The Kill von abgemeldet (|.:Black & White:.|) ================================================================================ Kapitel 3: Codename: Aoi ------------------------ ~*~*~ 3. Kapitel: Codename: Aoi Die Straßen Tokyos strahlten eine unheimliche Ruhe und Leere aus. Obwohl es noch relativ früh am Abend war, war kaum einer auf den Straßen zu sehen. Überall glitzerten die bunten Reklametafeln und erhellten den abendlichen Nachthimmel. In ihren Visieren spiegelten sich die grellen Lichter wieder, während sie in ihren Gedanken versunken, den Weg nach Hause suchten. Wie Waisenkinder irrten sie durch die Nacht, drohten in ihr zu versinken und nie wieder das Tageslicht zu erblicken. Sie hatten getötet. Ein für sie wertloses Leben beendet. Ihre Rachgelüste gestillt. Ungleich ob es falsch oder richtig wahr. Sie wussten, dass sie das Gesetz brachen, auch wenn sie der Menschheit halfen. Koji Shiroyama. Kumiko Shiroyama. Yuu Shiroyama. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt. Sie hatten die illegalen Machenschaften des Shiroyama Konzerns vorerst beendet. Doch ein Risiko waren sie beide eingegangen. Sie hatten Yuu Shiroyama am Leben gelassen. Warum Ni~ya das tat, konnte Yomi nicht nachvollziehen. Verstieß es doch gegen die Regeln von Black und was sie Reita geschworen hatten. Angst kroch in dem Jüngeren hoch. Was, wenn sie dafür nun mit ihrem Leben bezahlen mussten? Reita hatte für solche Verstöße, selbst wenn sie gut gemeint waren und einen Sinn hatten, kein Verständnis. Er zeigte für Vollwaisen auch keine Hilfsbereitschaft. Auch nicht für Yuu Shiroyama. Für ihn zählte das mickrige Leben eines Anderen nichts. Aber lag er damit nicht vollkommen falsch? Reita kümmerte sich sehr wohl um seine Mitglieder. Als Freunde konnte man sie wohl jedoch nicht bezeichnen. Reita hatte sich lediglich um ihn gekümmert. Er hatte ihn gerettet, als er vor acht Jahren entführt worden war. Alles stand damals groß in der Zeitung: »Chiba Jun, 8 Jahre alt, Kind einer reichen Unternehmerfamilie, wurde am frühen Morgen aus der elterlichen Wohnung im Tokyoter Nobelstadtteil entführt. Die erpresste Summe von 2 Milliarden Yen wurden nicht von der Familie gezahlt. Angeblich war es Chiba Hisao, dem Vater des Kindes, nicht möglich gewesen das Geld rechtzeitig aufzutreiben. Die Verhandlungen zwischen der Polizei und den Entführern blieb wirkungslos. Nach zwei Wochen schaffte es die Polizei durch Zufall die Täter ausfindig zu machen und sie zu verhaften. Von dem Kind fehlte jede Spur. Man nahm an, dass sie den Jungen aufgrund des nicht gezahlten Lösegelds umgebracht hatten. Zu den Beschuldigungen schwiegen die Entführer jedoch und auch nach weiteren Monaten der Suche, blieb der Junge vermisst. […]« Diese zwei Wochen waren die Schlimmsten in seinem Leben. Gefangen in einem Keller auf einem abgelegenen Industriegebiet, war er dazu verdammt zu warten und zu hoffen. Yomi war für seine Familie nichts wert, nur für Reita war er scheinbar von Nutzen. Warum dieser ihn damals gerettet hatte, obwohl sie sich nicht kannten, verstand er nicht, aber er hatte auch nie danach gefragt. Es erschien ihm unwichtig. Er dankte ihm durch seine Untergebenheit. Black war zu seiner neuen Familie geworden. Man gab ihm alles was er brauchte. Reita förderte seine Interessen und ließ ihn in Kampftechniken ausbilden. Yomi schloss sich ihm an um Rache an den Menschen zu üben, die ihn scheinbar nie wirklich geliebt hatten. Er wollte ein Lebenszeichen hinterlassen