Traditions von Lunatik (Tendershipping (auch Bronzeshipping)) ================================================================================ Kapitel 13: Schmetterlinge -------------------------- Ryou packte den Block mit den neuesten Zeichnungen zurück in seinen Rucksack, wo schon seine Bleistifte verstaut lagen. Nach kurzem Überlegen holte er die Wasserflasche heraus und trank einen Schluck, ehe er sich wieder auf dem Weg machte. Er war sich sicher, dass sein Gesicht inzwischen feuerrot vor Anstrengung war und er spürte den sich anbahnenden Muskelkater in seinen Beinen. Doch trotzdem grinste er breit. Der Tag war einfach herrlich! Das Wetter war angenehm – nicht zu heiß und schwül, aber noch genau warm genug, um nur im T-Shirt unterwegs zu sein. Er hatte zur Sicherheit auch eine dünne Jacke eingepackt, doch die Bewegung sandte genug Blut durch seine Venen, damit ihm nicht kalt wurde. Die Sonne schien noch am Himmel und erhellte seine Umgebung. Stellenweise war der Wald recht dicht, doch manchmal kam er an eine Lichtung – wie bei seiner letzten Pause – und dann konnte er den wolkenlosen Himmel sehen. Das Wetter war im starken Kontrast zu den letzten Tagen, in denen es viel geregnet hatte. Ryou zog tief die Luft ein, während er den Rucksack über seine Schulter warf und setzte seine Wanderung fort. Es roch nach Blättern, Holz und Blumen. Ryou hielt kurz inne und schloss die Augen, um in aller Ruhe den Duft zu genießen. In dieser Umgebung fühlte er sich entspannt und geborgen, wie sonst nirgendwo. Wenn Menschen so etwas wie „natürliche Orte“ hatten, dann war der Bergwald der natürliche Ort für ihn. Auch wenn es ihn viel Kraft kostete voran zu kommen. Ryou öffnete wieder die Augen und ging weiter. Er war schon seit einer Weile auf einem recht steilen Stück unterwegs. Doch anstatt davor wegzulaufen in der Angst zu versagen, stellte er sich der Herausforderung. Er wusste genau, dass vor nur zwei Wochen der Anblick des endlos erscheinenden Pfades in ihm eine Welle aus schierer Angst und Verzweiflung ausgelöst hätte. Doch nun biss er nur die Lippen zusammen und schritt stur voran. Der Gedanke erfüllte ihn mit Stolz. Trotzdem war er ziemlich froh darüber, dass Mariku und Bakura vorangegangen waren. Bakura. Ryou seufzte tief. Bakura. Ryou schluckte und ließ die Gedanken schließlich zu. Das war letztendlich einer der Hauptgründe gewesen, warum er alleine weitergehen wollte. Sofort spürte er seine Wangen noch mehr aufflammen. Vermutlich glich er langsam einer Tomate. Ryou presste seine Lippen noch weiter aufeinander und beschleunigte seinen Schritt. Doch schnell merkte er, dass das Tempo ihn zu viel Kraft kostete. So würde er schon bald erneut eine Pause brauchen. Mit einem Ruck blieb er stehen und atmete tief durch. Also nächster Versuch. Bakura. Ryou packte mental die aufsteigende Scham und drückte sie stur zur Seite, während er die Wanderung langsam wieder in Gang setzte. Sich in Bakuras Gegenwart angespannt zu fühlen war einfach nicht sinnvoll, gestand sich Ryou ein. Erröten war es auch nicht. Bakura auszuweichen erst recht nicht. Doch wenn er ganz ehrlich war, und schließlich fand er den Mut es zu sein, so war auch das Sich-Schlecht-Fühlen danach nicht. Die quälenden Erinnerungen, die ihn vor dem Einschlafen seit paar Tagen plagten, halfen ihm absolut nicht weiter. Ryou nickte sich selbst zustimmend zu. Es gab keinen Grund sich zu schämen, denn schließlich lag seinen Reaktionen ein simples Gefühl zugrunde: er mochte Bakura. Auf eine romantische Art und Weise.   „Wir sind da.“ „Ach, darauf wäre ich ja nie gekommen. Steht ja auch nicht groß auf diesem Schild vor uns ‚Aussichtsplattform‘.“ Mariku las das letzte Wort besonders langsam vor. Bakura schnaubte. „Ich wusste gar nicht, dass Affen lesen können“, fügte er hinzu und schaute sich nach einem geeigneten Platz für ihr Picknick um. Nicht, dass da viel Auswahl war. Die Plattform war zwar ganz groß und endete in einem Halbkreis mit abgezäuntem Abgrund, doch die Grünfläche erstreckte sich nur auf einer Seite und endete einige Meter vor dem Abhang. „Oh, seit wann lässt du dich von einem Affen vermöbeln? Fängste an mit dem Alter zu schwächeln?