La Tua Cantante von absinthe (Alice schickt Edward ohne Grund nach Volterra. Dort trifft er Bella, die Teil von Heidis (ein Vampir aus Aros Garde) Reisegruppe ist. Plötzlich muss er eine Entschidung treffen, die sein ganzes Leben verändern kann... EPOV) ================================================================================ Kapitel 4: Unter dem Damoklesschwert ------------------------------------ “Wo willst du hin?” fragte Carlisle, als ich bereits in Richtung Haupteingang rannte. “Sie aufhalten”, antwortete ich. Auf der Straße waren noch andere Leute. Deshalb konnte ich nicht in meiner normalen Geschwindigkeit laufen. “Edward, warte…” Er hatte mich eingeholt und hielt mich jetzt am Arm fest. “Das kannst du nicht. Wir sind hier in Volterra. Das ist ihre Stadt und es sind ihre Regeln. Niemand widersetzt sich ihnen, es sei denn, man will sterben.” Im ersten Moment blieb ich starr vor ihm stehen, als ich seine Worte hörte und pure Aussichtslosigkeit herauszuhören war. Dann fasste ich mich aber schnell wieder. “Wir müssen es versuchen. Außerdem bist du mit ihnen befreundet. Das verschafft uns vielleicht einen Vorteil.” Gequält sah er mich an. “Soviel Einfluss habe ich nicht. Du solltest das Alles auf sich beruhen lassen.” Ich verstand nicht, warum er so schnell aufgab. “Du rettest jeden Tag Menschenleben im Krankenhaus. Lass mich das jetzt ein einziges Mal auch tun.” “Edward, es ist eine Sache, sich Krankheiten und Verletzungen zu stellen, aber eine andere, den Volturi entgegenzutreten.” “Ich muss ihr helfen”, presste ich hervor. Er sah mich einen Moment verwundert an. Weshalb? Warum gerade sie? Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich verstand es ja selbst nicht. “Keine Ahnung. Bei ihr… habe ich so ein seltsames Gefühl…” Dann lief ich weiter. “Du solltest vielleicht besser hier bleiben. Für den Fall, dass etwas schief geht. Das will ich Esme und den anderen nicht antun.” “Red keinen Unsinn. Ich werde dich da bestimmt nicht alleine hineingehen lassen.” Er war bereits neben mir, als wir das Gebäude betraten und nun in der riesigen Empfangshalle standen. Außer dem Mann hinter dem Empfangstresen war niemand anwesend. Er sah auf, als wir eintraten. “Willkommen zurück, Mr. Cullen. Kann ich Ihnen helfen?” “Nein, danke.” Mit eiligen Schritten gingen wir in Richtung Fahrstühle. “Woher der plötzliche Sinneswandel?” flüsterte ich, als Carlisle den Knopf für die zweite Etage drückte. “Ich denke, ich habe eine Vermutung, was Alice angeht.” Mittlerweile war er genauso unruhig wie ich. Zuerst verstand ich nicht, was er meinte. Bis ich es in seinen Gedanken las… “Das ist lächerlich. Sie ist ein Mensch.” Ich gab zu, dass sie gewisse Reize aufwies und dass sie eine Art an sich hatte, die mich wirklich ein wenig fesselte, aber deshalb gleich darauf zu kommen, dass sie meine… dass wir… Ich wäre die reinste Gefahr für sie. Und warum war ich jetzt auf dem Weg, ihr das Leben zu retten? In die Höhle des Löwen zu gehen und mein eigenes aufs Spiel zu setzen? Vielleicht ungewöhnlich. Aber falls wir es auf wundersame Weise schaffen, sie da herauszuholen, werde ich deinen Entschluss respektieren. Egal, welcher Art er ist. “Könnten wir uns erst einmal auf die dringendere Sache konzentrieren?” Und als hätte der Fahrtuhl unsere Eile gespürt, gingen die Türen mit einem ächzenden Geräusch langsam auf und führten in eine weitere Empfangshalle. Sie war nicht ganz so geschmackvoll eingerichtet, wie die untere. In einer Ecke waren mehrere Ledersofas zusammengestellt, auf dem Boden lagen tiefgrüne Teppiche, die Wände waren holzvertäfelt - Fenster gab es hier keine - und hinter dem mahagonifarbenen Tresen stand eine junge Frau. Sie war kein Vampir. Der Mann von vorhin war ebenfalls ein Mensch, doch hatte er keine Ahnung von den Vorkommnissen im Inneren