La Tua Cantante von absinthe (Alice schickt Edward ohne Grund nach Volterra. Dort trifft er Bella, die Teil von Heidis (ein Vampir aus Aros Garde) Reisegruppe ist. Plötzlich muss er eine Entschidung treffen, die sein ganzes Leben verändern kann... EPOV) ================================================================================ Kapitel 9: My soul cries ------------------------ Desiree - Kissing You http://www.myvideo.de/watch/2670896/Desiree_Kissing_You ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich spürte plötzlich zwei Arme, wie sie sich zwischen mich und meine Beute drängen wollten. Ein Knurren der Warnung entwich meiner Brust, ohne dass ich das Trinken unterbrach. Zu süß war der Geschmack, als dass ich aufhören könnte. “Verdammt noch mal, jetzt helft mir doch endlich!” hörte ich Carlisles aufgebrachte Stimme. Nur ein paar Sekunden, dann kamen weitere Arme dazu, wie sie versuchten, mich wegzuziehen. Ich gab nicht nach. Ich knurrte nur noch lauter. Edward, wenn du nicht loslässt, reißen wir sie noch auseinander. Ich erstarrte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde und doch lange genug für die Anderen, mich von ihr wegzuzerren und gegen die Wand zu schleudern. Ich hatte einen kleinen Fetzen Haut von ihrem Hals rausgerissen, so festgebissen hatte ich mich. Sofort spuckte ich es aus. Meine Schultern und meine Arme wurden festgehalten. Ich schlug um mich, knurrte und brüllte, schnappte nach den Vampiren, die mich nicht loslassen wollten. “Edward, ruhig”, sagte Aro in einem besänftigenden Ton, doch ich achtete nicht auf ihn. Mein Blick fiel auf das, was sich langsam immer klarer vor meinen Augen visualisierte. Ein paar Meter direkt vor mir stand mein Vater. In seinen Armen der leblose Körper eines Menschenmädchens. Eines, das ich kannte. Eines, das ich nie in meinem Leben verletzen wollte. Meine Bewegungen froren ein. Ich war zu gefesselt von dem Anblick. Ihr regloser, schlaffer Körper, ihre blasse Haut, ihre geschlossenen Augen, das wenige Blut, das noch durch ihre Adern floss. So ruhig, dass selbst ich nicht sicher war, ob es überhaupt noch floss. Bella. Was hatte ich getan? Ich hatte mich gehen lassen. Ich hatte vergessen, was meine Aufgabe war… Benommen von meiner Schuld sackte ich auf die Knie, während die steinernen Arme der Volturi nicht von mir abließen. Ihre Gedanken verrieten, dass sie jetzt viel lieber Carlisle festhalten wollten, um sich auf Bella zu stürzen. Normalerweise würde ich wütend aufbrüllen, doch ich war wie gelähmt und konnte nichts weiter, als auf die beiden zu starren. Ich hatte sie verletzt, ihr wehgetan… Sie getötet. Ich schrie auf. So laut, dass es wahrscheinlich in ganz Volterra zu hören sein musste. Edward, beruhig dich. Sie lebt. Hörst du ihren Herzschlag denn nicht? Carlisles Gedanken waren kaum zu erkennen. Ich schrie abermals und schlug mit meinen Unterarmen auf den steinernen Boden, der sofort nachgab. “Alec, zeig unserem Freund Carlisle, wo er sie hinlegen kann”, wies Aro den jungen Vampir an, während seine Augen immer noch voller Neugier auf mir ruhten. Alec nickte und ging an mir vorbei Richtung Ausgang. Carlisle folgte ihm. Ich werde bei ihr bleiben. Du brauchst dir deswegen also keine Sorgen zu machen. Wie kam er darauf, dass ich mir Sorgen machen würde? Ein Schrei, der nicht von mir oder sonst irgendeinem Vampir stammte, durchbrach die Stille. Bella… Ihre Schmerzen mussten unerträglich sein. Mein Körper verkrampfte sich, als hätte ich selbst diese Schmerzen. Als würde ich meine eigene Verwandlung abermals durchleben. Eine erträgliche Strafe für das, was ich getan hatte und dennoch war es nicht genug. Die beiden - oder besser gesagt die drei - hatten den Raum bereits verlassen und ich konnte sie immer noch hören. “Wirklich sehr interessant”, meldete sich Aro wieder zu Wort. Es klang, als würde er mehr zu sich selbst sprechen, als zu jemand anderem. Dass du in der Lage warst, deine Kontrolle zu behalten… Wollte er mich auf den Arm nehmen? Ich hatte die Kontrolle verloren. Ich hätte Bella beinahe getötet. Und er betrachtete das ganze Schauspiel wie ein Experiment. Ich kann sehen, dass du meine Meinung nicht teilst. Dennoch konntest du dich kurz losreißen. Meine Wut schwoll an. Doch dieses Mal galt sie nicht mir allein. Meine Gedanken klärten sich ein wenig, obwohl ich immer noch den Geschmack von Bellas Blut auf meiner Zunge und meiner Kehle hatte. Mein Körper verzerrte sich nach mehr davon, doch mein Verstand hatte dem bereits abgesagt. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich nicht allein an ihren Schmerzen Schuld war, an ihrem Leid. Nein, hätten die Volturi mich nicht dazu gezwungen, wäre es nie dazu gekommen. Aro! Wie er dasaß. Das Gesicht friedlich, ein wenig amüsiert, während er mich betrachtete. Keine Spur von Reue oder Schuldgefühlen. Meine Fäuste ballten sich instinktiv, meine Haut spannte sich über meinen Knochen, meine Lippen schoben sich über meine Zähne. Ich ließ ein bedrohliches Knurren aus meiner Brust erklingen. Meine Augen fixierten all seine Bewegungen. Aro schmunzelte. Du bist wütend. Das kann ich verstehen. Ich wäre es auch, wenn mich jemand beim Trinken unterbrechen würde. Wieder drangen Schreie an unsere Ohren. Bellas Schreie. Mein Körper schmerzte erneut. Hörst du das? Ah, wie ich das vermisst habe. Es ist eine Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal so etwas vernehmen konnte. Es klingt einfach wunderbar. Findest du nicht? Er empfand Bellas Schreie als wunderbar. Noch ein Knurren, dann sprang ich wie aus Reflex auf ihn zu. Die Wachen hinter mir waren zu langsam, als dass sie noch rechtzeitig mein Vorhaben verhindern konnten. Marcus schien zum ersten Mal interessiert, Caius erhob sich, während Aro ganz ruhig sitzen blieb und mich neugierig und belustigt ansah. Ich hätte es vorher wissen müssen. Ich hatte keine Chance, ihn anzugreifen. Genauso schnell wie ich gesprungen war, genauso schnell hatte auch Jane reagiert. In mir brannte es. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Mit einem lauten Knall fiel ich auf den harten Steinfußboden und wand mich vor Schmerz. Dieses Mal unterdrückte ich nichts. Diesmal ertrug ich all die Qualen und widerstand dem Drang, mir zu wünschen, es würde endlich aufhören. So musste Bella sich gerade fühlen. Sie litt, also litt auch ich. Sie schrie, also schrie auch ich. “Jane, das ist genug.” Widerwillig folgte sie Aros Befehl und stoppte ihre Gedanken. Gleichzeitig fielen alle Schmerzen von mir ab und ich lag regungslos auf dem Boden. Meine Augen betrachteten die meterhohe Decke, dann schlossen sie sich und ich seufzte, als ich meine Hand über meine Augenlider legte. Edward, mach bitte keinen Unsinn. Carlisles Gedanken drangen an meine Ohren. Ich sah, wie Alec sie in ein geräumiges Gästezimmer geführt und Carlisle Bella auf das riesige Bett gelegt hatte. Alec selbst verschwand wieder, während mein Vater sich an den Rand des Bettes setzte und das Mädchen darauf angestrengt musterte. Ihre Gesichtszüge waren vom Leid gekennzeichnet. Sie schrie in unregelmäßigen Intervallen, mal lauter, mal leiser. Als versuchte sie, ihre Pein zu unterdrücken. Warum tat sie das? Kostete sie das nicht noch mehr Anstrengung? Waren ihr die Qualen der Verwandlung nicht schon genug? Mein Gesicht verzog sich bei ihrem Anblick. Ich presste meine Lippen aufeinander, um vor Wut nicht wieder zu schreien. Ich konnte es nicht länger ertragen. Mit einem Ruck stand ich auf den Beinen und ging mit schnellen Schritten Richtung Ausgang. “Wo willst du hin?” fragte mich Aro und sofort stellten sich mir Demetri und Felix in den Weg. “Nach draußen”, murmelte ich und funkelte die beiden vor mir an. “Ich würde vorher noch gerne deine Gedanken hören.” Aro klang ruhig und gelassen, als würde ihm eine Verweigerung nichts ausmachen, doch ich wusste es besser. “Ich möchte dich zu nichts zwingen, Edward. Ich kann verstehen, wenn du das nicht willst.” Natürlich zwang er mich nicht direkt, doch die Volturi waren nicht umsonst die meistgefürchteten Vampire der Welt. Sie brauchten keine Worte, um jemandem zu sagen, was er machen oder lieber lassen sollte. Ohne ein weiteres Wort hob ich meine Hand und starrte weiterhin auf die beiden Wachen vor mir. Im weniger als einer Sekunde spürte ich bereits die papierne Haut von Aros Hand und abermals sah und hörte ich all die Gedanken, die ich je in meinem Leben gedacht hatte. Die Aro bereits kannte, während andere neu hinzukamen. Bilder von Bella, Gefühle, Empfindungen… Dieser Teil war privat und dennoch hatte ich keine Wahl. Marcus hatte Recht… Unglaublich… Obwohl ich es in seinen Gedanken gesehen und gespürt habe, war es mir unbegreiflich. Doch es jetzt auch bei dir zu fühlen, zu hören… Und dann der Biss. Mein instinktgesteuertes Verhalten. Mein Hungertrieb und meine unbändige Sucht nach mehr, ohne Rücksicht auf Verluste… Ich kann mich nur immer wiederholen. Du hast