Es tevi mīlu von Stiffy ================================================================================ Kapitel 4: Niknums ------------------ Als ich am nächsten Tag nach Hause hetze, fühle ich mich nicht gerade besser, was aber vorrangig andere Gründe als meinen Liebeskummer hat. Ich stürze in meine Wohnung hinein und finde sie wie erwartet leer vor. „Scheiße!“, fluche ich, einen Zettel auf dem Bett entdeckend. Danke, dass du gestern für mich da warst. Ich will jetzt alleine sein. Wir sehen uns morgen. Zähneknirschend lasse ich mich auf mein Bett sinken. Ich hätte da sein sollen, wenn er aufwacht. Wieso habe ich gestern nicht mehr daran gedacht, dass ich ihn alleingelassen habe? Ich hatte gar nicht vorgehabt, bei Andris zu schlafen, ich wollte ihm eigentlich nur mein Leid klagen, und dann in die Höhle der Trauer zurückkehren... „Mist... mist... MIST!“, schreie ich mich selbst an und werfe den zerknüllten Zettel durch den Raum. Wie erwartet gibt es natürlich keinen lauten Schlag, auch wenn ich es mir gewünscht hätte... Ich sinke auf meinem Bett zurück und wickle mich in eine Decke ein. Sofort durchzieht ein Gedanke mein Innerstes. Sie riecht nach ihm, so sehr nach ihm... Mich noch tiefer in dem Duft vergrabend, wird mir schnell zu heiß. Ich schmeiße Jacke, Pulli, Hose und Schuhe von mir und schlinge mich wieder in die Decke ein. Ich hätte ihn in den Arm nehmen sollen, heute Nacht, so wie es Andris bei mir getan hat... Ich hätte ihn trösten sollen, heute Morgen noch mal seinem Kummer lauschen sollen. Was für ein verfluchter bester Freund ich doch bin! Ich ziehe wieder den Geruch ein, mich nach einer Weile fragend, ob das eigentlich wirklich Florian ist, den ich da rieche. Es wird eher eine Mischung sein, eine Mischung aus Andris und mir, mit ein bisschen Florian... Mit einem komischen Magengrummeln stehe ich auf. Kurz entschlossen streife ich die Bettwäsche herunter, ebenso das Laken. Ich brauche gerade keine Decken, die nach Erinnerungen riechen, nein, das ist wirklich nicht sehr praktisch. Im Bad stopfe ich sie in die Waschmaschine, stelle diese an und setze mich davor. Der sich monoton bewegenden Trommel zusehend, frage ich mich, ob ich Florian anrufen sollte. Nein, beschließe ich. Er hat geschrieben, dass er allein sein will... Aber was, wenn das gar nicht stimmt, wenn er es nur sagt, um mich nicht weiter zu belasten? Ich schüttle den Kopf. Ich habe keine Ahnung, was in ihm vorgeht... obwohl, wahrscheinlich Ähnliches wie in mir, oder? Bitter lachend stehe ich auf und entledige mich meiner Klamotten. Nur in Shorts gehe ich in die Küche, mir etwas zu trinken holend. Mit der Saftpackung in der Hand stelle ich mich neben mein Fenster, starre hinaus und zwinge mich, nicht immer wieder zu meinem Telefon zu sehen. Ich weiß, dass es mir persönlich nicht wirklich gut tut, allein zu sein. Am liebsten wäre ich jetzt wieder bei Andris oder sonst wo... irgendwo, wo mich Abwechslung erwartet, nur halt nicht in meiner einsamen Wohnung. Ob er das genauso sieht? Zögernd greife ich schließlich doch besseren Wissens nach dem Hörer. Mit ihm in der Hand laufe ich in der Wohnung herum, entknülle den Zettel mit Florians Worten und lese sie erneut. Ich will jetzt alleine sein. Was, wenn es wirklich eine Lüge war? Ich wähle seine Nummer und bestätige... doch sofort lege ich wieder auf, stürme zurück in die Küche und knalle den Hörer auf die Ladestation. „Lass es!