dieser Geschäftsfassade, ganz im Gegensatz zu ihr. Wenn wir nicht gerade unter Zeitdruck stehen würden, hätte ich Carlisle über diese Merkwürdigkeit ausgefragt, doch das konnte ich später - eventuell - immer noch. “Guten Tag, Dr. Cullen”, begrüßte sie ihn. “Sie haben sich bereits versammelt”, flüsterte er mir so leise zu, dass sie nichts mitbekam. “Was meinst du?” “Normalerweise würde uns spätestens jetzt Jane oder Alec entgegenkommen, aber es ist niemand mehr hier.” Hoffentlich kamen wir nicht zu spät. Ich beschleunigte meine Schritte, als wir am Tresen vorbei auf die Tür dahinter zugingen. “Halt! Da dürfen Sie jetzt nicht hinein!” protestierte die Frau und kam bereits auf uns zu. “Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich weiß das. Wir sind für genau jetzt mit den anderen verabredet.” “Oh. Wenn das so ist…” Sie zögerte kurz. Ihre Haltung uns gegenüber war sehr respektvoll und sie lächelte uns freundlich an. “Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.” Sie nahm an, wir würden uns ebenfalls an dem Festmahl beteiligen. Ich konnte es nicht fassen, dass sie es so einfach hinnahm, obwohl sie wusste, was dort vor sich ging. Und dass ihr vielleicht das Gleiche widerfahren könnte. Sie hoffte auf eine Verwandlung. Wie konnte man sich so etwas nur wünschen? Wie konnte man seine Seele einfach so wegwerfen für etwas so grausames, wie ein Monster zu werden? Wir passierten die Tür und durchquerten das Hinterzimmer in wenigen Sekunden. Ein riesiger Flur breitete sich jetzt vor uns aus. Wir bleiben abrupt stehen, als wir sahen, dass sich gerade eine kleine Holztür, die ungefähr in der Mitte der Wand eingelassen war, schloss. Das war eben Heidi… Ich erstarrte einen Augenblick, nur um mich dann wieder daran zu erinnern, dass gerade jede Sekunde zählte. In Windeseile waren wir an der Tür und rissen sie auf. Auf der anderen Seite befand sich ein kleiner, dunkler Zwischenraum, der Ähnlichkeit mit einem unterirdischen, steinernen Korridor hatte. Der Boden war recht uneben und an der anderen Seite führten ein paar Stufen zu einem weiteren Raum empor. Die letzten Personen der Gruppe gingen gerade hinauf, während Heidi uns gegenüberstand und überrascht dreinblickte. “Carlisle!” Ihre Augen wanderten immer wieder zwischen ihm und mir hin und her. Ich beachtete sie gar nicht, sondern konzentrierte mich darauf, Bellas Duft zu erkennen. All die Gedanken der Leute, die jetzt hier versammelt waren. Viele, die sich schon im anderen Zimmer befanden, waren verblüfft von der Architektur des Gebäudes, den Menschen vor sich - den Vampiren - und einige hatten bereits Anflüge von leichter Panik, was ihnen ihr Instinkt verriet. In den Gedanken eines der Volturi sah ich Bella. Er taxierte sie. Ihre Venen, ihr Blut, wie es gehetzt durch die Kanäle floss, wie seine Zähne sich in ihre zarte, dünne Haut schlugen, wie sie sich unter seinem Griff wand, wie er ihr Blut seine Kehle hinunterlaufen spürte… Ihr warmes, süßes Blut… Mein Unterkiefer spannte sich an. Das Knurren, das meinem Brustkorb entwich, war mehr als laut und ich schoss an Heidi vorbei zum Eingang. Sie rief mir aufgebracht hinterher und versuchte, mich zu greifen, doch Carlisle hielt sie am Arm fest. Der Raum, in dem ich mich jetzt befand, war rund und hatte weiße Wände. Weiter hinten waren drei altmodische Stühle mit hohen Rückenlehnen zu sehen, die aussahen wie Throne. In der Mitte befand sich die Reisegruppe, an den Wänden war eine größere Menge an Vampiren verteilt. Aro, Marcus und Caius kannte ich aus Carlisles Erinnerungen. Sie saßen auf den drei Stühlen. Bis auf Aro. Er hatte sich gerade erhoben, um die ’Gäste’ zu begrüßen, doch ehe er etwas sagen konnte, hatte er, genauso wie die anderen, mich bereits erblickt. Es war ein Leichtes, mich durch die Menschen zu drängen, ohne dass einer von