eine erstaunliche Widertandskraft. Ich hatte mich keine Sekunde unter Kontrolle gehabt! Ganz im Gegenteil. Obwohl ihr Blut soviel mehr Verlangen in dir auslöst als jedes andere, konntest du dich einen Augenblick unterbrechen. An so einen Moment konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern… Es hat nicht lange gedauert, doch du hast kurz inne gehalten, als Carlisle dir mitgeteilt hat, ihr würdet sie auseinander reißen, wenn du nicht nachgibst. Darauf hatte ich keine Antwort. Ich wollte auch gar nichts erwidern. Ich wollte nur hier raus. In die Nacht, um mich abzulenken, meine Gedanken zu kühlen, einen klaren Kopf zu bekommen. Aro seufzte und nahm seine Hand herunter. “Ich hoffe, wir sehen uns noch einmal wieder, mein Freund. Ich würde mich wirklich freuen.” Darauf erwiderte ich nichts. Ich wusste nicht, ob ich ihren Anblick ertragen könnte. Den Anblick einer neugeborenen Bella, die nur auf Blut aus war und womöglich die letzten Tage vergessen würde. So wie alle menschlichen Erinnerungen verblassten. Ich würde sie niemals vergessen. Felix und Demetri wichen endlich zur Seite und ich ging stur an ihnen vorbei. In Windeseile hatte ich das Gebäude verlassen und stand in der angenehmen, kühlen Nachtluft Volterras. Ich ging, nein, ich rannte ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen. Und ehe ich mich versah, war ich bereits im Flur unseres Hotels. In der Etage, in der sich unser Zimmer befand. Tausend verschiedene, menschliche Gerüche hafteten hier. An den Wänden, den Böden, den Vasen auf den kleinen Podesten. Sie drangen durch die kleinen, schmalen Schlitze der Türen, durch das Mauerwerk der Wände und teilten mir mit, was wer gerade tat. Fernsehen oder lesen, arbeiten oder spielen, schlafen oder ‘schlafen’, allein oder mit jemandem zusammen. Dennoch kristallisierte sich ein ganz bestimmter heraus. Einer, der mich mein gesamtes, ewiges Leben verfolgen würde. Bellas… Meine Hand wanderte ganz automatisch zur Karte in meiner Tasche, mit der ich die Tür öffnen konnte. Ich huschte ins Zimmer und wanderte durch die dunklen Räume. Und überall war ihr Duft, der so überwältigend war und dessen Spuren nicht mehr lange vorhanden sein würden. Der nie wieder dieses Zimmer erfrischen würde. Die kleinen Moleküle, die die Zusammensetzung ihres Geruchs bildeten, formten bildliche Schemen vor meinem innerem Auge. Sie saß auf der Couch, trug meine Kleider und hörte sich meine Geschichte an. Unerschrocken und furchtlos. Meine Mundwinkel zuckten bei der Erinnerung leicht nach oben. Auf dem Tisch stand noch das Frühstück, das ich ihr bestellt hatte. Wie sie an dem Croissant geknabbert hatte, ohne ihre Augen von mir zu wenden. Ihre rehbraunen Augen, die soviel mehr sagten, als alle Worte. In ein paar Tagen würden sie blutrot leuchten. Ich ballte meine Fäuste. Nie wieder würde sie so dasitzen und essen; mich mit ihren großen Augen ansehen. Ohne einen Funken Angst vor mir, eher Neugier und vielleicht sogar ein wenig… Freude? Ihr Duft führte mich weiter ins Schlafzimmer. Hier war er noch stärker. Ich atmete ihn tief ein, um meine Erinnerungen zu verstärken. Um nichts auf der Welt wollte ich ihn verlieren. Er würde mir stets vor Augen halten, dass es das Glück gab, so wie Emmett und Rosalie es hatten, Jasper und Alice, Carlisle und Esme. Ich sah Bella auf dem Bett liegen. Ihr kleiner, zerbrechlicher Körper unter dem dünnen Bettlaken. Ihre Brust hob und senkte sich beim Atmen, während sie ruhig schlief. Ihre zarte Haut leicht gerötet durch das Blut, dass ein bisschen zu schnell durch ihre Venen floss. Ich ging zum Bett und setzte mich auf den Rand, um ihr beim Schlafen zuzusehen. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, wobei ich mit der Hand die Konturen ihres schemenhaften Gesichts nachfuhr und sogar ein paar Strähnen wegstreichen konnte, während ich in Wirklichkeit sanft über das Laken strich und ein paar Staubkörner aufwirbelte. Zwischen ihnen war ebenfalls Bellas Anwesenheit zu spüren. Ich war sogar in der Lage, ihre Stimme zu hören, wie sie meinen Namen murmelte. Immer und immer wieder. In Gedanken sah ich mich, wie ich sie beobachtete, als der Morgen anbrach und sie durch die leuchtenden Sonnenstrahlen geweckt wurde. Wie sie sich verwundert umsah und mich dennoch neugierig und aufgeregt musterte. Mein Lächeln wurde breiter. Sie hatte mich nach frischen Sachen gefragt und ich hatte sie ihr gegeben. Ich seufzte gedankenverloren auf, als ich meine