“, fauche ich mich selbst an. Ich sollte seine Wünsche berücksichtigen! Mir dessen nicht sicher, vergrabe ich mich unter einer Wolldecke auf meinem Sofa und schalte den Fernseher an. Ich zappe durch die Kanäle, bleibe an Talkshows hängen, die mich nur noch trauriger machen. Bald schalte ich wieder ab, vergrabe mich weiter in meiner Decke und starre aus dem Fenster gegen den grauen Himmel. Was mach ich jetzt bloß?, fährt es mir durch den Kopf. Ich weiß, dass er mich nicht liebt und wenn er es nicht jetzt tut, wird er es wohl nie tun. Also sollte ich aufhören, ihn zu lieben. „Ja klar, das ist ja auch so einfach“, meckere ich mich selbst an. Aber was soll ich stattdessen tun? Ihm mein Leben lang hinterher trauern? Nein, eigentlich muss ich ihn aufgeben, voll und ganz, mir etwas Neues suchen und mich neu verlieben. Doch ist das wirklich möglich? Gibt es irgendetwas, das es möglich macht? Aber gesetzt dem Fall, dass ich tatsächlich jemanden finde... es wird ein Mann sein, garantiert. Und dann? Dann stehe ich noch immer vor dem Problem, dass Florian nicht die geringste Ahnung hat, dass ich schwul bin. „Verdammt!“ Ich strecke mich auf dem Sofa aus, lassen den Kopf auf die Sitzfläche gleiten. Aber kann ich ihm das jetzt sagen? Jetzt, da er Liebeskummer wegen Nina hat? Doch wenn nicht jetzt, wann dann? Und wenn ich es ihm sage, sage ich ihm dann auch, dass ich ihn liebe? Mist, muss das denn alles so verzwickt sein? Und wieso schaffe ich es gerade eigentlich überhaupt, so verflucht rational zu denken? Ich verbringe bestimmt zwei Stunden damit, mich selbst zu bemitleiden, und damit höre ich schließlich nur auf, weil mein Magen mir seinen Hunger kund tut. Seufzend stehe ich auf und gehe in die Küche. Keine Lust zu kochen, schiebe ich eine Pizza in den Ofen und schaue ihr beim Backen zu. Was soll ich bloß den ganzen Tag lang machen? Heulen? Mich bemitleiden? Mich fragen, wie ich ihm gegenübertreten soll? Das ist doch alles scheiße! Ich springe auf und zerre meine Sporttasche hervor, packe sie, ziehe mich an. Die Pizza fast vergessen, bin ich schon halb aus der Tür, als sie mir zum Glück doch noch einfällt. Wunderbar, jetzt fackelst du auch noch fast die Bude ab! Ich stelle den Ofen aus, beschließe, dass ich jetzt keinen Bissen herunterbekomme, und verlasse meine Wohnung. Mit der Bahn zwei Stationen gefahren, stehe ich vor dem Fitnessstudio, das mich anzugrinsen scheint. „Ich weiß, ich war lange nicht mehr bei dir...“, spreche ich leise und trete durch die Glastür, meinen Mitgliederausweis herausholend. Keine fünf Minuten später finde ich mich auf der ersten Foltermaschine wieder, dem Fahrrad. Foltermaschine aber auch nur deshalb, weil ich es durchtrete, als würde ich die Tour de France gewinnen wollen. So gut es geht, versuche ich all meine Kraft und Wut in meinen Beinmuskeln zu stauen und sie von dort herauszulassen. Zwanzig Minuten später taumle ich erschöpft von dem Ding herunter. Mein Atem geht rasend und mir ist schwindelig. Ich sinke zur Seite und werde festgehalten. „Geht es Ihnen gut?“, sehe ich in ein das Gesicht eines jungen Mannes. „Ja, vielen Dank“, lächle ich und stelle mich wieder richtig auf meine Beine. „Sie sollten was trinken.