ihnen es richtig bemerkte. Ich war viel zu schnell für sie. Dann sah ich bereits Bella, wie sie den Blick des Vampires auf sich spürte - der nur einen Meter von ihr entfernt stand - und ihre braunen Haare verlegen vor ihr Gesicht fallen ließ. Gleich würde ich sie erreichen. Plötzlich fing mein Körper an zu brennen. Ich schrie vor Schmerzen auf und fiel zu Boden. Es war, als würde von allen Seiten auf mich eingestochen werden. Es war schlimmer, als alles, was ich je gespürt hatte. Sogar schlimmer als der Schmerz meiner Verwandlung. Das Gefühl, als würde meine Haut sich von meinen Knochen lösen, erfüllte meinen gesamten Geist und ließ mich nicht mehr klar denken. So musste sich die Hölle anfühlen. Die Gedanken der Menschen, die ich versucht hatte, auszublenden, fielen jetzt über mich ein und machten die Qual noch unerträglicher. Mein Gesicht verzog sich zu einer verzerrten Maske. Die Gruppe war geschockt über meinen Zusammenbruch. Die, die mir am nächsten standen, erschraken, als ich so plötzlich aus dem Nichts neben ihnen aufgetaucht war. Alle blieben stehen und warteten darauf, was als nächstes passierte. Als wäre es eine Theatervorführung. Keiner rührte sich. Die Vampire beobachteten mich misstrauisch, teilweise amüsiert, teilweise erschrocken, teilweise neugierig. Der Gedanke von einem von ihnen stach heraus. Ich konnte mich in Flammen stehen sehen, obwohl mich in Wirklichkeit keine Einzige umgab. Der Anblick meines am Boden gewundenen Körpers gefiel ihr. Sie war diejenige, die uns bereits begrüßt hatte, als wir in Volterra angekommen waren. Ich versuchte, meine Schreie zu unterdrücken, doch es war mehr als schwierig, so sehr schmerzte mein ganzer Körper. “Oh mein Gott!” Das war Bellas Stimme. Sie kam näher, kniete sich neben mich und legte ihre zitternden Hände auf meine Schultern. Obwohl ich ihren Duft wahrnahm, überwältigte er mich dieses Mal nicht. Ich war zu abgelenkt von meinem derzeitigen Zustand. “Was hast du? Bist du verletzt?” Ich öffnete meine Augen ein Stück weit und sah, wie sie hastig meinen ganzen Körper nach Wunden absuchte. Ihre warmen Hände waren überall und wanderten immer wieder zu meinem kalten Gesicht, welches sie - voller Verzweiflung über ihre Hilflosigkeit - betrachtete. Sie drehte sich immer wieder um und blickte in die Menge, die jetzt erst registrierte, dass das Ganze echt wahr. “Kann mir denn niemand helfen?” schrie sie. Panisch und wütend, weil sich kein Einziger bewegte. Ich roch plötzlich etwas salziges und blinzelte in ihre Richtung. In ihren Augen glitzerte etwas. Sie waren feucht und leicht gerötet. Ich erkannte es mehr als deutlich, als sie wieder mein Gesicht in ihren Händen hielt. Weinte sie etwa? Weshalb? Durch all die Gedanken konnte ich plötzlich Carlisle hören, dessen aufgebrachte Stimme jemandem zurief. “Aro, was soll das? Er hat nichts gemacht!” Der Angesprochene seufzte. “Jane, hör bitte auf. Das reicht erst einmal.” Etwas widerwillig stoppte sie ihre Gedanken über meinen brennenden Körper und sofort löste sich das grauenvolle Gefühl auf. Als wäre es nie da gewesen. Ich lag jetzt einfach nur da, ohne jede Regung und starrte in das verblüffte Gesicht von Bella. Sie hatte immer noch ihre Hände auf meinen Wangen. Ihr Geruch übernahm wieder die Oberhand über meine Gedanken. Hastig streifte ich ihre Hände von meinem Gesicht, setzte mich auf und rückte ein Stück weg, was sie mit einer unverständlichen Miene registrierte. Wir starrten uns einen Augenblick an und eine einzelne Träne, die sie bis jetzt versucht hatte zu unterdrücken, stahl sich davon und lief ihre Wangen hinunter. Hastig versuchte sie diese wegzuwischen und ohne darüber nachzudenken hielt ich ihre Hand fest. “Nein! Nicht…” Sie zuckte unter der Berührung zusammen und ihre Wangen erröteten sich erstaunlich schnell, als ihr Herz das Blut