Ellebogen auf meine Knie stützte und mir mit beiden Händen durch die Haare fuhr. Mein Blick war für ein paar Minuten auf den Zimmerboden gerichtet, während ich meinen Kopf festhielt. Letztendlich trugen meine Füße mich zum Bad. Auf den Fliesen lag immer noch ihre alte Kleidung. Ich hob sie auf und als könnte ich ihren Duft nicht schon stark genug riechen, hielt ich sie unter meine Nase. Die blumige, liebliche Note war überwiegend, nur kleine Unterbrechungen von Schweiß und Schmutz. Ich ließ die Sachen wieder langsam zu Boden fallen und ging zur Dusche hinüber. Die Wasserperlen hafteten überall und jede einzelne beinhaltete ein Stück von ihr; ihres menschlichen Daseins. Mit den Fingerspitzen fuhr ich über die feuchten Fliesen, doch selbst wenn das Wasser jetzt an meiner Haut haftete, so reichte es doch nicht aus, den Rest ihrer menschlichen Existenz zu verewigen. Mit der nächsten Zimmereinigung würde auch das verschwunden sein. Ein riesiges Badetuch lag auf dem Boden zu meinen Füßen. Ich nahm es auf und ballte den weichen Stoff langsam zusammen. Die Reibung erzeugte noch mehr von Bellas Geruch. Ich schloss meine Augen und versank darin. Hier war er noch kräftiger und reiner, noch klarer, frischer. Es musste eine Ewigkeit vergangen sein, während ich so reglos dastand und in Erinnerungen versank. In Trauer, als wäre jemand gestorben. Im Grunde genommen, war das sogar richtig. Es war jemand gestorben. Bella war gestorben. Der Mensch Bella. Durch meine Hand, meine Zähne, durch das Monster in mir. Mit qualvollem Gesicht hob ich meinen Kopf und öffnete meine Augen. Im Spiegel gegenüber starrte mir ihr Mörder entgegen. Ich starrte mir entgegen. Sollte sie die Verwandlung nicht überstehen; sollte ihre einzige Rettung fehlschlagen, würde auch mein Leben enden. Dann gäbe es keinen Grund mehr für mich, hier zu verweilen. Ich würde Bella in den Tod folgen. Ohne Zögern. Der Mond, der durchs Schlafzimmerfenster schien, schickte sein schwaches Licht durch die offene Badtür. Meine weiße Haut schimmerte, als sie davon getroffen wurde und meine karamellfarbenen Augen leuchteten, als sie ihr Gegenüber betrachteten. Mich. Karamell - goldbraun genauer gesagt - doch durchzogen von vielen, dünnen, rötlichen Linien, die mir verdeutlichten, was für Blut ich gerade erst getrunken hatte. Und vor allem wessen. Wut quoll wieder auf. Zorn und Selbsthass machten sich breit und meine Fäuste ballten sich. Ich funkelte mir selbst entgegen, ich knurrte sogar. Meine Faust schnellte nach vorne und der große Spiegel zerbarst in lauter kleine Einzelteile. Genauso wie das Bild von mir. Ich zerbarst ebenso, doch keinerlei Schmerzen. Weder in meiner Hand, noch im Rest meines Körpers. Die Fliesen hinter dem Spiegel, als auch die Wand hatten etwas abbekommen. Im Nachbarzimmer erschrak jemand. Panik und Angst waren de Folge. Es könnte ja etwas passiert sein. Eine Schlägerei, ein Erdbeben. Ich rannte hinaus. Raus aus dem Zimmer, raus aus dem Hotel, raus aus der Stadt. Weit weg von Bellas schwindenden Duft. Ohne genaues Ziel lief ich die Felder und Hügel entlang, bis ich mich letztendlich im Wald wieder fand. Es war stockfinster, doch ich sah, als wäre es hellster Tag. Ich hörte, als wäre jedes noch so kleine Geräusch tausendmal lauter. Ich roch, als wäre jeder Geruch tausendmal stärker. Und trotzdem bekam ich den Geschmack von Bellas Blut nicht aus meinem Mund, geschweige denn aus meinen Gedanken. Noch schlimmer was das Bild, als Carlisle sie in den Armen gehalten hatte oder als sie auf dem Bett lag, mit all den Schmerzen. Aus den Augenwinkeln machte ich eine Bewegung aus. In einer Meile Entfernung war ein Hirsch. Ich roch sein Blut. Es war kräftiger und hatte eine strenge Note. Nicht das, was ich sonst bevorzugte, doch jetzt war es mir allemal lieber. Es würde Bellas Geschmack überdecken. Wenn ich Glück hatte, vielleicht sogar ganz verschwinden lassen. Meine Muskeln spannten sich an und meine Kehle zuckte vor Freude auf das Bevorstehende. Mein Unterkiefer schob sich nach vorne, meine Lippen über die Zähne, die ich bleckte. In meiner Brust grollte es leise und ich senkte mich leicht nach vorne. Nur eine Sekunde dauerte es, da hatte ich ihn bereits attackiert. Seine Abwehrinstinkte waren schnell, doch nicht schnell genug. Ich krallte mich fest und biss durch sein Genick. Ein schneller Tod. So würde er nicht allzu lange leiden. Er würde das Gift nicht mehr spüren, das jetzt durch seine Adern schoss. Ein