Traditions von Lunatik (Tendershipping (auch Bronzeshipping)) ================================================================================ Kapitel 1: Aikido ----------------- Ryou betrat das ihm zugewiesene Zimmer und seufzte. Es war schlicht eingerichtet. Außer einem Bett, einem Nachtschränkchen und einem Wandschrank war nichts da. Ryou legte seine Tasche auf das Bett und trat zu dem großen Fenster. Von hier aus hatte man eine wunderschöne Aussicht auf den Berg. Die Luft hier oben war erfrischend und rein, wenigstens eine gute Sache also. Die Bergspitze verlor sich in weißen Wolken und Ryou verspürte den starken Wunsch einmal diesen Berg zu besteigen. Doch glaubte er nicht, dass es jemals dazu kommen würde. Er sah auf seine Armbanduhr und stellte enttäuscht fest, dass er nur noch fünf Minuten zum Umziehen hatte. Bakura, so hieß ihr Lehrer, hatte die beiden durch das relativ große Haus geführt, was nicht länger als zehn Minuten gedauert hatte. Mehr als die Küche, die Toiletten, die kleine heiße Quelle und das Dojo gab es nicht zu sehen. Höchstens die Waffenkammer, dessen Erwähnung allein Mariku, so hatte sich der Blonde vorgestellt, schon die Ohren spitzen ließ. Er war Ryou irgendwie unheimlich und seine laute Stimme hatte ihn in den zehn Minuten öfters aufschrecken lassen. Nach dem Rundgang hatte Bakura ihnen eine Viertelstunde gegeben, um ihre Sachen auszupacken, sich umzuziehen und sich dann im Dojo einzufinden. Diese eine Viertelstunde neigte sich erschreckend schnell dem Ende zu, dachte Ryou, während er den Gurt festigte und dann sein Zimmer verließ. Den Kampfanzug hatte ihm netterweise der Chef besorgt, das war ja wohl auch angebracht, dafür dass er ihn in diese ‚Herberge’ für einen Monat gesteckt hatte. Allein mit zwei Männern. Und einer davor war mehr als nur einfach vorlaut und grob… Die knappe Zeit, nur eine Viertelstunde, hatte Mariku gerade noch für eine Dusche gereicht. Schnell zog er sich das, für ihn eindeutig ungemütliche, Gewand an und verließ schnellen Schrittes sein Zimmer. Wieso beeilte er sich überhaupt? Er hatte noch nie Wert darauf gelegt rechtzeitig zu erscheinen und ‚den ersten Eindruck’ hatte er doch eh schon perfekt hingekriegt. Doch etwas an diesem Bakura brachte ihn zum Nachdenken, etwas stimmte da doch ganz gewaltig nicht… Sein Blick ähnelte dem eines betäubten Raubtieres oder dem Blick eines tollwütiges Hundes, der gerade am einschlafen war. Aber zumindest sah er gut aus und war durchaus anziehend. Auf dem Flur erblickte Mariku den anderen Schüler. Dieser genoss sichtlich und vor allem geistesabwesend die Aussicht. Schon wieder stand er da wie angewurzelt, den Weg versperrend, diesmal in Mitte des Ganges. „Hey, Kleiner! Willst du schon gleich beim ersten Mal zu spät kommen?“, rief Mariku ihm zu. Ryou zuckte leicht zusammen und legte den Kopf zur Seite, um Mariku besser sehen zu können. Wenn er jetzt nicht antworten würde, würde er es den ganzen Monat über nicht tun. „Das musst aber ausgerechnet du mir sagen“, meinte Ryou lächelnd. Dass Pünktlichkeit nicht gerade an erster Stelle im Leben des anderen war, stand für ihn außer Frage. Holla, das Weißhaar konnte reden! Und ließ sich ja doch nicht alles sagen. In diesem Moment wurde Ryou dem Ägypter um einiges sympathischer. Malik würde ihn jedoch umbringen, wenn er sich jemals an so einer Unschuld vergreifen sollte… Aber etwas den Alltag des bevorstehenden Monats konnte er sich ja versüßen, nicht wahr? Und dass der Alltag gewiss nicht spaßig sein würde, war ja wohl mehr als nur klar. Ein breites Grinsen legte sich auf Marikus Lippen und er meinte nur schlicht: „Da hast du Recht, aber wir sollten vielleicht doch weitergehen, anstatt hier zu verdorren.