und gegen die Ungerechtigkeit kämpfen. Er hatte so viele Ziele. Doch eines würde immer an erster Stelle stehen. Rache. Er hasste seinen Vater abgrundtief. Das Lösegeld, was man verlangte, war nicht viel. Sein Vater hätte es ohne Mühen auftreiben können, doch er war zu geizig seinen eigenen Sohn zu retten. Seine Familie war mehr als nur wohlhabend. Sein Vater gehörte zu einem der größten und reichsten Firmenbosse in Japan und auch er hatte illegale Geschäfte am laufen. Das fand Yomi schon nach kurzer Zeit heraus. “Yomi?” “Hm? Nichts, alles okay. Wie willst du das Reita erklären?”, fragte er verunsichert und stieg von dem Motorrad ab. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie schnell sie schon zu Hause waren. Mittlerweile war die Nacht über sie hereingebrochen. Wie spät es war, wusste er nicht und es interessierte ihn auch nicht. Der Tag war noch nicht vorbei. Sie mussten mit Reita Kontakt aufnehmen. Ihm Bescheid geben, dass sie ihren Auftrag erfüllt hatten. Sie mussten gestehen, dass Yuu Shiroyama am Leben war. Sich auf die Unterlippe beißend schluckte er schwer. “Warum hast du das getan!? Das bedeutet unser ENDE!”, schrie er Ni~ya plötzlich verzweifelt und zugleich wütend an. Er konnte es nicht länger zurückhalten. Das Gefühl, dass es ihm egal war, dass es ihn nicht kümmerte, welche Entscheidungen Ni~ya traf. Dachte er denn nicht an die Konsequenzen?! “Yomi...”, versuchte Ni~ya ihn zu beruhigen und drängte ihn langsam zu den Treppen, die zu seinem Appartement führten. “Nein! Ich beruhig mich nicht! Wegen dir werden wir sterben!”, schrie er weiter und die ersten Tränen liefen über seine Wangen. “Das ist alles deine Schuld!”, verzweifelt ballte er die Hände zu Fäusten und schlug gegen Ni~yas Brust, immer wieder. Bis er nicht mehr konnte. Bis ihn die Kräfte verließen. “Ich will noch nicht sterben”, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme und kniff die Augen zusammen. Es kümmerte ihn sehr wohl, was mit seinem Leben geschah. Immer wieder wurde es aus den Fugen gerissen und von Narben des Schmerzes gekennzeichnet. Die Morde, die sie begangen, gingen nie spurlos an ihm vorbei. Egal wie sehr er versuchte eiskalt und berechnend zu wirken. Er war nicht wie Ni~ya. Erneut keimte in ihm der Wunsch auf, dass die Entführer ihn hätten damals umbringen sollen. Doch dieser Wunsch würde auf ewig unerfüllt bleiben. Ni~ya schwieg. Er kannte das Risiko, welches er eingegangen war, sehr wohl und er vertraute darauf, dass Reita ihm in seiner Entscheidung zustimmte. “Yomi~”, wisperte er in dessen Ohr und schloss die Augen. Vorsichtig zog er den Jüngeren in seine Arme und hielt ihn fest. “Hier wird niemand sterben, weder du noch ich, vertrau mir”, begann er leise zu sprechen und lächelte ihn aufmunternd an. Ein wortloses Nicken war die einzige Antwort die er erhielt, gefolgt von leisem Schluchzen. Wieder war dieser Augenblick gekommen, indem Yomi sein Leben abgrundtief hasste. Wieso konnte er nicht wie ein ganz normaler Junge in seinem Alter aufwachsen? Anstatt ständig mit dieser Angst und der Gefahr leben zu müssen. “Alles wieder okay?”, fragte Ni~ya leise und sah ihn besorgt an. Er wusste, wie zerbrechlich Yomi war, auch wenn dieser sich bemühte es zu verstecken. Erneut erhielt er ein wortloses Nicken. “Ich hab Hunger!”, ningelte der Kleine schließlich mit schwacher Stimme und versuchte die Situation ins Lächerliche zu ziehen. Ein plumper Versuch das Thema zu wechseln und seine Tränen zum