Nicht jede große Liebe, braucht auch ein Happy End von Gjankie ================================================================================ Kapitel 17: Dann bin das ich ---------------------------- 17. Kapitel Dann bin das ich Kari erging es in den letzten Tagen weniger gut. Sie durchlebte immer noch eine einzige Hölle, aus der es keinen Ausgang zu geben schien. Die einzige Auszeit, die sie hatte, war die Schule. Nie hätte sie sich träumen lassen, das die Schule für einmal zu einem Rettungsboot werden würde, bei dem sie Ruhe fand und keine Angst hatte. Obwohl Kari immer sehr aufgeschlossen und freundlich gewesen war und so zahlreiche Freunde und Bekannte gefunden hatte, konnte sie ihnen doch nicht sagen, was bei ihr zu Hause schief lief. Vielleicht hätte es ihr niemand geglaubt oder sie hätten unzählige Fragen gestellt, die Kari nicht beantworten wollte. Überhaupt neigte sie in der letzten Zeit immer mehr dazu, nichts mehr zu sagen. Es war ihr alles zu viel und zu anstrengend. Auch ihre zuvor sehr guten Noten sanken rapide ab und immer öfter musste sie nachsitzen, doch das beschwor sie gerade zu herauf, denn so musste sie nicht ganz so schnell nach Hause. Auch an diesem Tag musste Kari wieder einmal länger in der Schule bleiben, weil sie eine Schülerin hart beschimpft hatte und diese scheinbar aus sehr zartem Holz geschaffen war und sie verraten hatte. Doch auch die längste Nachsitzstunde hatte einmal ein Ende und so ging Kari langsam und zögerlich nach Hause. Sie hoffte inständig, dass ihr Stiefvater noch nicht da war, sondern erst kommen würde, wenn der Abend sich schon lange in das Land gesenkt hatte, sodass sie genug Zeit haben würde, sich in ihrem Zimmer auf das allabendliche Szenarium aus Schreien und Schlägen vorzubereiten. Mit einem tiefen und traurigen Atemzug drehte sie den Schlüssel um und machte die Tür auf. „Hallo, Mum. Ich bin wieder da.“, sprach sie leise und warf ihre Sachen in die Ecke. „Hallo, mein Schatz. Wie geht es dir?“. Eigentlich erübrigte sich die Frage, denn ihre Mutter wusste ganz genau, dass sie ihr nicht freudig um den Hals fallen würde um ihr in kindlicher Erregung von ihrem Tag zu berichten. „So wie immer.“, tat Kari ihrer Mutter lethargisch kund und verschwand darauf hin gleich in ihrem Zimmer. „Magst du gar nichts essen?“, fragte ihre Mutter mehr beiläufig, als Kari ihre Zimmertür schloss. „Nein, ich habe keinen Hunger.“. Erschöpft legte Kari sich auf ihr Bett und schaute zur Decke, aber eigentlich sah sie diese überhaupt nicht. Die Decke war nun die einzige Möglichkeit zu flüchten, die Kari geblieben war. Manchmal, wenn ihr Stiefvater nicht da war, schaltete sie auch ihr kleines Radio auf ihrem Schreibtisch an und lauschte der angenehm beruhigenden Musik, die aus den Lautsprechern an ihre Ohren drang. Dann war sie in einer anderen, schöneren Welt und träumte sich an die unterschiedlichste Orte, die aber vor allem immer eins gemein hatten: Sie war mit Tai dort und es gab kein Rumgebrülle oder Schläge; es war einfach nur friedlich und ruhig. So wie jetzt, da ihr Peiniger nicht da war und ihre Mutter leise in der Küche arbeitete. >Nur ein bisschen schlafen<, dachte sie, als sie sich zur Seite drehte. Doch nach nur knapp 2 Stunden wachte sie durch einen lauten Knall wieder auf. Sofort weiteten sich ihre Augen angsterfüllt, denn sie wusste, wer dieses Geräusch verbrochen hatte. Scheu kauerte sich Kari zusammen und zog die Beine an ihren Brustkorb. >Hoffentlich kommt er nicht rein, hoffentlich…<, doch ihr Gedankengang erfüllte sich nicht, denn da polterte ihr Stiefvater auch schon rein. „Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?