in die feinen Äderchen unter ihrer Haut pumpte. Ich fing an, es mehr und mehr zu mögen. Meine Muskeln spannten sich an. Was tat ich da eigentlich? Ebenfalls überrascht über meine plötzliche Reaktion, ließ ich sie sofort wieder los. Sie betrachtete mich immer noch etwas sprachlos, bis sie wieder redete. “Was… ist passiert? Geht es dir wieder besser?” Selbst wenn ich ihre Gedanken nicht hören konnte, so sah ich doch in ihrem Gesicht die Überraschung über meine abrupte Zustandsverbesserung. “Alles okay. Mir geht es gut”, gab ich ihr als Antwort. Sie wirkte nicht wirklich überzeugt. Die Menschen um uns wussten nicht so recht, wie sie das Ganze einordnen sollten. Sie warteten ab, was als nächstes passierte. Ich vernahm ein Knurren hinter mir und fuhr herum. Der Vampir, der eben noch Bella fixiert hatte, stand dort und funkelte mich an. Er war wütend, weil ich sie alle unterbrochen hatte. Sie waren sehr durstig und konnten es kaum erwarten, das Massaker zu beginnen. Seine Hand schnellte an mir vorbei und auf Bella zu, um sie zu greifen. Er hielt es fast nicht mehr aus. Sofort griff ich nach seinem Arm, noch bevor dieser sie erreicht hatte, stand im nächsten Moment bereits und packte ihn an seinem Umhang, während ich ihn anknurrte. Er knurrte aufgebracht zurück, obwohl er nicht verstand, warum ich so reagierte und wollte bereits zum Gegenangriff ausholen, als Aro ihn unterbrach. “Demitri, lass das. Geh zurück auf deinen Posten. Ich bin mir sicher, unser Edward hier hat eine vernünftige Erklärung für sein Verhalten.” Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch es war soviel Autorität darin, dass niemand es je wagen würde, sich ihm zu widersetzen. Demitris angespannter Körper erschlaffte und plötzlich grinste er. Er wusste bereits, wer ich war, nachdem er Carlisle gesehen und Aro mich beim Namen genannt hatte. “Was auch immer du vorhattest, es wird umsonst sein, denn all die Menschen hier drin sind sowieso gleich tot.” Es war ein Flüstern - für mich immer noch laut genug - und ich hoffte, dass Bella es nicht gehört hatte. Sein Grinsen wurde breiter, als er an mir vorbei zu ihr sah. Dich werde ich mir persönlich vornehmen… Ich knurrte noch lauter und einen Augenblick lang sah er verwirrt aus. Ach so, stimmt ja. Der Gedankenleser… Das hilft dir jetzt aber auch nicht… Mit einem leicht triumphierenden Gesichtsausdruck befreite er sich aus meinem Griff und ging zurück. Ich starrte ihm kurz hinterher, ehe ich mich wieder Bella zuwandte. Ihr Gesicht sah noch verwirrter aus als vorher. Vermutlich grübelte sie über unsere blitzschnellen Bewegungen nach, die sie kaum gesehen hatte. Ihre Freundin Jen hatte sich mittlerweile zu ihr gesellt. So was aber auch. Jetzt kämpfen die schon um sie… Mich würde zu gerne interessieren, was so besonders an ihr ist, dass sich alle um sie reißen… Mit einigem Verdruss beobachtete sie die Situation. “Alles… okay?” fragte Bella und kam dabei auf mich zu. Ich wich einen Schritt zurück - sicherheitshalber - und sofort blieb sie ebenfalls stehen. Verwundert über mein Verhalten. Oh mein Gott, sag mir nicht, dass sie jetzt auf einmal schüchtern sind… Nach der Aktion in den Ruinen… Jens Gedanken waren mehr als nervtötend. Plötzlich stand Carlisle neben mir, während Aro mit einem freundlichen Gesicht auf uns zukam. “Edward. Schön, dich endlich einmal kennen zu lernen. Carlisle hat mir schon soviel von dir erzählt.” Seine Stimme klang seltsam überschwänglich, als begrüßte er alte Freunde. Die Gruppe drehte sich zu ihm um und musterte ihn interessiert. Gespannt, was als nächstes passieren würde. Genauso wie Bella, doch in ihrem Gesicht las ich sowohl Neugier als auch Misstrauen. Sogar einen Anflug von Verwunderung, womöglich wegen seiner Erscheinung. Aro war über dreitausend Jahre alt und seine Haut noch heller - ja fast