Versiegen zu bringen. Leise grummelnd biss er sich auf die Unterlippe und ging schließlich die Treppen nach oben. Ni~ya folgte ihm schweigend. Diese Nacht blieb es finster in der Wohnung. Keiner von beiden bemühte sich darum den Lichtschalter anzumachen. Vorsichtig tapste Yomi zu der Couch im Wohnzimmer und ließ sich müde auf sie sinken. Wieso fühlte er sich nur so miserabel, wenn er jemanden umgebracht hatte? Es war doch sein Job. Ein Auftrag. Nichts weiter. Es müsste ihn kalt lassen. Immerhin war der Sekretär nicht besser als Koji Shiroyama selbst. “Ich hasse dieses Gefühl”, murmelte er zu sich selbst und schloss die Augen. “Was willst du essen?”, durchbrach Ni~ya ihr Schweigen. Er stand in der Küche und durchstöberte die Küchenschränke. Wenn sie die nächsten Tage nicht hungern wollten, mussten sie einkaufen gehen. Seufzend fuhr er sich durch die wirren Haare und entdeckte in der hintersten Ecke des Schrankes zwei Packungen Instantnudeln. Mehr war nicht da. “Yomi?” Der Jüngere antwortete nicht. Er war auf der Couch eingeschlafen, während sein Atem leise und ruhig ging. Schmunzelnd strich Ni~ya ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und deckte ihn vorsichtig zu, bevor er sich wieder in die Küche begab und sich schließlich was zu essen machte. Schweigend saß er auf dem Fenstersims und aß seine Nudeln. Den Blick über die Dächer Tokyos gerichtet, bemerkte er nicht, wie Yomi langsam wach wurde. “Ni~?”, fragte dieser verschlafen und rieb sich ein Auge. Die Nacht neigte sich allmählich dem Ende entgegen. Müde richtete er sich auf und beobachtete den Älteren. “Noch Hunger?”, fragte Ni~ya ihn matt lächelnd und hielt ihm die Schüssel hin. Schweigend nahm Yomi sie entgegen. “Geht es dir besser?”, fragte er besorgt. Er selbst konnte nicht schlafen. Er zerbrach sich den Kopf über seine Entscheidung und warum Reita sie noch nicht kontaktiert hatte. “Ja, gomen”, entschuldigte der Jüngere sich und schlürfte die paar Nudeln, die Ni~ya übrig gelassen hatte. “Schon okay. Ich versteh dich ja. Aber Reita kann nicht von uns erwarten, dass wir alles nur zu zweit machen. Das überleben wir auf Dauer nicht”, fing Ni~ya langsam an zu erklären. “Er wird es verstehen. Yuu Shiroyama kann noch von Nutzen für uns sein. Er ist keine Gefahr”, machte er sich selbst Hoffnung, dass seine Entscheidung richtig war und sah wieder aus dem Fenster. Nur langsam sah man am Horizont die ersten Sonnenstrahlen aufblitzen. “Hm…” Mehr als ein Nuscheln hörte man von Yomi nicht. Beide betrachteten sie in Gedanken versunken den Sonnenaufgang… Schrill ertönten die Sirenen der Polizei und der Feuerwehr. Die Kranken- und Leichenwagen waren bereits in der Tiefgarage angekommen. Während die Polizei den Tatort abriegelte, wurden die Leichen des 50 Jahre alten Immobilienkaufmannes Koji Shiroyama und seiner Ehefrau, sowie des Sekretärs und der Bodyguards abtransportiert. Von Minute zu Minute wurde das Blitzlichtgewitter größer und nicht nur Journalisten drängelten sich an dem Absperrband, um das beste Foto zu schießen. Fernseher- und Radiosender waren ebenfalls eingetroffen und interviewten den Polizei-Inspektor und Passanten. Das war die Schlagzeile des Tages. Schon Stunden später würde es überall in den Zeitungen stehen. »Grausamer Mord an Shiroyama Koji und seiner Ehefrau! Sohn spurlos verschwunden!« Aus sicherer Entfernung beobachtete ein schmächtig wirkender Junge die Ermittlungen und wandte nur langsam dem Spektakel den Rücken zu. In seinen zittrigen Händen hielt er sein Katana und die Karte. „Du kommst zu uns!