“ „Werd' ich“, nicke ich und drehe mich um, suche meine Tasche und begebe mich zu ihr, als ich sie gefunden habe. Die erste meiner zwei kleinen Flaschen Wasser leere ich sofort, dann beschließe ich, mir das nächste Gerät zum Auspowern zu suchen. Fast zwei Stunden taumle ich zwischen Ohnmacht und Kraftakt hin und her, mache nur wenige Pausen und trinke bestimmt vier Liter Wasser, um nicht umzukippen. Ich weiß, dass es überhaupt nicht gut ist, sich so zu verausgaben, aber ich will es heute so, ich brauch' es heute so! Ich will diesen körperlichen Schmerz spüren, damit der Seelische nicht ganz so weh tut. Als letztes erlaube ich mir schließlich einen Besuch in der Sauna. Was heißt erlauben... mein Menschenverstand weiß, dass es mich nicht gerade gut tun wird, und dennoch betrete ich die vernebelte Hölle. Mit mir sind nur zwei andere Männer hier, was es mir leicht macht, mich zu entspannen. Ich lehne mich zurück an die Kachelwand und schließe die Augen. Und was mach ich, wenn ich gleich raus hier bin? Doch noch zu Florian gehen und mir seinen Kummer anhören? Mein Magen zieht sich zusammen bei dem Gedanken. Ich weiß nicht ob es die Eifersucht ist oder die Gewissheit, dass es ihm schlecht geht, welche diesen Druck bewirkt, ich weiß nur, dass ich es scheiße finde. Eigentlich will ich nur für ihn da sein, will ich ihm einfach nur helfen... wären da nicht meine eigenen verkorksten Gefühle, die dem im Weg stehen. „Mist!“ Ich reiße die Augen wieder auf und stehe auf. Die mittlerweile drei Männer sehen mich fragend an, als ich mit schnellen Schritten die Sauna verlasse. Eine Dusche und ein paar Minuten später stehe ich an der kühlen frischen Luft. Ich steige in die Bahn, die Richtung Florians Wohnung fährt, und frage mich, ob ich das Richtige tue. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich bei ihm sein sollte... um ihm zu helfen, um vielleicht noch besser zu verstehen, dass meine eigene Liebe keine Chance hat. Wenig später stehe ich vor der verschlossenen Tür, die mir auch nach mehrmaligem Klingeln nicht geöffnet wird. Traurig lasse ich die Schultern hängen, warte zehn Minuten und mache mich dann auf den Heimweg, wissend, dass es nichts bringen wird, wenn ich noch länger warte. Den Rest des Tages verbringe ich mit Spazierengehen, herumlungern in meiner Wohnung und einem schlechten Gewissen, weil ich nichts für die Uni tue. Den Versuch, Florian zu kontaktieren, unternehme ich nicht noch einmal, sondern beschließe ihn schlussendlich doch in Ruhe zu lassen. Ab morgen kann ich noch genug für ihn da sein. Gegen Abend wird mir das Alleinsein und Nichtstun zu viel und ich merke, wie sehr ich mir Andris’ Nähe herbeiwünsche. Deshalb begebe ich mich kurz entschlossen auf den Weg. Entschuldigend stehe ich eine viertel Stunde später vor ihm, mir sicher, dass ich ihn nerve, doch stattdessen lässt er mich mit einem Lächeln herein. Wir verbringen die meiste Zeit vor dem Fernseher, da ich es vorziehe, nicht zu reden. Dennoch lassen mich meine Gedanken nicht wirklich in Ruhe und ich frage mich weiterhin, wie ich nun vorgehen soll. Um diesen Gedanken endlich Einhalt zu gebieten und immer noch aus Sehnsucht nach Andris, welche auch durch das Beisammensitzen nicht gemindert wurde, krabble ich zu ihm auf den Sessel und küsse ihn. ~ * ~ Ähnlich wie gestern, bin ich auch heute wieder