschte selbst ihn. Allmählich wusste Sena nicht mehr, was er noch tun sollte. Er hatte Angst gegenüber Hiruma irgendwann eingestehen zu müssen, dass er als Captain so dermaßen versagte und nicht in der Lage war, all das, was jahrelang aufgebaut worden war, zusammenzuhalten. Kurz zuckte der Junge zusammen und blickte verwirrt auf, als warme Fingerspitzen über seinen Unterarm strichen. Halb verdeckt durch seine schweren, nassen Ponyfransen erkannte er Suzunas Gesicht. Ganz Cheerleader lächelte sie aufmunternd, wenn es auch ihre Augen nicht erreichte. „Du packst das schon.“ Pausenlos flogen die Finger über die Tastatur des Notebooks, gelegentlich begleitet von einem unheilvollen Kichern. Hiruma war nicht einfach nur gut gelaunt, er war in Höchststimmung und dabei jemandem das Leben schwer zu machen. Immerhin hatte er ein Hobby, das ihm Freude bereitete. Mit aufgerissenen Augen starrte Musashi über die Schulter seines Freundes und stieß ein beeindrucktes Pfeifen aus. Kein Wunder, dass der Blonde derart euphorisch war, das sah nach einer großen und äußerst teuren Gemeinheit aus. „Werbeplakate?“, fragte er fasziniert. Eine direkte Antwort bekam er nicht. Hiruma lachte nur laut auf und vertiefte somit die Falten in Musashis Stirn. Klarheit bekam jener erst, als auf dem Monitor ein Foto Mamoris auftauchte. Der Oberschüler stieß ein nachdenkliches „Oi“ aus, strich sich mit einer Vorahnung über die Bartstoppeln und raufte sich schließlich durch den herausgewachsenen Irokesen. „Das wird sie dir nie verzeihen.“ Hiruma kicherte laut, ließ sich von seinem Werk aber nicht abbringen. „Schnauze, alter Mann!“ Alter Mann – Takekura „Musashi“ Gen hatte sich längst daran gewöhnt, entsprach es in gewisser Weise doch der Wahrheit. Er war der einzige Mittelschüler mit ausgeprägtem Bartwuchs gewesen, den Klassenkameraden schon immer einen Kopf voraus und seine sonnengegerbte Haut ließ ihn mehrere Jahre älter aussehen. Für keinen anderen Oberschüler war es so einfach an Zigaretten zu kommen. Allein der Gedanke an einen Glimmstängel ließ ihn in die Tasche seiner weiten Handwerkerhose greifen und eine zerknautsche Packung hervorholen. „Ich will mich ja nicht einmischen“, erklärte er, während er sich eine Zigarette zwischen die Lippen klemmte, „aber du solltest ihr nicht noch mehr Stress machen.“ Hirumas Finger verharrten einen kurzen Moment über dem Notebook. Ein Zeichen dafür, dass Musashi einen Punkt berührt hatte. „So, Scheißmanager hat also Probleme?“, fragte er desinteressiert, während ein Sturmfeuerzeug klickte. „So what?“ Seine Finger setzen sich wieder in Bewegung. „Sie kann nicht immer everybody’s darling sein. Sie wird’s überleben.“ Langsam blies Musashi den Rauch aus. Das Verhältnis zwischen dem Ex-Quarterback und seiner Managerin war denkbar schlecht. Manchmal hatte er das Gefühl, dass beide nur bestimmte Meinungen vertraten, um gegeneinander kämpfen zu können. Arme Mamori, sie mag zwar Recht haben, aber ihr Feind hatte eindeutig den längeren Atem. „Schon mal dran gedacht, dich einfach zu entschuldigen?“ Mit einem lauten Klacken wurde das Notebook zugeschlagen. Es wurde ein Thema angesprochen, über das Hiruma auf keinen Fall sprechen wollte. „Es wird alles nach Plan verlaufen“, erklärte er, während seine schlanken Finger nach der Zigarette angelten. „Du kannst mit Frauen nicht umgehen.“ Möglicherweise ein wahrer Punkt, aber unerheblich. Es ging nicht darum mit Frauen umzugehen, sondern nur mit einem Mädchen, deren Intelligenz glücklicherweise nicht mit Gerissenheit zu verwechseln war. Hiruma nahm einen tiefen Zug und warf die halbgerauchte Kippe in eine Schubkarre gefüllt mit Sand. „Kommst du zum Spiel?“, versuchte er das Thema zu wechseln. Sein Gesprächspartner warf einen knappen Blick über die Schulter zu dem Rohbau eines Hauses und bohrte nachdenklich mit dem kleinen Finger im Ohr. „Nah, hab zu arbeiten.“ Hosted by Animexx e.V. 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