90 Minuten von abranka ================================================================================ Kapitel 9: IX. Wenn Blut fließt ------------------------------- Der Zusammenprall ist nicht der erste an diesem Tag. Sie sind hitzig bei der Sache, voller Ehrgeiz und Elan, aber auch voller Spielfreude. Christian und Raphael spielen wieder gegeneinander, es scheint, als wenn der Trainer sie austesten will. Jetzt rasseln sie wieder zusammen, ein simpler Zusammenprall einfach, aber Christians Stollen haben getroffen. Raphael bleibt keuchend auf dem Rücken liegen. „Oh, scheiße!“ Chris’ Ausruf sagt alles. Mehr, als Raphael eigentlich wissen will. Noch tut es nicht weh, aber er spürt, die plötzliche Wärme auf seiner linken Wade, die ihm mehr verrät, als ihm lieb ist. Er atmet schnell, spürt das Heben und Senken seines Brustkorbs und starrt in den Himmel. Grau sind die Wolken. Wahrscheinlich wird es nachher mal wieder regnen... Dann ist Julian da und blickt auf ihn herunter. Sein Gesicht ist ganz bleich, seine grünen Augen sind unnatürlich groß. „Doc! Verdammt, Doc!“, brüllt Julian in dem Augenblick über den Platz, Alejandro stimmt nur einen Wimpernschlag später in den Aufschrei ein. Auch er ist ganz blass, als er auf seinen Teamkameraden herunterblickt. „Verdammt, das wollte ich nicht!“ Chris ist vollkommen aufgelöst und bringt dadurch den noch immer äußerst benommenen Raphael dazu, ihn anzusehen. „Weiß ich...“, murmelt dieser matt und hebt jetzt doch Bein und Kopf, um sich die Bescherung anzusehen. Uh... Das hätte er vielleicht doch besser nicht getan. Blut sprudelt als einer hübsch tiefen Wunde. Die Stollen haben die Haut aufgerissen und sich richtig tief in das Fleisch gebohrt. Scheiße. Und jetzt kommt auch der Schmerz. Raphael stöhnt leise auf und beißt die Zähne ganz fest zusammen, ansonsten brüllt er jetzt den ganzen verdammten Sportplatz zusammen. Was für ein Mist! Chris’ Hand streicht ihm fahrig über die Schulter. Er spürt es überdeutlich, sieht ungewohnt klar die Regungen auf Julians Gesicht. Dann fängt sich auf einmal alles an zu drehen. Oh nein... Er kippt doch jetzt nicht um! Verdammt, wer hat das seinem Kreislauf eigentlich erlaubt? Das Bild vor seinen Augen wird langsam dunkler, nur noch Schemen kann er erkennen. Schwach hört er noch Doktor Wicharts Stimme, dann umfängt ihn Dunkelheit. Als er wieder wach wird, liegt er am Spielfeldrand auf dem Rücken. Die Wolken sind noch immer grau, haben sich aber ein bisschen bewegt. Wenigstens kommt es ihm so vor. „Er ist wach!“, hört er eine vertraute Stimme, die er im ersten Augenblick nicht zuordnen kann. Jetzt merkt er auch, dass da jemand ist, der seine Knöchel umfasst und seine Beine ein Stück in die Höhe hält. „Einen Augenblick noch.“ Druck liegt über seinem linken Bein und er wendet den Kopf ein wenig, um dorthin sehen zu können. Doktor Wichart steckt gerade den Verband fest. „Schön, dass du wieder bei uns bist.“ Ein erleichtertes Lächeln glänzt matt zu Raphael hinunter. Er erwidert es schwach und blickt zu demjenigen hoch, der seine Fußgelenke hält. Julian. Er ist noch immer blass, schafft es aber auch zu lächeln, selbst wenn dieses Lächeln eher schief ist. „Mann, du machst aber auch Sachen.“ Erleichterung liegt in seiner Stimme. „Hey, das war keine Absicht!“, protestiert Raphael schwach. „Weiß ich doch. Chris hat’s auch nicht mit Absicht gemacht.“ „Mhm... Weiß ich.“ „Sag’s ihm nachher noch mal, ja? Der Trainer hat ihn reingeschickt, weil er vollkommen fertig is.“ „Versprochen.“ Er lächelt zu dem blonden Mittelfeldspieler empor. „Und, Doc, was haben Sie angestellt?“ „Die Wunde genäht. Die nächsten Tage hast du Trainingsverbot. Das muss erst richtig heilen. Du kannst allenfalls ein bisschen Krafttraining für den Oberkörper machen, aber nichts, was die Wunde belastet. Das ist sicherer. Und du willst ja nicht gleich für das erste Rückrundenspiel ausfallen, oder?“ „Nee, das sicher nicht.“ Raphael richtet seinen Oberkörper vorsichtig auf und gibt Julian damit zu verstehen, dass dieser loslassen kann. Tut er auch und hockt sich neben den schwarzhaarigen Spieler ins Gras. „Ist nur ne schöne Scheiße.“ „Das kommt vor.“ Wichart lächelt ihn an. „Ich sag Knie Bescheid. Und wenn du dich so weit fühlst, geh auch rüber und zieh dich um. Wenn du Hilfe brauchst, nimm Julian mit... Nein, das ist eh besser, wenn er mitgeht. Falls es dich noch mal umhaut.“ „Geht klar, Doc.“ Raphael salutiert scherzhaft und sieht ihrem Teamarzt nach, wie er über das Spielfeld zu Knie stapft, der schon herübersieht, und sofort von einigen Mitspielern umringt wird. Der Killer, Alejandro, Gabriel und Stefan sind sofort dabei. Er lächelt schwach. Wenigstens gibt es hier doch Leute, die sich Sorgen um ihn machen. „Sollen wir gehen?“, fragt Julian leise. „Mhm.“ Raphael steht langsam auf und nimmt die ausgestreckte Hand dankbar an. Zwar muss Wichart ihm das Bein betäubt haben, aber dieses Mittel lässt so langsam nach. Schmerz pulsiert von der Wade durch seinen Körper und lässt ihn leise aufstöhnen. Am besten belastet er das Bein gar nicht erst. Muss er halt hüpfen, das geht schon irgendwie. Ganz selbstverständlich umfasst Julian ihn an der Taille. „Los, leg den Arm um meine Schulter, sonst sind wir morgen noch hier.“ Leicht spottend ist sein Tonfall, aber auch warm und beinahe schon liebevoll. „Danke.“ „Ist doch klar.“ Kurz drückt der Blondschopf seine Stirn gegen Raphaels Schläfe, so kurz, dass das auch ein simpler Zufall gewesen sein kann, aber so wirklich glaubt das Raphael nicht. Trotz der Schmerzen muss er einen Augenblick lang lächeln. Wenn er sich nicht so beschissen gefühlt hätte, dann hätte er diesen Moment der Nähe wahrscheinlich einfach genossen. Ohne ihn zu hinterfragen und irgendwelche Erwartungen zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)