… Überleg es dir. Wir kommen wieder!“ Hallten die Worte des Jungen in seinem Kopf wieder. Wieso sollte er? Er hatte nichts mehr zu verlieren. Genauso gut könnte er auch den Tod wählen. Warum hatten sie ihn nicht gleich mit umgebracht? Warum ließen sie ihn am Leben? Sie hatten ihm alles genommen! Seine Familie, seine Liebe, seine Zukunft. Alles um ihn herum war kalt und starr. Wie sollte er sich entscheiden? Im Grunde lag die Entscheidung doch nicht bei ihm. Es sah wie eine Wahl aus, doch entschieden hatte sie jemand anderes. Sie hatten sie entschieden. Die aufkommenden Tränen unterdrückend biss er sich fest auf die Unterlippe. Sein Kopf dröhnte, während sein Herz zerbrochen war. Er hatte nichts mehr. An einem Abend, in wenigen Minuten hatte man sein ganzes Leben, seine Existenz, ausgelöscht. Er wusste, was sein Vater hinter dem Decknamen der Firma tat. Doch als Sohn konnte er doch schlecht gegen seine eigene Familie interagieren. Jetzt stellte er sich nur eine Frage. Hätte er es doch tun sollen? Hätte er gegen sie aussagen sollen? Dann wären sie jetzt wohl noch am Leben. Aber das würde für ihn Hochverrat bedeuten. Damit hätte er sein eigenes Leben zerstört. Schließlich hatte er einen Eid geschworen. Die Tätowierung an seiner linken Schulter sollte ihn auf ewig an diesen Schwur binden. Nur langsam konnte er sich aus seiner Gedankenwelt reißen und bemerkte die irritierten Blicke einiger Passanten und das wütende Hupen zahlreicher Autos. Schnellen Schrittes überquerte er den Fußgängerüberweg und blieb erneut stehen. Sein Blick wanderte zu der Visitenkarte, die er fest in seinen Händen hielt. Sie wies kleine Risse und Blutspritzer auf. Um wessen Blut es sich handelte, wusste er nicht. Wieder sah er die Leichen seiner Eltern vor sich und hörte den surrenden Draht, wie er die Stille durchschnitt. Den Kopf schüttelnd schloss er für einen Moment seine Augen und blickte dann wieder auf die Karte. Auf ihr stand in verschmierten Lettern eine Adresse. Wo sie ihn hinführen würde, wusste er nicht. Aber er war sich sicher, dass er dort Antworten auf seine Fragen erhalten würde. Er würde sich BLACK zu nutze machen. Die Hand zur Faust ballend, verfinsterte sich sein Blick und er machte sich auf den Weg. Die ganze Nacht und den Morgen hatten sie gewartet. Doch es geschah nichts. Entgegen den anderen Aufträgen rief sie Reita dieses Mal nicht an. Sollten sie ihn kontaktieren? Erwartete er das? Wollte er sie vor ihm hin kriechend und um Verzeihung bettelnd sehen? “Was machen wir jetzt?”, durchbrach Yomi die immer unerträglicher werdende Stille. “Warten. Geh du zur Schule. Der Auftrag hat nach wie vor Priorität”, erwiderte Ni~ya ruhig und senkte den Kopf. //War es vielleicht doch ein Fehler?// Der Gedanke ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. “Also willst du den ganzen Tag nur rumsitzen und warten?”, durchbrach der Kleine erneut die Stille. Seine Stimme klang zynisch und ein Kichern war herauszuhören. Scheinbar ging es ihm besser oder er überspielte die Angst, die nach wie vor tief in ihm verborgen lauerte. “Ja, den ganzen lieben Tag sitz ich hier rum und beobachte die Vögel, während du in der Schule eine Bildung von höchstem Standard genießt”, antwortete Ni~ya sarkastisch und schnipste ihm gegen die Stirn. “Verschwinde endlich. Wenigstens einen Tag lang will ich meine Ruhe haben. Kannst du dir dort nicht ein paar Freunde suchen?” “Klar, und