im Eilschritt zu meiner Wohnung unterwegs. Wissend, dass ich mal wieder zu spät zur Vorlesung komme, sammle ich meine verstreuten Sachen zusammen, ziehe mir schnell was Frisches an und flitze dann mit meinem Auto die Straßen mit den fluchenden Mitbürgern entlang. Das Gefühl, welches mich seit dem Aufstehen begleitet, versuche ich bestmöglich zu ignorieren, auch wenn es mir noch so oft sagt, dass es gleich ziemlich komisch sein wird, auf Nina und Florian zu treffen. Letztendlich jedoch treffe ich weder ihn noch sie in der Mathevorlesung an. Nachdenklich lasse ich mich in der hintersten Reihe nieder und tue schwer daran, zuzuhören. Noch immer grübelnd verlasse ich nach der Vorlesung den Saal. Ich begebe mich in Richtung Bäcker, da mein Magen schon seit geraumer Zeit knurrt. Langsam gehe ich den Weg entlang, mich weiterhin fragend, wo vor allem Nina sein kann. Ich meine, dass Florian ihr aus dem Weg geht, könnte ich ja noch verstehen, aber - Weiter komme ich mit meinen Gedanken nicht, denn im nächsten Moment erhalte ich auch schon eine Antwort auf alle meine Fragen: Da sitzen sie beide einträchtig zusammen beim Bäcker und trinken Kaffee. Wie versteinert bleibe ich stehen und starre sie durch die Glasscheibe an. Träume ich? Ich schließe die Augen, öffne sie erneut. Keine Änderung des Bildes ist zu erkennen, außer, dass Nina anfängt zu lachen. Das war es dann wohl auch schon mit dem aus dem Weg gehen... Nicht wirklich wissend, was es bedeutet, gehe ich weiter. Eigentlich würde ich lieber umdrehen, aber das wäre ziemlich kindisch von mir, oder? So also betrete ich den Bäcker und werde auch sofort von meinen beiden Freunden bemerkt. Nina winkt mich lächelnd zu sich herüber. „Sorry, dass wir dich mit Schmitz alleingelassen haben...“, meint sie entschuldigend, als ich mir einen Stuhl herangezogen habe. „Es war eine ganz kurzfristige Entscheidung.“ „Schon okay...“, sage ich und blicke zwischen ihnen hin und her. Seid ihr jetzt zusammen?, traue ich mich nicht zu fragen, obwohl mir jedes Wort davon ironisch auf der Zunge baumelt. Stattdessen mache ich gute Miene zu schlechtem Spiel und verhalte mich wie sie: ganz normal. „Ich bin so froh, dass sie normal mit mir umgeht!“, nimmt Florian mich nach der nächsten Vorlesung zur Seite, als Nina gerade zu den Toiletten verschwunden ist. „Ich hatte Angst, dass sie mir aus dem Weg geht, aber das tut sie nicht...“ „Das wäre ja auch ziemlich lächerlich...“, kommentiere ich, meine Antwort erhalten. Sie sind also kein Paar und wollen so tun, als wäre nichts vorgefallen? Toller Plan... Ich wende den Blick ab zum schwarzen Brett und schlucke jegliche Ironie herunter. Kurz darauf höre ich Ninas Schritte und wir setzen uns in Bewegung mit Ziel Mensa. Während Florian ein Gespräch beginnt, kann ich nur zwischen den beiden hin und her sehen und bekomme langsam das Gefühl, in irgendeinen grottenschlechten Film geraten zu sein. Toll, dass ihr so einfach auf Normalität umschalten könnt... Schade nur, dass ich damit so gar nicht umgehen kann. Das Mittagessen und ein Praktikum hinter mich gebracht, verabschiede ich mich. Ich ertrage diese Honigkuchenpferd-Stimmung einfach nicht eine Sekunde länger! Auf dem Weg zu Andris, nach dessen beruhigender Nähe ich mich schon wieder sehne, frage ich mich, woher meine miese Laune kommt. Sollte ich