schon transparent - als unsere. “Ich weiß, dass wir verabredet sind, aber der Moment ist gerade ungünstig. Wie ihr seht, sind wir gerade in einer Situation, die wir unmöglich aufschieben können.” Mit einem entschuldigenden Lächeln deutete er auf die Menschen. Seine Augen funkelten voller Vorfreude. Es war widerlich. Wie er sich vorstellte, ihnen das Blut auszusaugen, ihnen das Leben zu nehmen… Ohne einen Funken Reue. “Es wäre sehr nett, wenn ihr solange in der Eingangshalle warten würdet, bis wir fertig sind.” Er zwinkerte einigen aus der Gruppe zu und sofort stockte ihnen der Atem. “Danach können wir über alles reden. Auch über diesen kleinen Zwischenfall eben.” Ich wollte auf ihn zugehen und antworten, doch Carlisle hielt mich zurück. “Das geht leider nicht. Wir haben da ein kleines Problem.” Aro sah ihn verwundert an. “Inwiefern?” Carlisle antwortete nicht, sondern blickte abwechselnd zu ihm und zu Bella, die das natürlich sofort mitbekam. Der Ausdruck in ihrem Gesicht wechselte von Verwirrung zu Ungläubigkeit, als ihr bewusst wurde, dass sie der Grund für all das war. Sie sah aus, als wäre sie gerade auf frischer Tat ertappt worden, obwohl sie eigentlich nichts getan hatte. Wenn ich doch nur ihre Gedanken lesen könnte! Diese Ungewissheit brachte mich völlig aus der Fassung. Aro folgte seinem Blick und blieb bei ihr hängen, dann drehte er sich wieder zu Carlisle. “Hat es etwa mit unseren ‘Freunden’ zutun?” Oh, das ich das noch erleben darf. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, ihr würdet euch noch besinnen und eurer Natur folgen. Aber wenn das so ist… “Ihr seid natürlich herzlich eingeladen.” Jetzt klang pure Euphorie aus seiner Stimme. Carlisle sah mich fragend an. “Er denkt, wir würden ihm bei der ganzen Sache beiwohnen und uns beteiligen”, presste ich hervor. Noch ehe er antworten konnte, hatte Aro bereits wieder das Wort ergriffen. “Das ist wirklich beeindruckend, deine Fähigkeit, mein lieber Edward. Ich kann zwar ebenfalls Gedanken lesen, aber so auf Distanz ist das natürlich etwas ganz anderes”, schwärmte er. Die Menschen hier - die seine Worte nicht richtig verstanden hatten - würden eh bald sterben, deshalb nahm er auch kein Blatt vor den Mund. Es war nicht weiter schlimm, wenn sie mitbekamen, was wir waren. Ich schnaubte nur. Fragend hob er seine Augenbrauen. “Nun denn. Wenn das allerdings nicht Euer Anliegen ist, was ist es dann?” Carlisle ging auf ihn zu, um so dicht wie möglich mit ihm zu reden und den Menschen nichts von seinen Worten hören zu lassen. Die Gedanken verrieten mir, dass die Leute mehr als unzufrieden damit waren, dass sie nichts verstehen konnten und so eventuell einen wichtigen Teil verpassten. Während mein Vater sprach, weiteten sich Aros Augen. Dann endlich sagte er etwas. “Ich verstehe… Sehr interessant. Aber ich würde es gerne von ihm selbst wissen. Ich kann es mir nicht richtig vorstellen. Vor allem, da sie immer noch am Leben ist. Und dann diese Sache, dass er ihre Gedanken nicht hören kann. Wirklich faszinierend.” Er schaute beeindruckt zu Bella, die sofort wieder errötete und den ganzen Aufruhr wegen ihrer Person scheinbar als unangenehm empfand. Glücklicherweise hatte Aro so leise gesprochen, dass sie nichts von seinen Worten gehört hatte. Carlisle sah erst ihn, dann mich an. Er möchte deine Gedanken lesen… Ich zögerte. Eigentlich hatte ich etwas dagegen, doch wenn es helfen konnte, Bella das Leben zu retten, war es das wert. Ich nickte und mit freudigen Schritten kam Aro auf mich zu, die Hand emporgehoben. Ich tat es ihm gleich und im nächsten Moment sah ich in seinen Gedanken mein gesamtes Leben an mir vorziehen. Das Leben, das ich als Mensch führte, meine Verwandlung, meine anfänglichen Schwierigkeiten, mit meinem Dasein zurechtzukommen, die Zeit, in der ich der Meinung war, es wäre