“ Ryou lächelte zurück. Mariku schien doch nicht so schlimm zu sein, wie er anfangs gedacht hatte. Gut, vorlaut und unpünktlich, aber sonst bisher ganz in Ordnung. „Du hast Recht“, stimmte er fröhlich zu. „Es ist ja schön, dass ihr euch schon angefreundet habt, doch würdet ihr in Zukunft bitte mehr Wert auf eure Pünktlichkeit legen?“ Amüsiert beobachtete Bakura, wie Ryou seinen Blick beschämt zu Boden senkte und Mariku stur aus dem Fenster starrte. Er hatte zwar sowieso nicht erwartet wenigstens einen von beiden im Dojo rechtzeitig vorzufinden, doch Strafpredigten mussten immer sein. Dass Mariku sich nicht um vereinbarte Zeiten scherte, war Bakura vom ersten Moment an klar, und Ryou ließ sich einfach zu leicht ablenken. Das hatte Bakura schon während des Rundganges bemerkt, denn der Kleine blieb jedes Mal verträumt stehen, sobald sich eine schöne Aussicht darbot. „Ab jetzt bedeutet jede Minute, die ihr zu spät kommt, zehn Runden um das Dojo.“ Ryou erschauderte bei der Zahl. Als er den Raum betreten hatte, hatte es sich herausgestellt, dass das Dojo groß war. Sehr, sehr groß. Und leer. Lediglich das Gemälde eines alten Mannes hing an einer der Wände. Das Dojo war riesengroß und er eine Niete in Sport. Bei Leichtathletikdisziplinen, wie Hochsprung, konnte er in der Schule noch mithalten, doch wenn etwas ins Spiel kam, das Kondition forderte, da war er immer der letzte. Er hatte einfach keine. Er hatte sich nie eine antrainiert. Wozu denn auch? Er hatte sich schließlich nie erträumt mal aktiv Sport zu betreiben. Mariku dagegen schnaubte nur verächtlich. Zehn Runden um dieses kleine Gebäude, das war nichts im Vergleich zu seinen täglichen Joggingstrecken. Er legte Tag für Tag jeden Abend um die zehn Kilometer zurück. Seinen Luxuskörper musste er schließlich in Form halten. Jeden zweiten Samstag ging er auch in den Kraftraum. Außerdem war er körperliche Anstrengung mehr als nur gewohnt. Manche genoss er richtig… „Nun denn, nach dem das geklärt wäre, lasst uns einige weitere Dinge festlegen. In diesem Haus sind gewisse Regeln und Ordnungen zu befolgen“, der Lehrer blickte herausfordernd zu Mariku. Dieser erwiderte nur stumm den Blick auf einen Kommentar verzichtend. Sollte der andere doch erst diese Regeln auflisten. „Das Frühstück gibt es immer um acht Uhr morgens und ihr werdet pünktlich zu ihm erscheinen, dafür sorge ich schon persönlich.“ Marikus Miene verfinsterte sich. Sollte der andere es doch versuchen, ihn würde nichts auf dieser Welt um acht Uhr morgens aus dem Bett kriegen, höchstens Maliks verführerische Lippen, doch der Besitzer dieser war ja weit genug weg. „In diesem Haus werden nur wir drei für den ganzen folgenden Monat leben, somit wechseln wir uns beim Frühstückmachen immer ab“, setzte der Weißhaarige seine Liste fort. Ein teuflisches Grinsen stahl sich auf Marikus Gesicht. Sollte es jemals dazu kommen, dass er ja doch morgens um acht Frühstück zubereiten sollte, was er aber stak anzweifelte, so würden sich die anderen eindeutig eine Lebensmittelvergiftung oder zumindest eine Magenverstimmung holen. Aber wenn sie unbedingt wollten… „Das gleiche gilt auch für Mittagessen und Abendessen.“ Das Grinsen auf Marikus Lippen wurde breiter. Das konnte ja noch was werden. Ryou schielte besorgt zu dem anderen Schüler. Der konnte doch hundertprozentig nicht kochen und das sadistische Grinsen, das sich gerade auf Marikus Gesicht ausbreitete, beteuerte ihn nur noch mehr in seinem Glauben. Er selbst dagegen beherrschte das Kochen einigermaßen. Immerhin lebte er seit der Mittelschule allein und jobbte in einem Lokal, wo er öfters mal dem Küchenchef bei der Zubereitung des Essens über die Schulter blickte. „Trainiert wird“, fuhr Bakura fort, „drei Mal am Tag. Zwei Stunden nach dem Frühstück und dann noch zwei Mal nachmittags. Den Abend habt ihr frei, sofern ihr da in der Lage seid noch etwas zu machen.