wenn der Unterricht vorbei ist, schlepp ich die alle in diese winzige Wohnung mit und lass sie auf deinem Bett Trampolin spielen, während ich vor der Glotze hänge”, entgegnete Yomi mit einer beunruhigenden Ernsthaftigkeit und verzog nicht einmal seine Mundwinkel. “Dich schmeiß ich natürlich raus. In Pubs und Love-Hotels bist du ja bestens aufgehoben”, fügte er noch böswillig hinzu und packte seine Schulsachen in den Rucksack. Ni~yas entgleistes Gesicht bekam er nicht mit. Es hatte ihm die Sprache verschlagen, unfähig noch irgendetwas zu kontern, sah er ihm schweigend nach. Yomi konnte frech sein, aber das überschritt schon fast die Grenzen. Sorge machte sich in ihm breit und er musterte Yomi eindringlich. War mit ihm wirklich alles in Ordnung? “Bis heute Nachmittag. Du brauchst mich nicht abholen. Ich fahr mit U-Bahn”, erklärte Yomi lächelnd und lief in den Flur, um sich Schuhe und Jacke anzuziehen. “Hm.. Ist gut”, murmelte Ni~ya mehr zu sich als zu Yomi. Mit einem lauten Schlag fiel die Haustür ins Schloss und Yomi war weg. In der Wohnung breitete sich wieder die Stille aus. Seufzend erhob sich der Blonde und schleppte sich zum Kühlschrank. “Nur Müll…” Genervt schob er ein paar abgelaufene Joghurts zur Seite und fand schließlich noch eine kleine Schnapsflasche in der hintersten Ecke stehen. Wenn Yomi nicht bei ihm war, geriet er wieder in einen schwarzen Strudel. Dann erschien sein Leben kalt und dunkel. Der Wunsch die Vorhänge überall zuzuziehen und sich in seinem Bett zu verkriechen wurde von mal zu mal stärker. Plötzlich hörte er es poltern und erneut die Wohnungstür ins Schloss fallen. “Yomi?!”, schrie er genervt in den Flur, als dieser auch schon an ihm vorbei hechtete und nach seinem PC griff. “Den hab ich vergessen!”, rief er außer Atem und blieb kurz vor Ni~ya stehen. “Weg mit dem Scheiß Alkohol!”, patzte er Ni~ya an und riss ihm die Flasche aus der Hand. Fies grinsend warf er sie in den Mülleimer und rannte aus der Wohnung. “Bis später!”, hörte man ihn noch durch das Treppenhaus schreien. “Idiot”, grummelte Ni~ya leise vor sich hin und hockte sich vor den Mülleimer. Die Schnapsflasche war schon zur Hälfte ausgelaufen. Da war nichts mehr zu retten. “Der schöne Alkohol!” Jammernd richtete er sich wieder auf und schlenderte ins Bad. Er musste heute sowieso noch einkaufen fahren. Bei der Gelegenheit würde er sich einfach neuen Alkohol kaufen. Der Tag neigte sich nur langsam dem Ende entgegen. Während Yomi in der Schule festsaß und seinen Beobachtungen nachging, verbrachte Ni~ya die Stunden mit Besorgungen. Beide waren sie mit ihren Gedanken weniger denn je bei der Sache. Sie stellten sich nur eine Frage. Wie würde Reita reagieren, wenn er von dem Ausgang ihres Auftrages erfuhr? Auf jedem Nachrichtensender, ob lokales oder internationales Fernsehen, überall wurde über den grausamen Mord der Familie Shiroyama berichtet. Reita musste es bereits wissen. Lange würde er sie nicht warten lassen. Die Würfel waren bereits gefallen. Seufzend fuhr Ni~ya mit dem Motorrad durch die Stadt auf den Weg nach Hause. Er hatte alles erledigt, was er sich vorgenommen hatte und war froh, den Rest des Tages in Ruhe verbringen zu können. Auch wenn Yomi seine Wohnung bald wieder auf den Kopf stellen würde, würde es ihn nicht stören. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, mochte er die Nähe des Jüngeren. Und er wusste, dass es auf Gegenseitig beruhen musste. In Gedanken schmunzelnd und sich überlegend, was er ihm heute Abend zu essen machen könnte, bog er in eine Gasse und kam vor seinem Wohnblock zum Stehen. Nachdem er den Motor ausgeschaltet hatte, stieg er von der Maschine und nahm den Helm ab. Den Kopf schüttelnd fuhr er sich anschließend durch die zerzausten Haare und ging die Treppen hoch. Den Blick gesenkt bemerkte er zunächst nicht die Person, die vor seiner Wohnung kauerte und sich langsam aufrichtete. In seinem Rucksack nach dem Wohnungsschlüssel suchend nahm er ein verächtliches Schnaufen war. Augenblicklich spürte er kaltes Metall an seinem Hals und erstarrte. Den Blick geradeaus gerichtet sah er direkt in die Augen Yuu Shiroyamas. “Da bist du ja endlich”, hörte er ihn gefährlich zischen, während die Klinge sich gegen seinen Hals drückte. “Shiroyama. Hast du dich entschieden?”, fragte er ihn unberührt und rückte seine Armbanduhr zurecht. “Als ob ihr mir eine Wahl gegeben hättet! Die Entscheidung lag von Anfang an bei euch beiden! Wo ist der Junge?!”, stellte er weiter Fragen und drängte Ni~ya gegen die Wand. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und musste sich konzentrieren nicht wieder anzufangen zu zittern. Er hatte Angst. Unendliche Angst. Aber er durfte sie nicht zeigen. “Yomi? Ist nicht hier. Der geht noch zur Schule”, erwiderte Ni~ya trocken und ein hämisches Grinsen stahl sich auf seine Lippen. “Du kannst es nicht. Warum versuchst du es dann immer wieder?” Mit einem leisen Surren schlang sich der feine Draht aus seiner Armbanduhr um das Katana und drückte es von seinem Hals weg. “Was?!…. Ngh!” Entsetzt stemmte sich Yuu mit seinem ganzen Gewicht gegen den Widerstand des Drahtes und hatte Mühe sein Katana ruhig zu halten. “Wie… wie machst du das?!” Mit einem lauten Klirren fiel die Klinge schon nach wenigen Sekunden zu Boden. “Konzentration und Kraft”, antwortete Ni~ya gelassen und der Draht verschwand wieder in seiner Uhr. Sein Grinsen wurde immer breiter, während er Yuu weiter in die Augen sah. “Noch Fragen?” “Ich bring dich um!”, schrie Yuu ihn wütend an und holte aus, als er unerwartet Hände auf seinen Schultern spürte, die ihn mit einer übermenschlichen Kraft nach unten drückten. Sekunden später landete er, auf dem Bauch liegend, auf dem Boden. “Ngh~” Nach Atem ringend versuchte er an sein Katana ranzukommen, welches nur knapp einen Meter vor ihm auf dem Boden lag. Doch Ni~ya hob es vor ihm auf und lächelte ihn süffisant an. “Vergiss es”, sprach er lieblich und beugte sich zu ihm herunter. “Ni~ya~ ich bin wieder da!”, quiekte Yomi vergnügt, nachdem er bemerkte, dass der Ältere ihm keine Beachtung schenkte. “Und du bist ja auch schon hier?”, fragte Yomi den unter sich liegenden Jungen grinsend und stand langsam von ihm auf. “Ich hasse Schule. Hab ich das schon mal erwähnt?” Mit einem Klicken schloss er die Tür auf und zog beide hinter sich her. “Du dahin und du dort”, befahl er ernst und schubste beide in unterschiedliche Ecken des Wohnzimmers, während er sich selbst auf die Couch setzte und seinen PC einschaltete. “Reita hat sich gemeldet”, antwortete er knapp auf die fragenden Gesichter der beiden Männer. “Yomi, wa-” Doch ein Handzeichen Yomis ließ ihn wissen, dass er schweigen sollte. “Yuu Shiroyama. Du weißt warum du hier bist. Man hat dich aus verschiedenen Gründen am Leben gelassen. Die Wahl, was du mit deinem Leben jetzt anfangen willst, liegt bei dir. Da du dich aber entschieden hast unterzutauchen und der Firma deines Vaters den Rücken zu kehren, biete