besser, sich einfach mit seiner Natur abzugeben, die Jahre danach, als mir klar wurde, wie Recht Carlisle doch hatte und dass es noch einen anderen Weg geben musste, dann die Langeweile, die mit der Zeit kam und man nur noch dahinlebte, ohne wirklich zu leben… Und letztendlich der Punkt, an dem ich zum ersten Mal Bella getroffen hatte, wie ihr Blut nach mir schrie, wie schwer ich es hatte, sie nicht anzufallen und mit aller Kraft dagegen ankämpfte, wie ich ihr wieder begegnete und ich fast ihr Blut getrunken hätte… Und wie ich es nicht zulassen konnte, dass sie ihr Leben verlor. Aro nahm seine Hand wieder weg und schwieg. Wirklich beeindruckend. Du hast ja genauso viel Selbstbeherrschung wie unser Freund Carlisle. Wenn nicht sogar noch mehr. Jetzt verstehe ich auch, warum du sie fast angefallen hast, obwohl du wusstest, dass es verboten ist, in unserer Stadt zu jagen… Das ist wirklich unglaublich… Er sprühte geradezu vor Freude über diese Erkenntnis. “La tua cantante!” schrie er plötzlich begeistert und klatschte in die Hände. Dann drehte er sich nach hinten. “Marcus! Caius! Ist das nicht wunderbar? Seit langem haben wir wieder so einen Fall.” Die beiden Angesprochenen sahen eher gelangweilt aus. Sie warteten darauf, dass sie endlich mit dem Festmahl beginnen konnten und schauten mürrisch drein, genauso wie all die anderen Vampire. Die Reisegruppe fing an zu grummeln. Da sie nichts so richtig mitbekamen und dementsprechend auch nicht wussten, worum es ging, wollten sie, dass es endlich weiterging, damit sie zurück in ihr Hotel konnten. Nur wussten sie nicht, dass sie das nie wieder zu Gesicht bekamen. Bella betrachtete uns abwechselnd und versuchte anscheinend aus dem Gesagten schlau zu werden, was ihr aber nicht gelang. “Bedeutet das, ihr lasst sie gehen?” hoffte ich. Aros Freude verflog plötzlich und sein Gesicht sah etwas mitgenommen aus. “Leider können wir deinem Wunsch nicht nachkommen. Wir lassen keinen Menschen am Leben, der von uns Kenntnis hat.” “Aber sie weiß doch gar nicht, was wir sind!” protestierte ich leise. Plötzlich stand Aro hinter Bella und griff ihre Hand. Sie erschrak bei seiner Berührung und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Vergebens. Am liebsten hätte ich mich zwischen die beiden gestellt und sie vor ihm beschützt. Auch wenn ich wusste, dass er nur ihre Gedanken lesen wollte. Oder es zumindest versuchte. Seine Augen waren geschlossen. Sein Gesicht wechselte von Neugier zu Verblüffung, über Erstaunen bis zur Ungläubigkeit. Dann öffnete er sie wieder und ließ Bella los. Sofort wich sie ein Stück zurück und betrachtete ihn verärgert, aber auch wachsam. Als würde er jede Sekunde wieder versuchen, ihre dichter zu kommen. Aro schüttelte langsam den Kopf. “Leider kann ich ihre Gedanken auch nicht lesen. Allerdings wissen wir beide, dass du sie mehr als deutlich auf uns aufmerksam gemacht hast. Und da wir nicht wissen, was sie denkt, erfahren wir auch nicht, ob sie bereits Vermutungen anstellt.” Er klang frustriert über die Tatsache, dass seine Gabe bei ihr nicht funktionierte. Innerlich musste ich darüber etwas lächeln. Ich war froh, dass er sie nicht bei ihr anwenden konnte. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. “Du bist nicht in der Position, Forderungen zu stellen. Du hast beinahe jemanden in Volterra getötet und jetzt willst du, dass wir unsere Regeln umgehen. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie stirbt oder sie wird verwandelt. Da ihr Blut so einen besonderen Reiz auf dich hat, würde ich dir sogar erlauben, es selbst zu tun.” Ich war fassungslos über seine Worte. Bella starrte ihn ebenfalls entsetzt an. Sie musste ihn gehört haben. “Tod oder Verwandlung. Deine Entscheidung”, sagte er noch einmal mit Nachdruck. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)