La Tua Cantante von absinthe (Alice schickt Edward ohne Grund nach Volterra. Dort trifft er Bella, die Teil von Heidis (ein Vampir aus Aros Garde) Reisegruppe ist. Plötzlich muss er eine Entschidung treffen, die sein ganzes Leben verändern kann... EPOV) ================================================================================ Kapitel 1: Verlangen -------------------- Kay, die 3. FF, die ich anfange... Mir spukt zuviel im Kopf rum...>_<... Hoff, euch gefällt´s irgendwie^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich wusste nicht, warum Alice unbedingt darauf bestanden hatte, dass ich nach Volterra flog. Sie hatte eine Vision und dennoch verriet sie mir nicht, was es war. “Es ist wichtig”, meinte sie. Wenn ich versuchte, ihre Gedanken zu lesen, blockte sie ab und übersetzte irgendetwas oder zählte in einer anderen Sprache. Carlisle begleitete mich. Volterra war die Stadt der Volturi, die herrschende Klasse der Vampire, und sie waren mit ihm befreundet. Trotz der Meinungsdifferenzen würde es vielleicht interessant sein, sich mal wieder mit ihnen zu unterhalten, fand er. Schließlich war schon etwas Zeit vergangen seit er sich von ihnen abgewandt und seine eigenen Wege gegangen war. Aro, Marcus und Caius wussten natürlich sofort Bescheid, als wir ankamen. Kein Vampir, der ihre Stadt betrat, entging ihnen. Das Empfangskomitee, das aus drei großen, männlichen und einem kleinen, weiblichen Vampir bestand, begrüßte uns mit offenen Armen. Auch wenn der weibliche Vampir wie ein kleines Mädchen aussah, war deutlich, dass sie das Kommando hatte. Ich lehnte ab, sie zu begleiten, denn ich hatte keine Lust, auf einen Haufen rotäugiger, uralter Vampire zu treffen und die eventuellen Überredungsversuche, doch menschliches Blut zu trinken, über mich ergehen zu lassen. Während Carlisle mit ihnen ging, um Aro und die anderen zu begrüßen, sah ich mir die Stadt etwas genauer an. Der Zahn der Zeit hatte deutlich an ihr genagt. Die Gebäude sahen sehr alt aus und die meisten waren noch nicht restauriert. Die sandfarbenen Wände der Häuser gaben Volterra einen romantischen Hauch. Es war ideal für kleine Hochzeiten und andere familiäre Feste. Die Pflasterstraßen, die übrigens sehr sauber waren, ließen alles wie aus dem letzten Jahrhundert erscheinen. Hier und da tummelten sich kleine Familien und Touristen, vor allem auf dem Palazzo dei Priori, vor dem ich jetzt stand. Die Sonne stand im Zenit und ich musste in einer der Nebenstraßen im Schatten bleiben, da ich sonst mit Garantie aufgefallen wäre. Die Menschen waren es nicht gewohnt, glitzernde Haut zu sehen. Es hätte einen Aufruhr gegeben und die Volturi hätten mich in Stücke gerissen. Denn das hatten sie sich zur Aufgabe gemacht. Unsere Existenz geheim zu halten. Und jeder, der dagegen verstieß, wurde eliminiert. Auf dem Platz waren die meisten Urlauber unterwegs. Das hieß, dass sie sich eigentlich nicht wirklich bewegten. Einige standen herum, andere saßen auf dem Rand des großen Springbrunnens. Alle genossen die Wärme - die ich niemals mehr in mir spüren würde - und sie war fast schon zu unangenehm. Die Leute verströmten die unterschiedlichsten Gerüche - einige mehr, andere weniger verlockend - und fast immer war etwas Schweiß mit vermischt. Es störte mich nicht weiter, denn ich hatte erst kurz vor unserer Abreise aus Forks meinen Hunger gestillt. Ihre Gedanken handelten von dem Wetter oder der nächsten Sehenswürdigkeit. Einige waren genervt von den Touristen, die die Einfahrten versperrten, andere machten sich über ihre persönlichen Probleme Sorgen. Viele junge Leute waren damit beschäftigt, das andere Geschlecht zu einer Verabredung zu überreden. Ich versuchte soweit es ging ihre Gedanken auszublenden, was aber nicht komplett funktionierte. So bekam ich auch mit, wie ein Junge zwei Mädchen ansprach. Die eine groß und blond, die andere klein und brünett - mit ungewöhnlich blasser Haut, was ihr wirklich stand. Er war sichtlich von beiden angetan und wollte sie für ein kleines Abenteuer begeistern. Bei seinen Gedanken wurde mir fast schon schlecht und seltsamerweise keimte in mir das Gefühl auf, das Mädchen mit den braunen Haaren vor ihm zu beschützen. Die ganze Sache erledigte sich aber von selbst, da sie seine Absichten durchschaute und ihm eine ziemlich grobe Abfuhr gab. Innerlich seufzte ich erleichtert, was mich wirklich überraschte. Ich hatte nie viel für die einfältigen Menschen übrig gehabt. Sie waren alle gleich und verdienten es eigentlich nicht, dass man mit ihnen mitfühlte. Ich war immer erstaunt, wie viel Mitgefühl Carlisle für sie aufbringen konnte. Die Blonde war nicht sonderlich begeistert, dass Bella - so nannte sie ihre Freundin - ihr eventuelles Date vermasselt hatte, auch wenn sie ihr das nicht zeigte. Nach kurzem Schmollen gingen sie weiter. Sie mussten einer Reisegruppe angehören, denn sie gesellten sich zu einer größeren Ansammlung von Menschen, die vor dem hohen Glockenturm standen und dem auswendig gelernten Text des Reiseführers zuhörten. Ich achtete nicht weiter auf sie und blendete wieder ihre Gedanken aus. Gerade als ich mich umwandte, um einen anderen Teil der Stadt unter die Lupe zu nehmen, traf mich etwas von hinten. Es war nicht mehr als das Gefühl, von einem Kieselstein getroffen worden zu sein und als ich mich wieder in Richtung des Platzes drehte, sah ich zu meiner Verblüffung das Mädchen mit den braunen Haaren vor mir liegen, das ich eben noch in den Gedanken des Jungen betrachtet hatte. Jetzt vor mir sah sie sogar noch verletzbarer, noch zerbrechlicher aus und ihre blasse Haut war so dünnhäutig, dass ich mit Leichtigkeit das Blut, das ihr ins Gesicht schoss und ihren Wangen einen wunderschönen Rosé-Ton verliehen als sie zu mir aufblickte, erkennen konnte. Ich hörte, wie sie kurz die Luft anhielt, ehe sie sprach und ihre Stimme klang zittrig. “Tut mir Leid. Ich hab Sie nicht gesehen.” Verlegen wandte sie den Blick ab und errötete noch mehr. Es war wirklich ein erstaunlicher Effekt und ich mochte ihn jede Sekunde mehr. Ihr Gesicht spiegelte ihre Gefühle genauestens wider und ich versuchte, ihre Gedanken zu lesen, um zu wissen, was ihr wirklich durch den Kopf ging. Doch da war nichts. Kein einziges Geräusch, kein Seufzer. Rein gar nichts. Ich konzentrierte mich noch stärker und ließ die Gedanken der anderen Menschen jetzt wieder mit einfließen, doch immer noch nichts von dem Mädchen vor mir. Das war mir noch nie passiert. Ich verstand es nicht und es machte mich ungeduldig und wütend. Der Drang, ihre Gedanken zu hören, wurde immer stärker. “Schon in Ordnung.” Ich lächelte sie an - wobei ich immer noch angestrengt auf die Stimme ihrer Gedanken achtete - und ging einen Schritt auf sie zu, um ihr aufzuhelfen. In dem Moment streifte mich ein Luftzug und schleuderte mir ihren Duft wie einen Faustschlag ins Gesicht. Abrupt blieb ich stehen und verharrte in meiner Bewegung. Er war so vollkommen anders als die anderen. Tausendmal lieblicher und süßer. Er vernebelte mir die Sinne, ließ meine Muskeln anspannen und veranlasste das Gift, sich in meinem Mund auszubreiten. Ich wollte sie. Ich wollte ihr Blut und das um jeden Preis. Vergessen war das Geheimnis um ihre Gedanken, die ich eben noch versucht hatte, zu entschlüsseln. Obwohl ich erst vor kurzem auf Jagd war, löste dieses Mädchen einen solchen Reiz in mir aus. Es war unglaublich. Noch vor ein paar Minuten wollte ich sie vor den Absichten dieses Jungen schützen, doch jetzt sah es so aus, als ob jemand anders sie vor mir schützen musste. Denn ich war das eigentliche Monster hier. Ich war derjenige, dessen Rasse sich an dem Blut ihresgleichen nährte, wenngleich meine Familie davon abgeschworen hatte. Instinktiv wich sie etwas zurück, als sie meine veränderte Haltung bemerkte. Eine natürliche Reaktion, ohne jeden Zweifel. So sollte die Beute auch reagieren, wenn sie vor dem Jäger stand. Ich zwang mich, das Monster in mir zu unterdrücken. Dem Drang, mich auf das Mädchen zu stürzen und ihr warmes Blut zu spüren, wie es meine Kehle hinunterlief, wenn ich es trank und damit ihr kurzes Leben beendete. Carlisle hatte all das aufgebaut und ich würde es mit einem Schlag, mit einem Biss zunichte machen. Außerdem würde ich seine Freundschaft zu den Volturi erheblich erschüttern, Unmengen von Menschen auf mich aufmerksam machen und wahrscheinlich mein eigenes Leben verwirken. Die Volturi würden mich töten. Es war nämlich verboten, in ihrer Stadt zu jagen. Sollte ich mich wirklich auf sie stürzen, wäre es das letzte Mal, dass ich überhaupt Blut trinken würde und das auch noch nicht einmal ausgiebig. Ich war mir sicher, dass es nur ein paar Sekunden dauerte, bis andere Vampire mich von ihrem Hals reißen und dem ganzen Schauspiel ein schnelles Ende bereiten würden. Carlisle würde mir zwar verzeihen, wenn ich nachgab, weil ich mich nicht beherrschen konnte, aber mit Sicherheit wäre es ein Schock, wenn ich nicht mehr da wäre. Wenn die Volturi mich eliminierten. Das konnte ich ihm nicht antun. Genauso wenig Esme und den anderen. “Alles in Ordnung?” Bella hatte sich vom Boden erhoben und war einen Schritt auf mich zugekommen. Ich hielt die Luft an und augenblicklich klärten sich meine Gedanken ein wenig. Was für ein seltsames Benehmen. Normalerweise sollte sie weglaufen. Ihr Leben in Sicherheit bringen. Sich von dem Monster entfernen, dass sie durch meine Augen genauestens fixierte und versuchte, die Oberhand über mich zu erlangen. Selbst wenn sie das getan hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, sie einzuholen. Sie hob eine Hand, doch nahm sie sofort wieder weg, als sie sah, wie ich sie anfunkelte. Dieses kleine Menschenmädchen war drauf und dran, alles zu zerstören, was ich hatte, mich eingeschlossen. Während sie die Kamera, die sie fallen gelassen hatte, als sie an mir abgeprallt war, hochhob, nutzte ich die Gelegenheit, so schnell wie möglich in die andere Richtung zu rennen. Sobald sie sich wieder aufgerichtet hätte, wäre ich bereits einige Kilometer entfernt gewesen. Ein paar Minuten später - als ich mir sicher war, ihren Duft völlig abgeschüttelt zu haben - hielt ich an und atmete wieder, was unsereins eigentlich nicht notwendigerweise machen musste. Es war nur Gewohnheit. Jetzt wo meine Gedanken wieder klar waren - und ich nicht mehr ständig daran dachte, zurück zu laufen, sie in eine dunkle Gasse zu locken und mich auf sie zu stürzen -, kam es mir absurd vor, dass ein normales Mädchen soviel Macht über mich haben sollte. Der Gedanke, was ich alles in einer Sekunde zerstört hätte, war beängstigend. Ich verdrängte ihn, genauso wie die Erinnerung an ihren Geruch und rannte zu dem Hotel, dass Carlisle gebucht hatte, in dem aber wahrscheinlich nur ich über die Dauer unseres Aufenthaltes sein würde. Die Empfangsdame war mehr als freundlich, als sie mich erblickte und meinen Zimmerschlüssel heraussuchte. Ihre Augen strahlten, als sie ihn mir gab und ihre Gedanken verrieten, dass sie sich die Nummer besonders gut eingeprägt hatte. Für den Notfall. Ich schenkte ihr keinerlei Beachtung, was sie dennoch nicht störte. Ihr Blick war auf meinem Rücken zu spüren, selbst als ich schon die Treppen zu meiner Etage hinaufging. Ich hätte den Fahrstuhl nehmen können, doch im Moment war es mir lieber, nicht allzu eng mit anderen Menschen zu stehen. Das Zimmer des Fünf-Sterne-Hotels war wie nicht anders zu erwarten sehr üppig ausgestattet. Auf den Butler, der uns normalerweise zur Verfügung stand, verzichteten wir von vornherein. Ich ging in den Schlafbereich und ließ mich mit einem lauten Seufzer aufs Bett fallen, die Augen geschlossen. Unglücklicherweise konnten Vampire nicht schlafen, dabei hätte das jetzt wirklich gut getan. Ich versuchte mir einzureden, dass es in Volterra so viele Menschen gab, dass sie mir bestimmt nicht mehr begegnen würde. Auch wenn es mehr als einfach war, ihren Duft wieder zu finden - oder ihr Gesicht in den Gedanken der anderen Menschen, die ihr begegneten. Immer wieder überzeugte ich mich mit dem Gedanken, dass es die Stadt der Volturi war und dass sie mich aufhalten würden, dass ich Carlisle und die anderen nicht enttäuschen durfte und dass ich mich hassen würde, genauso wie ich dieses Mädchen hassen würde. Ich war fast schon ein ganzes Jahrhundert ein Vampir und hatte mich sehr gut unter Kontrolle und dann kam so ein Mensch dahergelaufen und ruinierte beinahe alles. Ein einfacher Mensch, ein Mädchen, das noch nicht einmal etwas gemacht hatte. Nur zu gut gerochen. Und das nicht wüsste, warum ihr das passiert war, warum ihr, die vielleicht noch nie etwas angestellt hatte und sich in dem Moment, in dem meine scharfen Zähne sich in ihre Haut bohren würden, fragte, warum es ausgerechnet sie traf. Dann war da noch die Sache, mit ihren Gedanken. Einzig die Tatsache, dass ich sie nicht töten wollte, hielt mich davon ab, sie wieder aufzusuchen und herauszufinden, warum ich es bei ihr nicht konnte. Warum sie mir ein Rätsel war. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 2: Teatro Romano ------------------------ Die nächsten zwei Tage blieb ich im Hotelzimmer und verbrachte meine Zeit damit, wieder mein altes Ich zurückzuholen. So wie es war, bevor mein Verstand aufgrund eines einzigen Duftes fast gänzlich ausgesetzt hatte. Vor der Tür hing das “Bitte nicht stören” - Schild und trotzdem kamen immer wieder ein paar Zimmermädchen herein und gaben vor, es nicht gelesen zu haben. Die Wahrheit aber war, dass die Rezeptionistin eifrig geplaudert hatte und ihre Kollegen neugierig machte. Jedes Mal wenn jemand ‘aus Versehen’ hereinkam - und keineswegs enttäuscht wurde -, hatte ich es schwer, sie höflich wieder hinauszuschicken. Sie wollten einfach nicht das Zimmer verlassen und verharrten voller Verblüffung viel zu lange an der gleichen Stelle. Nach diesen besagten zwei Tagen ständiger Personalbesuche beschloss ich, mein Zimmer zu verlassen und wieder in die Stadt zu gehen. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig, dass ich entweder das Mädchen von damals wieder traf und sie anfiel oder ich mich vor lauter Überreiztheit auf einen Hotelmitarbeiter stürzte. Ich beschloss, vorher aus Volterra herauszulaufen und den nächst besten Wald aufzusuchen. Ich musste mich mehr als gründlich vorbereiten. Für den Fall der Fälle. Wer wusste schon, ob Italien noch mehr Menschen hatte, dessen Blut so auf mich wirkte. Allerdings sah Bella gar nicht italienisch aus. Ihre Haut war viel zu blass - sogar noch blasser als normal -, nicht so dunkel wie die der Südländer. Und sie sprach Englisch. Anhand ihres Akzentes erkannte ich, dass sie Amerikanerin war. Alles eigentlich nicht weiter ungewöhnlich. Sie war schließlich Teil einer Reisegruppe. Vielleicht war sie ja nicht einmal mehr im Land, sondern bereits auf ihrem Rückflug in die Staaten. Verdammt. Immer noch dachte ich über dieses Mädchen nach. Dabei sollte sie mir völlig egal sein. Sie war nur ein Mensch. Einer, dem ich fern bleiben musste. Ich grummelte vor mich hin und erntete ein paar neugierige Blicke von ein paar Touristen, die an mir vorbeiliefen, als ich auf meinem Rückweg das große Eingangstor zur Stadt passierte. Nicht weit entfernt hatte ich etwas gefunden, wo ich wunderbar jagen und meinen Hunger stillen konnte. Ganze fünf Stunden dauerte es, obwohl es mir nicht schwer fiel, auf Anhieb genug Tiere zu erbeuten. Letztendlich hatte ich mehr als doppelt soviel wie normal getrunken. Es konnte also nichts passieren. Glücklicherweise war das Wetter heute gnädig mit mir. Ich konnte ungehindert wieder zurücklaufen, ohne Angst haben zu müssen, verwundert angestarrt zu werden. Eine dicke Wolkenschicht verdeckte die Sonne und ein schwacher Wind wehte. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um ein bisschen umherzuwandern und nicht wieder in das Hotel zurück zu müssen. Der größte Teil der Menschen, die sich heute auf den Straßen tummelten, waren jede Menge aufgeregte Gruppen von Urlaubern, die sich über die graue Wolkenschicht beklagten. Konnte die Anzahl von diesen Leuten in den letzten Tagen so drastisch gestiegen sein? Ich ging fast menschenleere, enge Gassen entlang, um den neugierigen Blicken auszuweichen. Zwischen den vielen erstaunten waren einige böse dabei. Meist stammten diese von den Ehemännern, die für ihre Frauen plötzlich wie Luft waren. Die Häuser wurden kleiner und lichter, bis sich vor mir plötzlich eine Ruine ausbreitete. Sie war in einer Senke vor der Stadtmauer eingelassen. Der steile Rand war mit Gras überwuchert. Hier und da standen noch halbhohe Steinmauern - teilweise ebenfalls mit grünen Ranken übersehen - und verdeckten die Sicht auf ein paar Stellen des Platzes. Dahinter war eine Art Tribüne in einem Halbbogen, die am Ende von einer kleinen Wand abgeschlossen wurde. Wahrscheinlich befand sich dahinter ein alter Gang, den man früher benutzte. Ich kam zu dem Schluss, dass es sich um ein altes Theater handeln musste und den wenigen Gedanken der kleinen Gruppe, die eben an mir vorbeigegangen war - und die sich einmal nicht um mich drehten -, zu urteilen, war es das Teatro Romano. Die Tribüne bildete die Zuschauerreihen und der zusammengefallene Anblick des Ganzen hatte etwas nostalgisches. Selbst jetzt konnte man noch das Schauspiel in der Mitte und die begeisterten Rufe der Leute aus vergangenen Zeiten spüren. Die Gruppe hatte sich die Ruinen bereits angesehen und ich war froh, dass die Leute den Platz verließen. So hatte ich etwas Zeit für mich. Ich war erst ein paar Schritte die schmale Treppe, die zum Theater führte, entlanggegangen, als ich ihren Duft plötzlich wahrnahm. Sofort blieb ich stehen und sah mich um. Ich war davon ausgegangen, dass niemand mehr hier war. Doch mir fiel wieder ein, dass ihre Gedanken nicht zu mir sprachen, so wie sie es normalerweise bei allen anderen taten. Sie stand am Rand einer Anhöhe, die sich neben einer der Mauern erstreckte. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Gesicht friedlich, als genösse sie die Stille. Von allen Menschen musste ich ausgerechnet sie wieder treffen. Doch meine Vorkehrungen halfen besser als erwartet. Zwar kam das Monster wieder in mir hoch und versuchte den Durst, der sich in meinem Hals ausbreitete, zu stillen, doch fiel es mir diesmal leichter, es zu unterdrücken. Das Gift, das meine Drüsen absonderte, schluckte ich hinunter und das Ziehen in meiner Kehle ignorierte ich. Es war das gleiche Gefühl, das ich hatte, wenn mir ein Mensch kurz vor meiner nächsten Jagd zu dicht kam. Der Durst drängte sich fast an die Oberfläche, doch ich hatte mich immer noch unter Kontrolle. Ich hielt es aus. Dennoch wollte ich kein Risiko eingehen und meine Selbstbeherrschung überstrapazieren. Ich wandte mich zum Gehen um. Verdammt. Wo ist dieses Mädel schon wieder? Muss sie denn immer ihre Extratouren machen? Wegen ihr bekommen wir noch mal Ärger mit dieser komischen Reisetussi. Mich wundert sowieso, wieso die bei dem Aussehen bei so‘ner kleinen Firma arbeitet. Total dämlich. Mein Kopf schoss in die Richtung, aus der die Gedanken kamen. Dieses Mädchen namens Bella war also nicht allein. Ich erkannte die Art wieder. Es musste ihre blonde Freundin sein, die jetzt allem Anschein nach in dem alten Gang hinter den Tribünen nach ihr suchte. Bella selbst bekam davon nichts mit. Sie stand immer noch reglos und verträumt da und ließ den leichten Wind durch ihre offenen Haare wehen. “BELLA?” schrie die andere und ihre Stimme hallte durch den Gang und dann durch den ganzen Platz, gefolgt von ihrem Echo. Das Mädchen mit den brauen Haaren und dem süßen Duft drehte sich erschrocken um. In dem winzigen Bruchteil einer Sekunde erhaschte sie einen Blick auf mich, bevor sie hinter sich in die Öffnung des Ganges sah. Allerdings hatte sie keine Zeit, auf die Person zu warten, die eben nach ihr gerufen hatte. Der Rand, auf dem sie stand, bröckelte und sie verlor den Halt. Ihre Arme ruderten wild in der Luft, bevor ihre Füße ganz abrutschten und sie in die Tiefe fiel. Blitzschnell und in einer Geschwindigkeit, die für menschliche Augen nicht mehr sichtbar war, rannte ich zu ihr. Nein. Nicht sie! Ich stand bereits an der Stelle, wo sie aufkommen würde, noch bevor sie den Boden erreichte. Meine ausgebreiteten Arme, auf denen sie landete, sanken im Takt des Falls, damit ihre Landung nicht allzu hart war. Denn unser Körper wirkte auf die Menschen wie Granit. Ihre Arme klammerten sich um meinen kalten Nacken und ließen sie kurz erzittern. Mein Kinn berührte fast ihre Halsbeuge und ich fühlte sogar das Auf und Ab ihrer Hauptschlagader, als ihr warmes Blut immer schneller floss. Und dieser Geruch. Er war so überwältigend. Erst jetzt realisierte ich die Gefahr, in die ich sie gebracht hatte. Zu dicht. Sie ist viel zu dicht. Der Schreck war immer noch an ihrem ganzen Körper zu spüren. Das Adrenalin überschwemmte ihn regelrecht. Ihr Herz - neben meinem stummen - schlug heftiger und schneller, als ich es je bei einem anderen Menschen erlebt hatte. Noch nicht einmal bei den Verbrechern, die ich vor etlichen Jahren, während meiner rebellischen Zeit, getötet hatte, oder den Mädchen, die an mir vorbeigingen und in den Genuss von Vampirpheromonen kamen. Das Blut schoss durch ihre Venen, als wolle es sich mir förmlich anbieten. Es erhitzte ihren Körper und auch wenn ich es in diesem Moment nicht sah, spürte ich, dass ihre Wangen errötet waren. Jeder ihrer Atemzüge fiel ihr schwer. Die Berührung, als ich mit meiner Nasenspitze sachte ihren Hals entlangfuhr, um ihren Duft einzuatmen, ließ sie frösteln. Das Monster in mir kämpfte um die Oberhand und ich schmeckte das Gift wieder in meinem Mund. Langsam fuhr meine Hand, die ihren Rücken hielt, nach oben, um ihre Haare ein wenig nach hinten zu streichen. Meine Zunge strich über meine scharfen Zähne und als meine Lippen sanft ihre Haut berührten, setzte ihre Atmung ganz aus. Ach so ist das. Das hätte sie mir ja auch sagen können. Dann wäre ich ihr doch nicht hinterhergelaufen… Mein Kopf schnellte nach oben. Dort auf dem Rand der Anhöhe, von der Bella eben gefallen war, stand ihre Freundin, die Hände in die Seiten gestützt und grinste verschlagen. Als mein Blick ihren traf, ließ das Blut, das ihr ins Gesicht schoss, ihre Wangen sichtbar verdunkeln. Sie schnappte kurz nach Luft. Oh mein Gott. Ist der süß. Da hat sie aber einen Fang gemacht. Ich hätte nie gedacht, dass so einer sie überhaupt angucken würde… Ihre Augen wurden schmal und sie grinste wieder. Aber nichts ist für die Ewigkeit, nicht wahr? Bellas Atmung hatte wieder eingesetzt. “Was… machst du?” flüsterte sie, als sie sich zurücklehnte und mir in die Augen sah. Sie versuchte wieder Luft zu holen und konnte ihren Blick nicht abwenden. Ihre Augen flatterten ein wenig. Sie war kurz vor einer Ohnmacht. Ich hielt meinen Atem an. Ich musste hier weg. Auf der Stelle. Etwas zu schnell vielleicht setzte ich sie auf dem kalten Steinboden ab, sah kurz in ihr überraschtes Gesicht und presste ein “Es tut mir leid.” mit meinem letzten, übrig gebliebenen Atemzug hervor, dann lief ich in die entgegen gesetzte Richtung - nur nicht zu schnell, damit ich nicht auffiel. Was soll das denn jetzt? hörte ich die andere noch in meinen Gedanken, dann war ich auch schon hinter der Mauer am oberen Ende der Treppe verschwunden und nahm meine eigentliche Geschwindigkeit auf. Ab und zu musste ich meine Schritte verlangsamen, wenn ich kurz vor der nächsten Ecke jemanden hörte. Es dauerte nur ein paar Minuten, als ich endlich wieder das Hotel erreicht hatte. In der Empfangshalle war rege Betriebsamkeit. Nicht unüblich. Die meisten Urlauber reisten Nachmittags an, doch ich nahm sie kaum wahr. Allerdings verhielt sich die Dame an der Rezeption nicht so wie ich. Sie bemerkte mich sofort und schenkte der Dame vor ihr kaum noch Beachtung. “Willkommen zurück, Mr. Cullen. Kann ich irgendetwas für sie tun?” Sie lächelte ihr breitestes Lächeln, doch ich schüttelte nur den Kopf und ging mit eiligen Schritten Richtung Treppe. In ihren Gedanken sah ich, dass Carlisle wieder zurück war. Darüber war ich wirklich froh. Das bedeutete, dass wir endlich wieder nach Hause fliegen konnten. Wie groß war schon die Chance, dieses Mädchen in einem Land mit einer Fläche von fast zehn Millionen Quadratkilometern wieder zu treffen? Es war einfach unfassbar, dass ich kurz davor war, ihr das Blut auszusaugen. Sie zu töten. Das zweite Mal, dass ich fast meine Beherrschung verlor. Einzig die Tatsache, dass ich gerade erst jagen war, ließ es zu, dass mich ihre Freundin unterbrechen konnte. Nur weil ich ihr etwas zu dicht gekommen war, hätte sie beinahe ihr Leben verloren. Mag sein, dass ich meine Willensstärke durch langsame Annäherungsversuche - immer mit der Hintertür, mich schnell wieder entfernen zu können - trainieren hätte können. Doch auch wenn das Mysterium um ihre Gedanken dafür sprach - und dass sie auf seltsame Weise anders war, als die Menschen, denen ich bis jetzt begegnet war -, konnte ich sie so einer Gefahr nicht aussetzen. Als sie in meinen Armen gelegen hatte, mischte sich noch ein anderes Gefühl in das Verlangen. Eines, das sich nicht nach dem Geschmack ihres Blutes verzerrte. Ich wusste nicht, was es war, ob gut oder schlecht. Ich kannte es nicht. Und es war besser, es nicht herausfinden zu wollen. Das konnte ich nämlich nur, indem ich sie wieder sah und das würde auf keinen Fall passieren. Noch bevor ich das Zimmer betrat, hörte ich bereits Carlisles grübelnde Gedanken. Aro musste etwas zu ihm gesagt haben, dass ihn ein wenig aus der Ruhe brachte. “Hallo, Edward”, begrüßte er mich. Aro will dich unbedingt sehen. Hast du hier irgendetwas angestellt? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 3: Entschluss --------------------- Schuldbewusst wandte ich meinen Blick von ihm ab und presste meine Lippen zusammen. “Was ist passiert?” fragte er mich und klang jetzt etwas besorgt. Einen Moment zögerte ich, dann schloss ich die Tür, um eventuelle Lauscher davon abzuhalten, unser Gespräch zu verfolgen. Während ich sprach, war meine Stimme so leise und schnell, dass ein Mensch kein einziges Wort verstanden hätte. “Hat Alice irgendetwas zu dir gesagt, warum wir hier her fliegen sollten?” Carlisle schüttelte den Kopf. “Nein, hat sie nicht.” Eigentlich müsste sie gewusst haben, dass ich drauf und dran war, von den Volturi auseinander genommen zu werden. Warum also bestand sie so darauf, uns hier zu wissen? Gerade jetzt, wo dieses Mädchen auch hier war. Ein anderer Zeitpunkt wäre definitiv besser gewesen. Was ist los mit dir? So aufgewühlt habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen. Carlisles Gedanken rissen mich aus meinen Grübeleien. “Kannst du dich noch an damals erinnern, als Emmett dieses… als er sich nicht beherrschen konnte?” fing ich an. Ich fand das die beste Möglichkeit, ihm mitzuteilen, was geschehen war. “Ja. So etwas ist selten, aber es passiert.” Dann traf ihn plötzlich die Erkenntnis und er wusste, worauf ich hinaus wollte. “Soll das heißen, dass du ebenfalls jemanden…?” Und das ausgerechnet hier in Volterra. An jedem anderen Ort wäre es etwas anderes gewesen. Kein Wunder, dass Caius so aufgebracht war. Mich wundert, dass du noch lebst. Normalerweise hätten sie dich bereits… “Warte”, unterbrach ich seine Gedankengänge. Er sah überrascht auf. “Ich habe sie nicht… gebissen.” Einen Augenblick starrte er mich nur an. Also hattest du dich unter Kontrolle? Bemerkenswert. Wenn ich an damals denke, als Emmett mir erzählte , was er gemacht hat… Wenn es genauso schlimm wie bei ihm gewesen ist, bin ich wirklich beeindruckt, dass du dem standgehalten hast. Obwohl ich dann nicht verstehe, warum die anderen dich sehen wollen… “Ich kann mir schon denken, warum”, murmelte ich. “Was meinst du?” Ich biss mir auf die Lippen. “Ich… Sagen wir, ich hatte Glück, dass ich unterbrochen wurde.” Für einen Moment lag die Stille zwischen uns, dann unterbrach Carlisle sie. “Wie knapp war es?” fragte er zögernd. Statt zu antworten, legte ich meine Hand an meinen Hals. Er war die ganze Zeit ruhig geblieben, doch jetzt weiteten sich seine Augen, als er langsam realisierte, was das eigentlich bedeutete. “Hat sie mitbekommen, was du vorhattest?” Als ich mit den Schultern zuckte, war er etwas verwirrt und ich kannte den Grund dafür. Normalerweise hätte ich so eine Information in den Gedanken meines Gegenübers lesen können, doch bei ihr war es schließlich nicht so. “Ich verstehe nicht”, meinte er tonlos. “Ich weiß nicht, was sie denkt. Ich höre bei ihr nichts. Kein einziges Wort. Noch nicht einmal einen Ton.” Resigniert ließ ich meine Schultern hängen. Carlisle spürte meine ganze Frustration über diesen Aspekt. “Das scheint wirklich eine interessante Person zu sein. Wie gerne würde ich sie mal kennen lernen”, stellte er fest und sprach dabei mehr zu sich selbst. Jetzt klang er wieder ruhig und professionell. “Lieber nicht”, entgegnete ich ihm, doch es hörte sich nicht wirklich überzeugend an und ich musste selbst stutzen. Wieso drehte sich bei mir alles immer wieder um sie? Einen einfachen Menschen. Wieso hatte ich sie überhaupt gerettet? Die Aktion hatte mir nichts als Ärger eingehandelt und wenn sie auch nur ansatzweise aufgepasst hatte, war ihr Leben wahrscheinlich auch noch in Gefahr, da die Volturi jeden Menschen töteten, der unser Geheimnis kannte. Könnte ich ihre Gedanken lesen, wüsste ich, ob ihr meine Schnelligkeit aufgefallen war, oder sie das ganze nur als Einbildung, hervorgerufen durch den Schock, abtat. Theoretisch gab es nur eine Möglichkeit, das herauszufinden, doch dazu würde ich mit Sicherheit nicht kommen. Denn nach dem Besuch bei den Volturi - und meiner damit verbundenen Hoffnung, doch am Leben zu bleiben (da Alice bis jetzt noch nicht angerufen hatte, um uns zu warnen) -, würden wir sofort abreisen und keine Gelegenheit mehr bekommen, dieses Mädchen wieder zu sehen. Ich muss zugeben, ich habe dich noch nie so… durcheinander gesehen. Sie muss dich wirklich in ihren Bann gezogen haben. Ich nahm einen unterschwelligen, amüsierten Unterton wahr und gab ihm einen finsteren Blick. Sofort wurde er wieder ernst. “Wir sollten uns auf dem Weg machen. Sonst schicken sie noch jemanden vorbei.” Als wir unten in der Eingangshalte waren, hatte sich die Betriebsamkeit immer noch nicht gelegt. Einige der Gäste starrten uns hinterher und waren sich nicht sicher, ob sie uns aus dem Fernsehen kannten oder uns doch verwechselten. Ich war froh, dass wir der Dame am Empfang unbemerkt entkommen konnten, als wir endlich durch die Tür traten. Ich war mir sicher, dass sie uns sonst womöglich noch aufgehalten hätte. Die Sonne, die von der weitläufigen Wolkenschicht verdeckt wurde, senkte sich gen Westen. Vielen schien das Wetter scheinbar nicht zu gefallen, sodass die Leute, die auf der Straße waren, vor sich hinmurrten. Für uns war es vorteilhaft, da wir so auf direktem Wege zu den Volturi konnten, ohne einen Umweg nehmen zu müssen. Carlisle führte uns weiter ins Stadtinnere. Ich konnte schon bald einen hohen Turm in der Ferne ausmachen. “Hey!” hörte ich jemanden schreien, kurz bevor wir die riesige Geschäftsfassade erreichten, in der die uralten Vampire hausten. Da ich davon ausging, dass wir nicht die angesprochenen Personen waren, ging ich weiter, doch Carlisle blieb stehen und sah nach hinten. Ich glaube, sie meint dich. Abrupt hielt ich inne und sah ihn einen Moment verwundert an, ehe ich meinen Kopf ebenfalls in die Richtung drehte, aus der die Stimme kam. Sofort nahm ich ihren Duft war und die Sehnen in meinen Muskeln spannten sich leicht an, was Carlisle sofort bemerkte. Ist sie diejenige, die… Ich nickte nur. Sie kam auf mich zu gerannt, ihre Freundin hinter sich, und als ich sie ansah, blieb sie verlegen stehen, nur ein paar Meter von mir entfernt. Wie jedes Mal röteten sich ihre Wangen sichtlich - ein wirklich reizbarer Effekt - und ihr Herz klopfte schneller. Ihr Geruch war mehr als verführerisch, doch in diesem Abstand hatte ich keine Probleme, mich meinem inneren Drang, meinem Jagdinstinkt, zu widersetzen. Ihre Freundin, die anfänglich ebenfalls ein bisschen Atemnot hatte, fing sich schnell wieder. Sie nutzte Bellas starre Haltung aus, um sich in den Vordergrund zu stellen und hielt mir ihre Hand hin. “Hi. Ich bin Jen”, lächelte sie abwechselnd Carlisle und mich an. Der Trip nach Italien hat sich wirklich gelohnt… Wenn ich das Zuhause erzähle… Ich beachtete sie gar nicht, sondern nur das braunhaarige Mädchen hinter ihr. “”Und das ist… Bella”, fügte sie leicht gereizt hinzu, nachdem ihr bewusst wurde, dass ich sie nicht wahrnahm. Ich denke, sie kennt ihn nicht und jetzt benehmen die sich SO… “Schön, euch kennen zu lernen.” Carlisle schenkte ihr ein Lächeln zwischen den besorgten Blicken, die er mir immer wieder zuwarf. Wie geht es dir? Kommst du damit klar? Ich nickte so, dass die beiden es nicht mitbekamen. Das dachte ich jedenfalls, denn Bellas Gesichtsausdruck veränderte sich für einen kurzen Augenblick, als wäre es ihr aufgefallen. Doch kannte sie den Grund dafür nicht. “Leider sind wir gerade in Eile. Ein andermal wäre bestimmt günstiger”, versuchte Carlisle ihnen zu erklären, damit wir endlich weiter konnten. Doch dieser Kommentar erinnerte Bella scheinbar an das, was sie eigentlich machen wollte, bevor sie mich wie versteinert angesehen hatte. Sie löste ihren Blick von mir und sah zu Carlisle. “Oh. Bitte. Ich wollte nur kurz mit ihrem Freund reden. Es dauert auch nicht lange”, bat sie ihn und in ihren Augen lag etwas Flehendes. Wir beide verzichteten darauf, sie über unsere Familienverhältnisse zu informieren und als Carlisle ansetzte, etwas zu sagen, fiel sie ihm ins Wort. “Es ist wirklich wichtig.” Einen Moment sah er mich an und als ich nickte, wandte er sich wieder ihr zu. “Na schön, aber wirklich nur ganz kurz.” Sie lächelte und drehte sich wieder mir zu. “Könntest du kurz mitkommen? Es wäre besser, wenn wir das unter vier Augen besprechen.” Meine Augenbrauen schoben sich leicht zusammen. Also hatte sie etwas mitbekommen, als ich zu ihr gerannt war. Doch viel schlimmer war jetzt, dass sie auch noch mit mir alleine reden wollte. Schaffst du das? wollte Carlisle wissen. Ich überlegte kurz. Wenn wir uns nicht wieder so dicht kamen wie beim letzten Mal, war es möglich, auch ohne Carlisles griffbereite Hand - falls ich mich nicht beherrschen konnte - auszukommen. “Kein Problem.” Meine Antwort galt beiden. Dann ging ich an dem Mädchen namens Jen vorbei und in einem kleinen Abstand hinter Bella her, die bereits ein paar Meter entfernt auf dem Bürgersteig stand. Und was ist jetzt mit mir? Jen war offensichtlich niemand, der oft stehen gelassen wurde und umso entrüsteter waren ihre Gedanken über mein Verhalten. Allerdings gab es da noch Carlisle und damit war sie dann zufrieden. Er tat mir etwas Leid, als sie ihre volle Aufmerksamkeit ihm widmete. “Also?” sagte ich und hoffte, dass das Gespräch schnell beendet war. Hoffte ich das wirklich? Es war doch eigentlich eine gute Möglichkeit, mehr über sie zu erfahren; was sie dachte… was in ihr vorging. Innerlich konnte ich mich dafür ohrfeigen, dass ich schon wieder soviel über sie grübelte. Das sollte ich nicht, denn es tat weder ihr gut, noch mir. Vor allem war es für sie sicherer, wenn ich mich von ihr fernhielt, und sich mit einem Menschen einzulassen, würde nicht nur mich in Gefahr bringen, sondern auch meine Familie. “Ehrlich gesagt…” fing sie an zu flüstern, damit auch wirklich niemand etwas hören konnte. Für Carlisle war es dennoch kein Problem. Nicht ganz ein Meter trennte uns voneinander und ihr Puls war immer noch viel zu schnell. Ich kam nicht umhin, mich geschmeichelt zu fühlen und einer meiner Mundwinkel zog sich nach oben. Allerdings hatte ich keine Ahnung, welchen Effekt das auf sie hatte. Für einen kurzen Moment hatte ich wirklich Angst, sie würde vergessen zu atmen und die Hitze, die in ihrem Körper aufstieg, gab mir plötzlich den Impuls, ihre blasse, zarte Haut berühren zu wollen. Und es hatte nichts mit meinem Durst zutun. Jedoch hielt ich mich zurück. So ein Risiko konnte ich nicht wieder eingehen. “Ja…?” sagte ich, um sie daran zu erinnern, dass sie eben noch etwas sagen wollte. Es war wirklich unerträglich, nicht zu wissen, was in ihr vorging. “Oh. Ja. Also wegen heute Mittag… als… als du mich gerettet hast…” stammelte sie. Ich sah ihr in die Augen - und zum ersten Mal nahm ich ihre braune Farbe, die all ihre Gefühle widerspiegelte, richtig war - und sie brach mitten im Satz ab, als träumte sie vor sich hin. “Bella?” “Tut mir Leid. Ich bin immer noch etwas durcheinander deswegen. Ich meine… wie hast du das gemacht?” Sie hatte es also tatsächlich bemerkt. Sie nahm sehr viel mehr wahr, als normal für einen Menschen. Eine weitere Eigenschaft, die mich auf seltsame Weise faszinierte, auch wenn ich sie jetzt gerade mehr als störend empfand, da sie das immer weiter an unser Geheimnis heranführte. “Was meinst du?” “Das weißt du doch. Wie hast du es geschafft, so schnell da zu sein?” “Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.” Mein Blick verfinsterte sich immer mehr. Ich las in ihrem Gesicht, dass sie so schnell nicht aufgeben würde. “Ich hab dich am anderen Ende der Ruinen gesehen. Kurz bevor ich gefallen bin.” “Das musst du dir eingebildet haben. Ich war in deiner Nähe. Meinst du nicht, dass du dich eher bedanken solltest?” presste ich zwischen meinen Zähnen hervor, um nicht zu laut zu werden. “Das warst du nicht!” flüsterte sie gereizt. “Und wie soll ich deiner Meinung nach dort hingekommen sein?” Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch schloss ihn wieder, ohne einen Ton gesagt zu haben. “Siehst du?” entgegnete ich ihr triumphierend. Sie hatte also keine Erklärung parat. Trotzdem war ich mir sicher, dass sie das Ganze nicht eher ruhen lassen würde, bis sie eine hatte. Etwas beleidigt, weil ich sie in die Enge getrieben hatte, verschränkte sie die Arme vor der Brust. “Und was sollte diese Aktion?” fragte sie schließlich und deutete auf ihren Hals. “Und schon wieder weiß ich nicht, was du meinst”, sagte ich kalt. “Jetzt tu bitte nicht so. Du hast meinen Hals… geküsst.” Das letzte Wort flüsterte sie noch leiser als sie es sowieso schon tat und die Erinnerung an die Situation ließ ihre Wangen wieder in einem satten Rosé-Ton leuchten. “Dabei kennen wir uns noch nicht einmal…” Ich musste mir irgendetwas einfallen lassen, um das Ganze logisch darzustellen. Was konnte man sagen, außer Ich bin ein Vampir und wollte dein Blut trinken? Jen’s abrupter Aufschrei ließ mich jedoch nicht mehr dazu kommen. Wir wandten uns in ihre Richtung und sahen, dass sie auf uns zukam. “Bella, wir müssen gehen. Sonst schickt man uns noch die Polizei auf den Hals, wenn wir nicht rechtzeitig wieder bei der Gruppe sind.” Ich hoffe für dich, dass du wenigstens seine Telefonnummer hast. Bei meinem hatte ich nämlich leider kein Glück. So etwas Stures. Bloß weil er verheiratet ist. Als wenn das ein Problem dargestellt hätte… Ich wette, seine Frau ist nicht annähernd so hübsch wie ich. Ich presste meine Lippen zusammen, um nicht in Versuchung zu kommen, ihr zu antworten. Wenn sie Esme sehen könnte, hätte sie wahrscheinlich mehr als nur Minderwertigkeitsprobleme. Ihre Gedanken verrieten auch, dass Bella ihr zwar die Situation in dem alten Theater erzählt hatte, aber kein einziges Wort über die Merkwürdigkeiten, die ihr aufgefallen waren. Das beruhigte mich ein wenig. Bella seufzte. “Ich warte immer noch auf eine Antwort.” Ehe ich etwas sagen konnte, hatte Jen sie bereits am Arm gepackt und zog sie unter ihren Protesten mit sich. “Wir müssen los. Ich hab keine Lust wegen dir schon wieder Ärger zu bekommen, bloß weil du immer aus der Reihe tanzen musst. Heute haben wir unsere letzte Besichtigungstour und morgen fliegen wir bereits zurück. Du hast doch seine Nummer bekommen, oder? Dann könnten wir uns heute Abend wenigstens noch mit ihnen verabreden, nachdem wir diese langweilige Schlossbesichtigung hinter uns haben…”, redete Jen während des Gehens ohne Pause auf sie ein. Gerne wäre ich Bella hinterher und hätte sie aus dem Griff befreit, mit dem ihre Freundin sie festhielt. Sie drohte wirklich bei jedem Schritt zu stolpern. Doch ich war froh, dass ich ihr so keine Erklärung geben musste. Wir würden uns nie wieder sehen und mit der Zeit würden ihre Erinnerungen an diesen Tag verblassen, bis letztendlich nichts mehr davon übrig blieb. Denn so war es bei den Menschen. Ihr Gehirn konnte nicht alle Informationen eines ganzen Lebens speichern, so wie es bei uns war. Die unwichtigen und manchmal auch wichtigen Dinge würden bei ihnen irgendwann gelöscht, um Platz für neue zu machen. Die beiden tun mir wirklich Leid. Ich wünschte, wir könnten etwas dagegen unternehmen. Fragend drehte ich mich zu Carlisle, der jetzt neben mir stand. “Wieso?” “Hast du nicht zugehört, als ich mich mit diesem Mädchen unterhalten habe?” “Sie wollte deine Nummer…” Er schüttelte den Kopf. Seine Miene war ernst. “Das kam ja erst später. Sie hat mir am Anfang erzählt, was sie hier alles gemacht haben… Dass ihre Reiseleiterin ziemlich… aufreizend ist und… na ja, heute besuchen sie noch alte Gemäuer. Das wurde ihnen jedenfalls gesagt…” Mein Blick verriet ihm, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was er meinte. “Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Dame Heidi ist. Ein Vampir und Aros Lockvogel für die… Beute der Volturi”, fuhr er fort. “Wir werden wahrscheinlich in einem unpassenden Augenblick bei ihm ankommen. Denn ihre Gruppe ist gerade auf dem Weg in dieses Gebäude.” Er deutete auf die Fassade hinter uns. “Allerdings nehmen sie einen anderen Eingang. Es heißt schließlich ’Schlossbesichtigung’.” Nur langsam realisierte ich, was das alles bedeutete. Ein Vampir führte die Touristengruppe an, in der auch Bella war, und genau in diesem Moment waren sie auf dem Weg in ihren sicheren Tod. Als Mahlzeit von einem Haufen ausgehungerter Blutsauger. Ich hatte angestrengt versucht, sie nicht zu beißen, nicht ihr Blut zu trinken und ihr nicht das Leben zu rauben und nun sollte sie dieses Schicksal doch erleiden? Das konnte doch nicht wirklich passieren. Das durfte einfach nicht passieren. Ich war nicht in der Lage, mir zu erklären, warum ich plötzlich so handelte, da es mich eigentlich nichts anging, aber eines wusste ich ganz genau: Ich würde es nicht zulassen, dass es so endete. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 4: Unter dem Damoklesschwert ------------------------------------ “Wo willst du hin?” fragte Carlisle, als ich bereits in Richtung Haupteingang rannte. “Sie aufhalten”, antwortete ich. Auf der Straße waren noch andere Leute. Deshalb konnte ich nicht in meiner normalen Geschwindigkeit laufen. “Edward, warte…” Er hatte mich eingeholt und hielt mich jetzt am Arm fest. “Das kannst du nicht. Wir sind hier in Volterra. Das ist ihre Stadt und es sind ihre Regeln. Niemand widersetzt sich ihnen, es sei denn, man will sterben.” Im ersten Moment blieb ich starr vor ihm stehen, als ich seine Worte hörte und pure Aussichtslosigkeit herauszuhören war. Dann fasste ich mich aber schnell wieder. “Wir müssen es versuchen. Außerdem bist du mit ihnen befreundet. Das verschafft uns vielleicht einen Vorteil.” Gequält sah er mich an. “Soviel Einfluss habe ich nicht. Du solltest das Alles auf sich beruhen lassen.” Ich verstand nicht, warum er so schnell aufgab. “Du rettest jeden Tag Menschenleben im Krankenhaus. Lass mich das jetzt ein einziges Mal auch tun.” “Edward, es ist eine Sache, sich Krankheiten und Verletzungen zu stellen, aber eine andere, den Volturi entgegenzutreten.” “Ich muss ihr helfen”, presste ich hervor. Er sah mich einen Moment verwundert an. Weshalb? Warum gerade sie? Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich verstand es ja selbst nicht. “Keine Ahnung. Bei ihr… habe ich so ein seltsames Gefühl…” Dann lief ich weiter. “Du solltest vielleicht besser hier bleiben. Für den Fall, dass etwas schief geht. Das will ich Esme und den anderen nicht antun.” “Red keinen Unsinn. Ich werde dich da bestimmt nicht alleine hineingehen lassen.” Er war bereits neben mir, als wir das Gebäude betraten und nun in der riesigen Empfangshalle standen. Außer dem Mann hinter dem Empfangstresen war niemand anwesend. Er sah auf, als wir eintraten. “Willkommen zurück, Mr. Cullen. Kann ich Ihnen helfen?” “Nein, danke.” Mit eiligen Schritten gingen wir in Richtung Fahrstühle. “Woher der plötzliche Sinneswandel?” flüsterte ich, als Carlisle den Knopf für die zweite Etage drückte. “Ich denke, ich habe eine Vermutung, was Alice angeht.” Mittlerweile war er genauso unruhig wie ich. Zuerst verstand ich nicht, was er meinte. Bis ich es in seinen Gedanken las… “Das ist lächerlich. Sie ist ein Mensch.” Ich gab zu, dass sie gewisse Reize aufwies und dass sie eine Art an sich hatte, die mich wirklich ein wenig fesselte, aber deshalb gleich darauf zu kommen, dass sie meine… dass wir… Ich wäre die reinste Gefahr für sie. Und warum war ich jetzt auf dem Weg, ihr das Leben zu retten? In die Höhle des Löwen zu gehen und mein eigenes aufs Spiel zu setzen? Vielleicht ungewöhnlich. Aber falls wir es auf wundersame Weise schaffen, sie da herauszuholen, werde ich deinen Entschluss respektieren. Egal, welcher Art er ist. “Könnten wir uns erst einmal auf die dringendere Sache konzentrieren?” Und als hätte der Fahrtuhl unsere Eile gespürt, gingen die Türen mit einem ächzenden Geräusch langsam auf und führten in eine weitere Empfangshalle. Sie war nicht ganz so geschmackvoll eingerichtet, wie die untere. In einer Ecke waren mehrere Ledersofas zusammengestellt, auf dem Boden lagen tiefgrüne Teppiche, die Wände waren holzvertäfelt - Fenster gab es hier keine - und hinter dem mahagonifarbenen Tresen stand eine junge Frau. Sie war kein Vampir. Der Mann von vorhin war ebenfalls ein Mensch, doch hatte er keine Ahnung von den Vorkommnissen im Inneren dieser Geschäftsfassade, ganz im Gegensatz zu ihr. Wenn wir nicht gerade unter Zeitdruck stehen würden, hätte ich Carlisle über diese Merkwürdigkeit ausgefragt, doch das konnte ich später - eventuell - immer noch. “Guten Tag, Dr. Cullen”, begrüßte sie ihn. “Sie haben sich bereits versammelt”, flüsterte er mir so leise zu, dass sie nichts mitbekam. “Was meinst du?” “Normalerweise würde uns spätestens jetzt Jane oder Alec entgegenkommen, aber es ist niemand mehr hier.” Hoffentlich kamen wir nicht zu spät. Ich beschleunigte meine Schritte, als wir am Tresen vorbei auf die Tür dahinter zugingen. “Halt! Da dürfen Sie jetzt nicht hinein!” protestierte die Frau und kam bereits auf uns zu. “Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich weiß das. Wir sind für genau jetzt mit den anderen verabredet.” “Oh. Wenn das so ist…” Sie zögerte kurz. Ihre Haltung uns gegenüber war sehr respektvoll und sie lächelte uns freundlich an. “Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.” Sie nahm an, wir würden uns ebenfalls an dem Festmahl beteiligen. Ich konnte es nicht fassen, dass sie es so einfach hinnahm, obwohl sie wusste, was dort vor sich ging. Und dass ihr vielleicht das Gleiche widerfahren könnte. Sie hoffte auf eine Verwandlung. Wie konnte man sich so etwas nur wünschen? Wie konnte man seine Seele einfach so wegwerfen für etwas so grausames, wie ein Monster zu werden? Wir passierten die Tür und durchquerten das Hinterzimmer in wenigen Sekunden. Ein riesiger Flur breitete sich jetzt vor uns aus. Wir bleiben abrupt stehen, als wir sahen, dass sich gerade eine kleine Holztür, die ungefähr in der Mitte der Wand eingelassen war, schloss. Das war eben Heidi… Ich erstarrte einen Augenblick, nur um mich dann wieder daran zu erinnern, dass gerade jede Sekunde zählte. In Windeseile waren wir an der Tür und rissen sie auf. Auf der anderen Seite befand sich ein kleiner, dunkler Zwischenraum, der Ähnlichkeit mit einem unterirdischen, steinernen Korridor hatte. Der Boden war recht uneben und an der anderen Seite führten ein paar Stufen zu einem weiteren Raum empor. Die letzten Personen der Gruppe gingen gerade hinauf, während Heidi uns gegenüberstand und überrascht dreinblickte. “Carlisle!” Ihre Augen wanderten immer wieder zwischen ihm und mir hin und her. Ich beachtete sie gar nicht, sondern konzentrierte mich darauf, Bellas Duft zu erkennen. All die Gedanken der Leute, die jetzt hier versammelt waren. Viele, die sich schon im anderen Zimmer befanden, waren verblüfft von der Architektur des Gebäudes, den Menschen vor sich - den Vampiren - und einige hatten bereits Anflüge von leichter Panik, was ihnen ihr Instinkt verriet. In den Gedanken eines der Volturi sah ich Bella. Er taxierte sie. Ihre Venen, ihr Blut, wie es gehetzt durch die Kanäle floss, wie seine Zähne sich in ihre zarte, dünne Haut schlugen, wie sie sich unter seinem Griff wand, wie er ihr Blut seine Kehle hinunterlaufen spürte… Ihr warmes, süßes Blut… Mein Unterkiefer spannte sich an. Das Knurren, das meinem Brustkorb entwich, war mehr als laut und ich schoss an Heidi vorbei zum Eingang. Sie rief mir aufgebracht hinterher und versuchte, mich zu greifen, doch Carlisle hielt sie am Arm fest. Der Raum, in dem ich mich jetzt befand, war rund und hatte weiße Wände. Weiter hinten waren drei altmodische Stühle mit hohen Rückenlehnen zu sehen, die aussahen wie Throne. In der Mitte befand sich die Reisegruppe, an den Wänden war eine größere Menge an Vampiren verteilt. Aro, Marcus und Caius kannte ich aus Carlisles Erinnerungen. Sie saßen auf den drei Stühlen. Bis auf Aro. Er hatte sich gerade erhoben, um die ’Gäste’ zu begrüßen, doch ehe er etwas sagen konnte, hatte er, genauso wie die anderen, mich bereits erblickt. Es war ein Leichtes, mich durch die Menschen zu drängen, ohne dass einer von ihnen es richtig bemerkte. Ich war viel zu schnell für sie. Dann sah ich bereits Bella, wie sie den Blick des Vampires auf sich spürte - der nur einen Meter von ihr entfernt stand - und ihre braunen Haare verlegen vor ihr Gesicht fallen ließ. Gleich würde ich sie erreichen. Plötzlich fing mein Körper an zu brennen. Ich schrie vor Schmerzen auf und fiel zu Boden. Es war, als würde von allen Seiten auf mich eingestochen werden. Es war schlimmer, als alles, was ich je gespürt hatte. Sogar schlimmer als der Schmerz meiner Verwandlung. Das Gefühl, als würde meine Haut sich von meinen Knochen lösen, erfüllte meinen gesamten Geist und ließ mich nicht mehr klar denken. So musste sich die Hölle anfühlen. Die Gedanken der Menschen, die ich versucht hatte, auszublenden, fielen jetzt über mich ein und machten die Qual noch unerträglicher. Mein Gesicht verzog sich zu einer verzerrten Maske. Die Gruppe war geschockt über meinen Zusammenbruch. Die, die mir am nächsten standen, erschraken, als ich so plötzlich aus dem Nichts neben ihnen aufgetaucht war. Alle blieben stehen und warteten darauf, was als nächstes passierte. Als wäre es eine Theatervorführung. Keiner rührte sich. Die Vampire beobachteten mich misstrauisch, teilweise amüsiert, teilweise erschrocken, teilweise neugierig. Der Gedanke von einem von ihnen stach heraus. Ich konnte mich in Flammen stehen sehen, obwohl mich in Wirklichkeit keine Einzige umgab. Der Anblick meines am Boden gewundenen Körpers gefiel ihr. Sie war diejenige, die uns bereits begrüßt hatte, als wir in Volterra angekommen waren. Ich versuchte, meine Schreie zu unterdrücken, doch es war mehr als schwierig, so sehr schmerzte mein ganzer Körper. “Oh mein Gott!” Das war Bellas Stimme. Sie kam näher, kniete sich neben mich und legte ihre zitternden Hände auf meine Schultern. Obwohl ich ihren Duft wahrnahm, überwältigte er mich dieses Mal nicht. Ich war zu abgelenkt von meinem derzeitigen Zustand. “Was hast du? Bist du verletzt?” Ich öffnete meine Augen ein Stück weit und sah, wie sie hastig meinen ganzen Körper nach Wunden absuchte. Ihre warmen Hände waren überall und wanderten immer wieder zu meinem kalten Gesicht, welches sie - voller Verzweiflung über ihre Hilflosigkeit - betrachtete. Sie drehte sich immer wieder um und blickte in die Menge, die jetzt erst registrierte, dass das Ganze echt wahr. “Kann mir denn niemand helfen?” schrie sie. Panisch und wütend, weil sich kein Einziger bewegte. Ich roch plötzlich etwas salziges und blinzelte in ihre Richtung. In ihren Augen glitzerte etwas. Sie waren feucht und leicht gerötet. Ich erkannte es mehr als deutlich, als sie wieder mein Gesicht in ihren Händen hielt. Weinte sie etwa? Weshalb? Durch all die Gedanken konnte ich plötzlich Carlisle hören, dessen aufgebrachte Stimme jemandem zurief. “Aro, was soll das? Er hat nichts gemacht!” Der Angesprochene seufzte. “Jane, hör bitte auf. Das reicht erst einmal.” Etwas widerwillig stoppte sie ihre Gedanken über meinen brennenden Körper und sofort löste sich das grauenvolle Gefühl auf. Als wäre es nie da gewesen. Ich lag jetzt einfach nur da, ohne jede Regung und starrte in das verblüffte Gesicht von Bella. Sie hatte immer noch ihre Hände auf meinen Wangen. Ihr Geruch übernahm wieder die Oberhand über meine Gedanken. Hastig streifte ich ihre Hände von meinem Gesicht, setzte mich auf und rückte ein Stück weg, was sie mit einer unverständlichen Miene registrierte. Wir starrten uns einen Augenblick an und eine einzelne Träne, die sie bis jetzt versucht hatte zu unterdrücken, stahl sich davon und lief ihre Wangen hinunter. Hastig versuchte sie diese wegzuwischen und ohne darüber nachzudenken hielt ich ihre Hand fest. “Nein! Nicht…” Sie zuckte unter der Berührung zusammen und ihre Wangen erröteten sich erstaunlich schnell, als ihr Herz das Blut in die feinen Äderchen unter ihrer Haut pumpte. Ich fing an, es mehr und mehr zu mögen. Meine Muskeln spannten sich an. Was tat ich da eigentlich? Ebenfalls überrascht über meine plötzliche Reaktion, ließ ich sie sofort wieder los. Sie betrachtete mich immer noch etwas sprachlos, bis sie wieder redete. “Was… ist passiert? Geht es dir wieder besser?” Selbst wenn ich ihre Gedanken nicht hören konnte, so sah ich doch in ihrem Gesicht die Überraschung über meine abrupte Zustandsverbesserung. “Alles okay. Mir geht es gut”, gab ich ihr als Antwort. Sie wirkte nicht wirklich überzeugt. Die Menschen um uns wussten nicht so recht, wie sie das Ganze einordnen sollten. Sie warteten ab, was als nächstes passierte. Ich vernahm ein Knurren hinter mir und fuhr herum. Der Vampir, der eben noch Bella fixiert hatte, stand dort und funkelte mich an. Er war wütend, weil ich sie alle unterbrochen hatte. Sie waren sehr durstig und konnten es kaum erwarten, das Massaker zu beginnen. Seine Hand schnellte an mir vorbei und auf Bella zu, um sie zu greifen. Er hielt es fast nicht mehr aus. Sofort griff ich nach seinem Arm, noch bevor dieser sie erreicht hatte, stand im nächsten Moment bereits und packte ihn an seinem Umhang, während ich ihn anknurrte. Er knurrte aufgebracht zurück, obwohl er nicht verstand, warum ich so reagierte und wollte bereits zum Gegenangriff ausholen, als Aro ihn unterbrach. “Demitri, lass das. Geh zurück auf deinen Posten. Ich bin mir sicher, unser Edward hier hat eine vernünftige Erklärung für sein Verhalten.” Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch es war soviel Autorität darin, dass niemand es je wagen würde, sich ihm zu widersetzen. Demitris angespannter Körper erschlaffte und plötzlich grinste er. Er wusste bereits, wer ich war, nachdem er Carlisle gesehen und Aro mich beim Namen genannt hatte. “Was auch immer du vorhattest, es wird umsonst sein, denn all die Menschen hier drin sind sowieso gleich tot.” Es war ein Flüstern - für mich immer noch laut genug - und ich hoffte, dass Bella es nicht gehört hatte. Sein Grinsen wurde breiter, als er an mir vorbei zu ihr sah. Dich werde ich mir persönlich vornehmen… Ich knurrte noch lauter und einen Augenblick lang sah er verwirrt aus. Ach so, stimmt ja. Der Gedankenleser… Das hilft dir jetzt aber auch nicht… Mit einem leicht triumphierenden Gesichtsausdruck befreite er sich aus meinem Griff und ging zurück. Ich starrte ihm kurz hinterher, ehe ich mich wieder Bella zuwandte. Ihr Gesicht sah noch verwirrter aus als vorher. Vermutlich grübelte sie über unsere blitzschnellen Bewegungen nach, die sie kaum gesehen hatte. Ihre Freundin Jen hatte sich mittlerweile zu ihr gesellt. So was aber auch. Jetzt kämpfen die schon um sie… Mich würde zu gerne interessieren, was so besonders an ihr ist, dass sich alle um sie reißen… Mit einigem Verdruss beobachtete sie die Situation. “Alles… okay?” fragte Bella und kam dabei auf mich zu. Ich wich einen Schritt zurück - sicherheitshalber - und sofort blieb sie ebenfalls stehen. Verwundert über mein Verhalten. Oh mein Gott, sag mir nicht, dass sie jetzt auf einmal schüchtern sind… Nach der Aktion in den Ruinen… Jens Gedanken waren mehr als nervtötend. Plötzlich stand Carlisle neben mir, während Aro mit einem freundlichen Gesicht auf uns zukam. “Edward. Schön, dich endlich einmal kennen zu lernen. Carlisle hat mir schon soviel von dir erzählt.” Seine Stimme klang seltsam überschwänglich, als begrüßte er alte Freunde. Die Gruppe drehte sich zu ihm um und musterte ihn interessiert. Gespannt, was als nächstes passieren würde. Genauso wie Bella, doch in ihrem Gesicht las ich sowohl Neugier als auch Misstrauen. Sogar einen Anflug von Verwunderung, womöglich wegen seiner Erscheinung. Aro war über dreitausend Jahre alt und seine Haut noch heller - ja fast schon transparent - als unsere. “Ich weiß, dass wir verabredet sind, aber der Moment ist gerade ungünstig. Wie ihr seht, sind wir gerade in einer Situation, die wir unmöglich aufschieben können.” Mit einem entschuldigenden Lächeln deutete er auf die Menschen. Seine Augen funkelten voller Vorfreude. Es war widerlich. Wie er sich vorstellte, ihnen das Blut auszusaugen, ihnen das Leben zu nehmen… Ohne einen Funken Reue. “Es wäre sehr nett, wenn ihr solange in der Eingangshalle warten würdet, bis wir fertig sind.” Er zwinkerte einigen aus der Gruppe zu und sofort stockte ihnen der Atem. “Danach können wir über alles reden. Auch über diesen kleinen Zwischenfall eben.” Ich wollte auf ihn zugehen und antworten, doch Carlisle hielt mich zurück. “Das geht leider nicht. Wir haben da ein kleines Problem.” Aro sah ihn verwundert an. “Inwiefern?” Carlisle antwortete nicht, sondern blickte abwechselnd zu ihm und zu Bella, die das natürlich sofort mitbekam. Der Ausdruck in ihrem Gesicht wechselte von Verwirrung zu Ungläubigkeit, als ihr bewusst wurde, dass sie der Grund für all das war. Sie sah aus, als wäre sie gerade auf frischer Tat ertappt worden, obwohl sie eigentlich nichts getan hatte. Wenn ich doch nur ihre Gedanken lesen könnte! Diese Ungewissheit brachte mich völlig aus der Fassung. Aro folgte seinem Blick und blieb bei ihr hängen, dann drehte er sich wieder zu Carlisle. “Hat es etwa mit unseren ‘Freunden’ zutun?” Oh, das ich das noch erleben darf. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, ihr würdet euch noch besinnen und eurer Natur folgen. Aber wenn das so ist… “Ihr seid natürlich herzlich eingeladen.” Jetzt klang pure Euphorie aus seiner Stimme. Carlisle sah mich fragend an. “Er denkt, wir würden ihm bei der ganzen Sache beiwohnen und uns beteiligen”, presste ich hervor. Noch ehe er antworten konnte, hatte Aro bereits wieder das Wort ergriffen. “Das ist wirklich beeindruckend, deine Fähigkeit, mein lieber Edward. Ich kann zwar ebenfalls Gedanken lesen, aber so auf Distanz ist das natürlich etwas ganz anderes”, schwärmte er. Die Menschen hier - die seine Worte nicht richtig verstanden hatten - würden eh bald sterben, deshalb nahm er auch kein Blatt vor den Mund. Es war nicht weiter schlimm, wenn sie mitbekamen, was wir waren. Ich schnaubte nur. Fragend hob er seine Augenbrauen. “Nun denn. Wenn das allerdings nicht Euer Anliegen ist, was ist es dann?” Carlisle ging auf ihn zu, um so dicht wie möglich mit ihm zu reden und den Menschen nichts von seinen Worten hören zu lassen. Die Gedanken verrieten mir, dass die Leute mehr als unzufrieden damit waren, dass sie nichts verstehen konnten und so eventuell einen wichtigen Teil verpassten. Während mein Vater sprach, weiteten sich Aros Augen. Dann endlich sagte er etwas. “Ich verstehe… Sehr interessant. Aber ich würde es gerne von ihm selbst wissen. Ich kann es mir nicht richtig vorstellen. Vor allem, da sie immer noch am Leben ist. Und dann diese Sache, dass er ihre Gedanken nicht hören kann. Wirklich faszinierend.” Er schaute beeindruckt zu Bella, die sofort wieder errötete und den ganzen Aufruhr wegen ihrer Person scheinbar als unangenehm empfand. Glücklicherweise hatte Aro so leise gesprochen, dass sie nichts von seinen Worten gehört hatte. Carlisle sah erst ihn, dann mich an. Er möchte deine Gedanken lesen… Ich zögerte. Eigentlich hatte ich etwas dagegen, doch wenn es helfen konnte, Bella das Leben zu retten, war es das wert. Ich nickte und mit freudigen Schritten kam Aro auf mich zu, die Hand emporgehoben. Ich tat es ihm gleich und im nächsten Moment sah ich in seinen Gedanken mein gesamtes Leben an mir vorziehen. Das Leben, das ich als Mensch führte, meine Verwandlung, meine anfänglichen Schwierigkeiten, mit meinem Dasein zurechtzukommen, die Zeit, in der ich der Meinung war, es wäre besser, sich einfach mit seiner Natur abzugeben, die Jahre danach, als mir klar wurde, wie Recht Carlisle doch hatte und dass es noch einen anderen Weg geben musste, dann die Langeweile, die mit der Zeit kam und man nur noch dahinlebte, ohne wirklich zu leben… Und letztendlich der Punkt, an dem ich zum ersten Mal Bella getroffen hatte, wie ihr Blut nach mir schrie, wie schwer ich es hatte, sie nicht anzufallen und mit aller Kraft dagegen ankämpfte, wie ich ihr wieder begegnete und ich fast ihr Blut getrunken hätte… Und wie ich es nicht zulassen konnte, dass sie ihr Leben verlor. Aro nahm seine Hand wieder weg und schwieg. Wirklich beeindruckend. Du hast ja genauso viel Selbstbeherrschung wie unser Freund Carlisle. Wenn nicht sogar noch mehr. Jetzt verstehe ich auch, warum du sie fast angefallen hast, obwohl du wusstest, dass es verboten ist, in unserer Stadt zu jagen… Das ist wirklich unglaublich… Er sprühte geradezu vor Freude über diese Erkenntnis. “La tua cantante!” schrie er plötzlich begeistert und klatschte in die Hände. Dann drehte er sich nach hinten. “Marcus! Caius! Ist das nicht wunderbar? Seit langem haben wir wieder so einen Fall.” Die beiden Angesprochenen sahen eher gelangweilt aus. Sie warteten darauf, dass sie endlich mit dem Festmahl beginnen konnten und schauten mürrisch drein, genauso wie all die anderen Vampire. Die Reisegruppe fing an zu grummeln. Da sie nichts so richtig mitbekamen und dementsprechend auch nicht wussten, worum es ging, wollten sie, dass es endlich weiterging, damit sie zurück in ihr Hotel konnten. Nur wussten sie nicht, dass sie das nie wieder zu Gesicht bekamen. Bella betrachtete uns abwechselnd und versuchte anscheinend aus dem Gesagten schlau zu werden, was ihr aber nicht gelang. “Bedeutet das, ihr lasst sie gehen?” hoffte ich. Aros Freude verflog plötzlich und sein Gesicht sah etwas mitgenommen aus. “Leider können wir deinem Wunsch nicht nachkommen. Wir lassen keinen Menschen am Leben, der von uns Kenntnis hat.” “Aber sie weiß doch gar nicht, was wir sind!” protestierte ich leise. Plötzlich stand Aro hinter Bella und griff ihre Hand. Sie erschrak bei seiner Berührung und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Vergebens. Am liebsten hätte ich mich zwischen die beiden gestellt und sie vor ihm beschützt. Auch wenn ich wusste, dass er nur ihre Gedanken lesen wollte. Oder es zumindest versuchte. Seine Augen waren geschlossen. Sein Gesicht wechselte von Neugier zu Verblüffung, über Erstaunen bis zur Ungläubigkeit. Dann öffnete er sie wieder und ließ Bella los. Sofort wich sie ein Stück zurück und betrachtete ihn verärgert, aber auch wachsam. Als würde er jede Sekunde wieder versuchen, ihre dichter zu kommen. Aro schüttelte langsam den Kopf. “Leider kann ich ihre Gedanken auch nicht lesen. Allerdings wissen wir beide, dass du sie mehr als deutlich auf uns aufmerksam gemacht hast. Und da wir nicht wissen, was sie denkt, erfahren wir auch nicht, ob sie bereits Vermutungen anstellt.” Er klang frustriert über die Tatsache, dass seine Gabe bei ihr nicht funktionierte. Innerlich musste ich darüber etwas lächeln. Ich war froh, dass er sie nicht bei ihr anwenden konnte. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. “Du bist nicht in der Position, Forderungen zu stellen. Du hast beinahe jemanden in Volterra getötet und jetzt willst du, dass wir unsere Regeln umgehen. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie stirbt oder sie wird verwandelt. Da ihr Blut so einen besonderen Reiz auf dich hat, würde ich dir sogar erlauben, es selbst zu tun.” Ich war fassungslos über seine Worte. Bella starrte ihn ebenfalls entsetzt an. Sie musste ihn gehört haben. “Tod oder Verwandlung. Deine Entscheidung”, sagte er noch einmal mit Nachdruck. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 5: Seine Seele zu verlieren ----------------------------------- Was Aro da verlangte, waren keine Möglichkeiten. Weder wollte ich, dass sie ihr Leben verlor, noch dass sie das Schicksal eines Vampires teilen musste. Diese Hölle wollte ich ihr auf jeden Fall ersparen. Doch wie konnte ich das in einem Raum voller blutrünstiger Vampire, die nur darauf warteten, dass ich einen Fehler machte? Vorsichtig kam Bella auf uns zu. Sie stand jetzt genau zwischen Aro und mir. Abwechselnd blickte sie uns beide mit einem Gesicht an, das Verwirrung und Skepsis zeigte. “Entschuldigung. Eigentlich ist es völlig absurd. Ich dachte eben, ich hätte etwas von Sterben gehört. Aber das ist unmöglich, oder? Schließlich ist das hier nur eine kleine Besichtigungstour durch eine alte Festung.” Sie lächelte uns nervös an und hoffte wahrscheinlich, wir würden unsere Worte noch einmal korrigieren. Ich antwortete nicht, sondern sah sie nur an. Ich wusste nicht, was ich ihr erzählen sollte. Alles wird gut. Das war nur ein Scherz gewesen. hätte ich ihr liebend gerne gesagt, doch in den nächsten paar Minuten wäre ihr bewusst geworden, dass ich log. “Bella, nicht wahr?” lächelte Aro sie freundlich an. Sie war überrascht, dass er ihren Namen wusste, nickte aber vorsichtig. “Siehst du all die Personen, die um eure Gruppe herumstehen? Nun, der Grund, warum ihr alle hier seid ist ganz einfach. Auf der Welt gibt es immer Jäger und Gejagte. Der Stärkere frisst den Schwächeren. Die Menschen haben das Pech, dass sie in der Nahrungskette unter uns stehen…” Bellas Ausdruck verriet mir, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Doch ich wusste es ganz genau. Aus diesem Grund wollte ich auf ihn zugehen, um ihn daran zu hindern, weiterzuerzählen, damit Bella die Wahrheit unter keinen Umständen erfuhr. Im selben Augenblick jedoch wandte ich meinen Kopf in Demitris Richtung. Das was gerade passierte, hatte ich nur wenige Sekunden zuvor in seinen Gedanken gesehen. Ein ohrenbetäubender Schrei ging durch den Raum, dessen hohe Architektur ihn nur noch lauter klingen ließ. Alle blickten in die Richtung, aus der er kam und sofort sahen wir, dass Jen in Demitris Armen hing, ihre Hände gegen seine Schultern gepresst. Mit einer Hand hielt er ihren Kopf fest und drückte ihren Hals gegen seine Lippen, seine Zähne hatte er bereits in ihre Haut geschlagen und der Geruch des Blutes, das ihren Nacken herunter lief, roch nicht nur ich, sondern alle anderen Vampire um uns herum. Jen versuchte, sich zu befreien, doch ihre Kraft ließ sehr schnell nach, je mehr Blut er aus ihrem Körper saugte. Das Gift musste bereits in ihren Venen sein und sie lähmen. Wie ich es geahnt hatte. Demitris Gier ließ ihn seine Beherrschung verlieren. Ein Knurren ging durch die Reihen der Vampire. Sie wollten ebenfalls anfangen zu speisen. Die Menschen, die den beiden am Nächsten standen, hielten die Luft an und starrten fassungslos auf das, was sich vor ihren Augen abspielte. Entsetzen machte sich breit und allmählich erreichte es die gesamte Gruppe. Langsam erkannten sie die Gefahr, in der sie schwebten und ich konnte bereits die ersten Fluchtversuche erkennen, als einige vorsichtig nach hinten stolperten. Aro schloss seufzend die Augen. Demitris Verhalten missfiel ihm. Eine kurze Handbewegung in der Luft signalisierte den anderen, dass sie ebenfalls anfangen konnten. Ein paar Menschen wollten in Richtung Ausgang laufen, doch mitten im Laufen stürzten sich einige Vampire auf sie. Jetzt fingen alle an, wild und ziellos umherzulaufen und zu schreien. Ich hielt Bella bereits in meinen Armen, noch bevor sich die Panik im Raum ausgebreitet hatte. Ich wollte sowohl verhindern, dass sich jemand auf sie stürzte, als auch dass sie alles mit ansehen musste. Erst langsam realisierte sie, dass Aros Worte mehr bedeuteten, als anfänglich geglaubt, denn sie zitterte am ganzen Leib. Das Atmen fiel ihr schwerer und ihr Herz fing an zu rasen. “Jen…” flüsterte sie so leise, dass man nur sah, wie ihre Lippen den Namen formten, ohne einen Ton hervorzubringen. Mittlerweile war der Raum erfüllt vom Geruch des Blutes. Bella schnappte nach Luft. Sie atmete durch den Mund und krallte sich an meinem Hemd fest. Ihre Augen flatterten. Sie musste kurz vor einer Ohnmacht stehen. Ich kämpfte nicht nur damit, Bellas Duft zu ignorieren, sondern auch, meinen Verstand nicht auszuschalten. Denn mein Instinkt, der sowohl durch ihren Geruch als auch durch all das Blut mein Handeln bestimmen wollte, kämpfte um die Oberhand. Meine Muskeln spannten sich an, genauso wie mein Unterkiefer. Die Drüsen spritzten das Gift wieder in meinen Mund. Ich schluckte es immer wieder hinunter und widersetzte mich meinem Verlangen. Langsam beugte ich mich zu Bella hinunter und flüsterte ihr ins Ohr. “Schließ die Augen.” Sie tat, wie ihr geheißen. Ihre Atmung wurde jedoch immer flacher und ihr Puls bedrohlich langsam. Im nächsten Moment spürte ich, wie sie unter meinem Griff wegzusacken drohte und ich hielt sie noch stärker fest - dabei bedacht, meine Stärke zu kontrollieren, um sie nicht zu zerquetschen. Plötzlich stand Carlisle vor uns. Wir sollten hier so schnell wie möglich weg. Wenn sie mit den anderen fertig sind, ist sie das nächste Ziel. Ich nickte ihm zu und gemeinsam liefen wir in Richtung Ausgang, als ich auf einmal Aros Gedanken hörte und in meiner Bewegung verhaarte. Komm nicht auf die Idee, mit ihr zu verschwinden. Wir würden euch auf jeden Fall wieder finden. Am Besten, ihr wartet in der Eingangshalle, bis das hier vorbei ist. Bis dahin kannst du dir überlegen, was mit ihr passieren soll. “Gregor! Gustav! Begleitet sie in die große Halle und lasst sie nicht aus den Augen.” Zwei ziemlich groß gebaute Vampire in grauen Umhängen kamen auf uns zu, der eine kurze, dunkelblonde Haare, der andere schwarze Locken. Beide wischten sich mit ihren Ärmeln gerade das Blut von den Lippen. Sie sahen nicht sehr begeistert von ihrer Aufgabe aus. Eigentlich wollten sie viel lieber hier bleiben und weitermachen. Erst als sie uns zwischen sich hatten, konnten wir weitergehen. Ich konnte es gar nicht erwarten, aus diesem Raum zu verschwinden. In der Halle angekommen, legte ich Bella sofort auf eines der Sofas, während uns die beiden ‘Leibwachen’ in einiger Entfernung argwöhnisch beobachteten. Die Frau am Tresen warf ab und zu verstohlene Blicke in unsere Richtung. Bellas Gesicht wirkte blasser als normal. Fast schon so blass wie unsere Haut. Ich entfernte mich ein Stück von ihr - und stellte mich vor das Sofa, um sie vor den Vampiren abzuschirmen - und machte Carlisle Platz. Er fühlte ihre Stirn und ihren Puls. “Wie geht es ihr?” fragte ich ihn so leise, dass die anderen beiden es nicht mitbekamen. Sie scheint einen Schock erlitten zu haben, was mich bei dem, was sie eben miterlebt hat, nicht wundert. Sie blinzelte und es schien, als würde sie das Bewusstsein wiedererlangen. “Bella?” flüsterte ich und hockte mich ans Kopfende. “Blut…” presste sie kaum hörbar hervor. Ich nickte. “Ja. Ich weiß. Aber jetzt ist keines mehr da.” “Doch…” Ich sah Carlisle verwundert an. Er wusste ebenfalls nicht, was sie meinte. “Ich kann es riechen”, fuhr sie fort. “Menschen können kein Blut riechen”, erklärte ich ihr leise. “Ich schon… Salzig und rostig… Davon wird mir übel…” Sie holte immer noch durch den Mund Luft und hatte die Augen wieder geschlossen. Abermals sah ich Carlisle an. An den Umhängen klebt noch das Blut, das sich vorhin die beiden dort aus dem Gesicht gewischt haben. Ich drehte mich zu den Wachen, die versuchten, einen Blick auf Bella zu erhaschen. “Wieso sollen wir eigentlich auf den ganzen Spaß verzichten?” meinte einer von ihnen. “Dafür, dass wir hier aufpassen müssen, könnten wir auch etwas verlangen. Das Mädchen würde mir schon reichen.“ “Aro würde uns den Kopf abreißen”, warf der andere ein. “Ihr Blut riecht aber so köstlich…” schwärmte der Erste. Er stellte sich bereits vor, wie es in seinem Mund schmeckte. Ich knurrte ihn an und er fing an zu grinsen, genauso wie der andere. “Und der scheint auch etwas dagegen zu haben.” Der eine beugte sich dichter zum anderen. “Wir können ja erzählen, dass er versucht hat, abzuhauen und wir mussten ihn dann aufhalten. Leider ist dabei das Mädchen umgekommen.” Er lachte leise, doch der andere seufzte nur. “Du vergisst, dass Aro deine Gedanken lesen kann.” “Da hast du Recht”, erkannte er mit einigem Verdruss. “Was genau… ist eben passiert?” fragte Bella mit schwacher Stimme und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Sie hatte ihre Augen geöffnet und sah mich kopfüber an. “Das ist schwer zu erklären.” Damit gab sie sich jedoch nicht zufrieden. Sie wartete darauf, dass ich fortfuhr. “Sagen wir… Dieses Besichtigungsziel war nicht das, wonach es aussah. Es war nur ein Vorwand, um die Leute herzulocken.” “Jen ist… tot, oder? Genauso wie alle anderen?” flüsterte sie und klang, als hoffte sie, ich oder Carlisle würden das Gegenteil sagen. Ich nickte nur und sie sog die Luft scharf ein. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie fing wieder an zu zittern. Ich zog meine Jacke aus und deckte sie damit zu. Dankend kuschelte sie sich hinein und sog einen Moment lang den Geruch ein - was mir trotz der Lage doch tatsächlich ein Lächeln entlockte -, ehe sie wieder redete. “Warum? Ich meine, warum tut jemand so was? Und weshalb ist die Polizei noch nicht hier? Ihr habt sie doch angerufen, oder? Damit dürfen sie nicht davonkommen.” Sie überschlug sich förmlich mit all ihren Fragen. “Bella.” Carlisle legte seine Hand auf ihre Schulter, um sie zu beruhigen. Sie sah ihn fragend an. “Was hier geschieht, ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Polizei wäre machtlos.” Langsam setzte sie sich auf, schwankte aber leicht in der Bewegung, sodass sie sich an der Rückenlehne festhalten musste. Ihr nervöser Blick wanderte von Carlisle zu mir und wieder zurück. “Ihr… ihr steht doch nicht auf der Seite von diesen… Mördern, oder?” “Mit Sicherheit nicht”, wandte ich scharf ein. Bella wirkte auf den ersten Blick etwas erleichtert, nur um uns gleich wieder misstrauisch anzuschauen. “Wieso unternehmt ihr dann nichts? Habt ihr Angst vor diesen Leuten? Wenn ja, dann ist das kein Problem. Mein Vater ist Polizist. Er kann uns helfen. Ich brauche nur ein Telefon und dann…” Sie durchwühlte die Taschen meiner Jacke und hielt plötzlich mein Handy in der Hand. “Warte!” Ich nahm es ihr weg. “Das kannst du nicht. Du würdest ihn nur in Gefahr bringen. Glaub mir.” “Aber… Irgendetwas müssen wir tun…” “Bella…” Hast du dich eigentlich schon entschieden? Carlisles Gedanken unterbrachen mich. Ich schüttelte den Kopf, was Bella nicht entging. Sie blickte mich verwirrt an. Ich sah in ihre rehbraunen Augen, in ihr blasses, unschuldiges Gesicht. Von einer Sekunde auf die andere bekamen ihre Wangen etwas Farbe, als diese sich vor Verlegenheit rötlich färbten. Ich streckte meine Hand aus, um ihre Haut zu berühren und sofort atmete sie schneller. Ich zog meinen Arm jedoch gleich wieder zurück, ehe meine Fingerspitzen sie erreichten. Ich presste meine Lippen zusammen, während ich sie betrachtete. Ich hätte niemals damit gerechnet, Herr über ihr Schicksal zu sein. Das wollte ich auch gar nicht. Und jetzt drängte Aro mich in diese Position. Eine, die nicht wirklich eine große Auswahl hatte. Wie konnte ich für die Zerstörung dieses zarten Wesens verantwortlich sein? Wie konnte ich sie zur Ewigkeit verdammen und zulassen, dass sie ihre Seele verlor? Wie konnte Alice mich nach Italien schicken und mich zu so einer Wahl zwingen? Alice! Ich klappte mein Handy auf und tippte hastig ihre Nummer ein. Sie nahm bereits nach dem ersten Klingeln ab. Natürlich wusste sie, wer anrief. “Hallo, Edward”, begrüßte sie mich freudig. Eine Emotion, die in mir gerade nicht vorhanden war. “Kannst du mir vielleicht mal erklären, was du dir dabei gedacht hast?” presste ich zwischen meinen Zähnen hervor. Ich wollte nicht allzu laut reden und die beiden Vampire uns belauschen lassen. “Sei bitte nicht so wütend. Ich musste euch dahinschicken. Sonst wäre dieses Mädchen gestorben.” “Warum?” fragte ich verständnislos. “Das erkläre ich dir, wenn ihr wieder hier seid.” “Ja. Falls wir wieder nach Hause kommen”, spottete ich. “Keine Sorge. Das werdet ihr. Aro lässt euch gehen.” Ich verstand nicht, warum sie sich da so sicher war. “Warum sollte er das tun?” Alice fing plötzlich an zu kichern. Zu dumm, dass man über das Telefon keine Gedanken hören konnte. “Alice?” hakte ich nach. “Das werdet ihr noch früh genug erfahren. Du musst dich nur richtig entscheiden. Und das wirst du. Also hör endlich auf, soviel darüber nachzudenken”, tadelte sie mich. “Alice!” Doch sie hatte bereits aufgelegt. Ihre Worte ergaben keinen Sinn. Nach Carlisle war sie die nächste, die mich am besten kannte. Also hätte sie wissen müssen, wie ich über eine Verwandlung dachte. Dass ich so etwas niemandem absichtlich antun würde. “Alles in Ordnung? Du siehst irgendwie gequält aus.” Bellas zaghafte Worte rissen mich aus meinen Gedanken. “Ich kann das nicht”, sagte ich tonlos und wandte mich zu Carlisle. Du willst nicht, dass sie stirbt. Du willst aber auch nicht, dass sie verwandelt wird. Für eine Sache musst du dich entscheiden. Ich weiß, dass Aro dir keine anderen Möglichkeiten geben wird. Und mit Sicherheit lässt er sie nicht als Mensch aus diesem Gebäude. “Rein theoretisch. Wenn ich es machen würde… Ich könnte es gar nicht, weil ich mich wahrscheinlich nicht beherrschen könnte. Der Reiz, den ihr Blut auf mich hat, würde dafür sorgen, dass ich mich erst wieder unter Kontrolle habe, wenn sie…” Ich sah kurz zu Bella. Die letzten Worte wollte ich mir weder vorstellen, noch sie aussprechen. “Ich verstehe nicht, wovon du redest…” entgegnete sie verwirrt. Wenn du möchtest, dann werde ich es machen. Für mich ist das kein Problem. Mein Blick wanderte wieder zu Carlisle. Natürlich konnte er es tun. Er hatte schließlich nicht nur mich, sondern auch Esme, Rosalie und Emmett verwandelt. Er hatte seinen Durst perfekt unter Kontrolle, was er seinem Mitgefühl für die Menschen verdankte. Doch selbst wenn er es tun würde, wäre es nicht das Gleiche wie bei den anderen. Wir waren in Volterra. Zwischen lauter Vampiren, die Menschenblut tranken. Die anderen konnte Carlisle überzeugen, Tierblut zu trinken. Doch ich war mir sicher, dass Aro Bella im Falle einer Verwandlung auf der Stelle ein paar Menschen vorgeworfen hätte, damit sie ihren Durst stillen konnte… Ich schüttelte meinen Kopf, um das Bild von ihr, wie sie sich auf einen Menschen stürzte, abzuschütteln. Just in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Hinterzimmers und Aro, gefolgt von Caius und Marcus, kamen auf uns zu. Ihre Augen leuchteten jetzt in einem satten Rubinrot. Die Empfangsdame stoppte mit ihren Aufgaben und senkte ihren Kopf untertänig. Die beiden Wachen versteiften sich. Aro breitete freudig seine Arme aus, als er mehr auf uns zuschwebte denn zuging. “Wie schön, dass ihr so geduldig gewartet habt.” Ich stand auf und stellte mich vor Bella, die auf dem Sofa sofort ein Stück nach hinten gerutscht war, als sie die drei sah. Ich spürte ihre feindselige Haltung ihnen gegenüber, als auch die Angst, die sie jetzt wieder überkam. Carlisle nahm ihre Hand. “Ganz ruhig”, flüsterte er ihr zu. “Ich hoffe, du hast eine Entscheidung getroffen.” Obwohl Aro mich anlächelte, fühlte ich mich bei seinem Blick unbehaglich und Wut kam auf. “Soll sie sterben oder eine von uns werden? Alles andere wäre schließlich die reinste Verschwendung”, entgegnete er mir immer noch freundlich, als redeten wir darüber, ob die Wände grün oder blau gestrichen werden sollten. “Was?” Bellas zittrige Stimme veranlasste mich, meinen Kopf zu ihr zu drehen, nur um die Panik zu sehen, die ihr Gesicht widerspiegelte. Ich ging um das Sofa herum und setzte mich vor sie. Ohne zu überlegen nahm ich ihre andere Hand und strich ihr sanft über den Handrücken. Sie bekam eine leichte Gänsehaut unter der Berührung und ihr Herz klopfte unregelmäßig. “Was soll das heißen? Was meint er mit ‘ich solle sterben‘?” Der Klang ihrer Worte war viel zu hoch und überschlug sich. “Das wirst du nicht, verstanden? Das werde ich nicht zulassen, das verspreche ich dir.” Ich sah ihr eindringlich in die Augen, die ohne Unterbrechung auf meinen lagen und zu meiner Überraschung beruhigte sie sich ein wenig, als sie langsam nickte. “Also hast du dich für die andere Möglichkeit entschieden?” fragte Carlisle. Ich presste meine Lippen zusammen, als ich ihn ansah. Zwischen den beiden scheint sich etwas zu entwickeln… Etwas sehr starkes, inniges… Das waren nicht Carlisles Gedanken, noch die von Aro oder den beiden Wachen. Abrupt drehte ich mich zu ihm um und bemerkte, dass dieser Marcus’ Hand hielt. Aus Carlisles Erinnerungen wusste ich, dass Marcus Beziehungen sehen konnte. Zum ersten Mal zweifelte ich daran, dass die Fähigkeit eines Vampires einwandfrei funktionierte. Das, was er zwischen Bella und mir sehen mochte, konnte keineswegs wahr sein. Ein Grund war, dass eine Beziehung zwischen einem Menschen und einem Vampir unmöglich schien, ein anderer, dass sie bald kein Mensch mehr sein würde. Ich bezweifelte, dass sie als Vampir, als Neugeborener, immer noch so auf mich wirken würde, wie sie es jetzt tat. Denn diese Reize waren momentan deutlich vorhanden und es war unvorstellbar, dass sie es hinterher immer noch sein würden. Oder? Und trotzdem hatte ich eigentlich keine Wahl. Ich würde sie nicht sterben lassen, also blieb nur noch die andere Möglichkeit übrig. Alice’ Vision gab es ebenfalls noch. Ich setzte jetzt all meine Hoffnungen in sie. Auch wenn ich es ungern zugab, so wünschte ich mir gerade, ein Mensch zu sein. Jemand, der mit Bella zusammen sein konnte. Ohne Einschränkungen. Und unter anderen Bedingungen. Die Umstände, in denen wir uns befanden, waren mehr als bedauerlich, geradezu frustrierend. “Wenn dem so ist, dann liegt es doch klar auf der Hand, was zutun ist. Nicht jeder findet eine Gefährtin, Edward. Doch du hast scheinbar dieses Glück.” Aro klang wieder so euphorisch, wie zum Anfang. Carlisle erhob sich. Ich nehme an, du hast deine Entscheidung getroffen. Ich bin mir sicher, dass du nicht willst, dass sie stirbt, also gehe ich davon aus, dass sie ein Vampir werden soll. Ich nickte kaum merklich. Du musst mir dann nur noch sagen, ob du es tun willst oder ob ich es machen soll. Ich nickte abermals, woraufhin er zu Aro ging, um ihm alles mitzuteilen. “Wunderbar… Ja, ich kann verstehen, dass es für ihn schwierig sein muss. Obwohl wir ihn auch unter Kontrolle halten könnten, sollte er es selbst übernehmen wollen”, antworte er voller Vorfreude. “Also, wenn ihr uns dann folgen würdet…” Aro machte eine Handbewegung in Richtung Hinterzimmer. “Wir wollen diese Prozedur ja nicht in der Empfangshalle vornehmen, nicht wahr?” ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 6: Listen all night long -------------------------------- dieses kapitel sollte eigentlich "Drei Tage" heißen, hab mich aber anders entschieden, da ich gerade den Song "Disenchanted" von My Chemical Romance höre und das doch ganz gut passt (jedenfalls eine zeile aus den lyrics). Ausserdem sollte das Kapi etwas anders aussehen. Jetzt hab ich aber gemerkt, dass das, was ich vorhabe, doch länger wird, als gedacht...Und ich muss erwähnen, dass ich hier viele Parallelen zum buch mit rein und etwas durcheinander geschmissen habe...xD...manche mögen das, andere nicht...nya~... viel spass jetzt....^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Erwartungsvoll sahen uns alle an. Aro, die beiden Wachen und die Dame hinter dem Tresen. Einzig Marcus und Caius sahen gelangweilt aus. Sie hatten schon mehr als genug Verwandlungen miterlebt oder selbst durchgeführt, sodass diese eine weitere keinen besonderen Reiz auf sie hatte. Ich war etwas erschrocken über Aros Worte, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass es auf der Stelle passieren sollte. Bella wusste noch nicht einmal alles. Was wir waren, was mit ihr geschehen würde… All diese Zusammenhänge. Wenn sie schon eines dieser nicht endenden, langweiligen Leben führen sollte, dann konnte sie vorher wenigstens die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie es vielleicht nicht gleich glauben würde. Ich ließ ihre Hand los und ging auf Aro zu. Sofort regten sich die Wachen und wollten sich bereits vor ihn stellen, doch er erhob nur seine Arme und sie blieben auf der Stelle stehen. “Muss es unbedingt jetzt gleich sein?” flüsterte ich, um Bella nichts hören zu lassen. “Warum sollte es das denn nicht?” antwortete er mit einer Gegenfrage und lächelte freundlich, aber neugierig. “Ich möchte es ihr erklären. Dann kann sie sich besser darauf vorbereiten.” “Das kannst du doch hinterher genauso gut. Es macht keinen Unterschied, ob sie vorher oder nachher davon erfährt. Tatsache ist, dass sie dem Ganzen nach der Verwandlung eher Glauben schenken wird”, erklärte er. “Dennoch. Wir tun es ohne ihr Einverständnis. Sie hat ein Recht darauf.” “Sie ist ein Mensch. Sie hat keine Rechte.” Caius’ Stimme war fest und unbarmherzig, als er sich plötzlich an der Diskussion beteiligte. Ich funkelte ihn wütend an. “Ihr lasst einen Menschen für euch arbeiten. Ist das nicht ein Widerspruch in euren so unbeugsamen Regeln?” warf ich ihm vor und nickte mit dem Kopf in Richtung Tresen. “Wenn wir sie nicht mehr brauchen, wird sie beseitigt.” Caius’ autoritärer Einwand ließ keine Widerrede zu, doch ich wusste, dass ihr Standpunkt bereits bröckelte. “Diese ganze Farce ist einfach lächerlich”, schnaubte ich verächtlich. “An deiner Stelle würde ich nicht so vorlaut sein.” Er blickte mich finster an und kam einen Schritt auf mich zu. “Bitte, bitte. Wir wollen uns doch jetzt nicht streiten”, mischte Aro sich ein und hob die Hände. Caius wich wieder zurück, behielt mich aber trotzdem im Auge - genauso wie ich ihn. “Ihr verliert doch nichts, wenn ihr ihm ein wenig Aufschub gewährt. Ihre Verwandlung ist bereits beschlossene Sache.” Carlisle ergriff plötzlich das Wort. Aro sah ihn sehr lange an, dann drehte er sich zu mir. “Drei Tage. Mehr kann ich dir nicht geben, denn damit komme ich euch schon mehr entgegen als ich eigentlich sollte. Außerdem hast du Glück, dass Carlisle ein alter Freund ist, dem ich fast nie etwas abschlagen kann.” Aros bleiches Gesicht war auf einmal von einer Ernsthaftigkeit erfüllt, wie ich es noch nie bei jemandem gesehen hatte, denn in Gedanken warnte er mich davor, irgendwelche Fluchtversuche zu unternehmen. Sie würden Volterra mit so vielen Wachen besetzen, dass ich noch nicht einmal blinzeln könnte, ohne dass sie davon erführen. Die kleinste Andeutung, und sei es auch nur ein Schritt außerhalb der Stadtmauern, würde ausreichen, um Bellas Todesurteil zu besiegeln. Ich nickte kaum merklich. “Danke.” Caius schnaubte nur und wandte seinen Blick zur Seite. Ihm gefiel unsere Abmachung nicht. Ihm wäre es lieber, wenn es auf der Stelle passieren würde und außerdem mochte er es nicht, wenn Aro so leicht nachgab. Aro hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen. “Sei nicht wütend, mein alter Freund. Sie werden schon nicht weglaufen. So etwas Dummes machen sie nicht, denn sie können sich benehmen. Lass dieses Mädchen also ihre letzten Menschentage genießen.” Noch während er sprach, drehte er sich um und ging zurück. Drei Tage, Edward. In drei Tagen sehen wir uns hier wieder. erinnerte er mich noch einmal. Caius folgte ihm grummelnd, genauso wie alle anderen, einschließlich der Wachen. Die Dame an der Rezeption betrachtete uns noch kurz neugierig, dann nahm sie ihre Aufgaben wieder auf. Carlisle und ich wollten wieder zurück zu Bella. Allerdings war diese bereits aufgestanden und beobachtete unsere Bewegungen mit Vorsicht. “Ihr habt mich angelogen, oder?” fragte sie ohne Vorbehalte und klang, als wäre es eine unbedeutende Nebensache. “Wie meinst du das?” “Ihr habt mir erzählt, ihr würdet nicht zu diesen Leuten gehören. Das eben sah aber ganz und gar nicht danach aus. Eher als wäre dieser seltsame Schwarzhaarige dein Chef oder etwas ähnliches. Kein Wunder, dass wir lebend daraus gekommen sind. Niemand greift seine eigenen Leute an. ” Wenn sie wirklich davon ausging, müsste sie doch Angst haben. Jeder normale Mensch hätte es garantiert. Doch sie lächelte plötzlich und komischerweise wirkte sie, als berührte sie diese Erkenntnis nicht. Oder sie rechnete bereits damit, bald zu sterben. “Bella, wir haben dich nicht angelogen. Ich wäre die letzte Person, die sich freiwillig diesen Monstern anschließen würde”, versuchte ich zu erklären, doch sie schien mir nicht zu glauben. Allerdings wirkte sie auch nicht beunruhigt. “Edward, wenn ich es richtig mitbekommen habe, richtig? Es ist schon in Ordnung. Ich weiß selbst nicht, warum mir das nichts ausmacht. Das alles ist schon merkwürdig…” Sie schüttelte seufzend den Kopf und lachte leise. Dann kam sie auf uns zu - wobei ihr Gang sehr wackelig aussah -, stellte sich vor mich und lächelte Carlisle und mich an. Sie zitterte ein wenig und ihr Puls ging unregelmäßig. “Also… wie werde ich sterben?” fragte sie mit ruhiger Stimme - als würde sie eine Bestellung aufnehmen. Im ersten Moment verschlug es mir wirklich die Sprache. “Du wirst nicht sterben”, meinte Carlisle etwas verblüfft. Eigentlich war das nur zum Teil wahr. Ein Vampir zu werden, konnte man durchaus mit Sterben vergleichen. Das Herz hörte auf zu schlagen und das Blut verschwand mit der Zeit aus den Adern. Man musste seine Familie und jede andere Verbindung zur Menschenwelt hinter sich lassen. Einen glatten Bruch vornehmen und mit seinem alten Leben abschließen. Und wenn man dann endlich wieder an die Öffentlichkeit konnte, waren die, die man einst kannte, nicht mehr existent. Bella drehte ihren Kopf zu ihm. Ihre Mine wirkte friedlich. “Es ist wirklich okay. Ihr müsst mir nichts vormachen. Ich komme damit klar.” Ich glaube, sie steht immer noch unter Schock. Anders kann ich mir ihr Verhalten nicht erklären, meinte Carlisle. Er war etwas besorgt. Ich packte Bella vorsichtig an den Schultern und sah sie ernst an. Dieses Mädchen war einfach unglaublich. “Es ist nicht okay. Man redet nicht so leichtfertig über den Tod. Und dass du damit einfach so klarkommst, kaufe ich dir nicht ab.” Einen Augenblick sah sie mich erstaunt an, dann sah ihr Gesicht wieder gelassen aus. “Das heißt dann wohl, dass ich wirklich sterben werde. Wie ich es mir gedacht habe.” Diese unfassbare Sturheit. “Ich hätte mir nur gewünscht, noch einmal meine Mum und Charlie zu sehen…” fuhr sie fort und schloss innerlich wahrscheinlich schon mit ihrem Leben ab. In gewisser Weise hatte sie Recht, denn ihre Familie würde sie tatsächlich nie wieder sehen. “Bella…” versuchte ich es, doch ich wusste eigentlich nicht, was ich darauf erwidern sollte. Sie sog die Luft scharf, aber gleichzeitig zittrig, ein - die gleichgültige Maske, die sie aufgesetzt hatte, schien langsam ins Wanken zu geraten -, als wolle sie die Tränen, die ihre Augen füllten, unterdrücken. Doch das einzige, was geschah, war dass ihr Körper plötzlich in meinen Armen lag, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte und zusammengesackt war. “Bella?” “Wir sollten sie erst einmal hier wegbringen”. meinte Carlisle neben mir. “Ist gut.” Ich nickte und wir machten uns auf den Weg zurück zu unserem Hotel. Draußen war es mittlerweile dunkel und wir konnten ungehindert in unserer normalen Geschwindigkeit laufen. So dauerte es nur wenige Minuten, bis wir angekommen waren. In der Empfangshalle war es relativ ruhig. Ein paar Gäste machten es sich in der Sitzecke bequem, lasen Zeitung oder unterhielten sich. Entweder warteten sie auf jemanden oder sie wollten den Abend nicht alleine in ihrem Zimmer verbringen. Zu meiner Erleichterung hatte es am Empfang einen Schichtwechsel gegeben. Der Mann, der jetzt die Gäste begrüßte, betrachtete uns anfänglich etwas misstrauisch, als wir ins Foyer traten - Bella auf den Armen. “Ich werde sie unter unserem Namen anmelden. Du kannst sie schon hochbringen”, flüsterte Carlisle und ging zur Rezeption. Ich machte mich auf den Weg die Treppen hoch zu unserem Zimmer. Auf dem Flur kam mir nur eine einzige Person entgegen, deren Gedanken mal wieder in die falsche Richtung liefen, als er uns aus den Augenwinkeln beobachtete und einer seiner Mundwinkel leicht nach oben zuckte. Nettes Ding, was er da hat. In dem Zustand wird er aber nicht viel Spaß mit ihr haben. Obwohl… Die Vorstellungen, die er sich jetzt ausmalte, ließen meine Wut anschwellen und ich hatte Mühe, sie zu unterdrücken. Ich knurrte ihn leise an, als unsere Wege sich kreuzten und warf ihm einen finsteren Blick zu. Sofort wich er ein Stück zur Seite und beschleunigte seine Schritte. Was ist denn mit dem los? Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn, sondern schob rasch die Karte durch den elektronischen Schlitz, ging hinein und schloss leise die Tür mit meinem Fuß. Die Mühe, das Licht anzuschalten, machte ich mir nicht. Ich konnte auch so hervorragend sehen. Im Schlafzimmer angekommen, legte ich Bella aufs Bett und wickelte sie in eine Decke ein, damit sie nicht fror. Ihre Herzschlag fing an, sich zu normalisieren und sie seufzte leise, als sie sich auf die Seite drehte. “Edward…” sagte sie plötzlich mehr als deutlich und ich hielt inne. Ich wollte bereits antworten, doch ihre Augen waren immer noch geschlossen und sie schlief friedlich. Hatte ich mir das eben nur eingebildet oder redete sie im Schlaf? Vorsichtig setzte ich mich an den Rand des Bettes und betrachtete ihre zarten Gesichtszüge. Was für ein erstaunliches Wesen, das mich so in den Bann ziehen konnte. Ihr blumiges Aroma stieg mir in die Nase, legte sich auf meine Zunge, betörte meine Sinne… Mittlerweile konnte ich es wirklich einigermaßen kontrollieren und dem Verlangen widerstehen. Je länger ich ihren Duft um mich hatte, desto mehr desensibilisierten sich meine Nerven. Ich gewöhnte mich daran. Langsam hob ich meine Hand, um ihre Wangen zu berühren, doch als ihre Atmung ins Stottern geriet, stoppte ich in der Bewegung. Mein Arm hing starr in der Luft. “Ich hab Angst…” flüsterte sie mit zittriger Stimme. Also redete sie tatsächlich im Schlaf. Was auch immer sie träumte, es musste mit den letzten Ereignissen zutun haben. Ihr Satz bestätigte es nur. Ich zog meine Hand wieder zurück. Es war nur verständlich, dass sie vor uns Angst hatte. Jeder, der wüsste, was wir waren oder erlebt hatte, was Bella mit ansehen musste, hätte das. “Wo bist du? ...Lass mich nicht allein…” Sie drehte sich unruhig auf den Rücken zurück und atmete laut ein und aus. Ihr Herzschlag beschleunigte sich ein wenig. Wie es schien, war der Traum nicht angenehm. Zu gern wüsste ich, wen sie suchte… wüsste, wie ich ihr helfen konnte… was sie gerade träumte… oder von wem… Sachte und behutsam legte ich meine Hand auf ihre, die sie gerade unter der Bettdecke hervorgeholt hatte. “Bitte bleib bei mir…” flehte sie. Unbewusst ergriff sie meine Hand und drückte sie. Selbst wenn ich ihren festen Druck nicht als solchen empfand, so genoss ich doch die Berührung. Ihre warmen Finger in meinen kalten. Was für ein erstaunlich angenehmes Gefühl. Ich erwiderte ihren Griff. “Edward…” sagte sie abermals und seufzte. Ihr Körper entspannte sich wieder. Sie atmete ruhiger. Ich war etwas verwirrt. Meinte sie mich? Träumte sie gerade von mir? War ich derjenige, den sie suchte und der sie nicht alleine lassen sollte? ”Zwischen den beiden scheint sich etwas zu entwickeln… Etwas sehr starkes, inniges…” Das waren Marcus’ Gedanken gewesen. Das Lächeln, das sich auf meinen Lippen bildete, konnte ich nicht verhindern. Vielleicht hatte er ja doch Recht. Ich nahm meine freie Hand und strich ihr vorsichtig eine Strähne, die ihr ins Gesicht gefallen war zur Seite. Mein Daumen verweilte auf ihrer Wange und zeichnete sanft die Konturen ihrer Wangenknochen nach. Ich konnte das Pulsieren des Blutes unter ihrer Haut spüren. Selbst die kleinsten Äderchen. Wie sie ihren Körper gleichmäßig mit Wärme füllten. Ein kleiner Schauer überkam sie. Sie sog die Luft sowohl durch Nase als auch Mund tief ein. Sie inhalierte sie schon fast. Aus Erfahrung wusste ich, wie unser Geruch auf Menschen wirkte. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie ihn sogar im Schlaf so intensiv wahrnahmen. Mein Lächeln wurde breiter. Im nächsten Moment verschwand es jedoch sofort. Drei Tage. Ich hatte nicht mehr als drei Tage, die ich mit ihr als Mensch verbringen würde. Und die letzten beiden würde sie wahrscheinlich nichts mit mir zutun haben wollen. Wenn sie erst einmal Bescheid wusste. Schläft sie? Ich entfernte meine Hand von ihrer Wange und drehte meinen Kopf in Richtung Eingang. Carlisle stand in der Tür, die Arme verschränkt und die Schulter gegen den Rahmen gelehnt. Ich nickte ihm zu und wandte meine Aufmerksamkeit wieder Bellas schlafendem Gesicht zu. Hast du dich schon entschieden, wer es machen soll? Ich presste die Lippen zusammen. “Es ist am Besten, wenn du es übernimmst. Du hast Erfahrung darin und kannst dich beherrschen. Ich könnte es wahrscheinlich nicht”, flüsterte ich - für menschliche Ohren zu schnell und zu leise. In Ordnung… Bellas Griff um meine Hand verstärkte sich auf einmal. Sie krallte sich schon fast krampfhaft fest. Ihre Atmung wurde wieder schneller, genauso wie ihr Puls. Ihr Herz raste. Unruhig legte sie den Kopf auf die eine, dann auf die andere Seite und wieder zurück. “Nein…” presste sie kaum hörbar hervor. Als würden die Lungen ihr die Luft für dieses eine, kleine Wort nicht gewähren. Was ist mit ihr? “Ich glaube, sie hat einen Alptraum…” Ich lehnte mich langsam ein Stück nach vorne. “Bella?” sagte ich leise und hatte meine Hand bereits erhoben, um ihr beruhigend über die Haare zu streichen. Gerade als ich sie berühren wollte, riss sie ihre Augen auf und schreckte mit einem Schrei nach oben - für mich immer noch zu langsam. Ich lehnte mich wieder ein Stück zurück, um nicht mit ihr zusammenzustoßen. Carlisle war bereits wieder verschwunden. Er wollte uns alleine lassen. Bellas Brustkorb hob und senkte sich deutlich, als sie immer wieder nach Luft schnappte. “Edward…?” flüsterte sie atemlos und unsicher. “Ich bin hier.” Zur Bestätigung meiner Worte drückte ich sanft ihre Hand, die immer noch in meiner lag. “Ich sehe dich nicht…” Ich hatte nicht daran gedacht, dass ihre Augen in dieser Dunkelheit versagten und schaltete rasch die Nachttischlampe ein. Sie blinzelte kurz, als das Licht ihre erweiterten Pupillen erfasste. Als sie sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatte, ließ sie ihren Kopf durchs Zimmer wandern. “Wo bin ich?” “In unserem Hotel”, antwortete ich ihr. Einen Moment lang sah sie mich ausdruckslos an, dann betrachtete sie wieder das Zimmer. “Hab ich das alles nur geträumt?” fragte sie mehr sich selbst, schloss die Augen und legte ihre freie Hand an die Stirn. Sie seufzte. Ich hätte ihre gerne gesagt, dass es so war, doch ich konnte mich der Wahrheit bald nicht mehr entziehen. Ich musste sie über alles aufklären. “Bella…” fing ich langsam an. Erwartungsvoll drehte sie ihren Kopf zu mir. “Du hast das nicht geträumt.” Sie holte tief Luft und erwartete meinen nächsten Satz mit Vorsicht. “Alles, was du erlebt hast, ist wirklich passiert.” “Das heißt, dass… all die Menschen… In dem Turmzimmer…” schlussfolgerte sie und hielt die Luft an. Ich nickte. “Aber dann verstehe ich nicht… Ich meine, warum… Normalerweise müsste ich dann doch auch…” Sie hielt kurz inne und ihr verwirrter Gesichtsausdruck verschwand plötzlich. Erkenntnis trat an die Stelle. Sie lächelte traurig. “Ich bin schon längst tot, nicht wahr? Ich hab das Massaker nicht überlebt…” Gedankenverloren starrte sie an mir vorbei. “Bella, du bist nicht tot”, erklärte ich ihr, doch sie verstand mich nicht. “Natürlich bin ich das. Wenn es nicht so wäre, würde ich wohl kaum in diesem weichen Bett sitzen, mit dir neben mir.” Sie lächelte. Ganz langsam - fast schon zeitlupenähnlich, denn ich wollte sie nicht erschrecken - hob ich meine Hand, legte sie auf ihre Wange und sah sie eindringlich an. Sofort beschleunigte sich ihr Puls, ihre Haut rötete sich bei der Berührung und sie japste nach Luft. Mein Mundwinkel zuckte nach oben. “Du lebst. Wenn es nicht so wäre, würde dein Herz stumm sein und nicht so schnell und laut klopfen.” Die Erkenntnis, dass ich es mitbekam, trieb nur noch mehr Blut unter ihre blasse, dünne Haut. Innerlich breitete sich in mir eine seltsame Wärme aus. Die Tatsache, dass ich der Auslöser für diese Reaktionen war, gab mir ein zufriedenes, aber auch erhabenes Gefühl. Plötzlich wollte ich der Einzige sein, der sie so durcheinander brachte, der für ihre Verlegenheit verantwortlich war. Aber das war egoistisch. Wie konnte ich das für mich beanspruchen? Wie konnte ich so etwas zulassen? Mein Verhalten war Schuld daran, dass sie eine von uns wurde, weil ich nicht wollte, dass sie ihr Leben verlor. Wer garantierte mir denn schon, dass sie danach immer noch bei mir blieb? Dass sie das wollte, nachdem sie wissen würde, dass ich die Entscheidung für ihre Verwandlung getroffen hatte? Wer würde so etwas schon wollen? “Aber wie bin ich dann entkommen?” fragte Bella leise, als sie ihre Aufregung wieder etwas unter Kontrolle hatte. “Wir haben dich mitgenommen.” Ihre Augen wurden schmal. “Einfach so?… Ich meine… wieso sollten diese Leute das so ohne weiteres machen?” fragte sie skeptisch. Ich lächelte sie gequält an, ließ meine Hand von ihrer Wange sinken und seufzte. Jetzt würde das kommen, was ich gerne vermieden hätte. “Damit du das verstehst, muss ich dir vorher einiges erklären.” Sie erwiderte nichts, sondern nickte nur. Ich hörte auf einmal ein leises Knurren und musste ein wenig schmunzeln. Es war Bellas Magen gewesen. Verlegen wandte sie ihren Blick ab, als sie ihren Arm vor ihren Bauch hielt. “Das muss dir nicht peinlich sein. Mir muss es Leid tun. Ich bin es nämlich nicht gewohnt, so lange mit jemandem zu verbringen, der regelmäßig Mahlzeiten zu sich nehmen muss. Ich werde den Zimmerservice anrufen.” In all meinen Vampirjahren musste ich nie auf so etwas achten. Es gab nur eine Situation, in der wir uns so verhalten mussten, als wären wir auf menschliche Nahrung angewiesen. Das Essen, das wir uns in der Schulcafeteria in Forks immer nahmen, war nur Attrappe, um nicht aufzufallen. Ich hatte noch nie soviel Zeit mit einem Menschen verbracht wie jetzt mit Bella. Eine weitere neue Erfahrung für mich. Sie sah mich verwirrt an, als ich das Telefon vom Nachttisch nahm und wählte. “Du musst mir nichts bestellen”, protestierte sie. Ich erwiderte ihren Blick, während ich dem Klingeln am anderen Ende des Hörers lauschte und ihr die kleine Menükarte entgegenhielt, die ebenfalls auf dem Nachttisch lag. “Mir wäre es aber lieber, wenn du etwas isst.” “Bitte”, sagte ich mit etwas Nachdruck, als sie zögerte. Seufzend nahm sie die Karte und blätterte darin. Das Telefon klingelte noch dreimal bis endlich jemand abnahm. “Zimmerservice. Was kann ich für sie tun?” fragte eine hohe Frauenstimme, die vergeblich versuchte, ihre Müdigkeit zu unterdrücken. “Ich würde gerne etwas zu Essen bestellen.” Fragend sah ich Bella an und hielt die Sprechmuschel mit meiner Hand zu. “Hast du etwas gefunden?” Sie las noch kurz in der Karte, dann hob sie den Kopf. “Ich glaube, ich nehme die Pilzteigtaschen…” Ich nickte. “Und was zu trinken?” “Cola”, antwortete sie. Ich gab die Bestellung und unsere Zimmernummer der Dame am Telefon und legte anschließend auf. Wir schwiegen uns einen Augenblick an, bis Bella die Stille brach. “Wolltest du mir nicht etwas erzählen?” “Das mache ich lieber, wenn das Essen da ist und du etwas im Magen hast. Ich möchte nicht, dass du vor Schwäche wieder umfällst.” Ihr Blick verfinsterte sich bei meinen Worten und ich sah sie entschuldigend an. “Ich mache mir nur Sorgen um dich. Das ist alles.” Ihre Wangen verfärbten sich wieder leicht. Ich genoss es. So, wie ich jede Sekunde, die ich mit ihr zusammen war, genoss. “Tut mir Leid, wenn ich frage, aber was macht jemand wie du in Italien? Du kommst mir nämlich nicht so vor, als ob du gerne in den Urlaub fliegst.” Etwas Smalltalk konnte nicht schaden und ich würde so mehr über ihre Person erfahren. Sie war so anders als all die Menschen, denen ich bisher begegnet war. Abgesehen davon, dass ich ihre Gedanken nicht lesen konnte, führten ihre immer wieder unerwarteten Handlungen dazu, dass sie ein Mysterium darstellte, das ich zu entschlüsseln versuchte. Bella verdrehte die Augen, legte sich wieder hin und starrte an die Decke. “Meine Mum ist auf die Idee gekommen. Phil, mein Stiefvater, ist Baseballspieler und so hat sie immer einen vollen Terminkalender. Da sie nicht möchte, dass ich alleine Zuhause bleibe, hat sie mir diese Reise geschenkt. Obwohl wir in Phoenix wohnen, hab ich ziemlich blasse Haut und nebenbei hofft sie, dass ich hier ein bisschen Farbe bekomme…” Sie seufzte und schloss die Augen. “Wenn sie wüsste, was mir beinahe passiert wäre… Dann schickt sie mich wahrscheinlich nie mehr in den Urlaub, sondern nur noch nach Forks…” Das letzte Wort sprach sie aus, als wäre es eine Krankheit. Obwohl ich besser hören konnte als andere, war ich mir nicht sicher, ob ich es richtig verstanden hatte. “Wieso Forks?” Ich war wirklich mehr als neugierig. “Mein Vater wohnt dort. Als Kind bin ich immer in den Ferien dort gewesen. Das hat sich aber mit der Zeit geändert. Ich wollte dort nicht mehr hin. Es regnet fast jeden Tag und alles ist so grün…” Forks war wirklich die Stadt mit dem meisten Niederschlag in den Staaten und für Vampire war das sehr vorteilhaft, da wir so auch tagsüber hinaus konnten, ohne uns vor den Menschen verstecken zu müssen. “Ich finde Forks eigentlich nicht so übel. Ich mag es dort”, entgegnete ich. Abrupt öffnete sie ihre Augen und sah mich an. “Warst du schon mal da?” Ich musste lächeln. “Ich wohne dort. Zusammen mit meiner Familie. Seit zwei Jahren, um genau zu sein.” Bella lächelte jetzt ebenfalls. Der Anblick hätte mir Atemnot beschert, wenn ich denn darauf angewiesen wäre. “Zufälle gibt’s…” “Kann man wohl sagen… Wer ist denn dein Vater? Vielleicht kenne ich ihn ja…” Plötzlich grinste sie. “Mit Sicherheit. Er ist schließlich der Chief.” “Charlie Swan?” stellte ich verblüfft fest. “Genau der.” Ich holte mir das Gesicht von ihrem Vater ins Gedächtnis. Wenn man beide verglich, konnte man tatsächlich gewisse Ähnlichkeiten feststellen. Ich hatte zwar nie etwas mit ihm zutun gehabt, doch durch das Gedankenlesen kannte ich jeden Einzelnen in Forks, sein Verhalten, seine Angewohnheiten, seine Stärken und Schwächen… Meine lag gerade vor mir. “Jetzt, nachdem ich das weiß, fallen mir tatsächlich gewisse Ähnlichkeiten auf”, meinte ich. “Dankeschön”, entgegnete sie in einem leicht gereizten Ton. “So war das nicht gemeint”, versuchte ich mich zu entschuldigen. “Ich wusste gar nicht, dass du ihn so gut kennst, um ihn mit mir vergleichen zu können.” Verdammt. Sackgasse. Damit hatte ich nicht gerechnet. Noch wusste sie ja nicht, dass ich ihn nur durch die Gedanken der anderen Leute sah. Ich benötigte eine Ausrede. “Vom Hören-Sagen bekommt man einiges mit. Zum Beispiel eure Sturheit.” Ich musste leicht schmunzeln. “Und du bist sehr aufmerksam. Vielleicht hast du das ja von ihm. Als Polizist muss man das schließlich auch sein.” “Mir fällt tatsächlich einiges auf. Vor allem in letzter Zeit.” Plötzlich setzte sie sich auf und war meinem Gesicht näher als erwartet. Ihr Herz klopfte wieder etwas wilder und ich spürte ihren heißen, lieblichen Atem auf meiner kalten Haut, wie er ins Stocken geriet. “Zum Beispiel…” fing sie an, ganz leise zu wispern. “Dass du heute eine ganz andere Augenfarbe hast… als vor ein paar Tagen…” Unsere Gesichter näherten sich rekordverdächtig langsam, Stück für Stück. Meine Hand hob sich wie von selbst, bis meine Fingerspitzen ihren Unterkiefer sachte berührten. Plötzlich klingelte es an der Tür und wir fuhren erschrocken auseinander. Bellas Wangen röteten sich aufgrund der peinlichen Situation wieder. “Das Essen ist da”, stellte ich resigniert fest und stand auf. Als ich im Wohnzimmer ankam, konnte ich Carlisle nicht entdecken. Er musste wohl ausgegangen sein. Ich hatte nicht auf seine Gedanken geachtet. Vertraute er mir schon so sehr? Ich ging zur Tür und öffnete sie. Ein Kellner stand mit einem Servicewagen davor. Er schob ihn ins Zimmer, ging wieder zurück und wartete. Schnell suchte ich meinen Geldbeutel. Ich gab ihm zwanzig Dollar Trinkgeld, bedankte mich bei ihm und schloss rasch die Tür. Vorsichtig schob ich den Wagen durchs Wohnzimmer zurück zu Bella. Als ich jedoch dort ankam, schoben sich meine Mundwinkel leicht nach oben. Bella lag auf dem Bett, die Augen geschlossen. Nur ihr leiser Atem war zu hören. Die Erschöpfung schien sie jetzt vollends überwältigt zu haben. Ich hätte mich ewig vor dieses friedliche Bild setzen können. Sie einfach nur betrachtend, ihre blasse Haut, die immer wieder so schnell errötete, die zarten Wangenknochen, ihre nun geschlossenen rehbraunen Augen, die, wenn sie denn geöffnet waren, soviel von ihr preisgaben, ihre Lippen… Leise schob ich den Wagen beiseite und ging zur ihr. Ich nahm die Bettdecke, die nur noch ihre Beine bedeckte und wickelte sie darin ein. “Edward…” seufzte sie und ergriff im Schlaf meine Hand von neuem, als ich gerade ihre Arme unter die Decke legen wollte. Ich hätte meinen Arm wieder wegziehen können, ohne das sie es mitbekommen würde, doch das wollte ich nicht. Je mehr ich mich in ihrer Nähe aufhielt, desto weniger wollte ich wieder weg. Ich legte mich vorsichtig neben und meinen Arm um sie, woraufhin sie sich drehte und ihr Gesicht sich auf einmal an meiner Schulter befand. Ganz leicht beugte ich meinen Kopf hinunter zu ihren Haaren und sog den Duft ein. Wahrlich berauschend. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 7: Tag Eins ------------------- Den Rest der übrig gebliebenen Nacht schlief sie so tief, dass ich kein einziges Wort mehr von ihr hörte. Hin und wieder murmelte sie etwas, das noch nicht einmal ich verstand, während ihre Atmung mehr als einmal ins Stottern geriet. Sie drückte meine Hand dann immer etwas fester. Einmal bemerkte ich, wie sie fröstelte, als ich meinen Arm weiter unter ihren schob und wollte ihn sofort wieder entfernen, doch sie hielt ihn fest, als hänge ihr Leben davon. Ich war im ersten Moment etwas überrascht über ihre Reaktion. Ihr Unterbewusstsein schien auf seltsame Weise meine Anwesenheit trotz des Schlafes zu spüren. Eine Anwesenheit, die ihr offenbar keineswegs missfiel, eher ersehnte. Erstaunlich. Das Glücksgefühl, das sich in mir ausbreitete, war unbeschreiblich. Würde sie ein Mensch bleiben und weiterleben, hätte ich mir diese Empfindung verboten. Sich mit einem Menschen einzulassen, wäre mehr als gefährlich gewesen. Doch jetzt, wo sicher war, dass sie ein Vampir würde, konnte ich es mir erlauben. Mich musste sie in den ersten Jahren nicht meiden, im Gegensatz zu den Menschen. Allerdings war es eher wahrscheinlich, dass sie mir trotzdem aus dem Weg gehen würde. Ich hatte sie zu dem verdammt, was wir waren. Eine Bestie. Sie würde es mir nie verzeihen. Vampire konnten über die Jahrhunderte hinweg sehr nachtragend sein und vergaßen nie etwas. Was würde Aro überhaupt mit ihr machen, wenn sie die Verwandlung erst einmal hinter sich hatte? Würde er sie hier behalten? Würde er sie mit uns schicken? Würde er so etwas überhaupt erlauben? Ich hätte sie gerne unserer Familie vorgestellt. Besonders Esme - Alice schien ja bereits über einiges im Bilde zu sein. Doch konnte ich darauf bauen? Konnte ich hoffen, dass alles gut gehen würde? Wie meine Mutter wohl reagieren würde, wenn sie Bella sah. Wenn ihr klar werden wurde, dass ich jetzt nicht mehr allein war. Ich hatte etwas gefunden, von dem ich nicht wusste, dass ich auf der Suche danach gewesen war. Fast neunzig Jahre lang umherzuwandern, ohne auch nur annähernd das zu finden, was jetzt direkt neben mir lag, war im nachhinein betrachtet doch recht frustrierend. Doch was konnte man schon tun, wenn man nicht einmal wusste, dass einem etwas fehlte? Und jetzt, wo ich diesen Teil meiner selbst gefunden hatte, wie würde es weitergehen? Ja, würde Bella bei uns leben, wären wir komplett. Jeder hätte dann seine andere Hälfte, die ihn vollkommen machte. Zwei Teile, eine Einheit. Ich könnte ihr ohne Worte alles mitteilen, so wie Alice und Jasper es taten, ich könnte sie so beschützen, wie Emmett es für Rosalie tat, ich könnte sie so lieben, wie Esme es bei Carlisle tat… Liebe. Ein kleines Wort und doch brachte es alles in mir durcheinander. Ich kannte dieses Gefühl nicht. Ich hatte es nie zuvor erlebt. Und doch war es, als würden meine Bewegungen wie von unsichtbarer Hand geführt werden, jedes Mal, wenn ich über ihre Haare oder über ihre zarte Haut und ihre Wangen strich, ohne ihr dabei wehzutun. Und es fühlte sich richtig an. Es war größer als der Drang, ihr das Blut auszusaugen und ihr damit das Leben zu rauben. Und es hatte soviel Macht über mich, dass ich sogar einer Verwandlung zustimmte, nur um sie nicht zu verlieren. Doch ich würde meine Strafe bekommen. Da war ich mir sicher. Niemand, den ich kannte, hatte eine Wahl gehabt, als er verwandelt wurde. Bella hingegen hatte sie - indirekt. Ich nahm sie ihr mehr oder weniger ab. Ich war verantwortlich für ihre Seele. Und ich hatte sie ihr bewusst geraubt. “Es tut mir Leid”, nuschelte ich leise in ihre Haare. Sie reckte kurz das Kinn und seufzte, ehe sie ihren Kopf dichter an meine Brust schmiegte. Ich ließ mich von dem Gefühl tragen, als ihre Wärme auf meine Kälte traf, wohl wissend, dass es bald enden würde. Wie ein Süchtiger, nein, wie ein fanatischer Genießer teurer Weine, kostete ich jede Sekunde, jede Berührung und jede Bewegung ihrerseits aus, als wären es bereits die letzten. Mehr oder weniger waren sie das auch. Die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Gardine und verkündeten die Zeit, die ohne Pause fortwährend lief, und mir nur allzu gut ihre Begrenztheit vor Augen hielt. Bella müsste bald aufwachen, deshalb wollte ich meinen Arm wegziehen und aufstehen, doch sie hielt ihn eisern fest. Mit ein wenig Kraftaufwand meinerseits konnte sie jedoch nicht mithalten und so entfernte ich ihn letztendlich von ihr. Ich wollte sie nicht mit meinem Verhalten erschrecken, wenn sie wach würde. Ein fast Fremder würde ohne jeden Grund neben ihr auf dem Bett liegen. Sie hätte zu den völlig falschen Schlussfolgerungen kommen können, schließlich kannte ich ihre Gedanken nicht. All meine Erklärungen für ihr außerordentlich seltsames Verhalten waren nur Vermutungen, basierend auf Erfahrung und Kenntnis eines ganzen Jahrhunderts, welches ich durchlebt hatte und etliche Verhaltensmuster zu Gesicht bekam. Ihre wahren Gefühle kannte ich nicht. Ich setzte mich in einen Sessel, der nicht weit entfernt in einer Ecke des Raumes gegenüber dem Fenster stand und war im Schatten. Selbst dann noch, wenn das Sonnenlicht den Raum vollends erhellte. Ich betrachtete eine Weile das Mädchen vor mir. Ihre Brust hob und senkte sich in einen ruhigen Rhythmus und ich lauschte dem Klang ihrer Atmung. Ihr Gesicht war so friedlich im Schlaf. Kein Wässerchen konnte es trüben und all die Sorgen und Ängste schienen wie in Luft aufgelöst. Den ganzen Morgen über war kein einziges Anzeichen zu erkennen, das mir das Ende ihres Schlafes bedeutete. Bis hin zum Mittag. Von Minute zu Minute wanderte das Morgenlicht winzige Zentimeter weiter ins Zimmer, erreichten ihr Bett und schlängelten sich langsam über die Decke, unter der die Konturen ihrer Beine zu erkennen waren, ihren Armen, ihres zierlichen Körpers bis hin zu ihrem Gesicht, dessen Haut sich leicht rötete, als die Wärme der Strahlen das Blut in den feinen Äderchen darunter schneller fließen ließ. Als es dann ihre Lider traf, blinzelte sie plötzlich, kniff die Augen ein wenig zusammen und drehte den Kopf leicht hin und her. Sie holte tief Luft, bevor sie ihre Augen öffnete und verschlafen zum Fenster blickte. Verwirrung war zu erkennen. Womöglich musste sie sich erst wieder an die letzten Ereignisse erinnern. Langsam ließ sie ihren Blick durchs Zimmer wandern, welches sie mit Erstaunen betrachtete. Ihre Miene hatte sich in Enttäuschung verwandelt und kurz bevor sie mich hätte bemerken können, meldete sich ihr Magen plötzlich. Etwas gequält legte sie die Hand auf ihren Bauch. Wie ich es mir dachte. Sie hatte über Nacht nichts gegessen. Das nagende, leere Hungergefühl musste schon fast unangenehm sein. Lautlos stand ich auf, nahm das Telefon auf dem Nachttisch und bestellte beim Zimmerservice Frühstück. Bella erschrak in dem Moment, als ich den Hörer ergriff, wählte und die Dame am anderen Ende begrüßte. Ich sah zu ihr und stellte zu meiner Überraschung fest, wie ihre rehbraunen Augen sich weiteten und anfingen zu leuchten, während sie mich wie hypnotisiert musterte. Nicht sicher, ob ich wirklich da wäre. Beruhigend lächelte ich sie an und sie erwiderte es, wobei ihre Wangen sich leicht röteten. Ich legte auf und widmete mich jetzt voll und ganz dem einzigen Menschen, der mich je interessierte. “Guten Morgen.” “Morgen”, begrüßte sie mich ebenfalls. “Das Frühstück wird gleich da sein. Dann kannst du dich wieder stärken”, erklärte ich ihr und deutete mit einem leichten Schmunzeln auf ihren Bauch. Verlegen senkte sie etwas den Kopf und ihre Lippen formten sich zu einem zögerlichen, knappen Lächeln. “Danke”, sagte sie und wandte ihren Blick plötzlich ab, um sich im Zimmer umzusehen. “Das muss wirklich eine Menge kosten, diese Suite.” Eine ihrer Augenbrauen zog sich nach oben, dann seufzte sie resigniert. “Was ist?” wollte ich wissen und setzte mich an den Rand des Bettes. Der plötzlichen Nähe bewusst, klopfte ihr Herz schneller und lauter und ich musste mir beinahe auf die Lippen beißen, um mein Grinsen zu verbergen, was aber bald einfach wurde, da Bella nicht antwortete und mich das ziemlich ungeduldig machte. “Könntest du mir bitte sagen, was du hast?” fragte ich sie abermals und sah ihr tief in die Augen. Für einen Moment verlor sie sich in dem Blick und ich hätte am liebsten ihre Wange berührt, doch ich hielt mich dieses Mal zurück. “Bella?” hakte ich noch einmal nach und achtete auf einen ruhigen, melodischen Klang in meiner Stimme. “Ich… nehme nicht an, dass ihr hier zufälligerweise Kleidung in meiner Größe habt, oder?… Ich würde mir eigentlich liebend gerne ein paar frische Sachen anziehen…” erklärte sie und sah aus, als hätte sie sich innerlich die Frage schon selbst beantwortet. Es war offensichtlich, dass sie sich in den Sachen vom Vortag unwohl fühlte und sich wahrscheinlich frisch machen wollte, auch wenn mir das eigentlich nichts ausmachte, da ich nur ihren lieblichen, blumigen Duft wahrnahm. “Ist nicht weiter wichtig”, meinte sie plötzlich, als sie meinen überraschten Gesichtsausdruck sah, und winkte ab. “Nein, ist schon okay. Wenn du möchtest, gebe ich dir welche von mir. Sie sind zwar ein bisschen zu groß, aber…” “Wirklich?” fragte sie mich völlig verblüfft, wobei sich ihre Haut unterhalb der Augen wieder rötlich verfärbte. Einer meiner Mundwinkel zog sich nach oben, als ich nickte, und Bella kurz vergaß zu atmen. “Warte kurz. Ich hole sie.” Ich stand auf und ging ins Wohnzimmer. Unsere Taschen standen immer noch dort, wo wir sie bei unserer Ankunft abgestellt hatten. Schnell suchte ich etwas heraus, was nicht allzu groß für sie schien. Ein weißes Hemd, eine dunkle Jeans und einen Gürtel, damit die Hose nicht rutschte. Als ich wieder zurückging, blieb ich plötzlich eine Sekunde erschrocken stehen, da Bella nicht mehr im Raum war. Dann allerdings vernahm ich ihren Geruch im Bad, das gleich ans Schlafzimmer grenzte. Die Tür stand einen Spalt breit offen und ich klopfte vorsichtig. “Ja, herein”, hörte ich ihre Stimme, die viel zu schnell etwas ausgesprochen hatte, was Bella selbst zu überraschen schien, als ich ihren schneller werdenden Puls hörte. Ich kam ihrer Bitte nicht nach. Soviel war von meinen menschlichen Zügen noch übrig geblieben, dass ich einer Frau ihre Privatsphäre ließ. Ich hielt die Sachen durch den Türspalt, ohne auch nur zu versuchen, einen Blick hineinzuwerfen. “Danke.” Sie nahm die Kleider entgegen, wobei ihre Hand kurz meine streifte. Dieser Augenblick, und mochte er auch nur kurz sein, veranlasste einen unglaubliches Kribbeln und wäre ich dazu in der Lage gewesen, hätte ich eine Gänsehaut bekommen. Bella schien es nicht anders zu gehen. Zwar zog sie ihre Hand abrupt weg, als hätte sie ein Stromschlag getroffen, doch für mich war die Berührung immer noch lang genug, um die plötzliche Hitze zu spüren, die ihr schneller fließendes Blut verursachte. Ich konnte nicht anders, ich musste lächeln. Ich schloss die Tür, ging zurück ins Wohnzimmer und stellte mich seitlich ans Fenster, um hinaus zu schauen. Schon bald hörte ich aus dem Bad Wasser rauschen, als die Dusche aufgedreht wurde. Da sah ich es plötzlich. Nicht weit entfernt, in einer dunklen Gasse zwischen zwei Häuserreihen blickte mir ein purpurrotes Augenpaar entgegen. Der Vampir, dem sie gehörten, kam einen Schritt näher, wobei ein Sonnenstrahl seinen Umhang erfasste. Einen Umhang, der ihn soweit schützte, dass nicht die geringste Gefahr bestand, seine nackte Haut könne ebenfalls vom Licht getroffen werden. Er konnte sich ungehindert in der Hitze des Tages bewegen, ohne aufzufallen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er nicht der einzige Vampir war, der in meine Richtung starrte. Hinter einer Ecke, neben einer Gruppe von Menschen, die denjenigen ungläubig ansahen, weil er bei diesen Temperaturen mit einem Mantel umherlief, hinter einem Baum, durch das Fenster eines Hauses, vor einem Auto, im Glockenturm, zwischen den Ruinen… Sie machten sich gar nicht erst die Mühe unentdeckt zu bleiben. Ich knirschte mit meinen Zähnen und presste wütend meine Lippen zusammen, als ich leise knurrte. Aro hatte nicht übertrieben, als er meinte, er würde die Stadt mit genügend Wachen besetzen. Sogar Demitri befand sich unter ihnen und grinste mir frech entgegen. Meine Augen verengten sich, als ich sein gehässiges Gesicht sah und kalt zurückstarrte. Unser kleines Blickduell wurde jedoch vom Klingeln an der Tür unterbrochen und ich wandte mich ab, um den Zimmerservice hineinzulassen. Als ich die Tür öffnete, sah die Kellnerin auf und sofort weiteten sich ihre Augen. Die haben wirklich nicht übertrieben… Oh mein Gott… “Zimmerservice…” japste sie mehr kleinlaut, doch ich schenkte ihrem Benehmen keinerlei Achtung. “Stellen Sie es bitte dort hin”, sagte ich und deutete auf die Stelle neben dem Sofa. Sie nickte nur benommen und schob den Wagen mit wackeligen Beinen in die genannte Richtung, wobei ihr Herz raste, als sie an mir vorbeiging. Als sie beim Sofa angekommen war und das Frühstück auf dem kleinen Tisch davor aufgebaut hatte, blieb sie stehen und wartete. Eigentlich nur auf Trinkgeld, doch ihre Gedanken verrieten mehr. Ich drehte ihr den Rücken zu, um schnell etwas Geld zu holen. Selbst wenn ich sie nicht sah, so wusste ich doch, dass sie sich leise an mich heranschleichen wollte, um eine Aus-Versehen-Situation zu erzeugen. Was auch immer sie sich vorstellte, ich wusste es bereits vorher und konnte dem ohne weiteres ausweichen. Diese Menschen waren wirklich mehr als einfach gestrickt. Sie war sogar über Bellas Anwesenheit im Bilde, doch das störte sie nicht, ihr Vorhaben in die Tat umsetzen zu wollen. Ich holte ein paar Dollar heraus und drehte mich wieder der Kellnerin zu, die erstaunlicherweise bereits sehr dicht stand. “Danke”, sagte sie und nahm das Geld entgegen, ohne ihren Blick von mir abzuwenden. Doch ich sah sie nicht an, sondern das Mädchen, das jetzt etwas verlegen in der Tür zum Schlafzimmer stand und mein Lächeln erwiderte. Die Kellnerin bemerkte ebenfalls meinen abwesenden Gesichtsausdruck und drehte sich zur Ursache meiner Ablenkung. Sie hielt kurz die Luft an, als ihr klar wurde, dass Bella meine Sachen anhatte und ich presste meine Lippen zusammen, um nicht zu grinsen. “Sie können dann gehen”, wies ich sie mit kalter Stimme an, als ihre Gedanken etwas feindselig wurden. Ich ging zur Tür und hielt sie ihr auf. “Ah, eine Bitte habe ich noch.” Schnell ging ich in Richtung Schlafzimmer, an Bella vorbei, wobei ich ihr von der Seite kurz in die Augen sah, und holte den Speisewagen mit den kalten Nudeln, der immer noch im Zimmer stand. “Den können Sie wieder mitnehmen. Wir sind leider nicht dazu gekommen, es zu essen.” Die Kellnerin starrte mich mit geweiteten Augen an, ehe sie ganz verwirrt nickte. Einen Moment lang sah sie noch zu Bella, dann zu mir - es war sicher, dass sie das falsch verstanden hatte - bis sie letztendlich den Wagen nahm und schnellen Schrittes unser Zimmer verließ. “Das Frühstück ist da”, meinte ich und deutete zur Couch. “Tut mir Leid wegen über Nacht. Du hast das Essen ganz umsonst bestellt gehabt.” Sie ging zum Sofa und setzte sich, während sie etwas misstrauisch das Frühstück betrachtete. “Ist schon in Ordnung. Das macht nichts.” Langsam ging ich auf sie zu und deutete neben sie. “Darf ich?” Sie sah mich kurz an, ehe sie begriff, was ich meinte, dann nickte sie und rückte etwas zur Seite, wobei ihr Puls wieder deutlich schneller wurde. Verlegen wandte sie sich ab und fing langsam an zu essen. “Wie es aussieht, passen die Sachen einigermaßen”, bemerkte ich, als ich mich aufs Sofa setzte. “Ja, ein klein wenig zu groß, aber das ist nicht weiter tragisch.” Sie nahm sich eines der Croissants, rückte auf der Couch ein wenig nach hinten, um ihre Beine hochzulegen und anzuwinkeln, und dann zur Seitenlehne, um mich direkt ansehen zu können. “Also, ich bin ganz Ohr.” Früher oder später musste es zu dieser Situation kommen, die unausweichlich war. Mir wäre später lieber gewesen, doch wir hatten keine Zeit dafür. Ich lehnte mich ebenfalls zurück und legte einen Arm über die Rückenlehne. So konnte ich sie direkt ansehen und jede einzelne ihrer Reaktionen beobachten. Reaktionen, die wichtig für das Nachher waren. Wenn sie alles wusste und eventuell die Flucht ergreifen wollte. “Es ist schwer, den richtigen Anfang zu finden.” Ich war nervös, doch ich konnte es soweit unter Kontrolle halten, dass Bella es nicht mitbekam. “Ist dir an mir oder gestern in dem anderen Gebäude irgendetwas ungewöhnliches aufgefallen?” fragte ich. Vielleicht war das die beste Möglichkeit, eine Verbindung zu schaffen. Ich sah, wie sie einen Moment lang überlegte und dann die Luft scharf einsog, als ihre Augen feucht wurden. Ihr Herz schlug unregelmäßig. Plötzlich wusste ich, woran sie gerade denken musste. “Es tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass du dich wieder an diese grässlichen Ereignisse erinnerst”, versuchte ich es und legte meine Hand auf ihre nackten Füße. Sie zuckte kurz, als meine Kälte sie berührte und ich zog meine Hand schnell wieder weg. Allerdings war ihre Haut nicht sehr viel wärmer als meine, auch wenn ihr Blut wieder schneller durch die Venen floss. Ich nahm die Decke, die hinter mir über der Lehne hing, legte sie über Bellas Beine und wickelte ihre Füße fest darin ein. “Danke…” sagte sie etwas zögerlich. Sie musste wirklich seltsam von mir denken. So wie ich mich in ihrer Nähe benahm. “Na ja, ein paar Dinge sind mir schon aufgefallen”, fing sie an und kam von ganz alleine auf das Thema zurück. “Zum Beispiel, dass du ungewöhnlich schnell bist. Nicht nur in den alten Theaterruinen, auch gestern… Und ziemlich stark. So wie du diesen anderen Kerl gepackt hast… Der, der Jen… der sie…” Sie schluckte. Den letzten Satz konnte sie nicht aussprechen. “Schon gut. Ich weiß, wen du meinst.” Ich lächelte mitfühlend und sie nickte dankbar. “Sonst noch etwas, das vielleicht etwas komisch ist?” fragte ich weiter. “Deine Augen. Das hab ich über Nacht ja bereits gesagt. Ihre Farbe wechselt irgendwie ständig. Heute zum Beispiel sind sie hellbraun. Vor ein paar Tagen waren sie heller, mehr golden…” Ich nickte. “Noch mehr?” Einen Augenblick überlegte sie. “Ich weiß nicht, ob das jetzt so ungewöhnlich ist. Vielleicht hab ich mir das auch nur eingebildet, aber mir kam es so vor, als würdest du manchmal auf etwas antworten, was niemand gefragt hat.” Etwas erstaunt hob ich die Augenbrauen. Dass sie das auch bemerkt hatte, überraschte mich. Ich dachte immer, dass ich leise genug gesprochen hatte, sodass es kein Mensch mitbekommen würde. Doch scheinbar entging ihr noch nicht einmal das. “Wie gesagt, es kann sein, dass ich mir das nur eingebildet hab”, meinte sie, als sie meinen verblüfften Gesichtausdruck sah. “War das alles, oder gibt es noch mehr?” Sie schüttelte den Kopf. “Abgesehen davon, dass du eine ziemlich niedrige Körpertemperatur hast und vielleicht mal einen Arzt konsultieren solltest, eigentlich nicht.” Einer meiner Mundwinkel zuckte leicht nach oben. “Ja, das stimmt.” Einen Moment schwiegen wir und Bella kaute an ihrem Croissant. “Warte, eins wäre da noch”, sagte sie plötzlich. “Diese anderen Leute… Die hatten Ähnlichkeit mit dir und deinem Freund. Aber nur fast. Ihre Augen waren nicht so goldfarben, sondern irgendwie schwarz. Unheimlich auf eine merkwürdige Weise…” Ich nickte wissend. “Das hängt mit unserer Ernährung zusammen.” Bella hob verwirrt die Augenbrauen. Jetzt würde der Teil kommen, vor den ich mich am meisten fürchtete. Als Ewiglebender hatte ich nie vor etwas Angst gehabt, doch jetzt gab es etwas. “Weißt du… Ich… Wir, Carlisle und die Personen von gestern sind keine… Menschen”, fing ich an, hielt dann aber inne. Was wenn sie plötzlich Panik bekam und anfing zu schreien? Was sollte ich dann machen? Es wäre ein Leichtes, sie ruhig zu stellen, doch ich wollte ihr nicht wehtun. Auf gar keinen Fall. In diesem Hotel für Unruhe zu sorgen, wäre unangebracht. “Was meinst du damit?” Sie sah mich fragend an, wobei ihre Atmung langsam schneller ging. Einen Moment lang schwieg ich, ehe ich ihr mit langsamer Stimme antwortete. “Du hast bestimmt schon mal von… Vampiren gehört, oder?” Mit größter Achtsamkeit betrachtete ich jeden ihrer Gesichtszüge. Sie hatte aufgehört zu essen, hielt das halbe Croissant lose in der Hand und starrte mich nur an. Ich sah, dass ihr Gehirn auf Hochtouren arbeitete, allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie mir bereits beim ersten Versuch Glauben schenken würde. Eher dass sie es als Scherz abtat und vielleicht sogar anfing zu lachen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie sich endlich wieder regte. “Soll das heißen, du bist einer? Ein… Vampir?” fragte sie zögerlich. Ihr Herz klopfte wild und sie sog zittrig die Luft ein. Ich nickte. Abermals fing sie an, über alles nachzudenken und eventuell sogar die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Ich bemerkte, wie sie ihre Hand langsam an ihren Hals legte und sich womöglich genau in diesem Moment an das alte Theater erinnerte. Als ich sie damals fast gebissen und somit getötet hätte. “Dann hast du mich gar nicht…” stellte sie fest, ohne den Satz wirklich beenden zu wollen. Ich wartete bereits auf einen Schrei ihrerseits oder etwas Ähnliches, das ihre Angst signalisierte - wenn ich ihre Gedanken lesen könnte, wüsste ich schon, was genau sie jetzt von mir dachte, von dem Monster, das ihr gegenübersaß. Doch ich sah nichts. Kein Zeichen, dass sie drauf und dran war, die Flucht zu ergreifen. Zwar konnte ich ihre Aufregung spüren, doch diese hatte nicht wirklich etwas mit Furcht zutun. Sie saß nur da und beobachtete mich, so genau wie ich sie. “Tut mir Leid wegen damals. Glaub mir, wenn ich mich besser unter Kontrolle gehabt hätte, wäre es gar nicht soweit gekommen.” Ich hoffte, sie würde mir glauben. Hastig schüttelte sie den Kopf. “Nein. Es ist ja nichts passiert. Außerdem, wenn du nicht da gewesen wärst, wäre ich jetzt vielleicht tot. Du hast mir das Leben gerettet. Und das nicht nur einmal. Gestern auch. Dafür bin ich dir mehr als dankbar”, sprach sie so schnell, dass ein normaler Mensch wahrscheinlich nicht viel verstanden hätte. “Hast du gar keine Angst vor mir?” fragte ich sie vorsichtig. Ihr Verhalten passte so gar nicht in das Schema eines Menschen. Einer Rasse, die vor allem Angst hatte, was sie nicht kannte. “Nein”, kam ihre Antwort viel zu schnell. Ein klein wenig war sie durchaus auf der Hut, wollte es mir gegenüber jedoch nicht zeigen. Oder sie redete sich selbst ein, keine Angst zu haben. Ich wurde einfach nicht aus ihr schlau. Ihr Handeln war so unvorhersehbar. So vollkommen abwegig von dem, was man eigentlich erwartete. “Wirklich nicht”, sagte sie noch einmal mit etwas Nachdruck, als sie meine Skepsis sah. “Und du glaubst mir tatsächlich?” Ich musste diese Frage noch einmal stellen, um mehr Gewissheit zu haben. Sie nickte. “Also sind die anderen auch alles… Vampire… Das würde das, was ich mit angesehen hab, doch irgendwie erklären… Ich meine, ich hab keine Waffen oder Ähnliches gesehen oder gehört…” Sie holte tief Luft - und fing an zu zittern. “Das, was sie gestern gemacht haben… Mit all den Menschen…” “Das war ihre Nahrung. Eure so genannte Reiseleiterin ist ebenfalls ein Vampir. Sie ist dafür zuständig, immer frische Beute anzulocken. Ich hatte Glück, dass ich noch rechtzeitig bei dir war, bevor sie anfangen konnten.” Bella schluckte und blickte nachdenklich ins Leere. Plötzlich hob sie ihren Kopf und sah mich direkt an. “Warum hast du mich gerettet? Wir kennen uns kaum.” Ehrlich gesagt war ich auf diese Frage nicht gefasst. Die ganze Zeit hatte ich mir darüber den Kopf zerbrochen, wie sie es aufnehmen würde, wenn ich ihr von unserem Geheimnis erzählte. Allerdings tat es auch wirklich gut, mich mit ihr zu unterhalten, nachdem sie Bescheid wusste - auch wenn ich immer noch jede Sekunde erwartete, dass sie schreiend herauslief. “Ich… Eigentlich sollte ich mich von dir fern halten. Ich bin gefährlich für dich. Besonders für dich. Und trotzdem konnte ich nicht zulassen, dass dir etwas passiert, was eigentlich einen Widerspruch in sich darstellt”, versuchte ich zu erklären. “Wieso solltest du gefährlich für mich sein?” “Dein Blut… Es hat einen besonderen Reiz auf mich. Es singt für mich…” Etwas verwirrt hob sie eine ihrer Augenbrauen, wartete aber, bis ich fortfuhr. “Das ist schwer zu erklären. Dein Blut… Es wirkt auf mich tausendmal stärker als das von anderen. Die Verlockung, es zu trinken, ist viel größer. Wenn man jemandem begegnet, der eine solche Verlockung auf einen Vampir ausübt - und das passiert nicht sehr oft -, dann hat man sich kaum noch unter Kontrolle. Die Instinkte gewinnen die Oberhand über das Handeln und schieben den Verstand in den Hintergrund. Eigentlich wärst du schon lange tot.” Spätestens jetzt sollte sie Angst haben, richtige Angst. Zwar unbegründet, da ich es mittlerweile beherrschen konnte, doch für sie musste es sich noch erschreckend anhören. “Was ist los?” fragte sie mich, als sie bemerkte, dass ich sie genauestens betrachtete. “Ich warte darauf, dass du wegläufst.” “Wieso sollte ich weglaufen?” “Jeder normale Mensch würde es.” Ihre Augen wurden schmal. “Vielen Dank.” “Bitte versteh mich nicht falsch. Es ist einfach ungewohnt, sich mit jemandem darüber zu unterhalten, der selbst keiner von uns ist und mehr unsere Beute darstellt”, erklärte ich. “Wenn wir eure… Nahrung sind… Wieso hast du dich dann nicht daran beteiligt? Stattdessen beschützt du mich. Ich verstehe das nicht.” Ihr Gesicht verriet Skepsis und Verwirrung. “Oh, wir - unsere Familie - trinkt kein Menschenblut. Das würden wir nie tun. Wir haben dem abgeschworen. Mein Vater ist der Überzeugung, dass es noch einen anderen Weg gibt, als Vampir die Ewigkeit zu verbringen. Er ist wirklich unglaublich. Seine Fähigkeit, menschlichem Blut komplett zu widerstehen, hat noch niemand übertroffen. Dadurch kann er sogar in einem Krankenhaus arbeiten…” “Warte mal, Edward”, unterbrach sie mich. “Wenn ihr unser Blut nicht trinkt, meins aber so reizvoll auf dich wirkt und dein… Vater der Einzige ist, der dem so gut standhalten kann, wieso hast du mich… dann noch nicht angefallen?” Eine Frage, bei der ich wirklich Schwierigkeiten hatte, eine passende Antwort zu finden. Ich verstand es selbst kaum, wie ich ihr geradeso widerstehen konnte. “Carlisle ist nicht der Einzige, der dem entsagen kann. Wir alle können das. Schließlich leben wir schon eine ganze Weile auf diese Art. Nur dein Blut hat so einen unwiderstehlichen Reiz auf mich. Einem, bei dem man normalerweise nicht Nein sagen kann. Irgendwie habe ich es geschafft, nicht auf dich loszugehen, doch ich hab keine Ahnung wie. Ständig kamen mir Ideen, wie ich dich an einen einsamen Ort locken könnte, oder ob ich mich nicht einfach gehen lassen sollte, meiner Natur folgen. Doch dann kam mir meine Familie wieder in den Sinn. Das, was wir aufgebaut hatten, wollte ich nicht durch meine Unfähigkeit wieder zerstören. Ich gebe zu, dass ich dich dafür am Anfang gehasst habe.” Eine ihrer Augenbrauen hob sich. “Tut mir Leid.” Ich musste gerade wirklich überlegen, ob ich mich nicht eben verhört hatte. “Wieso entschuldigst du dich? Du bist doch die Letzte, die etwas dafür kann. Du warst nur ein einfacher Mensch und trotzdem hieltest du mich auf eine gewisse Weise gefangen. Das war mir bis dahin noch nie passiert.” Als ich die Worte aussprach, verfärbten sich Bellas Wangen wieder leicht rot und etwas überrascht weitete sie die Augen. Ganz kurz, und so, dass nur ich es sehen konnte, zuckten ihre Mundwinkel. Sollte das bedeuten, der Gedanke daran gefiel ihr? Ich musste zugeben, im Nachhinein war ich froh, dass sie mir begegnet war. Auch wenn die Umstände besser hätten sein können. Plötzlich setzte Bella sich erschrocken auf, als wäre ihr gerade etwas wichtiges eingefallen. “Oh mein Gott!” “Was ist los?” fragte ich und mein Körper spannte sich bereits an - achtsam, was als nächstes kommen würde. “Ich muss meine Mum anrufen. Sie macht sich immer gleich Sorgen, wenn ich mich einen Tag mal nicht melde. Außerdem sollten wir heute normalerweise wieder nach Hause fliegen. Das heißt, ich muss vorher unbedingt mit ihr reden. Ich darf doch dein Telefon benutzen, oder?” Sie wollte bereits aufspringen und vom Sofa herunter, doch ich packte sie vorsichtig am Arm und hielt sie zurück. “Du kannst nicht mit ihr sprechen.” Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen, um keine Panik in ihr aufkommen zu lassen. Doch bei dem, was ich ihr gleich sagen musste, würde sie garantiert so reagieren. Keine Angst vor Vampiren hin oder her. “Wie bitte?” Fragend und verwundert sah sie mich an und ihr Herz hämmerte unaufhörlich. “Offiziell bist du tot. Genauso wie der Rest deiner Reisegruppe.” Im ersten Moment war sie wirklich sprachlos. Sie sah mich nur an und ihre Augen wurden immer größer. “Warum?” flüsterte sie so leise, dass ihre Stimme nicht mehr als ein Hauchen war. “Auch Vampire müssen ihre Spuren verwischen. Diese anderen, die du gestern gesehen hast - Volturi nennen sie sich -, müssen ihre Beute auch irgendwie beseitigen, ohne das jemand verdacht schöpft. So eine Reisegruppe verschwindet nicht einfach so von heute auf morgen. Euer Bus hatte heute wahrscheinlich einen Unfall.” Nur langsam sickerten die Informationen in ihr Bewusstsein, das krampfhaft versuchte, das eben gehörte zu verstehen. Ich sah, wie ihr Blick leer wurde, als sie an mir vorbeistarrte und sich auf einen Punkt irgendwo hinter meinem Rücken konzentrierte. “Aber das Blut… Sie müssen doch merken, dass die Körper keines mehr haben.” Ihre Stimme klang tonlos und wirklich interessieren schien es sie auch nicht. Dennoch erklärte ich es ihr vorsichtig. “Nach einer vollständigen Verbrennung des Autowracks ist das nicht mehr nachzuweisen.” Ihr Kopf schnellte wieder zu mir und ich erkannte, wie ihre Augen langsam feucht wurden und sich mit Tränen füllten. “Und warum bin ich dann noch am Leben? Wenn ich sowieso nicht zurück zu meiner Familie kann…” fragte sie in einem brüchigen Ton. Zu gerne hätte ich sie jetzt in die Arme genommen und sie getröstet. Ihr gesagt, dass alles gut werden würde und dass sie sich keine Sorgen machen brauchte. Doch das wäre gelogen gewesen. Und von einem Vampir hätte sie sich bestimmt auch nicht mehr berühren lassen. Wer würde das schon? Ich hatte gerade ihr gesamtes Leben mit nur ein paar Worten zerstört und dabei wusste sie noch nicht einmal das Schlimmste von alldem. Dass sie selbst ein Vampir werden würde. Plötzlich spürte ich ihre Hand auf meiner und erschrocken schreckte ich aus meinen Gedanken. “Edward? Da ist noch mehr, oder?” Ich erwiderte leicht den Druck ihres Griffes und blickte ihr mitfühlend in die Augen. Nur ein paar Worte, die ich versuchte, über die Lippen zu bringen, und dennoch musste ich hart kämpfen, um sie auszusprechen. “Bella… Du hast nur überlebt, weil ich mit Aro ausmachen konnte, dich zu… verwandeln.” ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 8: Planänderung ----------------------- Sie antwortete nicht gleich. Im ersten Moment saß sie nur da, ohne sich zu regen. Ich machte mir wirklich ein bisschen Sorgen, denn ihr Herz wurde fiel zu langsam und ich hatte Angst, es würde stehen bleiben. Eine verständliche Reaktion, obwohl ich nicht wusste, ob sie meine Worte auf Anhieb verstanden hatte. Und wieder frustrierte mich ihr verschlossener Verstand. “Bella?” sagte ich vorsichtig und holte sie aus ihrer Trance. Verwirrt sah sie mich an und zu meiner Erleichterung schlug ihr Herz wieder etwas schneller. “Wenn du ‘verwandeln’ sagst, meinst du damit, dass…” “Dass du eine von uns wirst. Ein… Vampir.” Sie holte tief und zittrig Luft. Doch dann lächelte sie plötzlich etwas zögerlich. Jetzt war ich durcheinander. Misstrauisch schob ich meine Augenbrauen zusammen. “Na ja, lieber das als zu sterben, oder?” meinte sie nervös. “So schlimm kann es nicht sein. Du bist schließlich auch einer.” Ich war gelähmt von ihrer Antwort. Ich wollte sie an den Armen packen und sie wachrütteln. Doch woher sollte sie auch wissen, was es bedeutete, ein Unsterblicher zu werden? Ein Monster, das in erster Linie nur an die Befriedigung seines Hungergefühls dachte? Noch dazu, dass sie als Neugeborener keinerlei Kontrolle über sich haben würde. “Es ist das genaue Gegenteil. Glaub mir. Niemand würde sich freiwillig aussuchen, ein Untoter zu werden. Allein schon wegen dem Verwandlungsprozess”, erklärte ich langsam. “Was soll damit sein? Ich geb zu, dass ich nicht sonderlich viele Filme darüber gesehen hab, geschweige denn Bücher gelesen… Ein Biss und das war’s, oder?” Sie lächelte, als versuchte sie mich aufzumuntern. Sie mich. Doch sollte es nicht andersherum sein? “Glaubst du wirklich, dass das, was in all den erfundenen Geschichten über unsere Art beschrieben wird, wirklich der Realität entspricht?” Skepsis schwang in meiner Stimme mit. “Vergiss die Märchen über Dracula. Du wirst dir wünschen, gestern gestorben zu sein, wenn du erst einmal die Qualen erleidest, die eine Verwandlung mit sich bringen. Allein schon, dass du sie drei Tage lang aushalten musst. Und danach… Neugeborene sind unberechenbar und haben das erste Jahr nur den Blutdurst im Kopf. Du wirst keine Möglichkeit haben, unter Menschen zu gehen. Deine Kehle wird sich ständig trocken anfühlen und kratzen. Falls du denkst, die Unsterblichkeit sei reizvoll und es wert, sein Leben dafür aufzugeben, dann irrst du dich. Ich würde alles dafür geben, wieder ein Mensch zu sein, eine Familie gründen zu können, Kinder zu bekommen und irgendwann im hohen Alter zu sterben. Wenigstens hätte ich dann eine Seele.” Während meines kleinen Wutausbruchs wurde meine Stimme immer lauter und Bellas Augen immer weiter. Zum ersten Mal konnte ich Angst darin erkennen. Ihr Körper schien wie erstarrt. Sofort änderte ich meine leicht aggressive Haltung ihr gegenüber. Sie war die Letzte, die ich erschrecken wollte. “Tut mir Leid”, nuschelte ich und wandte meinen Blick zur Seite. “Ist schon okay. Es sollte mir Leid tun. Ich wusste nicht, wie du darüber denkst. Du kommst mir nur nicht so vor, als würdest du darunter leiden, ein Vampir zu sein.” “Ich kann meine Gefühle ziemlich gut verbergen.” “Ist mir schon aufgefallen”, sagte sie knapp und klang etwas enttäuscht. Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihr. Ihre Miene sah unzufrieden aus, doch sobald sie bemerkte, wie ich sie musterte, veränderte sich der Ausdruck schnell in Unsicherheit und Mitgefühl. “Versteh mich nicht falsch. Ich will dir keine Angst machen. Ich möchte nur, dass dir klar wird, was das alles für dich bedeutet.” Sie lächelte schwach, doch ich konnte es nicht erwidern. Irgendwie schien es, als würde sie das Ganze nicht ernst nehmen. Und wenn doch, dann zeigte sie es nicht. Ich presste meine Lippen zusammen und ballte meine Fäuste, um meine Wut zu kontrollieren. Wie konnte sie die Sache so leichtfertig sehen? Vorhin hatte ich gedacht, sie hätte verstanden, was ich in meinem Zorn gesagt hatte, doch dem schien nicht wirklich so. Galt die Angst, die sich in ihren Augen widergespiegelt hatte, etwa nicht meinen Worten sondern vielmehr mir? Nicht dass das weniger beruhigend war. Schließlich sollte sie sich vor jemandem wie mir fürchten. Ich war nicht besser als die Volturi. Eher schlimmer. Ich gab vor, einer von den wenigen Guten zu sein, nur weil ich mich von Tierblut ernährte. Doch letztendlich hätte ich vor ein paar Tagen trotzdem einen Menschen angefallen und jetzt warf ich seine Seele weg, als wäre sie nichts wert. Wie Politiker, die der Masse etwas vorheucheln und im Geheimen trotzdem ihrem eigenen Egoismus folgen. Und dieses Mädchen saß vor mir und betrachtete mich, als würde es ihr nichts ausmachen, dass ich über ihr Leben entschieden hatte. Stattdessen versuchte sie mich zu besänftigen. “Edward…?” flüsterte sie vorsichtig meinen Namen. “Vielleicht weiß ich nicht, was auf mich zukommt. Und vielleicht hast du mit allem, was du gesagt hast Recht. Doch Verwandlung hin oder her, es ist unausweichlich, oder? Das einzige, worum ich mir nur Sorgen mache, ist, ob du da sein wirst, wenn es soweit ist…” Ich blickte sie irritiert an. “Warum? Ich meine, müsstest du nicht außer dir sein, weil ich dich zu so etwas verdammt habe?” Schon wieder lächelte sie. “Das bin ich nicht. Mit deiner Entscheidung hast du mir doch wieder das Leben gerettet. Wieso sollte ich da böse auf dich sein?” Ich wollte etwas sagen, doch ihre Hand schnellte in die Luft und bedeutete mir, still zu sein, während sie etwas ernster weiter sprach. “Hör zu. Wenn du dich unbedingt als Schuldiger betrachten möchtest, dann mach das, aber tu mir bitte einen Gefallen. Sei da, wenn ich einer von euch werde. Ich hab bereits meine Familie verloren…” - bei den Worten schluckte sie - “…Du bist jetzt der Einzige, den ich noch kenne und ich will später nicht zwischen einem Haufen fremder Vampire stehen.” Angespannt und mit wachsamem Blick wartete sie auf eine Antwort. Ich war zu überrascht und zugleich misstrauisch über ihre Worte. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich war der festen Überzeugung, sie würde mich für das, was ich getan hatte, hassen. Wieso tat sie es nicht? Wieso bedankte sie sich sogar fast dafür? Für einen kurzen Augenblick hatte ich nicht auf meine Umgebung geachtet und ganz still gesessen. Ohne jegliche Regung. Sie musste wohl denken, ich sei versteinert. Plötzlich spürte ich ihre Fingerspitzen an meiner Wange. In dem Moment, in dem mich ihre warme Berührung aus der Starre holte, riss ich ihre Hand reflexartig von meinem Gesicht. Ich hatte nicht bemerkt, wie dicht sie mir gekommen war. Uns trennen nur noch ein paar Zentimeter. Sie zuckte kurz bei der Schnelligkeit und als ihr bewusst wurde, dass ich immer noch ihre Hand hielt, fing ihr Puls wieder an, schneller zu werden. Ihre Augen huschten kurz zu meinem festen Griff, ehe sie an meinem Gesicht haften blieben. Sofort lockerte ich meine Finger etwas. Bella sah mich immer noch fragend an. Ganz langsam zog ich sie näher zu mir, legte meinen anderen Arm um sie und meinen Kopf an ihre Schläfe. Sie wehrte sich nicht. Sie sah eher aus, als würde sie jeden Augenblick ohnmächtig werden, wenn sie nicht wieder Luft holte. Wider Erwarten legte sie vorsichtig ihre Arme um meinen Nacken, was mich veranlasste, sie noch etwas fester zu drücken. Dennoch so, dass ich ihr nicht wehtat. Erstaunlicherweise war ich in der Lage, das Kratzen im Hals weitestgehend zu ignorieren, während mein Gesicht so dicht an ihrer Hauptschlagader war. Das Pulsieren war schon fast zu hören, während der Geruch bereits seit Stunden in meiner Nase lag. Meine Sinne schienen sich langsam zu desensibilisieren. “Ich werde dabei sein”, wisperte ich in ihr Ohr, was ihren Puls nur beschleunigte und ich hörte, wie sie laut durch den Mund einatmete. “Wenn du es willst, auch noch danach.” Ich spürte, wie ihr Kopf sich leicht bewegte. Sie nickte. “Danke.” Sie sind auf dem Weg hierher! Carlisles panische Gedanken waren auf einmal zu hören. Wenige Sekunden später öffnete er auch schon die Hoteltür und starrte mich an. Bella und ich lösten uns voneinander. Natürlich war sie überrascht und gleichzeitig peinlich berührt. Das konnte ich an ihren rötlich gefärbten Wangen erkennen. “Wer ist auf dem Weg hierher?” fragte ich und runzelte meine Stirn. “Aros Garde.” Leichte Wut schwang in seiner Stimme mit. Ich brauchte nicht nach dem Warum fragen. Ich sah es bereits in Carlisles Gedanken. Die Wachen der Volturi hatten den Befehl bekommen, uns jetzt schon zurückzuholen. Auf Caius’ Befehl hin. Ein leises Knurren entwich meiner Brust und Bella drehte sich etwas erschrocken zu mir. Schon im nächsten Moment drangen weitere Gedanken in meinen Kopf. Einige von Gästen, die womöglich gerade auf dem Flur standen und jemanden mit Erstaunen und Verblüffung betrachteten, andere von Vampiren, die sich offenbar hier im Hotel befanden. Sie waren diejenigen, die betrachtet wurden. Und sie kamen näher. Wir waren ihr Ziel. In der nächsten Sekunde standen sie hinter Carlisle, der sich ihnen zugewandt hatte und den Eingang versperrte. Es waren sechs an der Zahl. Demetri war ganz vorne und grinste mir hinterhältig ins Gesicht. “Scheinbar sieht man sich schneller wieder als gedacht.” Ich war bereits auf meinen Füßen und in leichter Angriffsstellung. Ein weiteres drohendes Knurren aus meiner Kehle. Unauffällig schob ich mich vor Bella, um sie zu verdecken. Sie saß immer noch auf der Couch und betrachtete uns alle mit weit aufgerissenen Augen. “Was wollt ihr?” presste ich hervor, doch sie wussten nicht mehr als das, was ich längst in ihren Gedanken gelesen hatte. Mir war bewusst, dass wir keine andere Wahl hatten, als ihnen zu folgen. Sie waren in der Überzahl. Alles andere hätte uns und eine Hand voll Menschen in Gefahr gebracht. Demetri wollte mir antworten, doch Felix, der hinter ihm stand, legte eine Hand auf die Schulter seines Freundes und lächelte uns an. “Das hast du doch bestimmt schon selbst herausgefunden, nicht wahr? Gedankenleser?” Ich spürte, wie Bellas Blick auf mir ruhte. Diesen Teil hatte ich ihr noch nicht erklärt. Carlisle hatte sich mir zugewandt. Obwohl er genauso angespannt war wie ich, zeigte er es nicht. “Also?” sagte Felix und forderte mich damit auf, ihnen endlich zu folgen. Ich ließ meine Angriffshaltung sinken. Im Moment ging keine Gefahr von ihnen aus. Aro würde jedes Fehlverhalten von ihnen bemerken. “Bella?” Ich sprach mit ihr, ohne sie anzusehen, um die Garde nicht aus den Augen zu lassen. Beim Klang ihres Namens klopfte ihr Herz schneller und aufgeregter als zuvor, während sie sich zittrig vom Sofa erhob und neben mich stellte. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sie mich nervös musterte. “Egal was passiert, du entfernst dich keinen Millimeter von mir, verstanden?” Ich hatte Mühe, meinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Ich wollte ihn nicht an ihr auslassen. Sie antwortete nicht, doch ich spürte plötzlich ihre Finger, wie sie meine Hand umschlossen und sie diese leicht drückte. Ich erwiderte ihren Griff. Aww… wie niedlich… Demetri machte sich einen Spaß aus uns. Er kicherte leise. Dummes Mädchen… Als wenn er dich beschützen könnte… Ich knurrte ihn bedrohlich an, doch er lachte nur noch mehr. Langsam ging ich auf die Gruppe zu und zog Bella mit. Immer einen halben Schritt hinter mir folgte sie meiner Leitung. Die Volturi wichen ein wenig zurück, als wir an der Tür ankamen und ließen uns in ihre Mitte. Carlisle ging direkt hinter uns und schirmte Bella weitestgehend vor den Blicken der Vampire ab. Allein durch ihre Hand konnte ich ihre Angst fühlen. Sie zitterte unaufhörlich am ganzen Leib. Ihr Puls war unregelmäßig und ihr heißer, nervöser Atem in meinem Nacken zu spüren. Sanft strich ich mit meinem Daumen über ihren Handrücken und hoffte, es würde sie ein wenig beruhigen. Als wir in der Empfangshalle ankamen, warfen uns die umherstehenden Gäste neugierige, aber auch misstrauische Blicke zu. “Mr. Cullen? Kann ich ihnen vielleicht helfen?” hörte ich eine Frauenstimme hinter mir, die sehr wachsam klang. Es war die Dame von der Rezeption. Wir blieben stehen, doch noch ehe ich antworten und sie von ihrer geplanten ‘Rettungsaktion’ abhalten konnte - sie hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte -, hatte Felix bereits das Wort ergriffen. Er zwinkerte ihr zu und lächelte. Sie schnappte nach Luft. “Mr. Cullen geht es gut. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, meine Liebe.” Keiner wartete ihre Antwort ab. Wir gingen einfach weiter und hinaus aus dem Hotel. Draußen war es bereits dunkel. Das Gespräch mit Bella hatte länger als erwartet gedauert. “Hier.” Carlisle hielt mir seine Jacke entgegen, als ich mich zu ihm umdrehte. Mit einem leichten Lächeln nickte er zu Bella. “Es ist ziemlich frisch. Sie sollte sich etwas warmes überziehen.” “Danke”, gab ich zurück, nahm ihm die Jacke aus der Hand und zog sie Bella über. Ein kleiner Schauer überkam sie, als der Stoff ihre Haut berührte. Natürlich hatte die Kleidung keinerlei Wärme gespeichert. Unser Körper war wie Eis. Ich hasse es, so zu kriechen… Demetri grummelte hinter uns. Einige der anderen hatten ähnliche Gedanken. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum wir so früh wieder zurück sollten. Aro hatte uns drei Tage zugesagt. Was also wollte er? Wir passierten einige enge Straßen und Gassen und mit jedem Schritt, den wir näher kamen, verdoppelte sich Bellas Anspannung. Genauso wie meine. Wir nahmen denselben Eingang, wie damals, als ich mich entschieden hatte, Bella da rauszuholen. Jetzt brachte ich sie wieder hinein. Der Gram musste sich in meinem Gesicht widerspiegeln, denn sie musterte mich besorgt. Ich wagte es nicht, ihr in die Augen zu schauen. Zu groß war mein momentaner Selbsthass. Der Mann am Tresen betrachtete kurz unsere Gruppe. Nervosität lag in seinen Gedanken und er mied es, uns anzusprechen. Zu gut kannte er die Gesichter der Volturi, auch wenn er nicht wusste, wer oder was sie wirklich waren. Wir passierten den Empfang und gingen zu den Aufzügen, während ich Bella in die Ecke des Fahrstuhls zog und mich bereits schützend vor sie stellen wollte, als sie von ganz allein ihre Arme um mich legte. Erst etwas zögerlich, doch nachdem ich die anfängliche Überraschung überwunden und ihre Schulter umfasst hatte, schmiegte sie sich dankbar an mich. Es dauerte nicht lange, bis wir die zweite Empfangshalle erreicht hatten. Dieselbe Frau wie beim letzten Mal stand hinter der Rezeption und musterte uns. Sie begrüßte die Wachen. Felix zwinkerte ihr zu. Ein verlegenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Bella schien bei jedem Schritt fast zu stolpern, als wir auf das Zimmer hinterm Tresen zugingen, und ich verstärkte meinen Griff. Alec - wie ich in den Gedanken meines Vaters erfuhr - wartete dort bereits und empfing uns mit offenen Armen. “Carlisle, Edward… Bella. Schön, euch wieder zu sehen.” Carlisle nickte, doch ich schenkte der Heuchelei keine Beachtung, was den sehr jung aussehenden Vampir aber nicht weiter störte, als er voran ging. Wir erreichten in ein paar Sekunden die nächste Tür, bis wir wieder in dem riesigen Flur standen, in dessen Mitte der Wand sich die Tür zu dem Raum befand, den ich um alles in der Welt gerne gemieden hätte. Nicht nur meinetwillen. Auch Bellas. Sie klammerte sich noch fester an mich. Für sie musste es noch schlimmer sein, wieder an diesen Ort zurückzukehren. Der Ort, an dem sie alles auf einmal verloren und grässliche Dinge gesehen hatte. “Wenn dir das alles zuviel wird, dann schließ deine Augen”, flüsterte ich in ihr Ohr. “Ich schaff das schon.” Mir fiel es schwer, ihr zu glauben. Ihre Stimme klang zu zittrig, doch ich beließ es bei ihrer Antwort. Wir durchquerten die düstere Kammer vor dem Turmzimmer und traten schließlich in den weißen, runden Raum ein. Von dem Massaker von gestern war nichts mehr zu sehen. Kein Blut war zu riechen. Sie hatten alles gründlich gesäubert. Außer uns war noch niemand da. Weder Aro, noch die beiden anderen Ältesten. Bis auf Alec, Felix und Demetri verließen alle Vampire das Zimmer. Ich wusste nicht, ob Carlisles Jacke wirklich genug Wärme spendete, denn Bellas Gänsehaut war selbst durch den Stoff zu spüren. Vorsichtig und langsam rieb ich ihren Rücken, und hoffte, trotz meines kalten Körpers, ihre Temperatur ein wenig zu erhöhen. Ich wandte meinen Blick nach hinten und betrachtete zuerst die drei Volturi, die sich an der Wand beim Eingang verteilt hatten, und dann meinen Vater, der mich etwas ahnungslos musterte. Falls du wissen willst, was sie vorhaben, kann ich dir leider nicht helfen. Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung. Ich hab nur gehört, wie ihnen jemand befohlen hat, euch abzuholen… Ich nickte ihm zu. “Schon in Ordnung.” “Edward?” Überrascht drehte ich meinen Kopf Bella zu. “Was meinte dieser… Vampir vorhin mit dem, was er gesagt hatte?” Sie deutete auf Felix. Ich war mir sicher, zu wissen, wovon sie sprach und holte tief Luft. Demetri kicherte hinter uns. Ein trockenes Kichern, in dem keinerlei Sympathie lag. “Viele von uns haben… besondere Fähigkeiten. Einige kann man direkt spüren, andere sind nur verstärkte Emotionen. Ich, zum Beispiel… höre die Gedanken meiner Mitmenschen.” Ich setzte ab und wartete auf ihre Reaktion. Ihre Augenbrauen hoben sich vor Verblüffung und unter ihren Wangen rauschte das Blut und verliehen ihrem blassen Teint mehr Farbe. Sie schob leicht ihr Kinn nach vorne. “Allerdings kann ich deine nicht hören, was ziemlich frustrierend ist”, gab ich zu und hob kaum sichtbar einen meiner Mundwinkel. Ihr Mienenspiel war wirklich beeindruckend. Ich konnte erkennen, wie es in ihrem Kopf arbeitete und letztendlich wirkte sie erleichtert. Erleichtert darüber, dass ich nicht wusste, was sie dachte. Just in dem Moment hörte ich bereits Schritte, im nächsten Augenblick traten die drei Ältesten durch die Tür, dicht gefolgt von Jane, die sich sofort zu Alec gesellte und seine Hand nahm, während die anderen auf die drei großen, antiken Stühle am anderen Ende zugingen. Caius lächelte finster, Marcus wirkte nicht wirklich interessiert und Aro hatte ein freundliches Gesicht aufgesetzt. Ein Gesicht, in das ich meine Krallen in dem Moment bohren wollte, in dem ich seine Gedanken und demzufolge seine Absichten kannte. Ich beugte mich leicht nach vorne, schob Bella hinter mich und ließ ein tiefes Knurren ertönen. “Was ist los?” Carlisle wirkte unentschlossen. Er wusste nicht, was ich wusste und konnte nicht wirklich reagieren. “Sie wollen, dass sie jetzt schon verwandelt wird”, presste ich zwischen meinen Zähnen hervor. Carlisle starrte erschrocken zu seinen alten Bekannten. “Was hat das denn zu bedeuten? Ihr habt ihm doch die drei Tage zugesprochen.” Aros Miene wurde betrübt, doch sein übertriebenes Mitleid wirkte unecht und höhnisch, als er redete. “Das stimmt auch. Doch Caius war der Meinung, es sei unsinnig, so lange zu warten. Außerdem wurde mir berichtet, dass Bella bereits über unsere Existenz im Bilde ist, nicht wahr, meine Liebe?” Er lächelte sie über meine Schulter hinweg an und ihre Haltung erstarrte. “Zwei Tage mehr oder weniger… Wo ist da der Unterschied? Außerdem schulde ich Caius noch etwas und das hier ist die beste Möglichkeit, meine Rechnung zu begleichen.” Für ein paar Sekunden herrschte Stille. Also waren wir nur der Spielball, der für ihr Vergnügen benutzt wurde. Dessen Meinung noch nicht einmal zählte… Ein Menschenleben mehr oder weniger auslöschen, ohne das geringste Mitgefühl aufkommen zu lassen. Er sieht nicht so aus, als könnten wir ihn umstimmen. Carlisles Gedanken waren zu dem gleichen Schluss gekommen wie ich. Meine Haltung änderte sich ein wenig und war nicht mehr ganz so angriffsbereit. Ich hasste es, aufzugeben und doch hatte ich keine andere Wahl. Langsam drehte ich mich zu Bella um und sah sie einen Augenblick lang schweigend an. Es war schwer, die Trauer und den Verdruss zu verbergen. Natürlich bemerkte sie es und ihr Blick füllte sich mit Angst. Sachte legte ich meine Hand auf ihre Wange und fuhr mit dem Daumen über ihren Wangenknochen. “Es ist soweit, oder?” flüsterte sie und ich konnte nichts weiter, als meinen Kopf kurz nach unten zu senken und wieder zu heben. Sie holte tief Luft und es sah so aus, als wollte sie lächeln. Als würde es ihr nichts weiter ausmachen. Doch meine Sinne waren schärfer und ihre Augen verrieten mir fast soviel, wie Gedanken es taten. “Carlisle wird dich…” - Ich wollte beißen sagen, doch brachte ich das Wort nicht über meine Lippen - “…verwandeln. Du kannst ihm vertrauen.” Den letzten Satz fügte ich schnell hinzu, als ich ihr überraschtes und unsicheres Gesicht sah. Niemand hat gesagt, dass er es machen wird. Mein Kopf schnellte zu Aro und ich funkelte ihn an. Meinte er das etwa ernst? Er selbst hatte mir doch sogar angeboten, es persönlich zu tun, und jetzt widersprach er uns? Was war denn dabei, wenn Carlisle an meine Stelle trat? Er ließ sich nicht von meinem wütenden Blick beirren und lächelte. “Ich hatte doch von Anfang an gesagt, dass du es machen darfst, Edward.” “Das kannst du unmöglich ernst meinen. Du hast in meinen Gedanken gelesen, wie viel Anstrengung es mich gekostet hat, sie bei der ersten Begegnung nicht anzufallen. Wie kannst du jetzt glauben, ich wäre in der Lage…” Er hob abwehrend eine Hand. “Ich bin überzeugt davon, dass du es schafft. Deine Widerstandskraft ist fast so groß wie die von Carlisle. Ich bin sicher, dass du uns nicht enttäuschen wirst.” “Da irrst du dich gewaltig. Ich bin nicht halb so gut wie er.” “Er hat Recht, Aro. Es ist sicherer, wenn ich es durchführe. Schließlich habe ich bereits Erfahrung damit”, mischte mein Vater sich ein. “Wohl wahr. Dennoch bestehe ich darauf, dass er sie beißt.” In Aros Stimme lag absolute Ruhe. “Nein”, presste ich entschlossen hervor. Seine Gedanken verrieten, dass es ihm egal war, ob Bella starb. Er war einfach nur neugierig. Neugierig, wie groß mein Wille war. Meine Stärke. Mein Widerstand. “Oh… wirklich zu schade. Aber wenn du nicht willst, dann haben wir wohl keine andere Wahl, als jemand anderen zu fragen… Ich bin sicher, Demetri brennt darauf, auch einmal einen Menschen in unseresgleichen zu verwandeln, nicht wahr, mein Freund?” Ich hörte Demetris leises Lachen bereits hinter mir. Und wie… Ich kann es kaum erwarten. Falls es nicht klappt und ich mich nicht beherrschen kann, ist es auch nicht weiter tragisch… Wenigstens konnte ich einen ausgezeichneten Tropfen genießen… Sofort zog ich Bella um mich herum, ehe er sie erreicht hatte. Meine Muskeln spannten sich an. Ich war bereit, im Notfall mit ihm zu kämpfen. Carlisle stellte sich neben mich und legte eine Hand auf meine Schulter. “Bitte, keine Gewalt…” sagte Aro mit viel zu hoher Stimme, als würde er sich eine Tragödie ansehen. Plötzlich spürte ich Bellas Hand an meinem Arm. Sie versuchte mich zu sich zu drehen, doch ich gab nur ungern nach. “Edward?… Wenn er darauf besteht, dann tu es einfach. Ich hab nur halb soviel Angst, wenn ich weiß, dass… du es machst.” Jetzt drehte ich meinen Kopf doch zu ihr und starrte sie an. Hatte sie mir nicht richtig zugehört? Hatte sie denn nicht verstanden, wie ihr Blut auf mich wirkte? Es war unmöglich. Ich konnte es nicht tun. Sie würde sterben, weil ich mich nicht beherrschen konnte. “Bella… Ich werde mich nicht unter Kontrolle haben. Wenn man erst einmal anfängt, ist es sogar schwer für jemanden wie Carlisle, nicht das gesamte Blut auf einmal auszusaugen. Und dein Blut… Es ist soviel reizvoller als das von anderen Menschen. Ich würde dich töten und in dem Moment nichts weiter als Befriedigung verspüren, weil ich meinen Durst stillen kann.” Meine Worte hallten in meinem Kopf wieder und auch wenn es mir Leid tat, sie damit zu verschrecken, so war es doch notwendig, um ihr die Situation, in der sie sich befand, deutlich zu machen. Doch ihre Reaktion überraschte mich aufs Neue. Sie lächelte schwach. “Selbst wenn es so ausgeht… Ich wäre froh, wenn du derjenige bist und nicht irgendjemand anderes. Wenn du mich gestern nicht gerettet hättest, wäre ich sowieso schon längst tot.” “Ich kann nicht”, flüsterte ich mit gequälter Stimme. “Bitte…” flüsterte sie ebenso leise und das Flehen war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Im Hintergrund konnte ich die anderen spüren, wie sie sich über unseren kleinen Konflikt amüsierten. “Versuch es einfach. Ich werde da sein und dich im Notfall aufhalten”, sagte Carlisle plötzlich. Das Angebot meines Vaters war nicht sehr überzeugend, doch Bellas und meinetwillen setzte ich dann doch all meine Hoffnungen in ihn. Ich nickte widerwillig. “Sehr schön.” Aro war mehr als zufrieden, ja fast schon euphorisch und er lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Carlisle ging ein paar Schritte weg, doch war immer noch dicht genug, um eventuell einschreiten zu können. Bella zog sich mit zittrigen Händen die Jacke aus. Ich nahm sie ihr ab und gab sie an Carlisle weiter. “Einfach nur beißen und das war’s dann, oder?” fragte sie nervös. Ich nickte schwerfällig. “Dadurch gelangt unser Gift in eure Blutbahn. Es lähmt die Bewegungen… Als wenn das nötig wäre. Wir sind so schon stark genug, unsere Beu-… euch festzuhalten.” Noch einmal holte sie tief Luft und sah mich schüchtern an. “Okay...” Sie neigte ihren Kopf leicht zur Seite und beobachtete mich aus den Augenwinkeln. Während ich langsam eine Hand hob und mit den Fingerspitzen über ihre Wange strich und ein paar Haarsträhnen hinter ihr Ohr klemmte, legte ich meinen anderen Arm um ihren Rücken, wobei sie ihre Arme um meinen Nacken schlang. Ganz sanft tasteten meine Finger ihren Hals ab und fuhren die für Menschen unsichtbaren Linien ihrer Adern entlang. Ich atmete ihr Aroma ein und konnte sehen, wie gehetzt ihr Blut durch die Venen schoss. Es erwärmte ihre Haut um ein paar Grad und ihre Nervosität nahm mit jeder Sekunde zu. Sie fröstelte leicht bei der Berührung meiner kalten Haut und ihre Atmung ging unregelmäßig. Ich konnte die Hitze ihres Atems in meinem Nacken spüren. Viel zu langsam senkte ich meinen Kopf und kam ihrer Hauptschlagader immer näher. Die Struktur ihres Blutes war deutlich zu erkennen. Trotz der Haut darüber. Nur noch ein paar Millimeter. Ich musste mich konzentrieren. Ich durfte mich auf keinen Fall gehen lassen. Anderseits würde sie sterben. Fünf Millimeter. Drei Millimeter, Zwei. Ich öffnete meinen Mund und bleckte die Zähne. Ein leises Knurren entwich meiner Brust. Auf meiner Zunge lag bereits der Geschmack ihres Blutes. “Edward…?” Bellas zaghafte, brechende Stimme und ihre Hand auf meinem Gesicht rissen mich aus meiner Konzentration. Ich entfernte mich wieder von ihrem Hals und sah sie fragend an. Sie zögerte und sah kurz nach unten, bevor sie ihren Blick wieder hob und sprach. “Ich… Falls das hier schief gehen sollte…” Sachte strich sie über meine Wange, während ihr Gesicht meinem immer näher kam. Ihr Daumen verweilte auf meiner Unterlippe und allein schon diese Berührung versetzte meinem toten Herzen einen Stich, der mir vorkam als versuchte er, es wieder zum Schlagen zu bringen. Schneller als je zuvor. Ihr Blick wanderte immer wieder zu meinen Augen und dann zu meinen Lippen, bis ihre letztendlich auf meine trafen. Das Gefühl war… überwältigend. Die Zartheit und Feinheit ihrer dünnen Haut, die so weich war… Das Blut, das durch jede einzelne Zelle ihrer Lippen rauschte und sie erhitzten… Es war schwer, sich zu kontrollieren. Alles in mir schrie danach, sich einfach fallen zu lassen, sich dem Gefühl hinzugeben und sich davon tragen zu lassen. Nur für einen Augenblick, einen winzigen Augenblick lang, genoss ich diesen Kuss, der immer drängender wurde. Vergessen war der Ort, die Leute um uns herum, das Vorhaben, das noch vor ein paar Sekunden meine gesamte Aufmerksamkeit forderte. Ich drückte sie noch fester an mich. Langsam drangen erstaunte, als auch genervte Gedanken der Personen um uns herum in mein Unterbewusstsein. Ich konnte mich der Realität nicht mehr lange entziehen. Und bevor ich mich vollends verlor, löste ich mich wieder von ihr. Sie atmete genauso schwer wie ich, obwohl es bei mir nur Gewohnheit war, überhaupt zu atmen. Etwas verlegen sah sie mich an. Wenn auch peinlich berührt von dem eben passierten, so entdeckte ich doch auch einen Funken Zufriedenheit in ihren Augen. Wie konnte ich sie jetzt noch beißen? Ihr Blut trinken? “Jetzt bin ich soweit…” flüsterte sie, immer noch schwerfällig Luft holend, und lächelte unsicher. Einen kurzen Moment noch betrachtete ich ihre blasse Haut, unter der das Blut unruhig zirkulierte; ihre rehbraunen Augen, die sich nicht von mir abwenden konnten; ihre vollen Lippen, die in einem satten Rot leuchteten und immer noch leicht zitterten. Ich legte vorsichtig meine Hand in ihren Nacken und meine Wange auf ihre, während ich die ungeduldigen, lautlosen Rufe in den Köpfen der anderen ignorierte. “Es tut mir Leid”, flüsterte ich in ihr Ohr und ein weiterer Schauer rann ihren Rücken hinunter. Noch einmal sog ich ihren lieblichen, blumigen Duft ein, ehe mein Mund langsam seinen Weg hinunter zu ihrem Hals fand. Sie atmete noch lauter, ihr Herz klopfte schneller, ihr Körper zitterte noch heftiger. Sie klammerte sich fester an mich. Meine Lippen schoben sich über meine scharfen Zähne, während meine Drüsen bereits das Gift in meinen Gaumen spritzten. Dieses Mal schluckte ich es nicht hinunter. Dieses Mal musste ich meinem Instinkt teilweise folgen und versuchen, ihn zu kontrollieren. In meinem Hals kratzte es unangenehm, als wüsste er, was gleich kommen würde. Dann sanken die Kanten meiner Zähne in ihr Fleisch wie eine Messerklinge durch warme Butter fuhr. So weich war ihre Haut. So zart und zerbrechlich. Ohne jeglichen Widerstand. Ihr Blut schoss regelrecht in meinen Mund, als ich ihre Hauptschlagader durchbiss. Bellas Körper spannte sich an und zuckte kurz. Ein unterdrückter, schwacher Schmerzensschrei entwich ihr. Doch statt sich zu wehren, krallten sich ihre Finger noch tiefer in mein Hemd und zogen ihren Körper noch enger an meinen. Ihr Blut war so warm. Der Geschmack legte sich in jede Ecke meines Rachens, auf und unter meine Zunge, auf meinen Gaumen. Meine Kehle zuckte vor Zufriedenheit, als die wohlschmeckende Flüssigkeit hinunterlief, das Kratzen beendete und meinen Durst stillte. Ein Knurren der Befriedigung kletterte meine Brust empor. Vergessen war meine Kontrolle… Vergessen war, dass ich dieses Menschenmädchen nicht töten, sondern nur verwandeln sollte. Nur noch der Geschmack ihres Blutes und mein unbändiges Verlangen nach mehr zählten. Ich hörte ihr Herz, wie es langsamer wurde. Das Zittern nahm zu und sie drohte bereits wegzusacken, doch mein fester Griff ließen es nicht zu. Edward, das reicht. Noch mehr und sie wird es nicht schaffen. Carlisles Gedanken waren weit weg. Aros und Caius’ klangen amüsiert. Die der anderen missmutig. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 9: My soul cries ------------------------ Desiree - Kissing You http://www.myvideo.de/watch/2670896/Desiree_Kissing_You ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich spürte plötzlich zwei Arme, wie sie sich zwischen mich und meine Beute drängen wollten. Ein Knurren der Warnung entwich meiner Brust, ohne dass ich das Trinken unterbrach. Zu süß war der Geschmack, als dass ich aufhören könnte. “Verdammt noch mal, jetzt helft mir doch endlich!” hörte ich Carlisles aufgebrachte Stimme. Nur ein paar Sekunden, dann kamen weitere Arme dazu, wie sie versuchten, mich wegzuziehen. Ich gab nicht nach. Ich knurrte nur noch lauter. Edward, wenn du nicht loslässt, reißen wir sie noch auseinander. Ich erstarrte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde und doch lange genug für die Anderen, mich von ihr wegzuzerren und gegen die Wand zu schleudern. Ich hatte einen kleinen Fetzen Haut von ihrem Hals rausgerissen, so festgebissen hatte ich mich. Sofort spuckte ich es aus. Meine Schultern und meine Arme wurden festgehalten. Ich schlug um mich, knurrte und brüllte, schnappte nach den Vampiren, die mich nicht loslassen wollten. “Edward, ruhig”, sagte Aro in einem besänftigenden Ton, doch ich achtete nicht auf ihn. Mein Blick fiel auf das, was sich langsam immer klarer vor meinen Augen visualisierte. Ein paar Meter direkt vor mir stand mein Vater. In seinen Armen der leblose Körper eines Menschenmädchens. Eines, das ich kannte. Eines, das ich nie in meinem Leben verletzen wollte. Meine Bewegungen froren ein. Ich war zu gefesselt von dem Anblick. Ihr regloser, schlaffer Körper, ihre blasse Haut, ihre geschlossenen Augen, das wenige Blut, das noch durch ihre Adern floss. So ruhig, dass selbst ich nicht sicher war, ob es überhaupt noch floss. Bella. Was hatte ich getan? Ich hatte mich gehen lassen. Ich hatte vergessen, was meine Aufgabe war… Benommen von meiner Schuld sackte ich auf die Knie, während die steinernen Arme der Volturi nicht von mir abließen. Ihre Gedanken verrieten, dass sie jetzt viel lieber Carlisle festhalten wollten, um sich auf Bella zu stürzen. Normalerweise würde ich wütend aufbrüllen, doch ich war wie gelähmt und konnte nichts weiter, als auf die beiden zu starren. Ich hatte sie verletzt, ihr wehgetan… Sie getötet. Ich schrie auf. So laut, dass es wahrscheinlich in ganz Volterra zu hören sein musste. Edward, beruhig dich. Sie lebt. Hörst du ihren Herzschlag denn nicht? Carlisles Gedanken waren kaum zu erkennen. Ich schrie abermals und schlug mit meinen Unterarmen auf den steinernen Boden, der sofort nachgab. “Alec, zeig unserem Freund Carlisle, wo er sie hinlegen kann”, wies Aro den jungen Vampir an, während seine Augen immer noch voller Neugier auf mir ruhten. Alec nickte und ging an mir vorbei Richtung Ausgang. Carlisle folgte ihm. Ich werde bei ihr bleiben. Du brauchst dir deswegen also keine Sorgen zu machen. Wie kam er darauf, dass ich mir Sorgen machen würde? Ein Schrei, der nicht von mir oder sonst irgendeinem Vampir stammte, durchbrach die Stille. Bella… Ihre Schmerzen mussten unerträglich sein. Mein Körper verkrampfte sich, als hätte ich selbst diese Schmerzen. Als würde ich meine eigene Verwandlung abermals durchleben. Eine erträgliche Strafe für das, was ich getan hatte und dennoch war es nicht genug. Die beiden - oder besser gesagt die drei - hatten den Raum bereits verlassen und ich konnte sie immer noch hören. “Wirklich sehr interessant”, meldete sich Aro wieder zu Wort. Es klang, als würde er mehr zu sich selbst sprechen, als zu jemand anderem. Dass du in der Lage warst, deine Kontrolle zu behalten… Wollte er mich auf den Arm nehmen? Ich hatte die Kontrolle verloren. Ich hätte Bella beinahe getötet. Und er betrachtete das ganze Schauspiel wie ein Experiment. Ich kann sehen, dass du meine Meinung nicht teilst. Dennoch konntest du dich kurz losreißen. Meine Wut schwoll an. Doch dieses Mal galt sie nicht mir allein. Meine Gedanken klärten sich ein wenig, obwohl ich immer noch den Geschmack von Bellas Blut auf meiner Zunge und meiner Kehle hatte. Mein Körper verzerrte sich nach mehr davon, doch mein Verstand hatte dem bereits abgesagt. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich nicht allein an ihren Schmerzen Schuld war, an ihrem Leid. Nein, hätten die Volturi mich nicht dazu gezwungen, wäre es nie dazu gekommen. Aro! Wie er dasaß. Das Gesicht friedlich, ein wenig amüsiert, während er mich betrachtete. Keine Spur von Reue oder Schuldgefühlen. Meine Fäuste ballten sich instinktiv, meine Haut spannte sich über meinen Knochen, meine Lippen schoben sich über meine Zähne. Ich ließ ein bedrohliches Knurren aus meiner Brust erklingen. Meine Augen fixierten all seine Bewegungen. Aro schmunzelte. Du bist wütend. Das kann ich verstehen. Ich wäre es auch, wenn mich jemand beim Trinken unterbrechen würde. Wieder drangen Schreie an unsere Ohren. Bellas Schreie. Mein Körper schmerzte erneut. Hörst du das? Ah, wie ich das vermisst habe. Es ist eine Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal so etwas vernehmen konnte. Es klingt einfach wunderbar. Findest du nicht? Er empfand Bellas Schreie als wunderbar. Noch ein Knurren, dann sprang ich wie aus Reflex auf ihn zu. Die Wachen hinter mir waren zu langsam, als dass sie noch rechtzeitig mein Vorhaben verhindern konnten. Marcus schien zum ersten Mal interessiert, Caius erhob sich, während Aro ganz ruhig sitzen blieb und mich neugierig und belustigt ansah. Ich hätte es vorher wissen müssen. Ich hatte keine Chance, ihn anzugreifen. Genauso schnell wie ich gesprungen war, genauso schnell hatte auch Jane reagiert. In mir brannte es. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Mit einem lauten Knall fiel ich auf den harten Steinfußboden und wand mich vor Schmerz. Dieses Mal unterdrückte ich nichts. Diesmal ertrug ich all die Qualen und widerstand dem Drang, mir zu wünschen, es würde endlich aufhören. So musste Bella sich gerade fühlen. Sie litt, also litt auch ich. Sie schrie, also schrie auch ich. “Jane, das ist genug.” Widerwillig folgte sie Aros Befehl und stoppte ihre Gedanken. Gleichzeitig fielen alle Schmerzen von mir ab und ich lag regungslos auf dem Boden. Meine Augen betrachteten die meterhohe Decke, dann schlossen sie sich und ich seufzte, als ich meine Hand über meine Augenlider legte. Edward, mach bitte keinen Unsinn. Carlisles Gedanken drangen an meine Ohren. Ich sah, wie Alec sie in ein geräumiges Gästezimmer geführt und Carlisle Bella auf das riesige Bett gelegt hatte. Alec selbst verschwand wieder, während mein Vater sich an den Rand des Bettes setzte und das Mädchen darauf angestrengt musterte. Ihre Gesichtszüge waren vom Leid gekennzeichnet. Sie schrie in unregelmäßigen Intervallen, mal lauter, mal leiser. Als versuchte sie, ihre Pein zu unterdrücken. Warum tat sie das? Kostete sie das nicht noch mehr Anstrengung? Waren ihr die Qualen der Verwandlung nicht schon genug? Mein Gesicht verzog sich bei ihrem Anblick. Ich presste meine Lippen aufeinander, um vor Wut nicht wieder zu schreien. Ich konnte es nicht länger ertragen. Mit einem Ruck stand ich auf den Beinen und ging mit schnellen Schritten Richtung Ausgang. “Wo willst du hin?” fragte mich Aro und sofort stellten sich mir Demetri und Felix in den Weg. “Nach draußen”, murmelte ich und funkelte die beiden vor mir an. “Ich würde vorher noch gerne deine Gedanken hören.” Aro klang ruhig und gelassen, als würde ihm eine Verweigerung nichts ausmachen, doch ich wusste es besser. “Ich möchte dich zu nichts zwingen, Edward. Ich kann verstehen, wenn du das nicht willst.” Natürlich zwang er mich nicht direkt, doch die Volturi waren nicht umsonst die meistgefürchteten Vampire der Welt. Sie brauchten keine Worte, um jemandem zu sagen, was er machen oder lieber lassen sollte. Ohne ein weiteres Wort hob ich meine Hand und starrte weiterhin auf die beiden Wachen vor mir. Im weniger als einer Sekunde spürte ich bereits die papierne Haut von Aros Hand und abermals sah und hörte ich all die Gedanken, die ich je in meinem Leben gedacht hatte. Die Aro bereits kannte, während andere neu hinzukamen. Bilder von Bella, Gefühle, Empfindungen… Dieser Teil war privat und dennoch hatte ich keine Wahl. Marcus hatte Recht… Unglaublich… Obwohl ich es in seinen Gedanken gesehen und gespürt habe, war es mir unbegreiflich. Doch es jetzt auch bei dir zu fühlen, zu hören… Und dann der Biss. Mein instinktgesteuertes Verhalten. Mein Hungertrieb und meine unbändige Sucht nach mehr, ohne Rücksicht auf Verluste… Ich kann mich nur immer wiederholen. Du hast eine erstaunliche Widertandskraft. Ich hatte mich keine Sekunde unter Kontrolle gehabt! Ganz im Gegenteil. Obwohl ihr Blut soviel mehr Verlangen in dir auslöst als jedes andere, konntest du dich einen Augenblick unterbrechen. An so einen Moment konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern… Es hat nicht lange gedauert, doch du hast kurz inne gehalten, als Carlisle dir mitgeteilt hat, ihr würdet sie auseinander reißen, wenn du nicht nachgibst. Darauf hatte ich keine Antwort. Ich wollte auch gar nichts erwidern. Ich wollte nur hier raus. In die Nacht, um mich abzulenken, meine Gedanken zu kühlen, einen klaren Kopf zu bekommen. Aro seufzte und nahm seine Hand herunter. “Ich hoffe, wir sehen uns noch einmal wieder, mein Freund. Ich würde mich wirklich freuen.” Darauf erwiderte ich nichts. Ich wusste nicht, ob ich ihren Anblick ertragen könnte. Den Anblick einer neugeborenen Bella, die nur auf Blut aus war und womöglich die letzten Tage vergessen würde. So wie alle menschlichen Erinnerungen verblassten. Ich würde sie niemals vergessen. Felix und Demetri wichen endlich zur Seite und ich ging stur an ihnen vorbei. In Windeseile hatte ich das Gebäude verlassen und stand in der angenehmen, kühlen Nachtluft Volterras. Ich ging, nein, ich rannte ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen. Und ehe ich mich versah, war ich bereits im Flur unseres Hotels. In der Etage, in der sich unser Zimmer befand. Tausend verschiedene, menschliche Gerüche hafteten hier. An den Wänden, den Böden, den Vasen auf den kleinen Podesten. Sie drangen durch die kleinen, schmalen Schlitze der Türen, durch das Mauerwerk der Wände und teilten mir mit, was wer gerade tat. Fernsehen oder lesen, arbeiten oder spielen, schlafen oder ‘schlafen’, allein oder mit jemandem zusammen. Dennoch kristallisierte sich ein ganz bestimmter heraus. Einer, der mich mein gesamtes, ewiges Leben verfolgen würde. Bellas… Meine Hand wanderte ganz automatisch zur Karte in meiner Tasche, mit der ich die Tür öffnen konnte. Ich huschte ins Zimmer und wanderte durch die dunklen Räume. Und überall war ihr Duft, der so überwältigend war und dessen Spuren nicht mehr lange vorhanden sein würden. Der nie wieder dieses Zimmer erfrischen würde. Die kleinen Moleküle, die die Zusammensetzung ihres Geruchs bildeten, formten bildliche Schemen vor meinem innerem Auge. Sie saß auf der Couch, trug meine Kleider und hörte sich meine Geschichte an. Unerschrocken und furchtlos. Meine Mundwinkel zuckten bei der Erinnerung leicht nach oben. Auf dem Tisch stand noch das Frühstück, das ich ihr bestellt hatte. Wie sie an dem Croissant geknabbert hatte, ohne ihre Augen von mir zu wenden. Ihre rehbraunen Augen, die soviel mehr sagten, als alle Worte. In ein paar Tagen würden sie blutrot leuchten. Ich ballte meine Fäuste. Nie wieder würde sie so dasitzen und essen; mich mit ihren großen Augen ansehen. Ohne einen Funken Angst vor mir, eher Neugier und vielleicht sogar ein wenig… Freude? Ihr Duft führte mich weiter ins Schlafzimmer. Hier war er noch stärker. Ich atmete ihn tief ein, um meine Erinnerungen zu verstärken. Um nichts auf der Welt wollte ich ihn verlieren. Er würde mir stets vor Augen halten, dass es das Glück gab, so wie Emmett und Rosalie es hatten, Jasper und Alice, Carlisle und Esme. Ich sah Bella auf dem Bett liegen. Ihr kleiner, zerbrechlicher Körper unter dem dünnen Bettlaken. Ihre Brust hob und senkte sich beim Atmen, während sie ruhig schlief. Ihre zarte Haut leicht gerötet durch das Blut, dass ein bisschen zu schnell durch ihre Venen floss. Ich ging zum Bett und setzte mich auf den Rand, um ihr beim Schlafen zuzusehen. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, wobei ich mit der Hand die Konturen ihres schemenhaften Gesichts nachfuhr und sogar ein paar Strähnen wegstreichen konnte, während ich in Wirklichkeit sanft über das Laken strich und ein paar Staubkörner aufwirbelte. Zwischen ihnen war ebenfalls Bellas Anwesenheit zu spüren. Ich war sogar in der Lage, ihre Stimme zu hören, wie sie meinen Namen murmelte. Immer und immer wieder. In Gedanken sah ich mich, wie ich sie beobachtete, als der Morgen anbrach und sie durch die leuchtenden Sonnenstrahlen geweckt wurde. Wie sie sich verwundert umsah und mich dennoch neugierig und aufgeregt musterte. Mein Lächeln wurde breiter. Sie hatte mich nach frischen Sachen gefragt und ich hatte sie ihr gegeben. Ich seufzte gedankenverloren auf, als ich meine Ellebogen auf meine Knie stützte und mir mit beiden Händen durch die Haare fuhr. Mein Blick war für ein paar Minuten auf den Zimmerboden gerichtet, während ich meinen Kopf festhielt. Letztendlich trugen meine Füße mich zum Bad. Auf den Fliesen lag immer noch ihre alte Kleidung. Ich hob sie auf und als könnte ich ihren Duft nicht schon stark genug riechen, hielt ich sie unter meine Nase. Die blumige, liebliche Note war überwiegend, nur kleine Unterbrechungen von Schweiß und Schmutz. Ich ließ die Sachen wieder langsam zu Boden fallen und ging zur Dusche hinüber. Die Wasserperlen hafteten überall und jede einzelne beinhaltete ein Stück von ihr; ihres menschlichen Daseins. Mit den Fingerspitzen fuhr ich über die feuchten Fliesen, doch selbst wenn das Wasser jetzt an meiner Haut haftete, so reichte es doch nicht aus, den Rest ihrer menschlichen Existenz zu verewigen. Mit der nächsten Zimmereinigung würde auch das verschwunden sein. Ein riesiges Badetuch lag auf dem Boden zu meinen Füßen. Ich nahm es auf und ballte den weichen Stoff langsam zusammen. Die Reibung erzeugte noch mehr von Bellas Geruch. Ich schloss meine Augen und versank darin. Hier war er noch kräftiger und reiner, noch klarer, frischer. Es musste eine Ewigkeit vergangen sein, während ich so reglos dastand und in Erinnerungen versank. In Trauer, als wäre jemand gestorben. Im Grunde genommen, war das sogar richtig. Es war jemand gestorben. Bella war gestorben. Der Mensch Bella. Durch meine Hand, meine Zähne, durch das Monster in mir. Mit qualvollem Gesicht hob ich meinen Kopf und öffnete meine Augen. Im Spiegel gegenüber starrte mir ihr Mörder entgegen. Ich starrte mir entgegen. Sollte sie die Verwandlung nicht überstehen; sollte ihre einzige Rettung fehlschlagen, würde auch mein Leben enden. Dann gäbe es keinen Grund mehr für mich, hier zu verweilen. Ich würde Bella in den Tod folgen. Ohne Zögern. Der Mond, der durchs Schlafzimmerfenster schien, schickte sein schwaches Licht durch die offene Badtür. Meine weiße Haut schimmerte, als sie davon getroffen wurde und meine karamellfarbenen Augen leuchteten, als sie ihr Gegenüber betrachteten. Mich. Karamell - goldbraun genauer gesagt - doch durchzogen von vielen, dünnen, rötlichen Linien, die mir verdeutlichten, was für Blut ich gerade erst getrunken hatte. Und vor allem wessen. Wut quoll wieder auf. Zorn und Selbsthass machten sich breit und meine Fäuste ballten sich. Ich funkelte mir selbst entgegen, ich knurrte sogar. Meine Faust schnellte nach vorne und der große Spiegel zerbarst in lauter kleine Einzelteile. Genauso wie das Bild von mir. Ich zerbarst ebenso, doch keinerlei Schmerzen. Weder in meiner Hand, noch im Rest meines Körpers. Die Fliesen hinter dem Spiegel, als auch die Wand hatten etwas abbekommen. Im Nachbarzimmer erschrak jemand. Panik und Angst waren de Folge. Es könnte ja etwas passiert sein. Eine Schlägerei, ein Erdbeben. Ich rannte hinaus. Raus aus dem Zimmer, raus aus dem Hotel, raus aus der Stadt. Weit weg von Bellas schwindenden Duft. Ohne genaues Ziel lief ich die Felder und Hügel entlang, bis ich mich letztendlich im Wald wieder fand. Es war stockfinster, doch ich sah, als wäre es hellster Tag. Ich hörte, als wäre jedes noch so kleine Geräusch tausendmal lauter. Ich roch, als wäre jeder Geruch tausendmal stärker. Und trotzdem bekam ich den Geschmack von Bellas Blut nicht aus meinem Mund, geschweige denn aus meinen Gedanken. Noch schlimmer was das Bild, als Carlisle sie in den Armen gehalten hatte oder als sie auf dem Bett lag, mit all den Schmerzen. Aus den Augenwinkeln machte ich eine Bewegung aus. In einer Meile Entfernung war ein Hirsch. Ich roch sein Blut. Es war kräftiger und hatte eine strenge Note. Nicht das, was ich sonst bevorzugte, doch jetzt war es mir allemal lieber. Es würde Bellas Geschmack überdecken. Wenn ich Glück hatte, vielleicht sogar ganz verschwinden lassen. Meine Muskeln spannten sich an und meine Kehle zuckte vor Freude auf das Bevorstehende. Mein Unterkiefer schob sich nach vorne, meine Lippen über die Zähne, die ich bleckte. In meiner Brust grollte es leise und ich senkte mich leicht nach vorne. Nur eine Sekunde dauerte es, da hatte ich ihn bereits attackiert. Seine Abwehrinstinkte waren schnell, doch nicht schnell genug. Ich krallte mich fest und biss durch sein Genick. Ein schneller Tod. So würde er nicht allzu lange leiden. Er würde das Gift nicht mehr spüren, das jetzt durch seine Adern schoss. Ein Seufzer der Befriedigung entwich mir, während das warme, pulsierende Blut meinen Rachenraum ausfüllte und meine Kehle hinunterlief. Ich hatte ihn schneller leer getrunken, als erwartet. Ich ließ den leblosen Körper los und er fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Es war nicht genug. Mein Körper schrie nach mehr; mein Verstand jauchzte nach mehr Tierblut. Wie eine Droge, die das Vergangene vergessen ließ. Oder wenigstens für ein paar Stunden ausblendete. Es verging nicht viel Zeit, da hatte ich bereits den nächsten Hirsch ausgemacht und erledigt, das Blut getrunken und den Körper fallen gelassen. Die nächsten drei Tage verbrachte ich im Wald und tötete ein Tier nach dem anderen, ohne Pause. Bis ich nicht mehr konnte. Bis es schon fast zuviel war. Konnte ein Vampir sich überfressen? Es war schwer aufzuhören, doch konnte man auch zuviel trinken? Oder war mir nur übel, weil ich versucht hatte, meine Schuld zu verdrängen? Und damit die Gedanken an Bella. Ich lag auf dem feuchten Waldboden und starrte in die rot gefärbte, dünne Wolkenschicht, die das Untergehen der Sonne signalisierte. Der dritte Tag endete bald. Nicht mehr lange, dann würde sie eine von uns sein. Bella. Ein Vampir. Falls sie es denn überhaupt geschafft hatte. Falls ich nicht zuviel von ihrem Blut getrunken hatte. Sie lag in einem der Zimmer der Volturi und ich lag hier draußen. Meilen trennten uns voneinander. Meilen, die ein Vampir mit Leichtigkeit in nur ein paar Sekunden überbrücken konnte. Doch ich würde nicht wieder zurückkehren. Wenn sie ihre Augen - ihre purpurnen Augen - öffnete, würde sie nicht ihrem Mörder entgegensehen müssen. Carlisle war da. Das reichte vollkommen aus. Er konnte sich ihrer annehmen und ihr alles erklären. “...Sei da, wenn ich einer von euch werde...” Warum fiel mir gerade jetzt unser Gespräch ein? Sie hatte mich gebeten, bei ihr zu sein, wenn es soweit war. Und ich hatte es ihr versprochen. Sogar noch danach. Und jetzt lag ich hier und wollte ihr eigentlich nie wieder unter die Augen treten. Würde sie sich überhaupt noch an meinen Namen erinnern? Ich würde mein Versprechen aber auch nicht brechen. Ich durfte es ja eigentlich gar nicht. Sofort stand ich auf und rannte los, Richtung Volterra. Die Sonne senkte sich gen Horizont. Nur noch ein paar Millimeter, dann würde sie ganz verschwinden und ich könnte ungehindert durch die Stadt laufen, ohne Umwege zur Festung der Volturi. Ich hatte das Stadttor erreicht und hielt an. Meine Haut funkelte bei den letzten Sonnenstrahlen. Nur noch ein paar Sekunden. Drei Millimeter über dem Horizont. Zwei. Der Anblick meiner Haut schwächte ab. Das Glitzern erstarb. Ich konnte weiterlaufen. Die letzten Meilen bis zum Gebäude hatte ich in Windeseile hinter mir gelassen. Als ich in die Empfangshalle trat, sah der Rezeptionist auf, doch sprach mich nicht an. Er kannte mein Gesicht mittlerweile und hielt sich dementsprechend fern von mir. Der Weg hinauf in die Gemächer der Volturi dauerte nicht lange. Ich befand mich wieder in dem riesigen Flur und folgte Carlisles Geruch, der sich in einem der Zimmer hinter den meterhohen Türen am anderen Ende befand. Er war immer noch bei ihr. Doch sie hatte sich verändert. Durch die Augen meines Vaters konnte ich sie sehen. Ihre Haut war blasser, widerstandsfähiger. Ihre Venen waren nicht mehr zu erkennen. Kein Blut mehr zu sehen. Ihre Erscheinung war anders, ihre Form ausgeglichener. Nicht dass sie vorher nicht schon perfekt gewesen war. Ihre Haare glänzten, ihr Gesicht war ebenmäßig. Es hatte nicht mehr diese gequälten Züge von vor ein paar Tagen. Es sah friedlich aus. Ihre Augen waren geschlossen, als würde sie schlafen. Sie glich einem Engel. Nicht dem Monster, das wir darstellten. Wie konnte so ein Wesen ein Monster sein? Ein Dämon? Langsam konnte ich ihren Duft wahrnehmen. Er hatte sich ebenfalls verändert. Er war nicht mehr so zerbrechlich, wie ihr menschlicher Körper es war, und dennoch hatte er etwas angenehmes, beruhigendes. Er war viel intensiver als der alte. Ich mochte den alten. Ich liebte ihn. Doch ich mochte jetzt auch den neuen. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, fühlten sich meine Beine schwerer an. Warum hatte ich Angst davor, sie wieder zu sehen? Weil sie mich vielleicht nicht mehr kennen würde? Oder gerade weil sie sich an mich erinnern konnte und damit an das, was ich ihr angetan hatte? Ich bin froh, dass du wiedergekommen bist, Edward. Carlisle hatte mich bereits bemerkt, genauso wie der Rest der Vampire in diesem Anwesen. Von allen kannte er mich am besten und fragte deshalb auch nicht nach, wo und wie ich die letzten Tage verbracht hatte. Ich stand vor ihrer Tür, unschlüssig, ob ich hineingehen sollte, oder nicht. Doch dann hörte ich bereits die leisen Schritte meines Vaters. Im nächsten Moment öffnete er die Tür und sah mich mitfühlend an. Ich konnte einen Blick auf das Bett erhaschen. Auf Bella. “Es dauert nicht mehr lange, bis die Verwandlung abgeschlossen ist.” Ich nickte, ohne den Blick von ihr abzuwenden. “Willst du hereinkommen?” fragte er mich, doch ich schüttelte nur langsam den Kopf. Ich konnte nicht. So gern ich es auch wollte, ich konnte nicht in ihr Zimmer gehen. Endlich löste ich meine Augen von ihr und sah zu Carlisle. “Ich warte in der Empfangshalle, bis es soweit ist.” “Sie hat nach dir gefragt.” Noch ehe er seinen Satz beendet hatte, hörte ich es bereits in seinen Gedanken. Bella hatte in den letzten Stunden nicht nur einmal meinen Namen gerufen, oder besser gesagt, geflüstert. Ich ballte meine Fäuste und presste meine Lippen aufeinander. Ich hatte versprochen, bei ihr zu sein und war es nicht. “Ich müsste kurz mit dir reden”, holte er mich zurück in die Gegenwart. Obwohl ich schon wusste, worum es ging, nickte ich und folgte ihm zurück in den großen Flur. Es war niemand in unmittelbarer Nähe, sodass wir auch normal miteinander hätten reden können, doch Carlisle bevorzugte den gedanklichen Weg. Weißt du schon, wie es weitergehen soll? Ich gehe davon aus, dass du bei ihr bleiben möchtest, doch als Neugeborene können wir sie nicht mit nach Forks nehmen. Das wäre zu gefährlich. Ich konnte nicht auf seine Frage antworten. Ich wusste nicht, wie die Zukunft aussah. Meine Entscheidung hing von Bellas Entschluss ab. Was immer sie wollte, ich würde es tun. Sollte ich aus ihrem neuen Leben verschwinden, würde ich sofort auf einen anderen Kontinenten ziehen. Würde sie mich bei sich haben wollen, würde ich keine Sekunde mehr von ihrer Seite weichen. Wollte sie mich für mein Vergehen betrafen, so würde ich es hinnehmen. Selbst den Tod. “Ich warte ab, was Bella möchte”, flüsterte ich und biss mir auf die Lippen. “Du kennst Aro besser als ich. Würde er sie mit uns gehen lassen, wenn sie sich dafür entscheiden sollte?” fragte ich ihn. Meine Haltung spannte sich an, während ich auf seine Antwort wartete. Carlisle zögerte einen Moment mit seiner Antwort. Ich hoffe es. Falls Bella eine nützliche Gabe erhält, wird er sicher darauf aus sein und versuchen, sie für sich zu gewinnen. Wenn meine Vermutung allerdings richtig ist, wird es nie dazu kommen. Auch ohne dass er seinen Gedanken weiterführte, wusste ich, worauf er hinaus wollte. Für ihn war Bella bereits meine Gefährtin. Das, was einst Rosalie werden sollte, als er sie verwandelt hatte. Eine Hoffnung, die nie Realität wurde. Jetzt gab es eine ähnliche Situation, aus der selbst ich den Glauben gezogen hatte, Bella würde an meiner Seite bleiben. Doch nun war ich mir nicht mehr so sicher. Eine Bewegung in der Ferne ließ unsere Köpfe synchron in Bellas Richtung drehen. “Sie regt sich”, sagte ich in gedämpftem Ton. Carlisle nickte. Du solltest zu ihr. Sie möchte dein Gesicht bestimmt als erstes sehen, wenn sie ihre Augen öffnet. Ungläubig drehte ich meinen Kopf zu ihm. Er lächelte mich nur an. Ich bin mir sicher. Glaub mir. Ich verharrte trotz seines Zuspruchs in meiner Position. Plötzlich waren mehrere leise Schritte zu hören, die sich momentan in der Empfangshalle befanden. Eine Gruppe von fünf Vampiren, alle aus der Garde der Volturi. Wimmern und Schluchzen zwischen ihnen. Es hatte sehr viel Ähnlichkeit mit den Geräuschen von Kindern. Und obwohl ich es mir im ersten Moment nicht vorstellen konnte, so sah ich sie bereits in den Köpfen der Wächter. Es waren Kinder. Ebenfalls fünf. Drei Jungs und zwei Mädchen. Ich schätzte ihr Alter auf ungefähr acht. Sie schlichen zwischen den großen, rotäugigen Vampiren mit verängstigten Gesichtern. Soviel Furcht lag darin, dass sie noch nicht einmal in der Lage waren, zu schreien. Nur leises Gejammer. Die Lüge, die ihnen aufgetischt wurde - mit der sie hierher gelockt wurden -, glaubten sie keine Sekunde lang. Sie wussten nicht, wo sie waren oder was die Männer vorhatten. Die Volturi mussten sie aus einer anderen Stadt verschleppt haben, auf Caius’ und Aros Befehl hin. Hatten diese Monster nicht erst vor ein paar Tagen getrunken? Waren sie so süchtig danach oder wollten sie diese schutzlosen Wesen nur quälen? Die Garde konnte sich kaum zurückhalten, so süß roch das Kinderblut für sie. Es gab selten Aufträge, in denen sie eine so junge Beute beschaffen mussten. Ich zischte leise bei dem Anblick. “Was ist los?” fragte mich Carlisle, während mein Blick auf die Eingangstür geheftet war. “Das wirst du gleich selbst sehen”, presste ich hervor. Schon im nächsten Augenblick ging die Tür auf und die Gruppe kam in Sichtweite. Mein Vater sah entsetzt auf. Sie haben doch wohl nicht vor… “Davon gehe ich aus”, antwortete ich ihm. “Edward?” hörte ich jemanden sagen. Leise und doch laut genug für mich. Sofort drehte ich mich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. In der Bellas Zimmer lag. Ich hatte diese Stimme nie zuvor gehört. Und trotzdem gab es bestimmte Facetten darin, die mir mehr als bekannt vorkamen. Es war unverkennbar Bellas Stimme. Sie klang viel eleganter, mehr wie ein Harfenspiel, dennoch verursachte die Melodie darin ein wohliges Gefühl in mir. Genauso wie es ihre menschliche Stimme getan hatte. Die Volturi führten die Kinder an uns vorbei in den Flur hinter uns. Die verängstigten Gesichter schauten scheu auf und blickten uns mit schüchternen Augen an. Nicht den Mut aufbringend, uns anzusprechen. Ihr Instinkt sagte ihnen, dass wir genauso gefährlich waren, wie die Männer, die sie umgaben. Mehrere rote Augenpaare betrachteten uns misstrauisch, ehe die gesamte Gruppe hinter der großen Tür verschwunden war. Meine Augen verengten sich. Wenn sie vorhatten, ihr Blut zu trinken, warum brachten sie die Kinder nicht ins Turmzimmer? Das war doch der Ort, an dem sie solche Rituale abhielten. Und plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Die einzige Person, die jetzt den größten Blutdurst hatte, befand sich hinter uns und war gerade dabei, aufzustehen. Ich konnte die Federn des Bettes hören, als sie sich langsam erhob. Die Volturi sollten die Kinder in ihr Zimmer bringen. Es war eine Art Geschenk. Und wahrscheinlich gleichzeitig Aros Plan, Bella auf seine Seite zu ziehen, indem er sie für menschliches Blut begeisterte. Er wusste, dass wir sie niemals mitnehmen würden, sollte sie sich entscheiden, Menschen zu jagen. So etwas würde unsere Existenz in Gefahr bringen. Wir lebten zu dicht an einer Stadt. Ich fluchte innerlich und knurrte laut. Edward? “Sie wollen Bella füttern”, erklärte ich ihm, noch während ich durch die großen Türen in den anderen Flur stürmte und auf ihr Zimmer zu rannte. Er folgte mir. Die Volturi standen vor der Tür Wache, um zu verhindern, dass eines der Kinder, die sich jetzt bereits bei Bella befanden, entkommen konnte. Ich stellte mich schon auf einen Kampf ein, doch überraschenderweise leisteten sie keinen Widerstand. Das einzige, dass ich von ihnen hörte, war leises Gekicher. Sollte ich mich Bella bei ihrer Jagd in den Weg stellen, würden sie dabei zusehen, wie ich mich einem Neugeborenen gegenüber beweisen würde. Neugeborene waren soviel stärker. Selbst wenn es mich das Leben kostete, würde ich nicht zulassen, dass Bella menschliches Blut trank. So ein Vampir sollte sie nicht werden. Ich wusste bereits wie viel Schmerz es verursachte, einen Menschen zu töten, selbst wenn es ein Verbrecher war. Doch ein Kind? Das konnte ich ihr nicht antun. “Bella!” schrie ich fast, als ich in ihrem Zimmer stand. Sie hatte sich bereits nach vorne gelehnt und fixierte ihre Beute. Die fünf hilflosen Menschenkinder saßen verängstigt und weinend in der Ecke neben mir. Jeder hielt sich an jedem fest. Ihre Augen vor Schreck geweitet und auf den Angreifer gerichtet. Bellas Augen - in einem satten Rot leuchtend - schnellten zu mir, als ich durch die Tür gestürmt war. Sie ließ ein warnendes Knurren ertönen. Sie sah in mir eine Gefahr. Jemand, der ihr ihre Beute stehlen wollte. Ich lehnte mich ebenfalls etwas nach vorne, für den Fall, dass ich mich verteidigen musste. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das sogar musste. Kampflos würde sie nicht aufgeben. “Bella? Hörst du mich?” versuchte ich es, hatte jedoch wenig Hoffnung, dass ihr Verstand gerade jetzt meine Stimme erkannte. Jetzt, wo ihr gesamtes Handeln von ihrem Durst gesteuert wurde. Gehetzt huschte ihr Blick zwischen den Kindern und mir hin und her. Vorsichtig ging ich ein paar Schritte auf sie zu. “Lauft weg”, flüsterte ich den Kindern zu, obwohl ich wusste, dass sie, falls sie meiner Anweisung folgten, von den Volturi vor der Tür wieder eingefangen würden. Keiner von ihnen regte sich. Sie hatten auch vor mir Angst und vertrauten mir nicht. Ich hatte auch keine Hoffnung, ihnen helfen zu können. Ich wollte sie nur aus Bellas Reichweite wissen. Ich wollte Bella beschützen. Für diese Menschen war es schon längst zu spät. “Macht schon”, befahl ich ihnen grob, ohne mein Gegenüber aus den Augen zu lassen. Einer von ihnen folgte endlich meiner Anweisung und allein schon das kleinste Zucken seiner Bewegung reichte aus, um Bella reagieren zu lassen. Ihre Beute wollte flüchten und das würde sie auf jeden Fall verhindern wollen. Zur gleichen Zeit wie sie, sprang auch ich und wir knallten gemeinsam auf den Boden. Sie war über mir und dementsprechend im Vorteil. Ich nutzte die kurze Zeit ihrer Verwirrung, weil ich mich ihr in den Weg gestellt hatte, und zischte den Kindern ein “Na los!” zu. Endlich hörten sie auf mich und setzten sich in Bewegung Richtung Tür. Wie ich es vermutet hatte, wurden sie von den Volturi aufgegriffen, doch diese schickten sie nicht wieder herein. Sie brachten sie jetzt ins Turmzimmer. Bella wollte ihnen bereits hinterher, doch ich hatte meine Beine in ihren verhakt und drehte sie auf den Rücken, sodass ich nun auf ihr saß. Ein Neugeborener konnte noch so stark sein, doch wenn er von seinem Blutdurst abgelenkt war und man ihm alle Bewegungsfreiheit nahm, hatte selbst er keine Chance. Glücklicherweise hatten wir Jasper in unserer Familie. Er kannte sich mit Neugeborenen aus. In seinen Gedanken hatte ich jede Menge Informationen zum Kampf mit jungen Vampiren gehört. Jetzt konnte ich es anwenden. Doch war das wirklich schon Bellas gesamte Stärke? Müsste ich nicht mehr Schwierigkeiten haben? Sie jetzt so zu sehen, schmerzte mehr als alles andere. Wie ich ihre Gelenke festhielt und sie sich unter meinem Griff wand, während ihre Augen mich wütend anfunkelten und sie mich anknurrte. Wenn sie jetzt doch nur auf mich hören könnte. Wenn ihr Instinkt sie nicht vollkommen beherrschen würde. “Bella”, versuchte ich es abermals und musste mich selbst immer wieder davon überzeugen, sie nicht einfach loszulassen. Langsam beruhigte sie sich, obwohl sie immer noch nach mir schnappte. War das eine Taktik von ihr? Mich in den Glauben zu lassen, im Vorteil zu sein, nur um dann zum erneuten Angriff überzugehen? Nein. Junge Vampire konnten nicht schon nach ein paar Minuten eine Kampfstrategie entwickeln. Doch ich kannte Bellas Gedanken nicht und somit hatte ich auch keine Ahnung, was in ihr vorging. Ihr Verstand blieb mir verschlossen. “Bella… beruhige dich”, flüsterte ich auf sie ein, doch sie sah mich weiterhin zornig an. Dann ganz langsam entspannten sich ihre Züge und ihre Bewegungen wurden ruhiger. Konnte ich es wagen, mich aufzurichten? Einen Versuch war es wert. Vorsichtig rückte ich ein Stück von ihr herunter und stellte mich auf meine Knie, wobei ich ihre Gelenke immer noch festhielt. Ihre Augen folgten jeder meiner Bewegungen und sie erhob sich ebenfalls, während ich ihre Hände hinter ihrem Rücken verschränkte. Ihr Blick ruhte auf mir und ich erkannte das Verlangen darin. Ich ging davon aus, dass es dem Blut galt, doch die Kampfeslust war mit einem Mal verschwunden. Nur eine seltsame Art von Sehnsucht spiegelte sich darin wider. Für einen Augenblick war ich verwirrt und dieser kleine Moment der Unachtsamkeit reichte aus, um ihr die Gelegenheit zu geben, ihre Hände zu lösen. Doch anders als erwartet schlug sie nicht auf mich ein oder flüchtete. Nein, sie legte ihre Finger auf meine Wangen und betrachtete mich voller Neugier und Erstaunen, während sie mit den Fingerspitzen langsam über meine Haut fuhr; meine Augenlider, meine Nase, meinen Mund. Ihr Kopf senkte sich gen meinem. Und kurz bevor wir uns trafen - bevor unsere Lippen sich berührten -, formten sie “Edward…” Plötzlich explodierte etwas in mir. Die Berührung löste ein regelrechtes Feuerwerk aus. So zart war der Kuss. Und gleichzeitig besiegelnd und unendlich. Wir verschmolzen miteinander, unsere Bewegungen waren aufeinander abgestimmt, unsere Körper synchron. Jeder Teil von mir antwortete auf jeden Teil von ihr. Wir waren eins. All die Sorgen und Vorwürfe der letzten Tage fielen auf einmal von mir ab, als hätte es sie nie gegeben. Mein Vater hatte Recht. Alice hatte es von Anfang an gewusst. Ich hatte meine Gefährtin gefunden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 10: Philosophie der Wenigen ----------------------------------- Gary Barlow - Forever Love http://de.youtube.com/watch?v=2faugTmImQI ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so verharrten. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich jegliche Relation zur Zeit verloren. Nicht dass es mir etwas ausmachte. Ganz im Gegenteil. Mit Bella bei mir kam mir die Unendlichkeit fast wie ein Geschenk vor und nicht wie ein Fluch. Und sie schien genauso zu fühlen wie ich. “Wie?” wollte ich wissen, noch völlig außer Atem. Dabei war es doch eigentlich gar nicht nötig, zu atmen. Und dennoch war es die alte Angewohnheit, die von unserem Leben als Mensch übrig gewesen war. “Wie hast du das geschafft? Wie konntest du dich auf einmal selbst so beruhigen?” “Ich weiß nicht”, hauchte sie, meinem Gesicht immer noch so nah, sodass ich jede Facette ihrer makellosen, reinen Haut erkennen konnte. Ihre karmesinroten Augen, die jeden Millimeter meines Gesichts erkundeten, ihre kleine Nase, die meine wie einen Lufthauch streifte, ihre vollen, geschwungenen Lippen, die sich zu einem atemberaubend schönen Lächeln verzogen und deren Rot so magisch leuchtete, dass ich mich allein darin hätte verlieren können. Meine Hände waren eng um sie geschlungen, kein einziger Muskel dachte daran, sich zu lockern und sie je wieder preiszugeben. Genauso hatte sie mich in ihrer Gewalt. Ihre Finger bewegten sich kaum merklich zwischen meinen Haaren und dennoch verriet mir ihr Druck, dass sie nicht loslassen würde. “Du hast mich verwandelt, nicht wahr?” meinte sie. “Vielleicht ist dadurch so etwas wie eine Verbindung entstanden. Und als ich dich dann gesehen habe… Auch wenn es mir schwer fällt, mich an etwas zu erinnern. Dein Gesicht ist so klar wie ein Kristall… Nur dass mir die Emotionen tausendmal stärker vorkommen, die ich damit verbinde…” Mein Mundwinkel zuckte ungewöhnlich weit nach oben bei ihren Worten. Innerlich warfen sie mich völlig aus der Bahn. Sie bestätigten das, was ich gehofft hatte. Das, was mich davon überzeugen würde, eventuell doch eine Seele zu besitzen - oder jedenfalls meine nicht vorhandene mit Bella zu ersetzen - und sie als eine Art Geschenk zu betrachten. Ein Geschenk, ohne das ich nicht leben könnte. Mit dem ich die Unendlichkeit verbringen würde. Wie aus heiterem Himmel verkrampfte sie sich plötzlich und umklammerte meinen Nacken mit all ihrer neugeborenen Kraft, die mich beinahe dazu verleitete, vor Schmerz aufzustöhnen. “Halt mich auf”, flüsterte sie mit flehender, verzweifelter Stimme in mein Ohr. Schon in der nächsten Sekunde wusste ich, worauf sie anspielte und wütend grollte es in meiner Brust, als ich meine Umarmung so stark wie möglich festigte. “Carlisle, hilf mir”, sagte ich leise, wohl wissend, er würde es hören. Aro und die anderen hatten sich über die Kinder hergemacht. Bella konnte das Blut, dass nicht mehr nur in Venen floss riechen, genauso wie ich. Jetzt, da es sich offen in einem Raum befand und der Geruch sich noch stärker verbreitete, konnten wir ihn auch intensiver wahrnehmen. Vor allem Bella. Ich spürte ihren inneren Kampf, sich nicht von mir zu reißen und der Spur zu folgen. Ein kleines Knurren war bereits zu hören und ihr Kopf drehte sich gequält an meiner Schulter. “Kämpf dagegen an”, flüsterte ich ihr zu, in der Hoffnung, sie würde meine Stimme noch erkennen. Zu meinem Glück war mein Vater jetzt bereits da und sah mich erst fragend an, ehe er von ganz allein darauf kam, was er zutun hatte. Er kniete sich hinter Bella und legte seine Arme um uns, so fest er konnte. Was ist los? “Aro”, erklärte ich, mich ständig darauf konzentrierend, nicht die Kontrolle zu verlieren, während Bella bereits gegen uns ankämpfte. “Er will sie zu sich locken. Er weiß ganz genau, wie Neugeborene auf offene Wunden reagieren, deshalb hat er die Kinder einfach blutend liegen gelassen.” Carlisle starrte mich fassungslos an. Die paar Millisekunden waren jedoch zu lange und Bella nutzte die kurze Unterbrechung unseres Widerstands aus. Ich schrie kurz auf, als sie mir in die Schulter biss und sich dann aus Carlisles Griff befreite, um aus dem Zimmer zu hetzen. “Verdammt!” fluchte ich und war ihr bereits auf den Fersen, gefolgt von meinem Vater. Wir passierten den Flur, die kleine, dunkle Kammer vor dem Turmzimmer und letztendlich den Raum dahinter selbst. Aro saß in einem der hohen Stühle, neben ihm Jane, Demetri und Felix. Alle drei betrachteten die Kinder, die sich in der Mitte vor Schmerzen wanden, und hätten sich am liebsten selbst auf sie gestürzt - Aro kümmerte es wenig. Das Gift musste bereits in ihren Blutbahnen sein und ihre Schreie erfüllten jede Ecke. Obwohl meine Kehle sich unangenehm zusammenzog und anfing leicht zu kratzen, als ich selbst das Blut roch, setzte ich meine Prioritäten so, dass das Aufhalten von Bella an vorderster Stelle stand. Glücklicherweise war ich immer noch der schnellste unter uns und so konnte ich mich auf sie werfen, ehe sie diese mitleidigen, schwachen Kreaturen erreichte. In letzter Sekunde erkannte sie die Gefahr, die von mir ausging und drehte sich zu mir, um mich abzuwehren, doch vergebens. Ich hatte bereits ihre Gelenke gefasst und sie zu Boden gedrückt, wobei sie immer wieder nach mir schnappte und zornig knurrte. Ein unangenehmes Ziehen entstand in meiner Brust, als ich sie so unter mir sah, wie sie gegen mich ankämpfte, während ich mich ihr mit aller Gewalt in den Weg stellte. Sie war die Letzte, der ich so etwas antun wollte. Und wenn ich ihr schon das Schicksal eines Vampires aufbürden musste, so würde ich doch nicht zulassen, dass sie etwas tat, das sie hinterher bereute. Ich konnte ihr ansehen, dass sie selbst litt, weil sie ihrem Instinkt folgen musste. Er war einfach noch zu stark, als dass sie so einfach die Oberhand über ihn erlangen könnte. “Bella, versuch es zu kontrollieren”, flehte ich, obwohl ich selbst wusste, dass das unmöglich war. Das erste Jahr eines Neugeborenen war schwierig und selbst danach hatte man es noch schwer, unter Menschen zu wandeln, ohne eine Gefahr darzustellen. Wie konnte ich da von ihr verlangen, sich bereits nach ein paar Stunden zu beherrschen? Carlisle war jetzt ebenfalls da und half mir, sie festzuhalten, während er sein Gesicht zu Aro gedreht hatte, der über die Situation belustigt schmunzelte. Wäre ich nicht mit Bella beschäftigt gewesen, wäre ich ihm ins Gesicht gesprungen. “Aro, was soll das?” hörte ich meinen Vater aufgebracht. Normalerweise war er die Ruhe selbst und nur selten ließ er sich von seinen Gefühlen leiten. “Carlisle. Mein alter Freund. Warum tut ihr dem armen Mädchen so etwas an? Blut zu trinken gehört zu unserer Natur und wenn sie sich so sehr danach sehnt, dann gewährt ihr doch diesen Wunsch. Einen Neugeborenen so leiden zu lassen, ist wirklich grausam, findest du nicht?” Ich knurrte warnend auf. Am liebsten hätte ich ihn in der Luft zerrissen, als ich seine zuckersüß gesäuselten Worte hörte. Wir würden Bella leiden lassen? Gerade das versuchten wir doch zu verhindern. Sie würde sich so viel mehr Vorwürfe machen, wenn sie die Kinder anfiel. “Verdammt, schaff sie hier weg, Aro. Bereite diesen armen Geschöpfen ein schnelles Ende, aber lass sie ihre letzten Stunden nicht so ängstlich und gequält verbringen”, sagte Carlisle eindringlich und so leise, dass nur Vampire es hören konnten. Ich sah ihm an, wie sehr es ihn schmerzte, sowohl diese Menschen als auch Bella so leiden zu sehen. Wie gern er ihnen geholfen hätte und doch musste er sich entscheiden. Entweder die Kinder oder… meine Gefährtin. “Aber, aber. Das ist mein Geschenk an unsere liebe Bella. Für ihre Neugeburt. Willst du es etwa ablehnen? Ich glaube nicht, dass sie das genauso sieht”, sagte Aro ruhig und freundlich, und mit einem Lächeln, das wenn es denn möglich wäre, mir eine Gänsehaut verpassen würde. “Warum lässt du die Empfängerin nicht selbst entscheiden?” Eine minimale Fingerbewegung und die beiden Wachen neben ihm kamen auf uns zu, um uns von Bella wegzureißen, die immer wieder knurrte und sich unter mir wand. Felix lächelte und Demetri grinste hinterhältig. Allein die Vorstellung, er würde Bella berühren, vielleicht auch nur minimal streifen, brachte mich fast zum Rasen. Wenn ich denn nicht damit beschäftigt gewesen wäre, sie festzuhalten. Für einen winzigen Augenblick jedoch genoss ich die Vorstellung, sie würde sich auf ihn stürzen und ihn überwältigen. Doch bereits in der nächsten Sekunde verblasste dieser Gedanke. Demetri hatte einfach zuviel Erfahrung mit Neugeborenen, als dass sie ihm hätte überlegen sein können. Wenn ich sie schon festhalten konnte - mit Carlisles Hilfe -, dann würde er erstrecht eine Chance haben. Und in genau diesem Moment wusste ich, dass es doch noch einen Ausweg gab. Denn wenngleich ich mich fragte, wie sie so waghalsig sein konnten und hierher kamen, hatte ich das Gefühl, dass Alice und Emmett uns helfen würden. Auch wenn ich Alice’ genaue Gedanken nicht hören konnte, weil sie diese mal wieder vor mir geheim hielt. Sogar Rosalie war in Volterra, wenn auch nicht in diesem Gebäude. Beide standen gerade vor dem Empfangstresen. Jeder zwei große, schwarze Koffer in der Hand. Sie mussten eine spezielle Beschichtung haben, denn obwohl Vampire die verschiedensten Materialien anhand des Geruchs erkennen konnten, so war mir das in diesem Fall nicht möglich. Der Inhalt blieb mir verborgen. Ich hoffte, das Alice’ Plan - ich musste einfach davon ausgehen, dass es einen gab - aufgehen würde. Keine Angst, Edward. Wir werden Bella mitnehmen. Bis jetzt hat deine Schwester schließlich alles geschafft, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, oder? Selbst in ihrem Kopf konnte ich ihr breites, überzeugtes Lächeln sehen, das mich sogar irgendwie beruhigte. Im nächsten Moment hielten Demetri und Felix inne, kurz bevor sie uns erreicht hatten. Aro wandte seinen Blick von uns ab und richtete ihn auf den Eingang. Er wusste bereits, wer zu Besuch kam und freute sich darauf. Auch ohne dass er die beiden je zuvor gesehen hatte, wusste er doch anhand meiner Gedanken, wie sie rochen. “Ah, sie sind da”, bemerkte er freudig und stützte seine Wange auf seine Faust. “Ich bin wirklich gespannt, warum sie hier sind. Lasst sie hinein.” Ein junger Vampir, der sich im Zwischenraum befand, ging zurück zum Tresen, um meine Geschwister zu uns zu bringen. Bellas Kopf regte sich ebenfalls in Richtung Eingang, doch wieso war ihr das überhaupt möglich? Sie war mitten im Blutrausch und konnte dennoch Veränderungen in ihrer Umgebung wahrnehmen? Allerdings hatten wir jetzt noch mehr zutun, als vorher. Sie wehrte sich energischer und heftiger, schlug wilder um sich und schnappte immer wieder nach Carlisles und meinen Händen, oder unseren Gesichtern. Was ist mit ihr los? Meinem Vater schien die Veränderung ebenfalls aufgefallen zu sein. Ich schüttelte nur meinen Kopf, während ich damit zutun hatte, nicht mein Gleichgewicht zu verlieren, als sie ihren Körper immer wieder in die Höhe bäumte. Ich kämpfte schon mit aller Kraft gegen ihre Attacken an, doch ich wollte nicht versuchen, noch mehr zu mobilisieren. Ich konnte das einfach nicht. Edward… Auch ohne dass ich mich umdrehen musste, wusste ich, dass die beiden nun ebenfalls im Turmzimmer waren, ihre Körperhaltung ein wenig angespannt bei dem Geruch des Menschenblutes. Sie lächelten, wobei Emmett etwas unschlüssig wirkte. Ich weiß zwar nicht, warum gerade ich mitkommen sollte, aber wenn ich dir bei dem, was du da machst, helfen kann, dann hab ich nichts dagegen. Ein bisschen Action ist immer gut… Er dachte daran, mit Bella zu kämpfen. Ich musste den Drang, ihn anzuknurren, unterdrücken. Meine Schwester hatte niemandem etwas genaues gesagt - und ich dankte ihr innerlich, dass sie vorher ausgiebig jagen waren -, wie konnte er da wissen, wen wir versuchten aufzuhalten? Wer da unter mir lag? Warum sind die beiden hier? wollte Carlisle wissen und betrachtete mich mit gerunzelter Stirn. “Keine Ahnung”, flüsterte ich ihm so leise zu, dass nur er es verstehen konnte. Auch wenn ich vermutete, dass sich mehr hinter ihrem Besuch verbarg, als es den Anschein hatte. Doch ein weiteres Wort konnte ich nicht wagen, ohne eventuelle ungewollte Mithörer zu haben. “Alice, Emmett”, begrüßte Aro sie freundschaftlich und breitete seine Arme aus, als träfe er zwei alte Bekannte. “Ich habe schon soviel von euch gehört. Es freut mich, euch einmal persönlich treffen zu können. Doch was genau führt euch hierher? Wollt ihr ebenfalls Bellas Weihe beiwohnen? Leider sträubt sich euer Bruder dagegen, ihr Verlangen zu stillen.” Sie erwiderten nichts, sondern bedachten ihn nur mit einem misstrauischen Blick. Ich kenne diesen Typen zwar nicht, aber er geht mir jetzt schon gewaltig auf die Nerven. Einmal mehr dankte ich Emmett dafür, dass wir in dieser Hinsicht gleich dachten. Genau wie er würde ich meinen Groll in diesem Augenblick gerne an Aro auslassen. “Oh, wir sind gekommen, um es Bella etwas leichter zu machen”, meinte Alice fröhlich, vielleicht sogar ein klein wenig arrogant. Und natürlich kannte sie ihren Namen schon. Aro schob die Augenbrauen skeptisch zusammen, ehe sich seine Miene wieder entspannte. “Und wie genau stellt ihr euch das vor?” Jetzt kam Alice einen Schritt dichter, Koffer in beiden Händen - und Bella wurde noch unruhiger. “Wenn ich darf, würde ich Euch das gerne demonstrieren.” Aro war etwas unschlüssig, doch dann nickte er. “Nun gut.” Alice’ Grinsen wurde noch breiter und sie tänzelte leichtfüßig zur Seite des Raumes, um die Koffer vor sich auf den Boden zu legen. Meine Ungeduld und Frustration wuchsen von Sekunde zu Sekunde, in der ich versuchte, ihre Gedanken zu hören, doch noch immer blockierte sie mich. Als sie jedoch die Koffer öffnete, wusste ich plötzlich, was sie vorhatte. Ich konnte es riechen. Im gleichen Moment, in dem ich mich über die Idee freute, kam sie mir doch absolut sinnlos vor. Wenn ein Vampir die Wahl zwischen Menschen- und Tierblut hatte, würde er sich definitiv für das Erste entscheiden. Wie kam sie bloß darauf, ein Dutzend Blutkonserven mit warmem Tierblut mitzubringen? “Alice, was-” fing unser Vater an, doch sie unterbrach an. “Das werdet ihr gleich sehen”, lachte sie leise. Aro schien bereits misstrauisch, seine Wachen genauso. Abgesehen davon gefiel ihm nicht, dass sich unreines Blut in seinen Gemäuern befand. Doch meine Schwester ließ sich davon nicht ablenken. Sie packte eine Konserve nach der anderen aus und legte sie akkurat nebeneinander. Als sie dann alle auf dem kalten Steinboden verteilt hatte - es waren an die vierzig Stück, also insgesamt vierzig Liter -, kratzte sie mit ihrem Fingernagel einen so winzigen Riss in jede Packung, dass ein Mensch es sehr schwer hatte zu sehen, wie hauchdünne Rinnsäle an Blut hinaus quollen. Doch für uns war es deutlich genug und der Geruch war genauso intensiv wie der, der schreienden Kinder. Es war eindeutig Hirsch. Und Bella wurde langsam eine echte Herausforderung, so sehr wehrte sie sich gegen unsere Griffe. Ihr Knurren übertönte schon fast die Schreie. Wenn nötig musste ich noch Emmett um Hilfe bitten. “Alice, deinen Enthusiasmus in allem Ehren, aber was erhoffst du dir davon?” fragte Aro gelangweilt. “Sie hat ihre Beute genau vor sich. Du hättest dieses widerliche Zeug nicht mitbringen brauchen.” “Ich bin überzeugt, dass Ihr das genauso interessant finden werdet, wie ich”, grinste sie ihn an, ehe sie sich erhob und langsam auf uns zukam. “Du kannst sie loslassen, Edward.” Hatte ich mich gerade verhört? Ich sollte Bella…? In diesem Zustand? Wenn Alice mich kannte und wenn sie in ihren Visionen bereits das gesehen hatte, von dem ich fast überzeugt war, dann konnte sie unmöglich von mir verlangen, Bella so etwas anzutun. Ohne Umwege würde sie die fünf vom Gift gelähmten Personen attackieren und ihr Blut trinken. “Hör mit den Witzen auf”, zischte ich leise. Vertrau mir. Erst konnte ich ihre Überzeugung nicht nachvollziehen, doch dann ließ sie mich endlich in ihre Gedanken sehen, in ihre Visionen, die mir die Zukunft zeigten. Und da wusste ich, dass sie Recht hatte. Ich konnte Bella loslassen, ohne etwas befürchten zu müssen. Auch wenn ich mich immer wieder fragte, wie das möglich war. “Wir können auf Alice hören”, meinte ich zu meinem Vater und ließ meinen Widerstand bereits sinken. Er gab mir noch einen irritierten Blick, ehe Bella sich von uns losriss. Carlisle wollte sie noch aufhalten, doch ich hielt ihn am Arm fest. “Warte ab und sieh zu.” Noch ein fragender Blick seinerseits, dann sah er das, was ich bereits in Alice’ Kopf betrachten konnte. Und es erstaunte mich immer wieder. Sie sprang nicht auf die Kinder, sondern auf die Konserven zu, schlug ihre scharfen Zähne in das Hartgummi, das für menschliche Verhältnisse sehr widerstandfähig war und trank in großen Zügen das Tierblut. Aro, Felix, Demetri und Jane sahen nicht minder überrascht aus wie wir. Ein Vampir - ein Neugeborener -, der sich für animalisches Blut statt für menschliches entschied, obwohl sich Letzteres genau neben ihm befand. Das hatte es, soweit ich wusste, noch nie gegeben. “Wie?” fragte ich Alice leise, doch sie schüttelte nur den Kopf, während sie sich neben mich stellte. “Keine Ahnung. Ich habe nur gesehen, dass sie es bevorzugt. Ich glaube, sie mag das menschliche nicht sonderlich.” Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen, während ich stillschweigend dabei zusah, wie Bella eine Packung nach der anderen leerte. Vierzig Liter waren eine Menge und ich ging davon aus, dass Emmett die gleiche Anzahl bei sich trug. Womöglich für den Fall, es würde nicht reichen. “Wer ist das?” fragte Letzterwähnter mit gerunzelter Stirn, das Geschehen nicht ganz glaubend. Noch ehe ich antworten konnte, hatte Alice sich dazwischen geschalten. “Das ist Bella. Edwards Freundin”, meinte sie fröhlich. Ich wollte ihr etwas entgegnen, um ihr die Überzeugung, die in ihrer Stimme lag, zu nehmen, doch in Anwesenheit von Aro wollte ich keine Zweifel streuen, was Bellas Zukunft anging. Wenn es nach mir ginge, würde ich sie sofort mit nach Hause nehmen, doch da ich keine Ahnung hatte, was sie wollte, konnte ich darüber nicht bestimmen. Emmett kicherte bei ihrer Antwort. Hast du es endlich geschafft, ja? Wurde auch Zeit. Ich dachte schon, ich müsste mir für den Rest meines ewigen Lebens deinen gelangweilten Gesichtsausdruck ansehen. Ich gab ihm einen finsteren Blick, obwohl ich wusste, wie glücklich alle über so eine Wendung sein würden, sollte Bella bei uns bleiben. Carlisles alter Freund erhob sich jetzt und kam auf uns zu - seine Gedanken kreisten um Bella und ihre ungewöhnliche… Vorliebe, die er einfach nicht nachvollziehen konnte -, während er ganz nebenbei den Befehl gab, die Kinder wegzuschaffen, was bedeutete, dass sich die anderen über sie hermachen und dann die leblosen Körper beseitigen würden. Schweigend beobachteten wir, wie Felix und Demetri sich um die fünf schwachen Wesen kümmerten und sie aus dem Turmzimmer schafften, jedoch nicht ohne vorher noch einmal misstrauisch zu uns zu schauen, nicht sicher, ob sie Aro und Jane mit uns allein lassen konnten. Als würden wir in der Festung der Volturi einen aussichtlosen Kampf beginnen. “Du hättest sie nicht retten können”, redete ich leise auf meinen Vater ein, als ich seinen Gram hören und spüren konnte. Ich weiß… Bella trank mittlerweile etwas langsamer. Womöglich hatte sie bald genug. “Wie kann das sein?” fragte Aro ungläubig, als er nur ein paar Schritte vor Bella stand - meine Muskeln hatten sich schon für einen Sprung bereit gemacht, sollte er ihr zu nahe kommen - und sie völlig irritiert anstarrte. “Wie kann es sein, dass jemand instinktiv dieses… dreckige Blut bevorzugt?” “Vielleicht ist es ihre Fähigkeit”, mutmaßte Carlisle und grübelte unentwegt darüber nach. “So etwas soll eine Fähigkeit sein? Dabei hatte ich gedacht, ihre Widerstandskraft würde sich verstärken.” Aro schüttelte den Kopf vor Verblüffung. Eigentlich hatte er gehofft, ihr Selbstschutz würde sich nach der Verwandlung erweitern. Schon im nächsten Moment lächelte er uns freundlich an. “Hast du das gewusst, kleine Alice? Dass ihr hier jemanden findet, der perfekt in eure ungewöhnliche Philosophie passt?” “Na ja, so etwas in der Art könnte man sagen”, entgegnete sie leicht grinsend, während ihre schmalen Augen ihn wachsam musterten. Wir sollten uns langsam Gedanken darüber machen, wie es weitergeht. Vor allem mit Bella. Ich sah kurz zu meinem Vater, der die ganze Zeit wie gebannt auf unseren neugeborenen Vampir gestarrt hatte und immer wieder neue Theorien entwickelte, um sich ihr Verhalten zu erklären. Mittlerweile hatte sie die letzte Blutkonserve leer getrunken und saß nun an die Wand gelehnt auf dem Boden. “Wenn der Anführer der Volturi nichts dagegen hat, würde ich sie gerne mit in die Staaten nehmen”, sagte ich ruhig, während ich ganz vorsichtig auf Bella zuging, um sie nicht zu erschrecken. Sie sollte sich bei meiner plötzlichen Nähe nicht bedrängt fühlen. Aro sah mich überrascht an, dann setzte er wieder sein gespieltes Lächeln auf. “Ehrlich gesagt würde ich sie gerne noch ein bisschen hier behalten. Ich bin wirklich zu neugierig, wie sich diese ungewöhnliche Angewohnheit noch auf unsere Bella auswirkt.” “Ich denke, dass es ihre Fähigkeit ist”, erwiderte mein Vater und lenkte Aros Aufmerksamkeit auf sich. Nur ich wusste, dass er gelogen hatte. Er glaubte seine eigenen Worte keine einzige Sekunde. Für ihn war es wirklich nichts weiter als eine Angewohnheit, und keine richtige Gabe. Dennoch hatte er endlich eine mögliche Erklärung für ihr Verhalten. “Als sie ein Mensch war, hat sie uns erzählt, dass sie Blut riechen kann und ihr deshalb übel wird”, fuhr er fort. “Es kann durchaus sein, dass sich diese Abneigung jetzt, da sie ein Vampir ist, verstärkt hat. Tierisches Blut hat eine andere Zusammensetzung als menschliches und riecht auch dementsprechend anders. Wenn sie jetzt also immer noch diese Abneigung hat, und sei es auch nicht mehr ganz so extrem wie als Mensch, so würde es ihre Reaktion auf die Konserven erklären.” Ich stand jetzt bereits genau vor Bella und betrachtete jede ihrer Bewegungen, für den Fall eines Angriffs ihrerseits. Doch sie schien so etwas nicht in Betracht zu ziehen. Ihre Augen wanderten über die leeren Packungen, die Koffer daneben, bis sie letztendlich an mir haften blieben und mich eindringlich ansahen. Und wieder frustrierte mich die Tatsache, ihre Gedanken nicht hören zu können. Selbst für einen Menschen kniete ich mich ungewöhnlich langsam vor sie, ohne auch nur einmal meinen Blick abzuwenden. Sie folgte jeder meiner Bewegungen. Wie in Zeitlupe hob ich meine Hand und berührte ganz sanft ihre Mundwinkel und ihr Kinn, um das Blut, das daneben gelaufen war, wegzuwischen. Es zierte nicht nur ihre Haut, ein paar Spritzer waren auch auf ihrem Oberteil. Eigentlich mein Oberteil, mein Hemd. Mein Ring- und mein Mittelfinger fuhren mit leichtem Druck über ihre Wangen, ihren Kiefer und oberhalb ihres Mundes, um die roten Flecken zu entfernen, während mein Zeigefinger fast wie von selbst die blutverschmierten Konturen ihrer Lippen nachzeichnete. Sie hatte sie leicht geöffnet und ich konnte fühlen, wie ihr Atem meine Finger streifte. Jetzt hob auch sie vorsichtig ihre Hand und legte sie sachte auf meine Wange. Ich roch das Blut daran und in dem Moment, wo ihre Finger mein Gesicht berührten, wusste ich, dass das Blut jetzt ebenfalls an mir haftete und längliche Spuren hinterlassen würde. Und dann lächelte sie. Ihre schneeweißen, perfekten Zähne kamen zum Vorschein und ihre Augen, deren rötliche Farbe kaum abgeschwächt war, strahlten mich an. In meiner Brust machte sich ein warmes Gefühl breit, als würde mein totes Herz wieder anfangen zu schlagen und mit Lebenssaft durchströmt werden, während ich ihr Lächeln erwiderte. “Ich denke, wir sollten Bella entscheiden lassen, was sie möchte”, flüsterte ich, ohne meine Augen von ihr abzuwenden. Plötzlich war ich mir sicher, was sie wollte und es hatte sehr viel Ähnlichkeit mit meinem Wunsch. “Schließlich kann sie für sich selbst bestimmen.” “Das ist richtig, doch ich heiße es nicht gut, dass ein Neugeborener durch unsere Stadt wandelt. Das stellt ein viel zu großes Risiko dar. Ihre Vorliebe für dieses schmutzige Blut hin oder her”, konterte Aro gelassen. “Oh, ich denke, wenn wir die unterirdischen Geheimgänge benutzen, wird das kein Problem darstellen”, mischte sich Carlisle nun ein. Natürlich kannte er dieses Gebäude noch von damals, als er eine Zeit lang bei den Volturi gelebt hatte. “Und für die weitere Fahrt haben wir extra einen Privatjet gemietet. Ein öffentliches Flugzeug ist schließlich viel zu gefährlich”, ergänzte Alice freudig, woraufhin Emmett kurz mit seiner Bärenstimme lachte und die Resonanz seine Brust vibrieren ließ. Ein Privatjet. Deshalb wartete Rosalie draußen. Sie war der Pilot und am besten dafür geeignet. Alice musste das alles von vornherein geplant haben, weshalb sie auch so ruhig blieb. Aro sah die drei etwas missbilligend an. Er wusste, dass ihre Argumente schwer zu schlagen waren und jetzt setzte er auf Bellas Entscheidung. “Meine Liebe”, sprach er sie süffisant an. Beim Klang seiner Stimme huschten ihre Augen in seine Richtung. Sofort spannte sich ihr Körper an, als würde sie eine feindliche Aktion seinerseits erwarten. “Ich gehe doch recht in der Annahme, dass du genauso denkst wie ich, nicht wahr? Du weißt ebenfalls, dass es besser ist, noch eine Weile in diesen Gemäuern zu verweilen und dich nicht unnötig der Gefahr auszusetzen, eventuell Menschen anzufallen.” Für einen winzigen Augenblick flackerte Unsicherheit in ihren Augen, als sie seine Worte hörte und fragend sah sie zu mir. “Ich verspreche dir, dass wir so etwas nicht zulassen werden, Bella”, redete ich leise aber bestimmt auf sie ein und sah ihr tief in die Augen. “Ich…” setzte sie etwas unsicher an, ehe sie wieder zu Aro blickte. “Ich… möchte da sein, wo Edward ist… Wenn er nichts dagegen hat…” Einen kurzen Moment überraschten mich ihre Worte, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass Bella so etwas in Frage stellen würde. Vielleicht war sie auch einfach nur verunsichert, so sah es jetzt jedenfalls aus, als sie mich zögerlich anschaute. “Ich habe ganz bestimmt nichts dagegen”, antwortete ich ihr lächelnd und strich vorsichtig über ihre Wange. “Nun gut. Er kann natürlich auch hier bleiben. Ich habe überhaupt nichts dagegen. Ich begrüße seine Anwesenheit sogar. Seine Familie darf ebenfalls eine Weile bei uns sein.” Natürlich durften wir das. Und ganz nebenbei würde er versuchen, uns auf seine Seite zu locken. Doch bei diesem Spiel würden wir nicht mitmachen. Ich wollte bereits etwas sagen, doch Bella kam mir zuvor. “Es tut mir leid, aber… ich fühle mich hier nicht sonderlich wohl, um ehrlich zu sein. Außerdem vertraue ich Edward… Wenn er sagt, sie verhindern jede Gefahr, die von mir ausgehen könnte, dann glaube ich ihm… Außerdem wäre es für mich wirklich besser, bei jemandem zu leben, der das gleiche Blut bevorzugt wie ich, nicht wahr?” Aro sagte nichts. Gegen ihre eigene Entscheidung konnte er nichts machen und das wusste er. Würde er sie zwingen, würde das den Ruf der Volturi schädigen. Und beseitigen würde er uns auch nicht. Dafür hatte er noch viel zu viel Hoffnung, uns doch irgendwann in seinen Kreis zu ziehen. Und er mochte so ungern begabte Vampire auslöschen. Er überlegte hin und her, was die beste Lösung war. Letztendlich hatte er sich dann entschieden. “Na schön. Weil ich dich gern habe, gewähre ich dir deinen Wunsch unter einer Bedingung. Ich möchte dich bald wieder sehen. Wenn du dich besser unter Kontrolle hast und ungehindert durch Menschenmassen laufen kannst, komm uns hier in Volterra wieder besuchen. Ich möchte sehen, was aus dir geworden ist.” Das war eine kleine Bedingung, der wir nur zu gerne zustimmten, um endlich hier wegzukommen. “Okay. Versprochen.” Bella nickte kurz, dann erhob sie sich zusammen mit mir. “Natürlich brauche ich auch eine kleine Versicherung, dass ihr es ehrlich meint.” Zeitgleich mit seinen Worten hob Aro die Hand und ich wusste, dass er unsere Gedanken lesen wollte. Besonders die eines bestimmten Vampires. “Alice, meine Liebe. Wärst du so gütig und gewährst mir einen Einblick in die Zukunft?” Etwas ratlos sah sie zu mir, doch ich nickte nur. Er würde nichts entdecken, das ich nicht schon kannte. Es diente nur der Festigung unserer Abmachung. Ich nickte ihr zu und im nächsten Augenblick stand der dreitausend Jahre alte Vampir mit den langen, schwarzen Haaren vor ihr, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Alice legte zögerlich, und dennoch belustigt ihre Hand auf seine. In der nächsten Sekunde sah ich uns abermals in diesem Raum stehen. Bella an meiner Seite, genauso wie meinen Vater. Keine Gefahr ging von dieser Szene aus. Es würde alles gut gehen. Diese Tatsache beruhigte mich ungemein. Dennoch hatte Aro keine Ahnung, wie ungewiss diese Visionen waren und wie schnell sie sich ändern konnten. Als er sich wieder entfernte, seufzte er zufrieden. “Na schön. Ich freue mich schon auf unser baldiges Wiedersehen. Ein paar Wachen werden euch noch begleiten, bis ihr außerhalb der Stadt seid, nur um ganz sicher zu gehen, falls etwas unvorhersehbares passieren sollte…” Es war offensichtlich, dass er damit auf Bella ansprach. “Carlisle, du kennst den Weg durch die Katakomben?” Mein Vater nickte, ehe wir uns in Richtung Ausgang machten. Ich hatte einen Arm um Bellas Schultern gelegt, während sie ihre fest um meinen Torso gewickelt hatte, ihr Kopf an meiner Schulter. “Bis bald”, verabschiedete Carlisle sich noch von seinem alten Freund, dann standen wir bereits in dem dunklen Zwischenraum. Hier gab es eine weitere Tür, hinter der eine lange, steinerne Treppe in die unterirdischen Gänge führte. Ich hörte, wie Aro ein paar Wachen einen Befehl zurief und gleich darauf erschienen drei Volturi in grauen Mänteln hinter uns. Schweigend folgten wir meinem Vater tiefer unter die Erde. Der modrige, feuchte Geruch der alten Steinwände stach in der Nase; das leise Kratzen der kleinen Insekten in den Ritzen drang an unsere Ohren und unsere fast lautlosen Schritte hallten in der schmalen Form des Ganges wider. Für einen Menschen musste dieser Weg eine halbe Ewigkeit dauern, doch als Vampir überwanden wir die Strecke, die einige Meilen lang war, in nur ein paar Sekunden. Ehe wir uns versahen, standen wir bereits in einer Art Kellergewölbe, deren einzige Lichtquelle ein Loch sehr weit oben in der Decke war. Draußen war es immer noch Nacht. Wir konnten die Sterne am Himmel sehen. “Wir sind jetzt außerhalb von Volterra. Die Stadtmauern befinden sich in einiger Entfernung von diesem Eingang”, meinte einer der Wachen und deutete nach oben. Schweigend stellten wir uns unter die Öffnung, während die Volturi uns dabei beobachteten. Sie würden erst gehen, wenn wir draußen waren. Zu meiner Verblüffung konnte ich plötzlich Rosalies Gedanken hören. Sie stand nicht weit entfernt von diesem Ausgang und war etwas angespannt. Emmett war nicht bei ihr und sie machte sich Sorgen, weil sie immer noch davon ausging, dass wir uns in Volterra befanden. Wenn sie Alice nicht versprochen hätte, an Ort und Stelle zu bleiben, wäre sie schon längst hinterher gelaufen, um uns zu suchen. Doch jetzt musste sie ihr einfach vertrauen. Auch wenn es ihr schwer fiel. Bella schaute etwas unsicher hinauf. “Das ist ganz einfach, glaub mir. Du musst nur springen”, flüsterte ich ihr zu. “Und schon bist du oben. Carlisle macht es vor.” Dieser sah kurz zu uns und lächelte Bella beruhigend an, dann beugte er seine Knie kaum sichtbar ein und in der nächsten Sekunde stand er bereits oberhalb am Rand des Loches. Rosalie hatte ihn bemerkt und kam erleichtert auf ihn zu. Gleich darauf konnte ich ihr Gesicht in der Öffnung sehen, als sie auf uns hinabblickte. “Siehst du?” meinte ich zu Bella, bevor ich mich aus unserer Umarmung löste. “Ich werde als nächstes gehen, dann kommst du, einverstanden? Danach Alice und dann Emmett.” Sie nickte etwas nervös, wobei ihre Augen immer wieder die Höhe abzuschätzen schienen. Ich tat es meinem Vater gleich und kurz darauf stand ich neben ihm. “Edward, Gott sei Dank. Ich hab mir schon Sorgen gemacht”, begrüßte Rosalie mich vorwurfsvoll. “Ich weiß”, meinte ich, dann sah ich hinab in die Katakomben. “Bist du bereit?” fragte ich nach. Bella stand jetzt genau unter dem Loch und sah in die Höhe. “Das ist ganz einfach. Du brauchst wirklich keine Angst haben”, ermunterte Emmett sie grinsend und schlug ihr sachte auf die Schulter. “Das wird dir hinterher sogar Spaß machen.” “Okay.“ Sie sah ihn kurz zögerlich an, ehe sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Sprung lenkte. Und dann schoss sie bereits in die Höhe. Sie hatte sich etwas zu stark abgestoßen, denn sie flog ein wenig zu hoch. Als sie sich wieder dem Boden näherte, kam sie direkt auf mich zu. Ich wollte sie noch auffangen, doch irgendwie fielen wir doch auf den feuchten Boden. Sie über mir. “Entschuldigung”, murmelte sie verlegen, als sie ihren Kopf leicht hob und mich entschuldigend ansah. Ich konnte nicht anders, als zu kichern, während Emmett richtig anfing, loszulachen. Bella drehte sich verwirrt zu der Öffnung. “Das ist nur Emmett. Es gibt fast nichts, das seine Laune verderben könnte. Es sei denn, du schlägst ihn bei einer Wette,” erklärte ich ihr. Als sie sich wieder mir zuwandte, sah sie schon etwas erleichterter aus als zuvor. So langsam wich ihre Unsicherheit. Ganz vorsichtig nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und betrachtete jeden Winkel ihrer wunderschönen Erscheinung. Zaghaft strich ich mit meinen Fingern über ihre reine Haut, ihre Augenlider, ihre gerade Nase, ihre Schläfen, wobei ich ihr ein paar Strähnen zur Seite schob. Sie schien sich bei meiner Berührung wohl zu fühlen, als sie ihre Augen schloss und leise seufzte. Meine Mundwinkel schoben sich nach oben bei diesem Anblick. “Ist das dieser Gast, von dem du geredet hast, Alice?” fragte Rose sie leise und sah misstrauisch zu uns hinüber, nachdem sie Emmett erleichtert und ausgiebig begrüßt hatte und sich jetzt wieder aus ihrer engen Umarmung löste. Die anderen beiden waren mittlerweile auch an der Oberfläche und ich konnte hören, wie die Wachen sich jetzt entfernten. “Ja…” antwortete sie ihr fast schon feierlich und mit einem breiten Grinsen. “Das ist Bella. Sie ist Edwards zukünftige Gefährtin.” Als würden wir sie nicht hören können. Einerseits hätte ich ihr gerne etwas an den Kopf geworfen - auch wenn sie das wahrscheinlich vorher schon wissen würde -, andererseits fühlten sich ihre Worte auch ungemein gut an. “Du weißt, dass ich Recht habe, Edward.” Ich seufzte resigniert auf und Alice kicherte triumphierend. Rose wirkte überrascht. “Sie ist ein Neugeborener”, stellte sie fest und augenblicklich schmälerten sich ihre Augen. “Oh, hatte ich vergessen zu erwähnen, dass wir eine Zeit lang in Denali wohnen werden?” erwiderte Alice schmunzelnd. Sie hatte so einiges vergessen zu erwähnen. Ich stand auf und zog Bella mit mir auf die Füße. “Wir sollten uns erst einmal beeilen, hier wegzukommen bevor wir uns weiter unterhalten.” “Er hat recht”, pflichtete Carlisle mir bei und gemeinsam machten wir uns auf den Weg Richtung Jet, wobei ich Bella in eine feste Umarmung zog. Dankend erwiderte sie meine Geste. Ihre Anspannung ließ allmählich nach. Das kleine, weiße Flugzeug stand mitten auf einer riesigen Wiese und ich fragte mich kurz, wie sie es schaffen wollten, in die Luft zu steigen, ohne die Bäume des angrenzenden Waldes mitzureißen. Allerdings hatte ich vergessen, dass Rose der Pilot war. Sie würde es sogar schaffen, einen Jumbojet hier herauszufliegen. Das Flugzeug war von innen größer, als das Gehäuse von außen vermutete. Es gab vier Sitzecken - jeweils zwei an einer Seite -, die alle einen kleinen Seitentisch aufwiesen und in einem hellen Beige gehalten wurden. Die Kabine des Cockpits war nur zur Hälfte von zwei dünnen Wänden vom Passagierbereich getrennt. Rose setzte sich ans Steuer, die anderen drei nahmen in einer der vorderen Sitzgelegenheiten Platz, während ich mich mit Bella in die hintere, schräg gegenüberliegende niederließ. Sie wollten uns keinerlei Beachtung schenken und doch konnte ich Alice’ Schmunzeln, Emmetts tiefes Kichern und Carlisles resigniertes Seufzen - das definitiv den beiden ihm Gegenübersitzenden galt - hören. Mir war das jetzt relativ gleichgültig. Mehr als zufrieden schloss ich Bella in meine Arme und drückte sie fest an mich, während sie ihren Kopf an meine Schulter bettete und ich eine meiner Hände auf ihre Wange legte, immer wieder über ihre zarte Haut streichend. Ich gab ihr einen Kuss auf die Haare, schloss meine Augen, genauso wie sie und sog für einen unglaublich langen Moment ihren Duft ein, der sich in meinen Gedanken in tausend verschiedene Facetten spaltete und sich dann wieder zu dieser einmaligen Note zusammensetzte. Eine Note, dich ich niemals mehr vergessen würde. Nicht dass Vampire überhaupt etwas vergessen konnten. Doch jedes noch so kleine Detail von Bella würde sich in meinen Kopf einbrennen und mich für den Rest meiner Ewigkeit in ihren Bann ziehen. Ihr Geruch, ihre Stimme, ihre Bewegungen, ihr Anblick. Die Maschine startete und setzte sich langsam in Bewegung. Nicht mehr lange und wir würden wieder Zuhause sein. Bei den anderen. Wir wären dann wieder komplett. Nur dass das Wort dieses Mal eine andere Bedeutung haben würde. Denn auch ich war jetzt vollkommen. Ich hatte meine andere Hälfte gefunden, hielt sie im Arm und würde sie nicht mehr loslassen. Nie wieder. ~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 11: Die Antwort auf die Bedeutung der Ewigkeit ------------------------------------------------------ *räusper*...Ich bin mir fast sicher, dass viele gedacht haben, ich würde diese FF nie zuende bringen, was? Ich kann´s euch nicht verübeln. Es hat ja auch ne Ewigkeit gedauert, seit dm letzten Update...~.~°... Ich würde es euch auch nicht verdenken, wenn ihr nicht mehr wisst, worum es hier ging. Falls doch, würde ich mich freuen, wenn ihr das letzte Chapter dieser FF noch lest...^^ Andererseits muss ich sagen, dass ich die Pause hier gebraucht hab, sonst hätte dieses letzte Kapitel wahrscheinlich ganz anders ausgesehen. Ich hoffe, es gefällt euch...=) Kleine A/N: Ein Karibu ist ein Rentier und gehört zur Familie der Hirsche. OneRepublic - Come Home http://www.youtube.com/watch?v=rHjG7ouyEeA ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Für Menschen musste dieser Flug über den halben Globus eine Ewigkeit dauern, obwohl sie selbst diesen Ausdruck nie richtig begreifen könnten. Doch für uns war es nur ein Bruchteil der Zeit, die unserer Art zur Verfügung stand. So war unsere Reise vom heißen Volterra ins kalte Alaska vorbei, ehe sie überhaupt begonnen hatte. Ich erklärte Bella alles mögliche, während wir uns in der Luft befanden. Dass es außer den vieren, die sie bereits kannte, noch Esme, Carlisles Frau, und Jasper, Alice Mann gab. Dass wir Freunde im Norden hatten und dass wir die nächsten Jahre bei Tanya und ihrer Familie verbringen würden. Dass die Erinnerungen an das Menschenleben nach und nach verblassen würden. Dass das Leben eines Neugeborenen vorrangig aus seinem Blutdurst bestand und dass es erst nach einiger Zeit besser und leichter werden würde, ihm zu widerstehen. Dass sie sich dann auf alles konzentrieren könnte, was sie wollte. Beim Letzterwähnten hatte sie mir nur ein sehr langes und breites Lächeln geschenkt, gegen das ich gar keine andere Wahl hatte, als es zu erwidern, während ihre Augen funkelten. So wie sie jeden Millimeter von mir betrachtete, so schienen meine Finger das bestätigen zu wollen, was meine Augen schon längst wahrgenommen hatten, als sie ihre Konturen nachzeichneten. Nur vage nahm ich wahr, dass Emmett mich in Gedanken schon fast anschrie, um mir mitzuteilen, dass wir Alaska erreicht hatten. Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr lösen. Jetzt wo keine Gefahr mehr bestand, gab es auch keinen Grund, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Dennoch musste ich meine Augen von ihr abwenden. Zwar widerwillig, aber gleichzeitig konnte ich es nicht erwarten, sie meinen restlichen Familienmitgliedern vorzustellen. Vor allem Esme. Ich konnte sie mir schon ganz genau vorstellen und allein die Vorfreude darauf hätte mein totes Herz höher schlagen lassen. Von Alice vernahm ich ein amüsiertes Glucksen und Carlisle beobachtete uns mit einem zufriedenen Lächeln. Das gleiche Lächeln, dass auch Bella und ich auf den Lippen trugen. Rosalie setzte zum Landeanflug an. Es war ein kleines, privates Rollfeld, in der Nähe des Denali-Nationalparks. Die nächste menschliche Ansammlung war weit genug entfernt. Auch wenn Bella scheinbar Tierblut bevorzugte, war es doch besser, auf Nummer sicher zu gehen und keine unnötigen Risiken zu provozieren. “Alice?” richtete ich mich an meine Schwester, als der Jet zum Stehen kam. Ohne dass ich ein weiteres Wort sagte, wusste sie, worauf ich hinaus wollte. “Keine unangenehmen Unterbrechungen. Wir kommen ohne Komplikationen bei Tanya und ihrer Familie an”, verkündete sie mit einem sicheren Lächeln. Von ihrer Aussage und der Vision, die ich in ihren Gedanken sehen konnte, beruhigt, stiegen wir gemeinsam aus. Es war bereits wieder Nacht und die Wahrscheinlichkeit, in dieser abgelegenen Gegend auf einen Menschen zu treffen, war jetzt noch geringer als bei Tag. Carlisle und Alice gingen voran, Emmett, der liebevoll seinen Arm um Rosalie gelegt hatte, vor uns, während Bella und ich das Schlusslicht bildeten. Genauso wie mein Bruder seine Gefährtin in den Armen hielt, so ließ auch ich nicht von meiner ab und strich ihr immer wieder über ihren zierlichen Rücken. Erst als wir den Wald erreicht hatten, ließ ich sie los, damit wir unsere Geschwindigkeit erhöhen und unser Ziel in nur wenigen Minuten erreichen konnten. Doch aus Angst, sie während des Laufens zu verlieren, nahm ich sie bei der Hand. “Das ist also Alaska”, stellte sie fest und sah sich neugierig um. “Ja, dein neues Zuhause. Für Neugeborene perfekt. Die Jagdgebiete sind nicht allzu weit und die Orte, in denen Menschen wohnen, sind großflächig auseinander gestreut, sodass die Gefahr, dass du auf so jemanden triffst, eher gering gehalten werden.” Sie sah mich wie hypnotisiert an, dann lächelte sie. “Verstehe.” Kommt ihr? Ein Blick zu meiner Familie, dann wandte ich mich wieder seufzend zu Bella. “Die anderen werden ungeduldig.” Sie nickte und im nächsten Moment rauschten wir bereits durch das Dunkel der eng aneinander stehenden Bäume. Nach nur ein paar wenigen Minuten, in denen wir den Großteil der Strecke schon hinter uns gebracht hatten, blieb sie jedoch abrupt stehen und ich mit ihr. “Was ist?” fragte ich sie verwundert. Ihre ganze Haltung war leicht angespannt. “Vampire”, flüsterte sie. Jetzt schärfte ich meine Sinne, um ihre Vermutung nachzuprüfen, doch ich konnte nichts entdecken. Leise rief ich nach Carlisle, Alice, Rosalie und Emmett. Sie blieben ebenfalls stehen und kamen wieder zurück zu uns. Anhand ihrer Mienen und Gedanken wusste ich, dass sie ebenfalls niemanden bemerkt hatten. “Was ist los, Edward?” Mein Vater stand mir am nächsten und war der Ruhigste von allen. Der Rest war genauso auf der Hut wie wir. “Bella riecht andere Vampire”, erklärte ich. Die anderen konzentrierten sich nun ebenso und blickten wachsam in alle Richtungen. Alice war die erste, die sich wieder entspannte. “Ich sehe nichts. Da ist niemand, der uns entgegenkommen könnte. Weder Mensch, noch einer unseresgleichen.” “Sie sind da vorne”, meinte Bella und deutete direkt in unsere Laufrichtung. “Ich kann sie ganz deutlich wahrnehmen.” “Dort befindet sich nur Tanyas Blockhütte”, stellte Rose verwundert fest. Emmett grinste. “Vielleicht kann sie ihre Bewohner ja schon riechen.” “Red keinen Unsinn”, konterte seine Freundin, woraufhin er nur amüsiert dreinblickte. “Wir werden es erfahren, wenn wir weitergehen.” Carlisle beendete die kleine Diskussion, ehe sie überhaupt richtig entstehen konnte. Einer nach dem anderen rannte wieder los. Den Rest der Strecke über grübelte ich über den Kommentar meines Bruders nach. Auch wenn er ihn nur scherzeshalber ausgesprochen hatte, so konnte ich mich nicht der Vermutung entledigen, dass es tatsächlich so war. Dass Bella womöglich wirklich jemanden riechen konnte, auch wenn das normalerweise selbst bei einem Vampir auf so große Distanz nicht funktionierte. Kurz kam mir die Idee, ob es sich dabei um ihre Gabe handeln konnte. Tanyas Hütte kam in Sicht. Das riesige Haus, das sich zwischen den Bäumen ausbreitete, bildete mit seiner dunkelroten Farbe der Zedernholzstämme, aus denen es zusammengebaut war, nur einen schwachen Kontrast zu seiner Umgebung. Es bestand nur aus einem Erdgeschoss, doch war es groß genug, um uns allen genügend Platz zu bieten. Je näher wir kamen, desto langsamer wurden wir, bis wir schließlich nur noch in menschlicher Schrittgeschwindigkeit gingen. Bereits jetzt konnte ich die Gedanken der Personen in Inneren hören. Größtenteils waren sie nervös und Jasper hatte alle Hände voll zutun, sie zu beruhigen, obwohl er sich selbst Sorgen um Alice machte. Diese hatte ihnen vorher sogar noch versichert, dass wir heil zurückkommen würden. Anscheinend war alle Mühe umsonst gewesen. Sie sind wieder da! Erst als sie sich bewusst wurden, dass wir draußen standen und uns nicht mehr in Italien befanden, entspannten sie sich. Einer nach dem anderen passierte die Eingangstür und gelang in unser Sichtfeld. Jasper war der erste und in weniger als einer Sekunde an Alice’ Seite. Er hielt ihr Gesicht in seinen Händen und schenkte ihr einen Blick, dessen Intensität alles in den Schatten stellte, was ich bis jetzt miterlebt hatte. Und selbst wenn ich seine wortlosen Gefühle für sie in seinen Gedanken hören, sehen, ja sogar fast spüren konnte, als hätte ich seine Gabe, so wäre es mir doch unter anderen Umständen immer noch nicht ganz begreiflich gewesen. Jetzt aber, da ich Bella hatte, konnte ich ihn nur allzu gut verstehen. Zum ersten Mal. Und nicht nur ihn, auch die anderen. Rosalie und Emmett. Carlisle und Esme. Letztere war ebenfalls an die Seite ihres Mannes getreten und hatte ihre Arme so fest und gleichzeitig so erleichternd und liebevoll um ihn geschlungen, dass jeder Nebenstehende weiche Knie bekommen hätte, beim Anblick von soviel inniger Zuneigung. Tanya, Carmen und Eleazar folgten mit etwas Abstand. Was sich vor uns abspielte, verleitete mich automatisch dazu, Bella genauso an mich zu ziehen und mich von dem Gefühl dieser Berührung durchfluten zu lassen. Ich sog ihren unwiderstehlichen Duft ein und füllte meine Sinne mit jedem bisschen ihrer Anwesenheit. Ich verlor mich in ihrem Antlitz und konnte nur immer wieder wie in Trance ihre Haare zur Seite streichen, um noch mehr von ihrem wunderschönen Gesicht zu sehen. Wohlig aufseufzend schloss sie ihre Augen und schmiegte ihren Kopf in meine Handfläche, wodurch meine Mundwinkel sich ungewollt weit nach oben hoben. Langsam neigte ich meinen Kopf nach unten und legte meine Lippen sanft auf ihre Stirn, nur um mich nie wieder von dort zu lösen. Und doch drehte ich meinen Kopf in dem Moment zu meiner Mutter, als diese uns erblickte und ich hören konnte, was sie dachte. Oh mein Gott… Sie wäre, wenn es denn im Bereich des möglichen gestanden hätte, in Tränen ausgebrochen. Ihre Hand lag auf ihrem Mund, während sie sich mit der anderen an Carlisles Arm abstützte. Zum ersten Mal bekam ich wirklich das Gefühl, dass ein Vampir sein Gleichgewicht verlieren konnte. In ihren Augen lag so ein warmherziger Ausdruck, dass ich einmal mehr glücklich darüber war, sie als Mutter zu haben. Von allen war sie es, die mir mein Glück am meisten wünschte. Nicht dass der Rest meiner Familie anders denken würde. Nur war sie es, die am meisten mit mir litt. Oder besser gesagt, für mich litt, da ich ja nicht wusste, dass ich fast ein ganzes Jahrhundert unvollkommen war. Ich schenkte ihr ein viel sagendes Lächeln, welches ihr bestätigte, dass ihr jahrelanges Hoffen nicht umsonst war. Ich war bei meiner Verwandlung nicht zu jung gewesen und ich würde die Ewigkeit nicht allein verbringen. “Das ist Bella”, stellte Alice sie freudestrahlend vor, woraufhin diese ihren Kopf hob. Eine Neugeborene. Ich nickte Jasper zu. Er war ruhig und doch beobachtete er Bella wachsam. Kein einziges Mal ließ er sie aus den Augen, seit er sie erblickt hatte. Still folgte er jede noch so kleine Regung ihrerseits, als könnte sie jeden Moment eine unachtsame, oder feindselige Bewegung verüben. “Sie wird keinen anspringen, Jazz”, grinste ich, was ganz kurz einen seiner Mundwinkel nach oben zucken ließ. Man weiß nie. In diesem Stadium sind sie unberechenbar. Er war derjenige in unserer Familie, der in der Vergangenheit, bevor er zu uns gestoßen war, am meisten mit neuen Vampiren zutun hatte und mit ihnen umgehen konnte. Sein Wissen war für das nächste Jahr sehr von Vorteil. “Keine Sorge. Das kann ich kontrollieren. Außerdem sind wir in der Überzahl und Alice hat ihren Durst erst vor kurzem ausgiebig gestillt.” Darf ich?