nicht froh sein, dass es Florian gut geht? Ja, das sollte ich... doch so einfach ist das nicht. So viel hat sich doch für ihn geändert, lässt er sich aber nichts davon anmerken. Wie schafft er das bloß? Ich würde am liebsten die ganze Zeit schreien, weil ich es nicht ertrage, zu wissen, dass ich nie eine Chance bei ihm haben werde und er... er tut, als wäre nie etwas geschehen! ~ * ~ Der Dienstag vergeht ähnlich strahlend, so als würden Bienen in pinken Tütüs herumfliegen und alles ist rosig. Ich könnte kotzen! Als die Bienen am Mittwoch noch zahlreicher erscheinen, halte ich es nicht mehr aus. „Ich ertrag das nicht länger!“ Mit diesen Worten springe ich auf, gehe zum Prof und bitte ihn, heute das Praktikum früher verlassen zu dürfen. Vielleicht sehend, wie wichtig es mir ist, nickt er griesgrämig und ich suche das Weite. „Warte doch mal!“, hält mich am Parkplatz eine hektische Stimme davon ab, in mein Auto zu steigen. Mit finsterem Blick sehe ich mich zu Florian um. Als ich ihn sehe, scheint alles aus mir herausbrechen zu wollen, all meine Wut, meine Trauer... einfach jede kleine Emotion, die ich so lange so tief vergraben habe. Ich packe ihn bei den Schultern und will ihn schütteln, doch schließlich starre ich ihn nur an. „Was hast du denn?“, fragt er, mit den Fingern vorsichtig meinen Kopf berührend. Ich reiße ihn zur Seite. „Gar nichts!“, zische ich, die Wut bestmöglich unterdrückend. Er kann nichts dafür!, schreie ich mich innerlich an. Er will doch nur mit der Person weiterhin gut auskommen, in die er verliebt ist! Das ist etwas vollkommen Normales! Ja, natürlich ist es das, aber wie schaffst du es so einfach, fröhlich zu sein? „Wie machst du das?“, schreie ich ihn an und er wäre zurückgewichen, hätte ich ihn nicht weiterhin festgehalten. Ich lasse ihn los. „Was?“ „Das alles! Du tust, als wäre nichts geschehen, obwohl du die ganze Zeit traurig sein solltest. Sag mir verdammt noch mal, wie das geht!“ Unverständnis spricht aus seinem Blick. Was ich mich so aufrege, fragen seine Augen, und ich verstehe, dass sie es tun. Er kennt meine Situation nicht, natürlich ist er verwirrt. „Vergiss es!“, fahre ich herum und stampfe zum Auto zurück. „Was ist denn los mit dir?“, ruft er mir hinterher. „Nichts!“, schreie ich und schließe die Autotür auf Ich steige ein, und obwohl ich ihn noch etwas sagen höre, schlage ich die Tür hinter mir zu und starte den Wagen, rase vom Parkplatz. Ich hätte deine Unschuldsmiene nicht eine Sekunde länger ertragen. Nach einer halben Stunde des sinnlosen Herumkurvens schlage ich – mal wieder – den Weg zu Andris ein. Er ist schlichtweg im Moment die einzige Person, mit der ich das Gefühl habe, reden zu können. Er versteht mich wenigstens und ist für mich da! Als ich bei der WG ankomme, macht mir dasselbe Mädchen auf wie letztes Mal. „Wenn du zu Andris willst, er ist nicht-“ „Ist er nicht?“ Cora schüttelt den Kopf. „Kann ich trotzdem reinkommen?“ „Ich... ich weiß nicht.“ „Es ist okay!“, sehe ich sie eindringlich an. „Ich werde mich in seinem Zimmer verstecken und warten, dass er wiederkommt.“ „Ich-“ „Bitte!“, fast flehend. „Na gut...“, tritt sie zur Seite, um mich reinzulassen. „Danke.