“ Bakura bedachte Mariku mit einem warnenden Blick, doch dieser grinste ihn nur breit an. Fast schon manisch. Bakura schüttelte den Kopf und ging rüber zu dem Abschnitt mit dem Gras. Wirklich, wenn Mariku sich nicht für einen Kampf schuldig fühlte, dann wurde er danach zu einem spitzbübischen Teenager. Auch wenn Bakura sich in einer geheimen und hinter einem Labyrinth versteckten Ecke seines Ichs eingestanden hatte, dass er froh darüber war, dass Mariku ihm den Kampf nicht übel genommen hatte, so ging er ihm langsam leicht auf die Nerven… Mariku ließ seinen Rucksack neben der Stelle fallen, an der Bakura schließlich stehen geblieben war, und ging weiter zu dem Abhang. Bakura sah ihm zu. Der ‚Zaun‘ war wirklich nicht mehr als paar Drähte, die nicht mal wirklich hoch reichten. Mariku blieb direkt vor ihnen stehen und lehnte sich nach vorne. Bakura öffnete den Mund… „WUHUUUU!“ Bakura schloss seinen Mund. Das Blondchen ging ihm auf den Sack. „Geht’s noch lauter? Ich glaube China hat dich noch nicht gehört.“ Mariku drehte seinen Kopf zu ihm und grinste noch breiter. Idiot. „Ist doch egal. Das ist die einzig richtige Art diese Schönheit zu begrüßen.“ Bakura schüttelte den Kopf. „Lehn dich einfach noch weiter vor und stirb, Idiot.“ Er drehte sich zu seinem Rucksack und holte die Decke heraus. Hinter ihm hörte er das freudige Lachen Marikus.   Ryou horchte in sich selbst hinein. Sein Interesse an Bakura in seinen Gedanken auszusprechen löste so viele unterschiedliche Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse gleichzeitig aus, dass er für einen Moment von der Angst übermahnt wurde übermahnt zu werden. Nur die Absurdität dieser Reaktion hielt ihn davon ab stehen zu bleiben oder, noch besser, sich auf dem Boden hinzulegen und die Außenwelt komplett auszublenden. Stattdessen konzentrierte er sich umso mehr auf die Bäume um ihn herum und auf die Geräusche, die er mit seinem Auftreten verursachte. Ein Zweig knackte unter ihm. Die Erde fühlte sich unter seinen Füßen hart an, doch hier und da trat er auch auf glitschige oder weiche Stellen. Er sah hinunter und bedachte die Moosstellen und die vielen rumliegenden Blätter mit einem nachdenklichen Blick. Hier und da spross auch Gras aus dem braunen Grund. Nach einigen Minuten beruhigte sich der Wirbelsturm soweit, dass er seine Aufmerksamkeit wieder nach innen richtete und für alle Fälle seine Schritte ein Stück weit verlangsamte. Das war…viel. So viele unterschiedliche Dinge, dass er sie keinesfalls sofort alle identifizieren und ordnen konnte. Es lag schon viele Jahre zurück, dass er sich das letzte Mal solch einer Bandbreite ausgesetzt gefühlt hatte. Doch anstatt davor zurückzuschrecken, seine Sachen zu packen und sich der Situation zu entziehen – spürte er es in seiner Bauchgegend kribbeln.   „Sind das Kirschblüten auf den Tassen?“ Mariku hielt eine schwarze Plastiktasse hoch, auf der in der Tat besagte pinke Blüten gezeichnet waren. Der Henkel war ebenfalls in Pink. Bakura zuckte leicht mit den Schultern. „Waren die einzigen aus Plastik im 100 Yen Shop.“ Was kümmerte ihn das Motiv sofern sie ihren Zweck erfüllten und billig waren? Mariku sah ihn kurz mit einem nichtssagenden Blick an und stellte die Tasse dann schweigsam neben den Tellern ab. Die anderen beiden aus seinem Rucksack folgten. Sie hatten all das Essen und die Ausrüstung zwischen ihren beiden Rucksäcken aufgeteilt gehabt in dem leisen Einverständnis, dass Ryou keine weitere Bürde brauchte. Auf der Decke, die Bakura auf dem Gras ausgebreitet hatte, standen schon die Boxen mit den Sandwiches und zwei Flaschen mit grünem Tee. Nun holte Bakura noch die Box mit dem Salat aus den Untiefen seines Rucksacks, während Mariku anfing Dosen neben den Tassen aufzustellen. Bakura hob eine Augenbraue und sah zu dem anderen. „Wann hast du denn das Bier eingepackt?“ „Nachdem du aus der Küche warst natürlich“, antwortete Mariku schamlos. Natürlich. „Wir müssen danach noch wieder runter und da wird es schon dunkel…“ Mariku rollte mit den Augen. „Ich hab nur drei eingepackt. Also eine für jeden. Sei kein Spielverderber, alter Greis.“ Bakura knurrte und verengte seine Augen zu Schlitzen. „Dir ist klar, dass ich nicht viel älter bin als du, Spatzenhirn?“ „Dann solltest du deine Haare vielleicht Schwarz färben?