Seufzer der Befriedigung entwich mir, während das warme, pulsierende Blut meinen Rachenraum ausfüllte und meine Kehle hinunterlief. Ich hatte ihn schneller leer getrunken, als erwartet. Ich ließ den leblosen Körper los und er fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Es war nicht genug. Mein Körper schrie nach mehr; mein Verstand jauchzte nach mehr Tierblut. Wie eine Droge, die das Vergangene vergessen ließ. Oder wenigstens für ein paar Stunden ausblendete. Es verging nicht viel Zeit, da hatte ich bereits den nächsten Hirsch ausgemacht und erledigt, das Blut getrunken und den Körper fallen gelassen. Die nächsten drei Tage verbrachte ich im Wald und tötete ein Tier nach dem anderen, ohne Pause. Bis ich nicht mehr konnte. Bis es schon fast zuviel war. Konnte ein Vampir sich überfressen? Es war schwer aufzuhören, doch konnte man auch zuviel trinken? Oder war mir nur übel, weil ich versucht hatte, meine Schuld zu verdrängen? Und damit die Gedanken an Bella. Ich lag auf dem feuchten Waldboden und starrte in die rot gefärbte, dünne Wolkenschicht, die das Untergehen der Sonne signalisierte. Der dritte Tag endete bald. Nicht mehr lange, dann würde sie eine von uns sein. Bella. Ein Vampir. Falls sie es denn überhaupt geschafft hatte. Falls ich nicht zuviel von ihrem Blut getrunken hatte. Sie lag in einem der Zimmer der Volturi und ich lag hier draußen. Meilen trennten uns voneinander. Meilen, die ein Vampir mit Leichtigkeit in nur ein paar Sekunden überbrücken konnte. Doch ich würde nicht wieder zurückkehren. Wenn sie ihre Augen - ihre purpurnen Augen - öffnete, würde sie nicht ihrem Mörder entgegensehen müssen. Carlisle war da. Das reichte vollkommen aus. Er konnte sich ihrer annehmen und ihr alles erklären. “...Sei da, wenn ich einer von euch werde...” Warum fiel mir gerade jetzt unser Gespräch ein? Sie hatte mich gebeten, bei ihr zu sein, wenn es soweit war. Und ich hatte es ihr versprochen. Sogar noch danach. Und jetzt lag ich hier und wollte ihr eigentlich nie wieder unter die Augen treten. Würde sie sich überhaupt noch an meinen Namen erinnern? Ich würde mein Versprechen aber auch nicht brechen. Ich durfte es ja eigentlich gar nicht. Sofort stand ich auf und rannte los, Richtung Volterra. Die Sonne senkte sich gen Horizont. Nur noch ein paar Millimeter, dann würde sie ganz verschwinden und ich könnte ungehindert durch die Stadt laufen, ohne Umwege zur Festung der Volturi. Ich hatte das Stadttor erreicht und hielt an. Meine Haut funkelte bei den letzten Sonnenstrahlen. Nur noch ein paar Sekunden. Drei Millimeter über dem Horizont. Zwei. Der Anblick meiner Haut schwächte ab. Das Glitzern erstarb. Ich konnte weiterlaufen. Die letzten Meilen bis zum Gebäude hatte ich in Windeseile hinter mir gelassen. Als ich in die Empfangshalle trat, sah der Rezeptionist auf, doch sprach mich nicht an. Er kannte mein Gesicht mittlerweile und hielt sich dementsprechend fern von mir. Der Weg hinauf in die Gemächer der Volturi dauerte nicht lange. Ich befand mich wieder in dem riesigen Flur und folgte Carlisles Geruch, der sich in einem der Zimmer hinter den meterhohen Türen am anderen Ende befand. Er war immer noch bei ihr. Doch sie hatte sich verändert. Durch die Augen meines Vaters konnte ich sie sehen. Ihre Haut war blasser, widerstandsfähiger. Ihre Venen waren nicht mehr zu erkennen. Kein Blut mehr zu sehen. Ihre Erscheinung war anders, ihre Form ausgeglichener. Nicht dass sie vorher nicht schon perfekt gewesen war. Ihre Haare glänzten, ihr Gesicht war ebenmäßig. Es hatte nicht mehr diese gequälten Züge von vor ein paar Tagen. Es sah friedlich aus. Ihre Augen waren geschlossen, als würde sie schlafen. Sie glich einem Engel. Nicht dem Monster, das wir darstellten. Wie konnte so ein Wesen ein Monster sein? Ein Dämon? Langsam konnte ich ihren Duft wahrnehmen. Er hatte sich ebenfalls verändert. Er war nicht mehr so zerbrechlich, wie ihr menschlicher Körper es war, und dennoch hatte er etwas angenehmes, beruhigendes. Er war viel intensiver als der alte. Ich mochte den alten. Ich liebte ihn. Doch ich mochte jetzt auch den neuen. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, fühlten sich meine Beine schwerer an. Warum hatte ich Angst davor, sie wieder zu sehen? Weil sie mich vielleicht nicht mehr kennen würde? Oder gerade weil sie sich an mich erinnern konnte und damit an das, was ich ihr angetan hatte? Ich bin froh, dass du wiedergekommen bist, Edward. Carlisle hatte mich bereits bemerkt, genauso wie der Rest der Vampire in diesem Anwesen. Von allen kannte er mich am besten und fragte deshalb auch nicht nach, wo und wie ich die letzten Tage verbracht hatte. Ich stand vor ihrer Tür, unschlüssig, ob ich hineingehen sollte, oder nicht. Doch dann hörte ich bereits die leisen Schritte meines Vaters. Im nächsten Moment öffnete er die Tür und sah mich mitfühlend an. Ich konnte einen Blick auf das Bett erhaschen. Auf Bella. “Es dauert nicht mehr lange, bis die Verwandlung abgeschlossen ist.” Ich nickte, ohne den Blick von ihr abzuwenden. “Willst du hereinkommen?” fragte er mich, doch ich schüttelte nur langsam den Kopf. Ich konnte nicht. So gern ich es auch wollte, ich konnte nicht in ihr Zimmer gehen. Endlich löste ich meine Augen von ihr und sah zu Carlisle. “Ich warte in der Empfangshalle, bis es soweit ist.” “Sie hat nach dir gefragt.” Noch ehe er seinen Satz beendet hatte, hörte ich es bereits in seinen Gedanken. Bella hatte in den letzten Stunden nicht nur einmal meinen Namen gerufen, oder besser gesagt, geflüstert. Ich ballte meine Fäuste und presste meine Lippen aufeinander. Ich hatte versprochen, bei ihr zu sein und war es nicht. “Ich müsste kurz mit dir reden”, holte er mich zurück in die Gegenwart. Obwohl ich schon wusste, worum es ging, nickte ich und folgte ihm zurück in den großen Flur. Es war niemand in unmittelbarer Nähe, sodass wir auch normal miteinander hätten reden können, doch Carlisle bevorzugte den gedanklichen Weg. Weißt du schon, wie es weitergehen soll? Ich gehe davon aus, dass du bei ihr bleiben möchtest, doch als Neugeborene können wir sie nicht mit nach Forks nehmen. Das wäre zu gefährlich. Ich konnte nicht auf seine Frage antworten. Ich wusste nicht, wie die Zukunft aussah. Meine Entscheidung hing von Bellas Entschluss ab. Was immer sie wollte, ich würde es tun. Sollte ich aus ihrem neuen Leben verschwinden, würde ich sofort auf einen anderen Kontinenten ziehen. Würde sie mich bei sich haben wollen, würde ich keine Sekunde mehr von ihrer Seite weichen. Wollte sie mich für mein Vergehen betrafen, so würde ich es hinnehmen. Selbst den Tod. “Ich warte ab, was Bella möchte”, flüsterte ich und biss mir auf die Lippen. “Du kennst Aro besser als ich. Würde er sie mit uns gehen lassen, wenn sie sich dafür entscheiden sollte?” fragte ich ihn. Meine Haltung spannte sich an, während ich auf seine Antwort wartete. Carlisle zögerte einen Moment mit seiner Antwort. Ich hoffe es. Falls Bella eine nützliche Gabe erhält, wird er sicher darauf aus sein und versuchen, sie für sich zu gewinnen. Wenn meine Vermutung allerdings richtig ist, wird es nie dazu kommen. Auch ohne dass er seinen Gedanken weiterführte, wusste ich, worauf er hinaus wollte. Für ihn war Bella bereits meine Gefährtin. Das, was einst Rosalie werden sollte, als er sie verwandelt hatte. Eine Hoffnung, die nie Realität wurde. Jetzt gab es eine ähnliche Situation, aus der selbst ich den Glauben gezogen hatte, Bella würde an meiner Seite bleiben. Doch nun war ich mir nicht mehr so sicher. Eine Bewegung in der Ferne ließ unsere Köpfe synchron in Bellas Richtung drehen. “Sie regt sich”, sagte ich in gedämpftem Ton. Carlisle nickte. Du solltest zu ihr. Sie möchte dein Gesicht bestimmt als erstes sehen, wenn sie ihre Augen öffnet. Ungläubig drehte ich meinen Kopf zu ihm. Er lächelte mich nur an. Ich bin mir sicher. Glaub mir. Ich verharrte trotz seines Zuspruchs in meiner Position. Plötzlich waren mehrere leise Schritte zu hören, die sich momentan in der Empfangshalle befanden. Eine Gruppe von fünf Vampiren, alle aus der Garde der Volturi. Wimmern und Schluchzen zwischen ihnen. Es hatte sehr viel Ähnlichkeit mit den Geräuschen von Kindern. Und obwohl ich es mir im ersten Moment nicht vorstellen konnte, so sah ich sie bereits in den Köpfen der Wächter. Es waren Kinder. Ebenfalls fünf. Drei Jungs und zwei Mädchen. Ich schätzte ihr Alter auf ungefähr acht. Sie schlichen zwischen den großen, rotäugigen Vampiren mit verängstigten Gesichtern. Soviel Furcht lag darin, dass sie noch nicht einmal in der Lage waren, zu schreien. Nur leises Gejammer. Die Lüge, die ihnen aufgetischt wurde - mit der sie hierher gelockt wurden -, glaubten sie keine Sekunde lang. Sie wussten nicht, wo sie waren oder was die Männer vorhatten. Die Volturi mussten sie aus einer anderen Stadt verschleppt haben, auf Caius’ und Aros Befehl hin. Hatten diese Monster nicht erst vor ein paar