“ Ein Grinsen legte sich auf die Lippen des Lehrers. Er schien schon voller Vorfreude zu brennen. „Nun denn, weitere Regeln, sofern sie nötig sind, ergeben sich dann. Lasst uns zum Aikido übergehen.“ Bakura nickte in Richtung des Portraits, welches Ryou schon vor einer Weile aufgefallen war. „Aikido. Gegründet von Morihei Ueshiba, wessen Portrait ihr hier sehen könnt. Ai, welches für die Harmonie steht, das Ki, unsere innere Energie, und Do, der Weg. Aikido ist eine Kampfkunst basierend auf Selbstverteidigung.“ Ein verächtliches Schnauben seitens Mariku ertönte. Er hatte schon immer nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ gelebt. „Ihr werdet also weniger Angriffs- als Verteidigungstechniken lernen. Doch“, Bakuras Blick legte sich auf Mariku, „sind diese Verteidigungen nicht minder gefährlich und durchaus effektiv, sogar effektiver als Angriffe. Es gibt zwei Arten von Techniken: Wurftechnik und Hebeltechniken. Doch bevor ihr diese lernt, müsst ihr lernen richtig zu fallen.“ Beide Schüler schauten verwundert auf. Fallen? „Und natürlich muss eure mentale Einstellung entsprechend sein, sonst nützt euch auch die beste Technik der Welt nichts.“ Definitiv nicht. Nie und nimmer. Diese Kampfkunstart war nichts für ihn. Wie hatte es der werte Herr Lehrer genannt? Roll- und Fallschuhe. Das war jetzt eindeutig die Roll. Und niemand, auch wirklich niemand, würde ihn jetzt dazu bringen sich hinzulegen und eine Vorwärtsrolle zu machen, die eher seitlich als vorwärts ging, Marikus Ansicht nach. Sie sollten sich wie ein Rad fühlen und dementsprechend über den Arm rundförmig rollen, wobei dieser auf keinen Fall geknickt werden durfte. Der Kopf sollte den Boden in keinem Punkt berühren und die Rolle ging nicht über den Rücken, sondern Arm und Schulter. Aha. Ja sicher doch. Mariku gestand sich nicht oft ein, dass er etwas nicht konnte, aber nun musste er es tun. Das da konnte er sicherlich nicht auf Anhieb und sich mit dummen Versuchen zum Affen zu machen hatte er nicht vor. Die gescheiterten Versuche des Weißhaars sahen schon kläglich genug aus. Er würde sich mit Sicherheit nicht lächerlich machen. Vor allem nicht vor diesem grinsenden, ach so stolzen Bakura. Nee, noch was?! „Was ist, Mariku? Traust du es dir nicht zu? Dabei hast du die Rückwärtsrolle so gut hinbekommen.“ Spöttisch. Provozierend. Herausfordernd. Genau so klang es. Mariku knurrte. Und ob er es konnte! …Können würde. Mit einem nicht weniger hämischen Grinsen auf den Lippen trat er näher an seinen Lehrer. „Warte bis wir zu den Wurftechniken kommen. Ich darf doch sicherlich an dir üben, nicht wahr? Wir wollen ja nicht das Weißhaar brechen“, sagte er ruhig, doch etwas Lauerndes lag in seiner Stimme. „Du drohst mir, Würstchen?“ „Du wirst dich noch unter mir winden, Schnecke!“ Es war nur ein Augenblick, den er leider vollkommen verpasst hatte. Denn nun lag er schon auf seinem Bauch am Boden. Sein Arm wurde zur Seite abgelegt, anscheinend hatte man ihn genau mit Hilfe von diesem zu Boden geworfen. Ein kurzer Schmerz stach in seinen Arm, als er versuchte wieder aufzustehen. „Das war ein Ude-Osae, Katatetori aus dem Ai-Hanmi Angriff. Eine Hebeltechnik“, sagte eine amüsierte Stimme irgendwo von links oben. Dann wurde sein Arm losgelassen und er richtete sich langsam auf, ein unzufriedenes Knurren von sich gebend. Sein Blick fiel auf Ryou. Ach nö. Dieser sah ja aus, als ob er gleich voller Bewunderung und Hingabe sich freiwillig vor Bakuras Füße werfen würde, um diesen anzubeten. Ein weiteres Knurren war Marikus Meinung dazu. „Ich denke für heute machen wir Schluss. Ihr hattet sicherlich eine ermüdende Reise hinter euch, so reicht die eine Stunde als Einführung. Bald gibt es Abendessen, welches ich mal netterweise selbst zubereite. Ihr könnt nun gehen.“ Marikus Augen brannte mit dem Versprechen nach Rache, als er das Zimmer verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)