ich dir den Beitritt zu BLACK an. Ab sofort wird dein Codename: Aoi lauten. Egal mit wem du sprichst oder was du tust. Das ist dein Name. Deine Identität. Yuu Shiroyama existiert nicht mehr. Dein Geburtsname, deine Daten und Bilder, einfach alles, was mit dir bis jetzt in Verbindung stand, wird aus sämtlichen Datenbank gelöscht. Für andere existierst du nicht mehr. Solltest du jemals einen Undercover-Einsatz leiten, erhältst du einen Decknamen. Die Kunst des Kendo wirst du weiter verfolgen. Vorerst bist du für Aufträge nicht zugelassen. Weitere Regeln werden dir Yomi und Ni~ya erklären”, las Yomi die E-Mail, die er von Reita erhalten hatte, vor. “Bitte WAS?!”, schrie Yuu wütend Yomi an und suchte nach den richtigen Worten. Das ging eindeutig zu schnell für ihn. “Da mach ich nicht mit! Wer ist der Kerl überhaupt?!” Sein Blick verfinsterte sich und er ballte die Hände zu Fäusten. Man zwang ihn dazu, beizutreten. Aber warum? Wussten sie etwas, was er nicht wusste? War er für sie von Bedeutung? “Da fragst du die Falschen”, antwortete Ni~ya gelassen und ließ sich neben Yomi auf die Couch fallen. “Niemand kennt Reitas wahre Identität. Fragen stellen ist nicht erlaubt. Solltest du jemals Reita hintergehen, oder sollte deine Identität von anderen Menschen aufgedeckt werden, wirst du sterben. Die Identität von BLACK und ihrem Auftraggeber muss unter allen Umständen geheim bleiben!“, erklärte Ni~ya ihm die Regeln und sah ihn abwartend an. Man sah ihm die Genugtuung an, die er verspürte, als er in Yuus verzweifeltes Gesicht sah. Der Junge hatte keine Wahl. Er wusste bereits zu viel, als das er hätte ablehnen können. „Aoi?“ Doch der Junge reagierte nicht. Seine Hände zitterten und er schluckte schwer. „Aoi!“, rief Ni~ya seinen Namen lauter und der Angesprochene sah erschrocken auf. „Geht doch!“ Lachend sah Ni~ya zu Yomi, welcher ebenfalls grinste. Die Erleichterung war beiden anzusehen und doch waren ihre Gedanken ernst. Ihr Lachen falsch. „Dir wird eine Wohnung zugeteilt. Sie ist nicht groß, aber zum Leben reicht sie. Die Schlüssel hab ich bereits erhalten“, fuhr Yomi leise fort und schrieb eine E-Mail an Reita. „In einem Umschlag wird dir monatlich Geld zugeschickt. Du kannst frei darüber verfügen. Kreditkarten oder andere Zahlungsmittel sind nicht erlaubt. Dein Handy musst du auch wegschmeißen. Du bekommst ein Neues von mir“, erklärte Yomi ruhig und sah von seinem PC auf. Kurz kramte er in seinem Rucksack nach den Schlüsseln und einem bräunlichen Umschlag und warf diesen Aoi zu. „Wenn du Fragen hast, weißt du, wo du uns findest. Deine Schule solltest du nicht mehr besuchen. So etwas wie Schulpflicht gibt es für dich jetzt nicht mehr. Am besten ist es, wenn du dich die nächsten Monate nicht in der Öffentlichkeit zeigst. Dein Gesicht kennt jeder. Die Gefahr, dass wir auffliegen, ist zu groß.“ „Ist das alles?“, unterbrach Aoi Yomis Redefluss und sah ihn mit einem leeren Blick an. „Eh? Ja, das war alles“, antwortete der Jüngere trocken. Ni~ya hörte schweigend zu. Seine Augen waren geschlossen. Äußerlich zeigte er Desinteresse, doch er wusste, wie Aoi sich fühlen musste. Yomi erklärte ihm noch, wo sich seine Wohnung befand, ehe Aoi nach seinem Katana griff, welches im Flur an der Wand lehnte und die Wohnung verließ. Schweigen brach aus……. Finsternis machte sich in den Herzen der Menschen breit…….. Die Nacht zog sich wie ein Schleier über die Dächer Tokyos………… ~*~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)