… Darf ich unser neues Familienmitglied in die Arme schließen? Wieder wanderte mein Blick zu Esme, die bereits Schritt für Schritt langsam auf uns zu kam. Ich musste unweigerlich leise lachen, als ich sah, wie sie es schwer hatte, sowohl Vorsicht als auch Sehnsucht miteinander zu vermischen. “Esme”, warnte Jasper sie, wofür ich ihm einen teilweise scharfen Blick zuwarf, weil Bella bei seinem harten Ton kurz zusammenzuckte. “Ich denke, das wird kein Problem sein”, antwortete ich meiner Mutter, während ich meinen Bruder ansah. “Hallo, Bella”, sprach sie, als sie direkt vor uns stand. “Hallo”, grüßte sie zurück und lächelte. “Das sind Jasper, Tanya, Carmen und Eleazar.” Esme deutete auf die genannten Personen, woraufhin Bella auch diese begrüßte. Das ist also das Mädchen, auf das du solange gewartet hast… Tanyas Gedanken waren eine reine Feststellung, die ich ihr nicht mehr bestätigen musste. Und auch wenn ich deutlich erkannte, dass sie mir mein Glück gönnte, so war der kleine, unterdrückte Teil, der ihre Enttäuschung widerspiegelte, doch noch herauszuhören. Sie hatte sich immer Chancen bei mir erhofft, zumal wir beide eine sehr lange Zeit alleine waren, doch ich hatte nie etwas anderes für sie empfunden, als Freundschaft. Und dem war sie sich bewusst. Ich löste mich von Bella und gleich darauf breitete meine Mutter ihre Arme aus. Sie zog sie nicht gleich an sich, sondern ließ ihr die Entscheidung. Doch entgegen jedem Zögern oder jeder Unsicherheit nahm Bella die einladende Geste an. Esme drückte sie fest an sich und rieb ihr mütterlich den Rücken. “Ich freue mich so, dich kennen zu lernen. Ich bin sicher, du wirst dich hier ganz schnell zurecht finden. Zur Not hast du ja Edward und der Rest von uns hilft dir natürlich auch sehr gerne.” “Danke”, hauchte sie, ehe sie wieder voneinander abließen. Esme umrahmte Bellas Gesicht mit ihren kleinen Händen und hielt auf ihren Wangen inne, während sie sie verträumt anschaute. “Und so ein schönes Kind”, seufzte sie. Nur nicht schöner als ich. Mein Kopf schoss in Rosalies Richtung. Einmal mehr, dass ich ihren Stolz miterleben durfte. Sie war immer noch nicht darüber hinweg, dass ich ihr damals, obwohl ich keine Gefährtin oder dergleichen hatte, nicht hinterher gelechzt hatte oder wenigstens ein wenig interessiert war. Nicht dass sie etwas in dieser Form für mich hegte. Sie war es einfach gewohnt, von allen Männern angehimmelt zu werden. “Für mich schon”, grinste ich süffisant. Ihre Augen wurden schmal und die Arme verschränkte sie vor der Brust. Fahr zur Hölle, Edward Cullen. “Tun wir das nicht sowieso alle irgendwann?” Sie verschwand Richtung Hütte, doch ich wusste, dass sie meine letzten Worte noch hören konnte. Emmett sah verwirrt zwischen uns beiden hin und her, bevor er seiner Angebeteten mit einem kopfschüttelnden Lachen ins Haus folgte. Ihr beide könnt auch nicht ohne, was? Von den anderen ebenfalls irritiert verfolgt, so kannten sie doch mittlerweile unsere unausgesprochenen Wortgefechte. Außer Bella. “Hab ich was falsch gemacht?” “Nein, nichts”, flüsterte ich ihr ins Ohr, als ich an ihre Seite trat und meinen Arm um ihre Hüfte legte. Esme war wieder ein paar Schritte zurückgegangen und betrachtete uns mit einem zufriedenen Lächeln. Ich freue mich so für dich, Edward. Ich musste darauf nichts mehr entgegnen. Mein Gesichtsausdruck war Antwort genug. “Bella?” fragte Carlisle und lenkte auf sanfte Weise ihre Aufmerksamkeit auf sich. “Mich würde wirklich noch interessieren, ob das hier die Vampire sind, die du gerochen hast.” Der Satz ließ alle Augenpaare um uns herum neugierig zu ihr wandern, obwohl nur die Hälfe wusste, auf was mein Vater anspielte. Bella sah in die Runde und sog einmal kurz die Luft ein, dann nickte sie. “Ja.” Erstaunlich… Sie konnte sie viel eher ausmachen, als wir… Ich frage mich- Weiter kam er nicht, da Alice uns mit einem theatralischen Seufzen unterbrach. “Oh je…” Gleich darauf sah ich es in ihren Gedanken. Unwillkürlich musste ich schmunzeln, denn selbst wenn Bella noch immer meine Sachen trug, war ihr Anblick einfach zu schön. “Weißt du”, richtete Alice sich an sie und lächelte traurig. “Eigentlich wollte ich dir etwas ordentliches zum Anziehen heraussuchen, doch wie es aussieht, kann ich mir das sparen. Du würdest sie eh gleich wieder schmutzig machen.” “Ich verstehe nicht, was…” fragte Bella und drehte sich hilfesuchend zu mir um. Doch noch ehe ich es ihr erklären konnte, schoss ihr Kopf Richtung Waldinneres und ein Knurren entrann ihrer Kehle, während sich ihre Muskeln anspannten und sie sich bereits meinem Arm entzog. “Was ist passiert?” Esmes Stimme klang leicht alarmiert, doch Alice beruhigte sie. “Sie hat nur schon wieder Hunger und womöglich irgendwo ein Tier bemerkt.” Weder ich noch einer der anderen konnten etwas riechen oder hören, geschweige denn sehen. Bella aber scheinbar schon. Sie war bereits ein paar Schritte von mir entfernt und fixierte etwas in dem dunkeln Dickicht. “Was soll das heißen?” hörte ich Jasper fragen, doch ich konzentrierte mich nur auf Bella, da ihre Bewegungen gerade in ein Rennen übergingen und ich ihr ohne Umschweife folgte. Der Rest von uns wollte schon folgen, vor allem Jasper, da er Angst hatte, ich könnte sie allein nicht aufhalten, sollten plötzlich Wanderer aus dem Nichts auftauchen, doch Alice stoppte sie. Carlisle und ich werden ihnen alles erklären. Ich wünsche dir viel Spaß beim Jagen, Edward. Meine Mundwinkel zuckten bei Alice’ fröhlicher Stimmung nach oben. Einmal mehr dankte ich ihr für das Vertrauen, die Hilfe und ihre Visionen. Vor allem letzteres, weil sie mich zu Bella geführt hatten. Und diese würde nicht weglaufen, dessen war ich mir bewusst. Da ich der Schnellste von uns war, würde ich sie auch jederzeit einholen können. So wie jetzt. Gemeinsam liefen wir durch die Bäume hindurch, bis sie mitten im Lauf zum Sprung ansetzte und sich nur wenige Meilen weiter auf einen Karibu stürzte. Ich blieb in einiger Entfernung stehen und betrachtete das Schauspiel. Ich wollte sie nicht verschrecken. Sie hatte sich im Nacken des Tieres festgekrallt, das gar keine Chance hatte, ihrer Attacke auszuweichen, so schnell war sie gewesen. Ein wenig von dem Blut lief daneben und ich konnte den strengen, animalischen Geruch wahrnehmen. Abermals erstaunte es mich, dass sie es dem Menschenblut vorzog. Und das aus ihrem Instinkt heraus. Man könnte sagen, sie war wie eine Art Anti-Vampir. Wenn wir uns von Tierblut ernährten, stillte das unseren Hunger nur soweit, dass wir uns besser unter Kontrolle hatten, doch das Ziehen in der Kehle war dennoch da, sobald wir an einem Menschen vorbeigingen. Für Bella musste es genau anders herum sein. So wie unser Verlangen nur durch menschliches Blut vollkommen befriedigt werden konnte, so würde es bei ihr nur das tierische schaffen. Das Innere meines Halses kratzte und signalisierte mir meinen eigenen Durst; meine Muskeln strafften sich bereits. Es dauerte nicht lange, bis Bella fertig war und ein zufriedenes Knurren ihrer Brust entwich. Gleich darauf schnellte sie in die nächste Richtung. Ich folgte ihr mit einigem Abstand. Als sie das nächste Tier entdeckt und angegriffen hatte, hielt ich selbst Ausschau nach einer geeigneten Beute und fand sie auch gleich ein paar Meilen weiter. Ein weiterer Karibu. Ich sprang auf ihn zu und schlug meine Finger und Zähne in seinen Leib, ehe er meinen Angriff überhaupt registrierte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in meinem Inneren aus, als das Blut über meine Zunge lief und meinen Rachen hinunterfloss, um das Zucken meiner Kehle mit einem lauten Seufzer zu beenden. Schon bald hielt ich den leeren, leblosen Körper in meinen Händen. Ich ließ ihn zu Boden fallen und suchte gleich darauf mein nächstes Opfer. Ein paar weitere Tiere erlagen meiner Jagd, bis ich meinen Hunger weitestgehend gestillt hatte. Ich wollte mich wieder Bella zuwenden, als mir schlagartig bewusst wurde, dass sie nicht mehr da war und ich keinen Geruch, keinen Hinweis finden konnte, wohin sie verschwunden sein konnte. Verdammt! Wie konnte ich nur so achtlos sein und meinen Instinkten freien Lauf lassen? Panik durchfuhr mich auf eine Art und Weise, wie ich sie selten erlebt hatte. Was wenn sich doch ein Mensch in diese Gegend verirrt hatte oder sie auf eine Siedlung oder eine Stadt traf? Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was für ein Horrorszenario entstehen würde. Doch in Alice’ Vision hatte ich nichts dergleichen sehen können. Nur Bella beim Jagen. Leider konnte ich nicht beurteilen, ob das Bild jetzt schon der Vergangenheit angehörte oder nicht. Viel schlimmer allerdings war der Gedanke, sie nie wieder zu sehen. Ich konnte nur hoffen. Hoffen, dass nichts weiter geschehen und dass ich sie schnell finden würde. Ohne weiter darüber nachzudenken, rannte ich los, so schnell ich konnte. Mit jeder Minute, die verging, mit jeder Meile, die ich hinter mir ließ, schwand meine Zuversicht. Was wenn ich in die falsche Richtung lief? Ich stoppte, als ich direkt an den Rand einer kleinen Lichtung kam. Die winzigen Tropfen, die nur schwach auf dem dunklen Gras hafteten, schimmerten silbern im Licht des Vollmondes. Der Himmel hatte sich geklärt und gab jetzt die Sicht auf das Firmament frei. Ein wenig erinnerte mich dieser Ort an jenen außerhalb von Forks, zu dem ich mich immer zurückgezogen hatte, wenn ich allein sein wollte. Ein seltsamer Gedanke entstand in meinem Kopf. Eher ein Bild. Bella und ich. Auf ebendieser Wiese und das Sonnenlicht ließ unsere Haut wie Diamanten funkeln. Während sich meine Beine wie von selbst in Bewegung setzten und weiter auf die freie Fläche vor mir wanderten, beschloss ich innerlich, Bella irgendwann zu dieser Lichtung zu führen. Falls ich sie denn überhaupt noch fand. Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir, ein Knurren. Im selben Augenblick, in dem ich mich umdrehte, sprang jemand auf mich zu und nur knapp konnte ich noch rechtzeitig reagieren und den Angreifer packen. Wir rollten über das feuchte Gras, bis ich mein Gewicht ein wenig verlagerte und mein Gegenüber mit aller Gewalt auf den Boden drückte. Der wütige Ausdruck in meinem Gesicht verwandelte sich in einen vollkommen perplexen, als ich erkannte, wer mich da breit angrinste und zwei perfekte Reihen schneeweißer Zähne entblößte. “Bella…!” “Hi…” sagte sie kaum hörbar und presste ihre Lippen zusammen, um ihr Kichern zu unterdrücken. Eine unglaubliche Erleichterung breitete sich in mir aus, als mir klar wurde, dass wirklich sie es war, die da unter mir lag. Sofort lockerte ich meinen Griff. Ich musste mir keine Sorgen mehr machen und sogleich fiel jede Anspannung von mir ab, als ich mich seufzend zur Seite rollte, dicht neben sie. Schulter an Schulter. Ich tastete auf dem Boden zwischen uns nach ihren Fingern und verschränkte sie mit meinen. Langsam hob ich unsere Hände an und platzierte sie etwas weiter oben links auf meine Brust, während ich demonstrativ tiefe Atemzüge nahm. “Ist dir eigentlich klar, dass wenn das hier noch schlagen würde, ich einen Herzinfarkt erlitten hätte?” Sie schmunzelte. “Tut mir Leid…” “Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, okay?” Obwohl ich versuchte, einen einigermaßen vorwurfsvollen Ton anzuschlagen, konnte ich ihr einfach nicht böse sein. “Es war einfach so verlockend, weißt du?” rechtfertigte sie sich amüsiert. “Das alles ist noch so neu für mich. Und dann kam mir auf einmal diese Idee. Du musst zugeben, ich hab dich überrascht.” “Nein, hast du nicht”, entgegnete ich und schloss meine Augen. “Ich hab dich schon vorher gerochen.” Das war die Wahrheit, auch wenn ich ihren Duft eigentlich nur ganz knapp vorher erfasst hatte. “Hattest du Angst, ich würde davonlaufen?” “Neugeborene haben sich noch nicht sonderlich unter Kontrolle. Bei jedem noch so kleinen Anzeichen von Blut gewinnt der Instinkt die Oberhand, wenn sie nicht völlig gesättigt sind, und dann kann ganz schnell etwas ungewolltes passieren.” Jetzt war sie es, die absichtlich laut ausatmete. (Yiruma - Moonlight http://www.youtube.com/watch?v=_xShdwcYOXE ) Eine Weile schwiegen wir und lauschten nur den Geräuschen des Waldes um uns herum. Das Zirpen der Grillen, das Rascheln der Blätter, das Knacken der Zweige auf dem Boden, wenn irgendwo weit entfernt ein Tier nachtaktiv wurde und durch die Sträucher und Farne schlich, das Flüstern des Grases, wenn der schwache Wind hinüber strich. Ich öffnete meine Augen wieder und betrachtete die Sterne am Himmel, ebenso wie Bella. Die winzigen Punkte, die am dunklen Himmel leuchteten und ihn regelrecht übervölkerten. Sie waren Lichtjahre entfernt, bildeten neue Universen und schufen neue Lebewesen. Und jede Art, jede Rasse hatte eine eigene Spanne des Lebens, einen eigenen Lauf der Zeit. So sehr sich die Menschen dieser Erde auch wünschten, neue, fremde Wesen zu entdecken und sie zu erforschen, es würde eine Ewigkeit dauern, bis sie jemals den notwendigen Fortschritt erreicht hatten und ein einigermaßen zufrieden stellendes Ergebnis in Erfahrung bringen konnten. Eine Ewigkeit, die eine einzelne Person nicht hatte. Eine Ewigkeit, dessen Bedeutung sie noch nicht einmal richtig einordnen konnten. In dem Moment, in dem sie anfangen würden, die Zeit an sich richtig zu verstehen, würde ihr eigenes Dasein schon wieder kurz vor dem Ende und nur durch formlose Erinnerungen in den Köpfen der Nachfahren weiterhin existent sein. Und dennoch hatten sie mehr von ihrem Leben als ich mir bisher je hätte wünschen können. Denn die Tatsache, dass sie nur eine begrenzte Zeit auf dieser Erde verweilten, hielt ihnen vor Augen, dass sie die ihnen gegebene Zeit so gut wie möglich nutzen sollten, um so wenig wie möglich zu verpassen. Als Vampir unterlag nichts einem Limit. Man konnte alles machen und musste auf nichts achten. Weder wie lange es dauern würde, noch wie teuer oder wie schwer es werden könnte. Man hatte alle Zeit der Welt. Man hatte die Unendlichkeit. Die meisten von uns gaben sich damit zufrieden, genossen diese Existenz sogar und kosteten sie in vollen Zügen aus. Sie fühlten sich erhaben gegenüber den schwachen Menschen, die sie als ihre Beute betrachteten, ohne dabei daran zu denken, dass sie selbst einmal zu dieser Rasse gehörten. Ich konnte nicht sagen, dass ich dieses Leben verfluchte, denn das würde bedeuten, dass ich meinen Schöpfer verfluchte. Gerade er war derjenige, der so ein Urteil nicht verdiente. Er verwandelte sein Dasein in einen Vorteil, um eben diesen hilflosen Geschöpfen, die ihr eigenes Glück nicht zu schätzen wussten, zu helfen. Dabei verdienten es viele von ihnen noch nicht einmal. Und trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass ich sie beneidete. Nicht wegen der Krankheiten, Hungersnöte oder Finanzkrisen. Nein, sondern weil sie Erfahrungen sammelten, die sie nur einmal machten, als Erinnerung behielten und von Zeit zu Zeit vermissen würden. Natürlich gab es unter ihnen einige, die ihre Erinnerungen einfach wiederholten, weil sie so schön waren. Doch die meisten taten das nicht. Dafür war die Spanne ihrer eigenen Gegenwärtigkeit zu kurz. Um wirklich sagen zu können, man hätte sein Leben nicht verschwendet und würde nichts bereuen, häufte man so viele verschiedene Eindrücke wie möglich an. Und als kaltes Wesen? Als Geschöpf der Nacht? Man musste sich nicht beeilen und konnte alles in Ruhe angehen. Und wenn man es dann geschafft hatte, konnte man das gleiche noch einmal von vorne beginnen. Doch was brachte es, Erlebnisse jedes Mal aufs Neue zu wiederholen? Man würde es solange durchführen, bis einem die Lust daran verging und die dabei entstandene schöne Emotion in eine nervige, meidende wechselte. Andererseits hatte man keine Wahl, wenn man nicht wie ein wahrhaftig Toter dahinvegetieren wollte. So hatte ich gedacht. Jede Stunde, jede Minute, die verstrich. Bis jetzt. Langsam stützte ich mich auf meinen Ellenbogen ab, rückte noch enger an Bella und beugte mich über sie. Wie konnte ich auch ahnen, dass es etwas gab, das meinem Vorhandensein einen Sinn gab? Eine Bedeutung, nach der ich scheinbar unbewusst gesucht hatte? Natürlich konnte ich es ständig in den Gedanken der anderen hören und sehen. Aber verstanden hatte ich es nie wirklich. Wie auch? Es gab keinerlei Anzeichen dafür. Das Gefühl, nur zur Hälfte zu bestehen, verspürte ich nicht. Keine einzige Sekunde seit meiner Verwandlung. Ein Komponist vermisst auch nichts, bis er zum ersten Mal vor einem Klavier steht und sich fragt, wie er es je ohne es aushalten konnte. Und dann schlug es ohne Vorwarnung auf mich ein. Auch wenn ich es anfänglich nicht wahr haben wollte. Es war die Antwort auf eine Frage, die jeder kannte und doch niemand ernsthaft aussprach. Menschen philosophierten darüber und kamen doch nie zu einem zufrieden stellenden Ergebnis. Sie entwickelten viele Theorien. Die eine abwegiger als die andere. Genau da unterschieden wir uns von ihnen. Für uns gab es nur eine tatsächliche Antwort. Eine, dessen Inhalt erst verständlich wurde, wenn man sie selbst gefunden hatte und dessen Intensität so stark war, dass sogar die Ewigkeit zu kurz schien, um sie vollkommen auszuschöpfen. Mit einem Lächeln betrachteten meine Augen jede noch so kleine Einzelheit ihres Gesichtes. Ihre blasse Haut schimmerte jetzt im Mondlicht noch heller und reiner als sie es eh schon tat. Ich war mir sicher, dass ein Engel nicht schöner hätte aussehen können. Meine Finger strichen durch ihr seidenglattes, weiches Haar, durch ein paar Strähnen über ihre Schläfe, entlang ihren Konturen bis hinunter zu ihrem Kinn. Meine Mundwinkel zuckten unweigerlich ein wenig nach oben, als ich bemerkte, dass sich noch etwas Blut an ihrer Halsbeuge befand. Auch auf ihrem Hemd prangten ein paar größere Flecken. Eines der Dinge, die sie noch lernen würde. Eine Berührung in meinen Haaren ließ meine Sicht wieder höher wandern. Ein sonderbar wohltuendes Funkeln lag in ihren leuchtend roten Augen, die jede Bewegung ihrer Hand folgten, als sie meine, vom Gras kaum feuchten Haare durch ihre Fingerspitzen zog und jeden noch so kleinen, wenn überhaupt vorhandenen Tropfen abstreifte. Letztendlich traf ihr Blick auf meinen und ein Lächeln entstand auf ihrem Gesicht, während unsere Augen sich gegenseitig anstrahlten. Jeder verlor sich in dem anderen, tauchte in die Tiefe ein und sog die darin enthaltene Erfüllung vollends auf. Das alles konnte man mit einem simplen Wort wie Liebe gar nicht ausdrücken. Und trotzdem war es genau das, was ich brauchte, um meinen Empfindungen in diesem Moment Ausdruck zu verleihen. “Ich liebe dich”, hauchten wir beide zur gleichen Zeit, unsere Stimmen einig mit dem Wispern des Windes, ehe unsere Lippen aufeinander trafen und unsere beiden Schicksale miteinander verschmolzen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Epilog: Only one last obstacle ------------------------------ Cirque Du Solei - Jeux d'eau http://www.youtube.com/watch?v=j80Pw-659Iw ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich fragte mich, wie es abgelaufen wäre, wenn wir uns unter anderen Umständen begegnet wären. Wenn sie nicht in unmittelbarer Gefahr geschwebt hätte, in der es keine andere Möglichkeit als eine Verwandlung oder den frühzeitigen Tod gab. Ihr Vater lebte in Forks. Was wenn sie auf die Idee gekommen wäre, ihn zu besuchen? Wäre ich ihr begegnet? Hätte ich mich dann zurückhalten oder ihr aus dem Weg gehen können? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Doch das alles war jetzt nicht mehr relevant. Sie war bei mir, würde bei mir bleiben. Jede Sekunde bis in die Ewigkeit. Ich wusste es, denn ich spürte es tief in meinem Inneren und ich konnte die gleichen Emotionen in ihren Augen erkennen. Die, die mich kaum einen Moment losließen. Weder zuhause noch außerhalb. Auch nicht in der Schule. Selbst jetzt in unserem Biologieraum gab es nur uns beide. Ihr Lächeln, das mich ansteckte, es mit der gleichen verliebten Intensität zu erwidern. Unsere ineinander verschränkten Hände, die in der Mitte des Tisches lagen. Mein Daumen kreiste über ihren Finger, genau genommen über den Ring meiner Mutter, der jetzt meiner besseren Hälfte gehörte und dort nie wieder verschwinden würde. An ihrer anderen Hand, an dem gleichen Finger, das Symbol unseres Bundes, das es auch an meinem Finger gab. Unsere Eheringe. Ein Band, das so fest war, das nicht einmal Vampire es auseinander reißen konnten. Ich nahm nur vage den Stoff des Lehrers wahr, und wenn er mich oder Bella heran nahm, konnte ich die Antwort in seinen Gedanken lesen. Die Schüler verstanden nicht, wie man mit so jungen Jahren bereits verheiratet sein konnte. Die Vorstellung fiel ihnen schwer. Sie gingen davon aus, dass es eh nicht lange halten würde. Es sei zu überstürzt. Wenn sie wüssten, wie alt wir wirklich waren… Zwanzig Jahre war es jetzt her, dass Bella verwandelt wurde. Ein Zeitraum, der viel zu schnell vorüberging. Jedoch musste ich nicht befürchten, dass mir die Zeit davonlief. Das konnte sie in unserem Fall nicht. Ich konnte weitere zwanzig Jahre mit ihr verbringen… und danach wieder zwanzig Jahre… immer und immer wieder… Mittlerweile konnte sie ohne Probleme durch Menschenmassen gehen, hatte ihren Blutdurst unter Kontrolle. Dass sie von vornherein auf Tierblut fixiert war, es bevorzugte, half ihr sehr dabei. Es gab in ihrem ersten Jahr sogar einmal eine Situation, in der sie kurz davor war, einen Menschen zu attackieren, weil er ihr unbedingt zu dicht kommen musste. Doch dank ihrer Fähigkeit, die wir schon sehr bald herausfanden, entdeckte sie in der Ferne ein paar Tiere und nahm sofort ihre Fährte auf. Selbst wir hatten die kleine Ansammlung an Hirschen noch nicht bemerkt gehabt. Bellas besondere Eigenschaft bestand nämlich aus ihren geschärften Sinnen. Schon als Vampir allein hatte man eine bessere Wahrnehmungskraft als Menschen, doch ihre war noch um einiges ausgeprägter. Sie roch, schmeckte, fühlte, sah und hörte sehr viel deutlicher als wir. Nach einigem Grübeln kamen wir zu dem Entschluss, dass ihre genaue Beobachtungsgabe, die sie als Mensch besaß, sich während des Vampirdaseins weiterentwickelt haben musste. Kein Wunder also, dass sie damals in Volterra das Blut in den Konserven bereits gerochen hatte, obwohl der Koffer noch verschlossen war und nicht einmal wir geahnt hatten, was sich darin befand. Ihre Fähigkeit passte perfekt in unsere Familie, denn genauso wie Alice’ Visionen und mein Gedankenlesen half es uns, mögliche Gefahren rechtzeitig zu entdecken. Gefahren, die zum Beispiel dazu führen konnten, entdeckt zu werden. Natürlich hatte so etwas auch seine unangenehmen Seiten. Ebenso wie es Dinge gab, dich ich partout nicht in den Köpfen anderer Leute sehen wollte, gab es Sachen, die Bella beispielsweise ungewollt mit anhören musste. Resigniert schloss ich meine Augen, als sich wieder einmal ein paar abstoßende Fantasien in meinen Kopf schlichten und ich dem Besitzer dafür am liebsten den Kopf abgerissen hätte. “Wer ist es dieses Mal?” fragte Bella amüsiert. Sie kannte es schon, wenn ich in diesem Ton aufseufzte. “Mr. Banner…”, flüsterte ich, sodass niemand etwas hören konnte. Man könnte es als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass unser Biologielehrer hier in Manchester genauso hieß wie der, den ich damals in Forks hatte. Oder aber auch einfach nur als Zufall. Zumindest war das Aussehen anders. Was die Gedanken anging, würden sie vermutlich dieselben besitzen. Und ich konnte es ihnen noch nicht einmal verübeln. Selbst in der Schuluniform, die hier Pflicht war, sah Bella unvergleichbar aus. Diese Meinung teilte ich mir mit jedem, der ihr über den Weg lief. Es machte mich innerlich rasend, wenn jemand anderes sie sich vorstellte. Egal in welcher Situation. Sanft drückte sie meine Hand, als sie meine Anspannung spürte. Ich sah sie an und das Lächeln, das sie auf den Lippen trug, ließ die Erinnerung an das eben gesehene verblassen. Es klingelte zum Ende der Stunde, gleichzeitig zum Ende des Schultages. Auch wenn ich normalerweise nicht erwarten konnte, dieses Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen, ließ ich mir heute doch soviel Zeit wie möglich. Denn das, was wir am Nachmittag vorhatten, würde ich am liebsten auf ‘nie’ verschieben. “So schlimm wird es schon nicht”, meinte Bella, als sie mich sanft aus dem Raum schob. Im Flur angekommen zog ich sie in eine feste Umarmung, stützte mein Kinn auf ihrem Kopf, der zur Seite gedreht auf meiner Brust lag, ab. Eine Weile verharrten wir schweigend in dieser Position und tauchten in unsere ganz eigene Welt, die sich in dieser vertrauten Zweisamkeit um uns herum bildete, ein. “Allein schon bei dem Gedanken, wieder zurück nach Volterra zu fliegen, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Und dich dann auch noch dahin mitzunehmen…”, flüsterte ich irgendwann in die Stille, während meine Hand sanft über ihren Rücken glitt. Wir hätten schon viel früher nach Italien fliegen und unser Versprechen Aro gegenüber einlösen können, doch bisher hatte ich es immer geschafft, es aufzuschieben. Nur leider konnte man das nicht endlos fortführen. Irgendwann würde dieser alte Vampir ungeduldig werden und dann womöglich selbst vorbeikommen oder jemanden schicken. Zuzutrauen war ihm alles. “Es wird nichts passieren”, versicherte sie mir. Ihre Stimme war unglaublich leise und ruhig, zur selben Zeit so hell wie ein Harfenspiel, und nicht das kleinste Anzeichen an Zweifel war darin zu erkennen. “Alice hat so oft in die Zukunft gesehen. Und nicht ein einziges Mal hat sich ihre Vision verändert.” Ich antwortete nicht. Ich hoffte einfach auf den Tag, an dem wir uns wieder in England befanden. Bella lehnte sich zurück und sah mir tief in die Augen. “Je eher wir aufbrechen, desto schneller sind wir wieder zurück.” Ich kam nicht umhin, bei ihren Worten leicht zu schmunzeln und als Dank für ihren Versuch, mich aufzumuntern, gab ich ihr einen langen Kuss auf ihre weichen, verlockenden Lippen. “Hey, ihr beiden. Der Unterricht ist schon lange vorbei.” Auch ohne dass ich mich von ihr lösen musste, wusste ich, wer gesprochen hatte. Trotzdem sah ich auf, um meinen Bruder, der direkt auf uns zukam und ein breites, teilweise aber dennoch verhaltenes Grinsen im Gesicht hatte, anzusehen. “Emmett…” Mein Angebot steht noch. Wenn ihr wollt, komme ich mit und stärke euch den Rücken. Ich schüttelte meinen Kopf. “Nichts da. Ich will so wenige wie möglich da mit hineinziehen. Rosalie würde mir außerdem den Kopf abreißen.” Bella sah mich erst ein wenig irritiert an, wusste dann aber sofort, worum es ging. “Um Rose werde ich mich schon kümmern”, meinte Em lachend. Ich war mir sicher, dass er einfach nur auf ein bisschen Abenteuer aus war. “Tut mir Leid”, entgegnete ich, lächelte ihn aber trotzdem dankbar an. Er seufzte resigniert auf und akzeptierte meine Entscheidung eher widerwillig. “Wie du meinst.” “Du hättest eh nichts davon”, meinte Bella auf einmal aufmunternd, kannte sie seine Vorlieben mittlerweile doch genauso gut wie wir anderen. “Das wird nur ein langweiliger Besuch bei ein paar steinalten Vampiren.” Mein Bruder grinste wehleidig. “Na kommt. Wir sollten uns auf den Weg machen. Wir müssen uns schließlich noch umziehen.” Damit zog sie mich an der Hand hinaus aus dem Gebäude, während Emmett hinter uns herlief. Die Fahrt nach Hause hätte ich lieber mit der Straßenbahn bewältigt. Nur leider fuhr die nicht in die Gegend außerhalb der Stadt, in der sich unser Haus befand. Im Westen von Manchester gab es eine weitläufige, größere Erhebung, der Black Hill. Die Wälder dort waren ideal zum Jagen. Die Lage war etwas abgelegen und ruhig, und es gab keine neugierigen Blicke. Als wir nach Hause kamen, war Carlisle schon vom Krankenhaus zurück und wartete auf uns. Esme, die in einer kleinen Firma in der Nähe einen Job als Architektin finden konnte, hatte sich heute extra frei genommen, um uns zu verabschieden. Schnell huschten Bella und ich in unser Zimmer in die oberen Stockwerke, um unsere Kleidung zu wechseln. Als wir wieder nach unten in die Vorhalle unseres Anwesens traten, war bereits der Rest unserer Familie versammelt. Bella und Alice schienen wirklich die Einzigen zu sein, die sich keine Sorgen machten, und auch Carlisle hatte nicht wirklich Bedenken, waren es doch noch immer seine alten Freunde aus vergangenen Zeiten. Ein Grund, warum wenigstens er uns begleitete. Mir würde es ebenfalls nichts ausmachen, wenn ich Bella nicht mitnehmen bräuchte. Aber genau deswegen mussten wir ja überhaupt erst dort hin. “Passt auf euch auf.” Esme nahm erst ihren Mann, dann mich und zum Schluss Bella in den Arm. Sie bedachte uns mit einem mütterlichen, fürsorglichen Blick. “Versprochen”, lächelte meine Gefährtin zuversichtlich. Dann kam Rosalie auf uns zu und schloss uns genauso in die Arme. Mittlerweile hatte sie die distanzierte Art Bella gegenüber abgelegt und sie wie alle anderen als einen Teil unserer Familie akzeptiert. Die ersten beiden Jahre war sie wirklich etwas… beleidigt, könnte man sagen, weil sie es einfach unverständlich fand, dass ich Bella so verehrte, und das, obwohl ich dem blonden Vampir, dessen Anblick, ihrer Meinung nach, mit niemandem mithalten konnte, kein einziges Mal seit ihrer Verwandlung Beachtung geschenkt hatte. Doch irgendwann hatte selbst sie eingesehen, dass ich einfach nicht anders konnte - oder wollte. Sie hatte verstanden, dass meine Liebe genau die gleiche Stärke hatte, wie ihre zu Emmett, Alice’ zu Jasper und Esmes zu Carlisle. “Kommt heil wieder zurück”, bat sie, während ein kleines, trauriges Lächeln ihre Lippen zierte. “Machen wir”, versprach ich. Du hast deine Meinung immer noch nicht geändert, oder? Emmett gab einfach nicht auf. Ich musste unwillkürlich grinsen, schüttelte aber wie beim letzten Mal den Kopf. “Keine Chance, Em.” Rosalie sah verwundert zwischen uns beiden hin und her, bis sie ihren Mann vorwurfsvoll gegen die Schulter boxte. Sie konnte sich denken, was er wollte. “Kommt nicht in Frage.” “Rose, Liebling. Das war nur ein Spaß.” Hatte er vorhin nicht noch behauptet, er würde das im Fall der Fälle mit ihr regeln? Ich musste leise kichern. Ich werd’ euch das übel nehmen, wenn doch irgendwas passiert… Ich erwiderte nichts und hoffte, dass wirklich nicht geschehen würde. Das wäre das letzte, was ich wollte. Sich mit den Volturi anzulegen, wäre reiner Selbstmord. Jasper spürte meine innere Unruhe und war dabei, sie zu lindern. Wenngleich er selbst sie auch nicht ganz ablegen konnte. Aber so war es nun mal, wenn man auf dem Weg zur herrschenden Klasse unserer Art war. Die, die über Leben und Tod jedes Einzelnen von uns entscheiden konnten. “Wir sehen uns übermorgen wieder.” Das war nicht einfach nur eine Floskel von ihm, sondern eher eine Abmachung, ein Limit, das wir nicht überschreiten sollten. Ich nickte ihm schweigend zu. Als letztes verabschiedete sich Alice von uns. Wie schon Esme und Rosalie vor ihr nahm sie uns in ihre zierlichen Arme und drückte uns fest. “Wärst du so freundlich?” fragte ich sie, als sie bei mir angekommen war, und ohne zu überlegen wusste sie, was ich meinte. Sie schloss ihre Augen und bereits wenige Sekunden später konnte ich uns in Volterra, in dem runden Turmzimmer sehen. Carlisle, Bella und mich. Wir standen Aro gegenüber, der gelassen und heiter in seinem großen thronähnlichen Stuhl saß und sich freudig mit uns unterhielt. Marcus und Caius waren zu beiden Seiten neben ihm. Marcus schien immer wieder verwundert über unsere innige Beziehung und wirkte schon fast wehmütig, als würde er etwas aus längst vergangenen Tagen vermissen, Caius schaute wie immer voller Verdruss und Langeweile zu uns und Aro warf ständig bewundernde Blicke auf Bella. Ihm gefiel ihre Fähigkeit, keine Frage, und dass sie dazu auch noch die anderer Vampire abwehrte, schien sie für ihn noch sympathischer zu machen. Und natürlich versuchte er wie jedes Mal uns auf seine Seite zu ziehen. Schließlich waren wir keine Durchschnittsvampire. In seinen Augen waren wir mit unseren Gaben etwas besonderes, das er sich nur ungern durch die Finger gehen ließ. Doch solange wir ihm keinen Grund lieferten, uns in die Ecke zu drängen, hatte er keine Möglichkeit, uns mehr oder weniger auf gezwungener Basis für sich zu gewinnen. In unserer Vergangenheit gab es keinerlei Vorkommnisse. Das konnte er nachprüfen, da er wie erwartet meine Gedanken, und damit auch die von jeder Person, in deren Kopf ich bis dahin gesehen hatte, lesen würde. Und auch in Zukunft würde es keine Gründe geben. Denn genau das würden wir so gut es ging vermeiden. Zum Ende kam das erfreulichste in der Vision. Wir verließen die Geschäftsfassade zusammen. Bella war an meiner Seite und es ging uns gut. Alice öffnete ihre Augen wieder und sah mich zuversichtlich an. “Keine unerwünschten Ereignisse.” “Danke”, lächelte ich ein wenig erleichtert. “Wenn ihr zurück seid, gehen wir mal wieder unsere Garderobe ein wenig aufstocken, okay?” meinte sie an Bella gewandt. Letztere nickte, musste aber dennoch ein paar tiefe Atemzüge nehmen. Eigentlich war sie gerne mit ihr unterwegs, nur hatte es meine Schwester an sich, die Dinge manchmal leicht zu übertreiben. Aber was war ihre Ausrede dafür noch mal? Sie hatte keinerlei Erinnerungen an ihr Menschenleben und musste das nun alles nachholen. Und das jetzt schon seit über hundert Jahren. Bella würde ihr auch fast keinen Wunsch abschlagen, waren sie doch schon sehr schnell die besten Freundinnen geworden. “Na schön. Wir sollten langsam aufbrechen”, meldete sich Carlisle zu Wort. Noch einmal sahen wir in die Runde, dann verließen wir das Haus und machten uns auf den Weg Richtung Flughafen. Die Reise durch die Lüfte dauerte nur ein paar Stunden, die ich bestens mit Bella an meiner Seite überbrücken konnte. Ihre Anwesenheit ließ mich alles um mich herum vergessen. Wo wir waren, wohin wir wollten… alles, was um uns herum geschah. Nur einmal machte mich mein Vater darauf aufmerksam, dass die Stewardess uns etwas gefragt hatte. Danach hatte sie jeden weiteren Versuch aufgegeben. Als wir in Mailand landeten, war die Sonne schon fast gänzlich hinter dem Horizont verschwunden. Wir hatten die Zeit genau abgepasst, sodass wir jetzt keine Probleme bezüglich des unangenehmen Auffallens hatten und unseren Weg ungehindert fortführen konnten. Wir verließen die Stadt zu Fuß und liefen dann in unserer normalen Geschwindigkeit durch abgelegene Gebiete, bis wir letztendlich in die Nähe einer nur allzu bekannten Stadtmauer gelangten. Eine, die ich hoffentlich heute zum letzten Mal sehen würde. Ich nahm Bellas Hand in meine und atmete noch einmal tief durch. Sie erwiderte den festen Druck. Das Lächeln, das sie mir schenkte, besänftige mein Unbehagen. Liebevoll strich ich ihr über die Wange, betrachtete ihre weichen, warmherzigen Züge und tauchte in das wunderschöne Gold ihrer Augen ein. Meine Fingerspitzen strichen kaum merklich über ihre glatte Stirn… ihre sich gerade schließenden Lider… ihre gerade, spitze Nase… ihre vollen, karmesinroten Lippen. Sachte fuhr ich die Konturen nach, musterte jede noch so kleine Falte, jede Zelle dieser zarten, dünnen Haut. Mein Daumen hielt an ihrem Kinn inne und drückte es ganz vorsichtig ein Stück nach oben, während ich zeitgleich meinen Kopf nach unten senkte, um ihr entgegenzukommen. Geschmeidig legten sich unsere Lippen aufeinander und verfielen der absoluten Hingabe des jeweils anderen. Der Gedanke, sich aus dieser Verbundenheit wieder zu lösen, verblasste mit jeder Sekunde und doch tauchte er am Ende wieder auf. Mehr widerwillig beendeten wir unseren Kuss, ohne jedoch unseren Blickkontakt und das damit verbundene, innige Strahlen zu unterbrechen. Sie warten bereits. Carlisles Gedanken ließen mich aufsehen. Ich seufzte, ehe ich wieder zur Stadt blickte. Hier hatte alles angefangen und hier würde dieses Kapitel auch enden. Die letzte Hürde, die genommen werden musste. Das letzte Hindernis, bevor ich mein gesamtes Leben einzig und allein der Person widmen konnte, die es erst vollkommen gemacht hatte. Bis in die Ewigkeit. Bis ans Ende der Zeit. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Soooooo, okay. Wir ihr seht, der Epilog. Ich hoffe, er hat euch gefallen. Ich hoffe, euch hat die ganze Story gefallen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die diese FF gefavt haben, bis zum Schluss durchgehalten haben, obwohl es manchmal wirklich sehr lange mit dem updaten gedauert hat und die mir vor allem ihre Meinung mitgeteilt haben. Ohne die hätte das alles vielleicht ganz anders ausgesehen... DANKE!!! ;)) Kommis sind natürlich immer wieder gerne gesehen. lg eure absinthe~... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)