“, schrie er sie an und zerrte sie aus dem Bett. Ängstlich starrte sie ihn an. „Nein, aber ich mache sie jetzt.“, sagte Kari leise. „Setzt dich endlich hin!“. Ihr Stiefvater schubste sie an den Schreibtisch. „In einer Stunde will ich, dass du die Aufgaben fertig hast!“, fuhr er sie drohend an. Als Karis Tür zurück ins Schloss schlug, sackte sie erschöpft und verängstigt zusammen. Sie fühlte sich nicht mehr in der Lage, auch nur einen Stift in die Hand zu nehmen und zu schreiben. Doch ihr Verstand raste unglaublich schnell; Kari musste die Aufgaben erledigt haben, bevor er zurück kam, ansonsten hätte es böse Folgen für sie. Doch so sehr sie ihre Beine auch zum Aufstehen zwang, sie konnte sie nicht mehr kontrollieren und ihr Beine brachen unter der Last ihrer Körpers immer wieder zusammen. Weinend kauerte Kari auf dem Boden und ihre Sicht verschleierte durch die vielen Tränen, die sich aus ihren Augen ihren Weg auf den Teppich bahnten. Plötzlich schreckte sie durch einen lauten Schrei auf. Ihre Mutter wurde also wieder gequält durch ihren Peiniger. Verschreckt hielt sie sich die Ohren zu um es nicht mit anhören zu müssen. Kari wusste nur zu genau, was das bedeutete. Deswegen hatte ihr Stiefvater ihr auch eine Stunde gegeben, bevor er verschwitzt wieder neben ihr stehen würde. Vorsichtig robbte sie zu ihrer Tasche und öffnete sie. Kari wühlte eine zeitlang mit zittrigen Händen, bis sie gefunden hatte, wonach sie suchte. Der weiße Umschlag, den ihr Tai gegeben hatte, war etwas zerknüllt, weil sie ihn immer mitgenommen hatte, damit ihr Stiefvater den Brief nicht finden konnte. Das war ihr Geheimnis und auch, wenn er sie zu Tode geprügelt hätte, sie würde es ihm niemals sagen. Dieses kleine, zerknautschte Etwas war ihr Schatz. Doch Kari zögerte ihn zu öffnen. Tais Stimme meldete sich wie ein Mahnmal in ihrem Kopf. Sie durfte ihn nur öffnen, wenn Kari es nicht mehr aushielt. Doch war es schon soweit? Konnte sie es wirklich nicht mehr ertragen? Kari wusste es nicht. >Aber wenn nicht jetzt, wann dann<, rann durch ihren Kopf. Sicherlich, sie hätte noch viel mehr ertragen können, doch sie wollte es nicht mehr. Ihre Seele war schon viel zu wund gerieben und langsam fingen ihre Wunden an zu eitern, da sie nie zusammen heilen durften oder gereinigt wurden. Dieser Brief stellte eine gewisse Reinigung dar. Wenn er ihre Wunden auch nicht heilen konnte, so trug er doch den Schmerz etwas von ihr weg. Zögerlich öffnete sie ihn und faltete ihn auseinander. Noch einmal schloss sie kurz die Augen und atmete tief durch, bevor sie anfing zu lesen. Liebe Kari, ich hoffe es geht dir gut. Obwohl sich die Frage erübrigt, wenn du diesen Brief ließt, denn ich habe dir ja gesagt, dass du ihn nur öffnen sollst, wenn du es nicht mehr aushalten kannst. Aber ich dachte, die Phrase, die wir zahlreichen Mitmenschen auf unseren Weg stellen, ohne, dass uns ihre Gefühlswelt auch nur im geringsten interessiert, würde es dir einfacher machen, den Rest zu lesen. Allerdings interessiert es mich wirklich, wie es dir geht und es fällt mir unendlich schwer, die Zeilen nun an dich zu richten. Ich habe lange nachgedacht und es für das Beste gehalten, es dir