“ Mariku beugte sich vor zu ihm und Bakuras Muskeln spannten sich an. Das nervtötende Grinsen zeichnete sich wieder auf Marikus Gesicht und seine Augen blitzten gefährlich auf. Bakura schnaubte und hielt sich bereit. Es wäre ja noch schöner, wenn er sich von einem seiner Schüler einschüchtern lassen würde! „Andererseits, steht dir dieses Weiß ausgezeichnet…“ Die Worte waren geraunt, während Mariku mit seiner Hand eine weiße Strähne umfasste. Bakura griff nach dem Arm und zog daran mit einem Ruck, um Mariku aus dem Gleichgewicht zu bringen. Es war nur eine Frage von Sekunden, bis er es sich bequem auf Marikus Rücken machte und dessen Arm in aller Ruhe verdrehte, bis dieser hisste. Bakura seufzte und ließ los. Mariku lernte einfach nie. „Schon eine Weile her, dass du mich bestiegen hast, was?“, hörte er die hämische Stimme von unter ihm. Sofort ergänzte Bakuras Bewusstsein das Grinsen in seinen Gedanken, das er im Moment nicht sehen konnte, da Marikus Gesicht ins Gras biss, und das der andere mit Sicherheit wieder zeigte. Bakura rollte mit den Augen und stand auf. War es wirklich schon so lange her, dass er Mariku das letzte Mal auf den Boden geworfen hatte? Er war in den letzten Tagen wahrlich zu vorsichtig gewesen. „Oh, ein Schmetterling!“ Bakura sah wieder zu Mariku, der immer noch auf dem Boden lag und gerade seine Hand austreckte. Einige Zentimeter entfernt war wirklich ein Schmetterling. Eine kleine Kreatur, mit flatternden blauen Flügeln, die aus dem Grün herausstachen. Der Schmetterling landete auf Marikus Finger und Mariku lachte laut auf, was den Schmetterling sofort wieder in die Lüfte trieb. So ein Kind. „Ich hoffe Ryou taucht bald auf. Ihm würde der Schmetterling gefallen. Bestimmt würde er ihn gleich zeichnen“, plauderte Mariku beim Aufstehen. Bakura lächelte leicht. Er konnte sich das glückliche Gesicht Ryous nur zu gut vorstellen.   Ryou lächelte. Er sah all die neuen Möglichkeiten und Herausforderungen sich vor ihm entfalten wie die Äste eines Baumes. Und jeder dieser Äste konnte Früchte oder Blätter tragen. Ryou wünschte sich einen Spiegel. Er war gespannt darauf wie sein Gesicht gerade aussah, denn er konnte mit Bestimmtheit sagen, dass er sich noch nie zuvor so gefühlt hatte. Es jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Es ließ seine Härchen sich aufstellen. Es war beängstigend und unglaublich aufregend zugleich. Ryou strich sich über die Arme in der Hoffnung seine physischen Reaktionen damit zu beenden. Das brachte ihn zu seinem ursprünglichen Problem zurück. Sein Verhalten in Bakuras Gegenwart. Das war es, was in ihm die negativen Gefühle ausgelöst hatte. Dann sollte er es wohl ändern. Ryou lachte leise auf. Die Erkenntnis war erstaunlich einfach, auch wenn er keineswegs daran zweifelte, dass die Ausführung viel schwieriger sein würde. Diesmal wünschte er sich einen Spiegel aus einem ganz anderen Grund. Er hörte plötzlich ein lautes Lachen. Die Plötzlichkeit ließ ihn erschreckt zusammenzucken und er sah auf. Etwas weiter oben endete der Pfad in einem ebenen Abschnitt, der frei von Bäumen war. Es lagen immer noch einige Meter zwischen ihm und dem Aussichtspunkt, wie er vermutete, doch er konnte schon eine große Gestalt mit blonden Haare erkennen, die sich gerade erhob. Ryou grinste breit. Das Lachen ließ ihn hoffen, dass sich Mariku schon über den langweiligen Unterricht beklagt hatte und eine positive Reaktion bekommen hatte. Die Auseinandersetzung wollte er gewiss nicht erleben. „Hey!“, rief er laut nach oben. Sofort drehte sich Mariku um und winkte ihm mit großen Handbewegungen zu. „Beeil dich, ich hab Hunger!“ Ryou schüttelte leicht den Kopf. Doch in seiner Brust war es warm. Es war schön, dass die beiden mit dem Essen auf ihn gewartet hatten. Ryou beschleunigte seinen Gang und überwand die übrigen Meter mit Tempo. „Hetz nicht, Blondchen“, hörte er Bakuras amüsierte Stimme. Sofort beschleunigte sich sein Herzschlag – obwohl er schon ziemlich schnell gewesen war. Er hatte diesen Ton in Bakuras Stimme in den letzten Tagen vermisst. Doch im nächsten Moment waren seine sich überschlagende Gefühle und Bakura und Marikus knurrender Magen vergessen, denn Ryou erblickte die Aussicht. Das war… Er stieß einen lauten Jubelschrei aus. Jemand lachte neben ihm laut auf. „Siehst du, das ist die richtige Reaktion!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)