“ Ich lächle sie an und verschwinde dann in Andris’ Zimmer. Ich lasse mich aufs Bett fallen und starre gegen die Decke, den bekannt beruhigenden Geruch dieses Raumes in mir aufnehmend, der es aber nicht schafft, mich ohne Besitzer wirklich zur Ruhe zu bringen. Ich sehne seine Arme herbei, seine Lippen, seine Wärme... Warum ist er nicht hier, wenn ich ihn brauche? Wo ist er bloß? Die Uhr verrät mir, dass ich fast eine ganze Stunde gewartet habe, als Andris endlich auftaucht. „Was machst-“, fragt er überrascht und ich springe sofort vom Bett auf. „Wieso kommst du so spät?“, fahre ich ihn an, aus irgendeinem merkwürdigen Grund, der mir eigentlich selbst nicht einleuchtet. „Äh... ich war in der Uni?“ „Und das war wichtiger als ich?“ „Moment mal!“ Er hebt die Hände. „Ich wusste nicht, dass du hier bist!“ „Na und? Du hättest hier sein sollen!“ Ich fauche, wütend, total sinnlos – doch ich kann mich gerade einfach nicht beruhigen. Er war nicht hier! Ich hätte ihn so sehr gebraucht! „Mīļotā, was ist denn los?“ „Nenn mich nicht so!“ Ich balle meine Hände zu Fäusten. „Du hast doch gar keine Ahnung!“ „Jetzt mach aber mal halblang!“, kommt er nun mit wütendem Blick auf mich zu. „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Schrei mich nicht so an!“ „Ich schreie nicht!“, schreie ich – und obwohl es mir sofort bewusst wird, senke ich meine Stimme nicht. „Und sag mir nicht, was ich zu tun habe!“ „Mīļ- Lukas, beruhige dich!“, streckt er die Hand aus. „FASS mich nicht an!“ „Was verdammt noch mal ist denn los?“ „Du warst nicht da!“ „Aber jetzt bin ich da!“ „Ja... aber jetzt... SCHEIßE!“ Ich trete gegen das Sofa, was mir einen höllischen Schmerz einbringt und mich nur noch wütender macht. Eine Hand berührt mich, ich schlage sie grob weg. „Wie könnt ihr alle so normal tun?“, schreie ich ihm ins Gesicht. „Wer wir?“ „Florian, Nina, du... alle halt! Merkt denn keiner, wie scheiße das ist? Wie scheiße es mir geht?“ „Natürlich merke ich das! Darum bin ich doch für dich da!“ „Für mich da? Du willst doch nur ficken! Die ganze Zeit tust du, als wäre es dir wichtig, aber dann küsst du mich wieder und zeigst, was du wirklich willst! Du willst meinen Körper, mehr nicht. Klasse, super, so was kann ich jetzt echt gut gebrauchen, nachdem mir das Herz gebrochen wurde! Aber vergiss es! Ich lass mich nicht so ausnutzen! Nicht von dir, Schwuchtel!!“ Als ich verstumme scheint alles zu verstummen. Andris sieht mich an, aus düsteren Augen, die mir ins Herz stechen. Dann dreht er sich um und deutet zur Tür. „Raus“, kommt es kalt. „Andris, das-“, „VERSCHWINDE!“ Nur eine Sekunde zögere ich, dann stürme ich an ihm vorbei zur Tür, meine Schuhe und meine Jacke in der Hand und die Worte „Du kannst mich mal!“ von mir stoßend. Erst auf der nassen Straße wird mir ersteres bewusst. Schnell schlüpfe ich hinein, hebe beim Aufrichten den Blick zum Fenster, in dem ich ihn stehen sehe. Als er meinen Blick bemerkt, zieht er die Vorhänge zu. „DU ARSCHLOCH!“, brülle ich und zeige den Mittelfinger, während in mir ein höllischer Schmerz entflammt, den ich zu unterdrücken versuche. „Du verficktes ARSCHLOCH!“ Ich drehe mich um und stürme zu meinem Auto. Schnell ist der Gang getreten und ich flitze die Straße hinunter. Bloß weg von hier! Erst als ich vor meiner Wohnung zum Stehen komme, wird mir klar, was soeben geschehen ist. Heulend breche ich hinter dem Steuer zusammen. ENDE KAPITEL 4 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)