Tagen getrunken? Waren sie so süchtig danach oder wollten sie diese schutzlosen Wesen nur quälen? Die Garde konnte sich kaum zurückhalten, so süß roch das Kinderblut für sie. Es gab selten Aufträge, in denen sie eine so junge Beute beschaffen mussten. Ich zischte leise bei dem Anblick. “Was ist los?” fragte mich Carlisle, während mein Blick auf die Eingangstür geheftet war. “Das wirst du gleich selbst sehen”, presste ich hervor. Schon im nächsten Augenblick ging die Tür auf und die Gruppe kam in Sichtweite. Mein Vater sah entsetzt auf. Sie haben doch wohl nicht vor… “Davon gehe ich aus”, antwortete ich ihm. “Edward?” hörte ich jemanden sagen. Leise und doch laut genug für mich. Sofort drehte ich mich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. In der Bellas Zimmer lag. Ich hatte diese Stimme nie zuvor gehört. Und trotzdem gab es bestimmte Facetten darin, die mir mehr als bekannt vorkamen. Es war unverkennbar Bellas Stimme. Sie klang viel eleganter, mehr wie ein Harfenspiel, dennoch verursachte die Melodie darin ein wohliges Gefühl in mir. Genauso wie es ihre menschliche Stimme getan hatte. Die Volturi führten die Kinder an uns vorbei in den Flur hinter uns. Die verängstigten Gesichter schauten scheu auf und blickten uns mit schüchternen Augen an. Nicht den Mut aufbringend, uns anzusprechen. Ihr Instinkt sagte ihnen, dass wir genauso gefährlich waren, wie die Männer, die sie umgaben. Mehrere rote Augenpaare betrachteten uns misstrauisch, ehe die gesamte Gruppe hinter der großen Tür verschwunden war. Meine Augen verengten sich. Wenn sie vorhatten, ihr Blut zu trinken, warum brachten sie die Kinder nicht ins Turmzimmer? Das war doch der Ort, an dem sie solche Rituale abhielten. Und plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Die einzige Person, die jetzt den größten Blutdurst hatte, befand sich hinter uns und war gerade dabei, aufzustehen. Ich konnte die Federn des Bettes hören, als sie sich langsam erhob. Die Volturi sollten die Kinder in ihr Zimmer bringen. Es war eine Art Geschenk. Und wahrscheinlich gleichzeitig Aros Plan, Bella auf seine Seite zu ziehen, indem er sie für menschliches Blut begeisterte. Er wusste, dass wir sie niemals mitnehmen würden, sollte sie sich entscheiden, Menschen zu jagen. So etwas würde unsere Existenz in Gefahr bringen. Wir lebten zu dicht an einer Stadt. Ich fluchte innerlich und knurrte laut. Edward? “Sie wollen Bella füttern”, erklärte ich ihm, noch während ich durch die großen Türen in den anderen Flur stürmte und auf ihr Zimmer zu rannte. Er folgte mir. Die Volturi standen vor der Tür Wache, um zu verhindern, dass eines der Kinder, die sich jetzt bereits bei Bella befanden, entkommen konnte. Ich stellte mich schon auf einen Kampf ein, doch überraschenderweise leisteten sie keinen Widerstand. Das einzige, dass ich von ihnen hörte, war leises Gekicher. Sollte ich mich Bella bei ihrer Jagd in den Weg stellen, würden sie dabei zusehen, wie ich mich einem Neugeborenen gegenüber beweisen würde. Neugeborene waren soviel stärker. Selbst wenn es mich das Leben kostete, würde ich nicht zulassen, dass Bella menschliches Blut trank. So ein Vampir sollte sie nicht werden. Ich wusste bereits wie viel Schmerz es verursachte, einen Menschen zu töten, selbst wenn es ein Verbrecher war. Doch ein Kind? Das konnte ich ihr nicht antun. “Bella!” schrie ich fast, als ich in ihrem Zimmer stand. Sie hatte sich bereits nach vorne gelehnt und fixierte ihre Beute. Die fünf hilflosen Menschenkinder saßen verängstigt und weinend in der Ecke neben mir. Jeder hielt sich an jedem fest. Ihre Augen vor Schreck geweitet und auf den Angreifer gerichtet. Bellas Augen - in einem satten Rot leuchtend - schnellten zu mir, als ich durch die Tür gestürmt war. Sie ließ ein warnendes Knurren ertönen. Sie sah in mir eine Gefahr. Jemand, der ihr ihre Beute stehlen wollte. Ich lehnte mich ebenfalls etwas nach vorne, für den Fall, dass ich mich verteidigen musste. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das sogar musste. Kampflos würde sie nicht aufgeben. “Bella? Hörst du mich?” versuchte ich es, hatte jedoch wenig Hoffnung, dass ihr Verstand gerade jetzt meine Stimme erkannte. Jetzt, wo ihr gesamtes Handeln von ihrem Durst gesteuert wurde. Gehetzt huschte ihr Blick zwischen den Kindern und mir hin und her. Vorsichtig ging ich ein paar Schritte auf sie zu. “Lauft weg”, flüsterte ich den Kindern zu, obwohl ich wusste, dass sie, falls sie meiner Anweisung folgten, von den Volturi vor der Tür wieder eingefangen würden. Keiner von ihnen regte sich. Sie hatten auch vor mir Angst und vertrauten mir nicht. Ich hatte auch keine Hoffnung, ihnen helfen zu können. Ich wollte sie nur aus Bellas Reichweite wissen. Ich wollte Bella beschützen. Für diese Menschen war es schon längst zu spät. “Macht schon”, befahl ich ihnen grob, ohne mein Gegenüber aus den Augen zu lassen. Einer von ihnen folgte endlich meiner Anweisung und allein schon das kleinste Zucken seiner Bewegung reichte aus, um Bella reagieren zu lassen. Ihre Beute wollte flüchten und das würde sie auf jeden Fall verhindern wollen. Zur gleichen Zeit wie sie, sprang auch ich und wir knallten gemeinsam auf den Boden. Sie war über mir und dementsprechend im Vorteil. Ich nutzte die kurze Zeit ihrer Verwirrung, weil ich mich ihr in den Weg gestellt hatte, und zischte den Kindern ein “Na los!” zu. Endlich hörten sie auf mich und setzten sich in Bewegung Richtung Tür. Wie ich es vermutet hatte, wurden sie von den Volturi aufgegriffen, doch diese schickten sie nicht wieder herein. Sie brachten sie jetzt ins Turmzimmer. Bella wollte ihnen bereits hinterher, doch ich hatte meine Beine in ihren verhakt und drehte sie auf den Rücken, sodass ich nun auf ihr saß. Ein Neugeborener konnte noch so stark sein, doch wenn er von seinem Blutdurst abgelenkt war und man ihm alle Bewegungsfreiheit nahm, hatte selbst er keine Chance. Glücklicherweise hatten wir Jasper in unserer Familie. Er kannte sich mit Neugeborenen aus. In seinen Gedanken hatte ich jede Menge Informationen zum Kampf mit jungen Vampiren gehört. Jetzt konnte ich es anwenden. Doch war das wirklich schon Bellas gesamte Stärke? Müsste ich nicht mehr Schwierigkeiten haben? Sie jetzt so zu sehen, schmerzte mehr als alles andere. Wie ich ihre Gelenke festhielt und sie sich unter meinem Griff wand, während ihre Augen mich wütend anfunkelten und sie mich anknurrte. Wenn sie jetzt doch nur auf mich hören könnte. Wenn ihr Instinkt sie nicht vollkommen beherrschen würde. “Bella”, versuchte ich es abermals und musste mich selbst immer wieder davon überzeugen, sie nicht einfach loszulassen. Langsam beruhigte sie sich, obwohl sie immer noch nach mir schnappte. War das eine Taktik von ihr? Mich in den Glauben zu lassen, im Vorteil zu sein, nur um dann zum erneuten Angriff überzugehen? Nein. Junge Vampire konnten nicht schon nach ein paar Minuten eine Kampfstrategie entwickeln. Doch ich kannte Bellas Gedanken nicht und somit hatte ich auch keine Ahnung, was in ihr vorging. Ihr Verstand blieb mir verschlossen. “Bella… beruhige dich”, flüsterte ich auf sie ein, doch sie sah mich weiterhin zornig an. Dann ganz langsam entspannten sich ihre Züge und ihre Bewegungen wurden ruhiger. Konnte ich es wagen, mich aufzurichten? Einen Versuch war es wert. Vorsichtig rückte ich ein Stück von ihr herunter und stellte mich auf meine Knie, wobei ich ihre Gelenke immer noch festhielt. Ihre Augen folgten jeder meiner Bewegungen und sie erhob sich ebenfalls, während ich ihre Hände hinter ihrem Rücken verschränkte. Ihr Blick ruhte auf mir und ich erkannte das Verlangen darin. Ich ging davon aus, dass es dem Blut galt, doch die Kampfeslust war mit einem Mal verschwunden. Nur eine seltsame Art von Sehnsucht spiegelte sich darin wider. Für einen Augenblick war ich verwirrt und dieser kleine Moment der Unachtsamkeit reichte aus, um ihr die Gelegenheit zu geben, ihre Hände zu lösen. Doch anders als erwartet schlug sie nicht auf mich ein oder flüchtete. Nein, sie legte ihre Finger auf meine Wangen und betrachtete mich voller Neugier und Erstaunen, während sie mit den Fingerspitzen langsam über meine Haut fuhr; meine Augenlider, meine Nase, meinen Mund. Ihr Kopf senkte sich gen meinem. Und kurz bevor wir uns trafen - bevor unsere Lippen sich berührten -, formten sie “Edward…” Plötzlich explodierte etwas in mir. Die Berührung löste ein regelrechtes Feuerwerk aus. So zart war der Kuss. Und gleichzeitig besiegelnd und unendlich. Wir verschmolzen miteinander, unsere Bewegungen waren aufeinander abgestimmt, unsere Körper synchron. Jeder Teil von mir antwortete auf jeden Teil von ihr. Wir waren eins. All die Sorgen und Vorwürfe der letzten Tage fielen auf einmal von mir ab, als hätte es sie nie gegeben. Mein Vater hatte Recht. Alice hatte es von Anfang an gewusst. Ich hatte meine Gefährtin gefunden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)