anzubieten, dass du dieser Qual unseres Stiefvaters ausweichst und zu mir kommst, wenn du magst. Wenn du es allerdings nicht in Erwägung ziehst, so merke die meine jetzigen Zeile gut und hüte sie wie einen wertvollen Schatz, der mit keinem Geld dieser Welt aufzuheben ist. Wenn irgendwer auf dieser Welt bis zu Ende zu dir hält; Wenn irgendwer auf dieser Welt dir niemals in den Rücken fällt; Wenn irgendwer auf dieser Welt niemals deine Geheimnisse erzählt; Wenn irgendwer auf dieser Welt sich immer zu dir stellt; Wenn irgendwer auf diesem Planeten dich um keinen Preis verrät; Wenn irgendwer auf diesem Planenten für immer zu dir steht; Wenn irgendwer auf diesem Planenten bis zum Ende mit dir geht; Wenn irgendwer auf diesem Planten nur um deinetwillen lebt; Dann bin das ich! Ich möchte dich wirklich bitten, dass du diese Zeilen im Kopf behältst und sie tief in deinem Herzen einschließt, mein Baby. Weißt du, in den vielen Monaten, in denen die Zeit für mich nichts mehr bereit zu halten schien und ich am liebsten gestorben wäre, musste ich schmerzlich realisieren, dass wir die Welt, so wie sie sich für uns dreht, nicht ändern können; ändern können wir nur, die Art sie anzusehen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich war ein Gefangner meiner selbst und das musste ich erkennen. Ich war nicht der Gefangene meines Stiefvaters oder meiner Freunde, Lehrer und Mitmenschen. Sie können nichts für mein Leben und die Art, wie ich mich fühle. Nur ich kann es ändern, und falle es mir auch noch so schwer. Kari, ich kann dir nicht mehr helfen, wenn du dir nicht helfen lässt. Du bist ein tapferes Mädchen und eine überaus hübsche, junge Frau. Du hast es verdient, nicht mehr zu leiden, doch nicht nur du. Kein Mensch auf diesem Planenten hat es verdient, zu leiden. Wir kommen alle mit nichts auf die Welt, außer mit einem Bündel voller Träume, denen wir es schuldig sind, sie zu verwirklichen. Manche werden sich auch nie erfüllen, aber das hindert uns nicht daran, sie zu träumen. Manchmal ist es wichtiger freundlich zu sein, als Recht zu haben, Kari. Ich lag oft genug mit meinen Entscheidungen falsch und vielleicht war es auch nicht richtig, dir diesen Brief zu geben, aber nun kann ich es nicht mehr rückgängig machen, meine Maus. Vielleicht liegt die Wahrheit ja eines Tages wie ein hell erleuchteter Weg vor mir und ich werde ihn mit dir gemeinsam gehen. Doch bis dahin kann ich nur versuchen, meine Träume zu verwirklichen und mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und das solltest du auch tun. Vergiss nicht: Du kannst immer zu mir kommen, wenn du magst. Ich liebe dich. Dein Bruder Tai. Kari faltete den Brief langsam zusammen und schluckte ihren Klos, der sich gebildet hatte, herunter um nicht zu ersticken. Sollte sie wirklich zu ihm gehen? Konnte sie ebenfalls so einfach mit ihren früheren Leben abschließen, so wie er es gekonnt hatte? Oder hatte er eigentlich überhaupt nicht mit seiner Vergangenheit abgeschlossen, sondern nur einen Weg gefunden, sich mit ihr zu arrangieren? Praktisch wie ein Deal, den sie zusammen ausgetüftelt hatten? Kari wusste es nicht, aber sie wollte es herausfinden. Vielleicht sollte sie wirklich zu ihm gehen und sei es auch nur für einen Tag, eine Nacht, um ein wenig Ruhe zu finden. Noch einmal zog sie die kalte Januarluft ein, dann schloss sie leise das Fenster und verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)